Anspruch und Wirklichkeit beim Unterrichten

  • Liebe Community,


    geht es euch manchmal auch so, dass ihr mit anderen Aufgaben so ausgelastet seid, dass die Unterrichtsplanung leidet? Derzeit habe ich privat und beruflich mit einigen Aufgaben zu kämpfen, wodurch die Unterrichtsplanung teils ,,husch husch'' ist, weil ich auch nicht einsehe bis Mitternacht daran zu sitzen. Ich bin psychisch auch erkrankt und fühle mich sehr ausgelaugt, der Job hilft dabei nicht wirklich.


    Ehrlich gesagt schafft das bei mir aktuell große Unzufriedenheit. Ich würde gerne gründlicher planen, aber komme momentan absolut an die Belastungsgrenze im Allgemeinen und möchte nicht darüber hinausgehen. Dadurch habe ich aber das Gefühl, dass ich nur langweilige 08/15 Stunden mache. Die Klassen sehen das nicht so und ich bekomme positive Rückmeldungen bei Evaluationen, aber wirklich beruhigen tut es mich nicht.


    Kennt ihr solche Phasen und wie geht ihr damit um? Kennt ihr es, hohe Anforderungen an euch selbst zu stellen und tut ihr das immer noch oder seid ihr vllt. sogar davon abgerückt? Ich versuche es, schaffe es aber nicht und bin an euren Erfahrungen interessiert.

  • Das kann ich gut verstehen, denn das geht mir momentan genauso. Ich habe einfach kaum noch Kraft. Unterrichtsplanung ist die Stellschraube, an der ich noch etwas drehen kann, ergo drehe ich daran. Ich profitiere in manchen Klassen von sehr guten Ausarbeitungen aus früheren Jahrgängen auf die ich zurückgreifen kann und versuche in anderen Klassen zumindest reihum die Kraft aufzubringen und Zeit zu finden, um alle 2-3 Wochen eine "schönere" Stunde planen zu können. Ich habe gerade zuletzt erst mit meinem Vater (pensionierter SL) darüber gesprochen. Er meinte direkt zu mir, dass er in solchen Phasen immer bei der Unterrichtsplanung zurückgeschraubt hätte, damit er diese gut packen konnte. Gerade die Zeit vor Weihnachten ist ja auch ohne Corona sehr anstrengend und dieses Jahr nicht etwa leichter geworden. Insofern sei nicht so streng mit dir, sorg gut für dich und geh vor allem nicht über deine Belastungsgrenze. Niemandem ist geholfen, wenn du für eine Handvoll "schönerer" Unterrichtsstunden die deinem Anspruch genügen länger ausfällst krankheitsbedingt. Du machst das gut! Halt dich am Feedback deiner Klassen fest und dann erlaube dir vor allem, dich über die Ferien möglichst gut zu erholen. :troest:

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • geht es euch manchmal auch so, dass ihr mit anderen Aufgaben so ausgelastet seid, dass die Unterrichtsplanung leidet?

    Definitiv, zumindest phasenweise. Bei mir ist es dann so, dass ich eher bei den unteren Klassen (v. a. Unterstufe) Abstriche mache, was aber daran liegt, dass ich den Stoff wirklich aus dem Effeff kann und die einfachen Texte schon fast auswendig kann.

    Bei mir liegt es allerdings eher an den zusätzlichen Themen und Aufgaben (teilweise natürlich auch privat) als am Psychischen, aber belasten tut es mich auch teilweise, weil ich dann das Gefühl habe, dass die Stunden nicht so gut durchdacht sind und es macht sich eine Unzufriedenheit breit.

  • symmetra : Meinst du mit "anderen Aufgaben" zusätzliche schulische Aufgaben oder außerschulische? Und wenn du dich auf schulische beziehst: Welche sind denn das, die bei dir solch einen hohen Zeitaufwand mit sich bringen?

    Mir geht es nicht so, muss ich sagen. Ich habe mich mittlerweile recht gut organisiert und bekomme Unterrichtsvor- und -nachbereitung (inkl. Korrekturen) ganz gut "gewuppt". Zusatzaufgaben in der Schule habe ich - bis auf eine stellvertretende Teamleitung, die aber nicht sehr zeitaufwändig ist - allerdings nicht (mehr).

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Er meinte direkt zu mir, dass er in solchen Phasen immer bei der Unterrichtsplanung zurückgeschraubt hätte, damit er diese gut packen konnte. Gerade die Zeit vor Weihnachten ist ja auch ohne Corona sehr anstrengend und dieses Jahr nicht etwa leichter geworden.

    Danke für deine lieben Worte.

    Aber hier liegt auch der Knackpunkt: Ich schraube daran, aber gleichzeitig ist es für mich das Kerngeschäft. Also schraube ich nur daran, damit ich den anderen - in meinen Augen eher nervigen - Kram schaffen kann. Das macht echt unzufrieden.

    symmetra : Meinst du mit "anderen Aufgaben" zusätzliche schulische Aufgaben oder außerschulische? Und wenn du dich auf schulische beziehst: Welche sind denn das, die bei dir solch einen hohen Zeitaufwand mit sich bringen?

    Damit meine ich tatsächlich Aufgaben, die zu unserem Alltag gehören. Noten erheben, Prüfungen konzipieren, Prüfungen durchführen, Listen en masse führen und in andere Listen übertragen, Termine planen, sich summierender Kleinkram zwischendurch und korrigieren, korrigieren, korrigieren. Englisch ist da als Fach undankbar, besonders bei den Prüfungsformaten. Dazu dann noch Zusatztermine durch Konferenzen, Teamsitzungen und Elterngespräche. Ich habe das Gefühl, dass mich all das auffrisst und ich zu dem wirklich wichtigen, der Unterrichtsplanung, in der veranschlagten Zeit kaum komme. Also spare ich da, weil ich mich nicht selbst ausbeuten will. Unterm Stricht habe ich dann viele Aufgaben, die mir keinen Spaß machen und spare notgedrungen an dem, was mir Spaß macht.


    Davon abgesehen habe ich dieses Schuljahr eine erhöhte Unterrichtsverpflichtung, weil ich Minusstunden ausgleiche und das ist halt teilweise sehr anstrengend.

  • Ist bei mir auch so, einerseits aus Zeitmangel, andererseits aber auch durch die besondere Situation. Rollenspiele, Talkshows und andere kreative Methoden gehen halt im Moment nicht wegen Corona. Ich muss viel mit Texten arbeiten, weil die SuS Lücken aus dem letzten Jahr haben.

    Vor Corona aber habe ich auch gemerkt, dass sich eine Routine eingeschlichen hat und meine Methoden immer langweiliger werden, jetzt, nach fast 15 Berufsjahren. Aber wenn ich so mitbekomme, was KuK im Unterricht machen, bin ich noch recht happy - und die Rückmeldung bekomme ich auch von den SuS.

    Es ist schade, dass das Kerngeschäft wegen der ganzen anderen Krams so leidet, aber das ist das System. Wenn es wichtiger ist, ohne Ende Papierkram zu erledigen als guten Unterricht vorzubereiten, dann ist das halt so .... da muss man sich distanzieren ...

  • Damit meine ich tatsächlich Aufgaben, die zu unserem Alltag gehören. Noten erheben, Prüfungen konzipieren, Prüfungen durchführen, Listen en masse führen und in andere Listen übertragen, Termine planen, sich summierender Kleinkram zwischendurch und korrigieren, korrigieren, korrigieren. Englisch ist da als Fach undankbar, besonders bei den Prüfungsformaten. Dazu dann noch Zusatztermine durch Konferenzen, Teamsitzungen und Elterngespräche.

    Das finde ich jetzt alles nicht so wild, muss ich sagen. Ist aber evtl. auch eine Frage der Routine.


    Notengebung und Prüfungserstellung sowie -durchführung finden ja nicht allzuoft statt und der Korrekturaufwand in Englisch ist bei mir auch nur im BG und in der FOS sehr hoch.

    Welche Termine musst du denn planen? Klassenarbeitstermine plane ich i. d. R. einmal zu Beginn jeden Halbjahres (manchmal auch zusammen mit parallel unterrichtenden KuK; wir erstellen auch teilweise zusammen Klausuren und Prüfungen). Weitere Termine brauche ich nicht zu planen, da sie von der SL vorgegeben werden; z. B. Termine für Elternabend und Elternsprechtag, ....

    Und irgendwelche Listen führen und übertragen muss ich auch nicht. Welche sind denn das alle bei dir, wenn du "en masse" schreibst? Ich kopiere mir lediglich ab und an die Fehlzeiten aus meinem Klassenbuch, muss diese aber nur einmal pro Halbjahr - für die Zeugnisse - zusammenrechnen. Weitere Listen, die ich regelmäßig führen müsste, fallen mir jetzt gar nicht ein.

    Konferenzen bzw. Dienstbesprechungen und Teamsitzungen haben wir an meiner Schule max. insgesamt sechs pro Halbjahr (meistens weniger) plus Zeugniskonferenzen an zwei Nachmittagen Ende Januar und vor den Sommerferien. Eltern- oder Ausbildergespräche fallen an meiner Schulform auch nicht besonders oft an.


    Das tut mir sehr leid, dass die genannten Tätigkeiten bei dir so viel Zeit fressen, dass du gar nicht mehr zur Unterrichtsplanung kommst :( !

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • ... Die Klassen sehen das nicht so und ich bekomme positive Rückmeldungen bei Evaluationen, aber wirklich beruhigen tut es mich nicht.


    ... Kennt ihr es, hohe Anforderungen an euch selbst zu stellen und tut ihr das immer noch oder seid ihr vllt. sogar davon abgerückt?...


    Unterm Stricht habe ich dann viele Aufgaben, die mir keinen Spaß machen und spare notgedrungen an dem, was mir Spaß macht.

    Zur Präzisierung: Macht dir Unterrichtsvorbereitung wirklich Spaß, oder bist du unzufrieden mit der knappen U-Vorbereitung, weil du mehr von dir erwartest?

  • Ich denke, wenn es um das selbstzerstörerische Gefühl geht, dass man seinen eigenen Ansprüchen nicht genügt, dann ist es etwas anderes als die Enttäuschung darüber, dass man gerade mehr langweilige als schöne Aufgaben erledigt. Das zweite könnte man durch Umorganisieren und Rationalisieren vielleicht verändern. Das erste ist m.E. ein größeres Projekt der Kategorie "Arbeit an sich Selbst" und zwar idealerweise mithilfe einer beraterisch/therapeutisch ausgebildeten Person.


    Und ja, ich kenne das auch zumindest in anderen berufsbezogenen Bereichen und es wird nicht von alleine besser.

    Einmal editiert, zuletzt von karuna ()

  • symmetra Es geht mir ganz genauso, ich kann dich so gut verstehen! Wenn ich was gefunden habe, was hilft, gebe ich dir Bescheid. Bis dahin lese ich hier mal weiterhin interessiert mit. Und @karuna hat einen guten Punkt angesprochen, zumindest bei mir ist es schon auch so, dass ein Teil des Problems mein eigener Anspruch an mich selbst ist. Mein "innerer Zweifler" ist häufig sehr penetrant.

  • Ich bin froh, dass ich ein durchschnittlicher Mensch (zumindest glaube ich das) bin.

    Genau, dann kann man sein eigenes (Un-)Vermögen besser akzeptieren. Die Gelassenheit wurde leider nicht jedem mitgegeben.

  • Aber hier liegt auch der Knackpunkt: Ich schraube daran, aber gleichzeitig ist es für mich das Kerngeschäft.

    Naja, für Dich ist es das Kerngeschäft - aber gemessen an den sonstigen Aufgaben ist es das eben nicht. Vielleicht solltest Du Dich an den Gedanken gewöhnen. Wenn Du als Gartenzwergschnitzer ausgebildet und angestellt bist, in der Gartenzwergschnitzerei aber den Onlineshop betreust, dann kommst Du halt nicht mehr so viel zum Gartenzwergschnitzen. Das ist dann halt so.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Ich habe mir eure Beiträge angesehen und mir etwas Gedanken gemacht.


    Also erst mal bin ich offensichtlich nicht alleine damit, was mir das Gefühl gibt, dass ich etwas weniger irre bin als ich mich fühle. Pluspunkt.


    Dann denke ich aber:


    Ich wurde in der Ausbildung völlig auf Unterrichtsplanung getrimmt und beherrsche das auch sicher und es gefällt mir auch. Und nun habe ich das Gefühl, dass mein Job zu 70% aus Verwaltung und heisser Luft auf Konferenzen und in Gesprächen besteht. Darüber kann ich mich ärgern.


    Dann kann ich das aber auch einfach hinnehmen – Stichwort Gartenzwergschnitzer – und mich über die Annehmlichkeiten des Jobs und die vorhandenen schönen Erlebnisse freuen, die mir der Job auch beschert.


    Perspektive 2 kommt mir gesünder vor. Ich bin aber eher bei Perspektive 1: Warum der ganze Hokuspokus im Ref, wenn die dadurch erworbenen Kompetenzen doch nur brachliegen und ich gefühlt überwiegend mit stupider Kacke beschäftigt bin. Ich habe heute z.B. ewig Zeit damit verbracht, online irgendwelche Noten zurückzumelden und SEK 1 Klassenarbeiten durchzuackern und gefühlt geht das seit Monaten so. Nun muss ich für die Zeugnisse meine Listen umtragen und muss irgendwelche Kompetenzkreuzchen bei 200 Schülern setzen. Es ist mir echt zu dumm.


    Sorry, brauche das grad auch etwas als Ventil, aber vielleicht könnt ihr das ja nachfühlen.

  • ...

    Dann kann ich das aber auch einfach hinnehmen – Stichwort Gartenzwergschnitzer – und mich über die Annehmlichkeiten des Jobs und die vorhandenen schönen Erlebnisse freuen, die mir der Job auch beschert.

    Definitiv, wenn du alt werden willst in diesem Job, dann ist Akzeptanz sicher ein Teil einer gesunden Lösung.


    Aber es gibt auch Möglichkeiten der Effektivitätssteigerung. Wenn ich eine Liste in eine andere übertragen soll, die sich durch die erste lediglich in der Formatierung unterscheidet, sage ich "no sir" und kopiere Liste eins.


    Und zum Thema Ref: dort lernt man, Stunden didaktisch gut aufzubereiten. Die Berufserfahrung sorgt dann dafür, dass es immer schneller geht. Bei jedem einzelnen Quereinsteiger ohne vernünftige Begleitung den ich sehe, bin ich dankbar fürs Ref. Bitte, bitte möge niemand je auf die Idee kommen, selbiges zu streichen. Natürlich finden auch Quereinsteiger einen Weg, aber auf Kosten der Kollegen, der Schüler und soundsooft ihrer eigenen Berufszufriedenheit in der doppelten Zeit wie das Ref dauert.

  • Ich bin aber eher bei Perspektive 1: Warum der ganze Hokuspokus im Ref, wenn die dadurch erworbenen Kompetenzen doch nur brachliegen und ich gefühlt überwiegend mit stupider Kacke beschäftigt bin. Ich habe heute z.B. ewig Zeit damit verbracht, online irgendwelche Noten zurückzumelden und SEK 1 Klassenarbeiten durchzuackern und gefühlt geht das seit Monaten so. Nun muss ich für die Zeugnisse meine Listen umtragen und muss irgendwelche Kompetenzkreuzchen bei 200 Schülern setzen. Es ist mir echt zu dumm.

    Die im Ref erworbenen Kompetenzen liegen nicht brach. Sie sind dir vermutlich so in Fleisch und Blut übergegangen, dass du gar nicht mehr merkst (und das ist positiv), dass du diese eigentlich hast. Sie erleichtern dir deinen beruflichen Alltag aber enorm. Vergleiche das mal mit Auto fahren: Die Fahrschule war durchaus anstrengend und man musste wahnsinnig viel in Theorie und Praxis lernen - jedenfalls kam es einem so vor. Steigt man heute in ein Auto, geht alles wie von selbst.


    Für das durchaus nachvollziehbare Gefühl der falschen Gewichtung von Tätigkeitsmerkmalen möchte ich dir ans Herz legen, eine konsequente Arbeitszeiterfassung zu machen. Dabei wirst du vermutlich feststellen, dass Unterricht und dessen Vorbereitung noch immer - wie gewünscht - einen Großteil der Arbeitszeit ausmachen. Gleichzeitig hat man damit ein Instrument des eigenen Arbeitszeitmanagements und für den Notfall eine gute Grundlage für ein Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräch über Aufgabenverteilungen in der Hand.

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