Warum will keiner Berufsschullehrer werden?

  • Naja, der Betreff sagt es ja schon....ich habe irgendwo letztens einen Bericht darüber gesehen, dass es den Berufsschulen an Lehrern mangelt und fragte mich dann, wie das sein kann?

    Das ist doch der lässigste Job der Welt, da:

    - relativ motivierte Schüler (da ja auch schon älter und motiviert, in der Ausbildung gute Noten zu erhalten)

    - Lehrprogramm steht fest (die Inhalte einer Ausbildung stehen ja weitestgehend fest)

    - oft Verbeamtung -> Sicherheit + gutes Gehalt


    Warum wählen so wenig Leute den o.g. Weg und schlagen den Weg für andere Schulformen (Gymnasium, Grundschule,...) ein?


    Ich denke da an einen damaligen Berufsschullehrer, der den Job als Quereinsteiger gemacht hat, es aber auch pädagogisch gut drauf hatte, der sagte: "Ich empfehle jedem den Job als Berufsschullehrer, wenn man einen lässigen Job mit sehr gutem Gehalt, Sicherheit und ein geregeltes Leben haben möchte"

    Warum macht das keiner? Warum wollen sich die meisten Lehramtsstudenten mit pubertierenden und Nervenden Jugendlichen, deren Eltern usw. auseinandersetzen?

  • Es wollen schon viele Berufsschullehrer werden. Das Problem ist nur, dass viele rausgeprüft werden. Will man Berufspädagoge werden und angehende Facharbeiter und Handwerker unterrichten, muss man Fächer wie Elektrotechnik, Metall etc. studieren, dort fallen aber viele an der Uni durch die Klausuren (Durchfallquoten oft 80 Prozent), weil die Anfoderungen sehr hoch und die Lehre erschreckend schlecht ist.


    Im Referendariat werden Referendare oft unter fadenscheinigen Gründen rausgeprüft, weil die Lehrerseminare einen Elitestatus beanspruchen und daher feste Durchfallquoten haben, egal wie gut der Referendar in der Lehrprobe war.


    Schließlich kommt noch hinzu, dass das Unterrichten an Berufsschulen in bestimmten Klassen, die das Berufsvorbereitungsjahr absolvieren, eine Berufsfachschule besuchen oder die Fachoberschule besuchen, aufgrund der Disziplinlosigkeit vieler Schülerinnen und Schüler enorm stressig ist. Da stehen auch schon gestandenen Lehrerinnnen und Lehrern (!) die Tränen in den Augen,. wenn sie die Klasse nicht diszipliniert bekommen.

  • Hallo!


    Der Durchschnittsabiturient kennt 4 Jahre Grundschule und 8-9 Jahre Gymnasium. Bei Lehramtsinteressierten ist dann häufig der Grundgedanke, es genauso wie die Vorbilder "da vorne" zu machen. Oder das genaue Gegenteil; man fand den Unterricht nicht gut und glaubt, es selbst besser machen zu können. Es liegt da durchaus nah, an eine Schulform zu gehen, die man bereits kennt, und dann am liebsten mit Fächern, die man selbst in der Schule hatte und mochte.

    Bei der Berufsschule hast du wiederum zwei "Probleme": Einmal die Schulform, die viele Absolventen aus eigener Schülererfahrung nicht kennen und daher nicht auf dem Schirm haben, andererseits Fächer, die man vom Gymnasium so nicht kennt (z.B. Elektrotechnik).

    Am ehesten hilft wahrscheinlich, Werbung für den Berufsschullehrerberuf zu machen, in der Hoffnung, dass sich manch ein Abiturient denkt: "Ja, das könnte genau das Richtige für mich sein!".


    Mit freundlichen Grüßen

  • Warum wollen sich die meisten Lehramtsstudenten mit pubertierenden und Nervenden Jugendlichen, deren Eltern usw. auseinandersetzen?

    Viele noch pubertierende und oft nervende Jugendliche zwischen 15 und 17 finden sich im Übrigen an einer berufsbildenden Schule auch. Zwar nicht unbedingt in den Berufsschulklassen, wohl aber häufig in den Vollzeitschulklassen, z. B. bei uns in den Berufseinstiegsklassen und den Berufsfachschulklassen.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Zitat

    Das ist doch der lässigste Job der Welt


    Irgendwas muss ich völlig falsch gemacht haben. Warum bin ich nicht Berufsschullehrer geworden? Warum hat mir das niemand gesagt?


    :autsch:

  • Es wollen schon viele Berufsschullehrer werden. Das Problem ist nur, dass viele rausgeprüft werden. Will man Berufspädagoge werden und angehende Facharbeiter und Handwerker unterrichten, muss man Fächer wie Elektrotechnik, Metall etc. studieren, dort fallen aber viele an der Uni durch die Klausuren (Durchfallquoten oft 80 Prozent), weil die Anfoderungen sehr hoch und die Lehre erschreckend schlecht ist.


    Im Referendariat werden Referendare oft unter fadenscheinigen Gründen rausgeprüft, weil die Lehrerseminare einen Elitestatus beanspruchen und daher feste Durchfallquoten haben, egal wie gut der Referendar in der Lehrprobe war.


    Schließlich kommt noch hinzu, dass das Unterrichten an Berufsschulen in bestimmten Klassen, die das Berufsvorbereitungsjahr absolvieren, eine Berufsfachschule besuchen oder die Fachoberschule besuchen, aufgrund der Disziplinlosigkeit vieler Schülerinnen und Schüler enorm stressig ist. Da stehen auch schon gestandenen Lehrerinnnen und Lehrern (!) die Tränen in den Augen,. wenn sie die Klasse nicht diszipliniert bekommen.

    Also, bei uns in NDS ist die Zahl derjenigen, die das Lehramt an berufsbildenden Schulen studieren, in den letzten Jahren/Jahrzehnten gesunken.

    Dass an der Uni viele bei den Klausuren oder im Referendariat durchfallen, ist hier nicht der Fall.

    An den BFSn und BESn (so heißt bei uns das BVJ mittlerweile) gibt es zwar des Öfteren nervige SuS, aber mit denen sind wir auch noch immer klar gekommen. Wer sich nicht benimmt, bekommt halt eine Ordnungsmaßnahmenkonferenz. In der FOS habe ich noch nie disziplinlose SuS erlebt.

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  • Will man Berufspädagoge werden und angehende Facharbeiter und Handwerker unterrichten, muss man Fächer wie Elektrotechnik, Metall etc. studieren

    Ich studiere beispielsweise Englisch und Politik auf Lehramt. Es gibt doch sicherlich auch mindestens Englisch an solchen Schulen, was man dann unterrichten kann oder?

  • Erzähl doch mal ein bisschen, was findest du daran stressig? Falls du an einer Berufsschule arbeitest, würde ich mich über ein paar Einblicke sehr freuen.

    Wenn ich mal etwas Zeit habe (das wird aber in den nächsten Tagen, also vor den Weihnachtsferien eher nicht der Fall sein), schreibe ich dir gerne mal eine PN dazu. Erstmal soviel: Ich finde nicht, dass sich die Tätigkeit einer Lehrkraft an einer BBS (wie gesagt: die Berufsschule ist nur ein Teilbereich davon!) sehr von der einer Realschul-, Hauptschul- o. ä. Lehrkraft unterscheidet!

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  • Irgendwas muss ich völlig falsch gemacht haben. Warum bin ich nicht Berufsschullehrer geworden? Warum hat mir das niemand gesagt?

    Es gibt ja verschiedene Berufsschulformen, die einen bestimmt weniger stressig als die anderen. FOS wurde zum Beispiel von jemandem hier genannt.

  • Ich studiere beispielsweise Englisch und Politik auf Lehramt. Es gibt doch sicherlich auch mindestens Englisch an solchen Schulen, was man dann unterrichten kann oderI

    In Fachoberschulklassen und Klassen der beruflichen Gymnasien bzw. Wirtschafts- und technischen Gymnasien unterrichtet man auf jeden Fall Englisch.

  • Es gibt ja verschiedene Berufsschulformen, die einen bestimmt weniger stressig als die anderen. FOS wurde zum Beispiel von jemandem hier genannt.

    Fachoberschulklassen sind gerade in Städten heute auch sehr anstrengend. Das Niveau ist ziemlich gesunken auch dort.

  • Ich kann meinen Vorrednern nur Zustimmen. Tatsächlich denkt der durchschnittliche Abiturient nicht über Berufsschulen nach, weil er sie einfach nicht kennt. Wer sich dann dafür entscheidet landet in einem höchst anspruchsvollen Studium, in Fächern mit den "normalen" Studenten, also BWL, Maschinenbau o.ä. Je nach Fachrichtung. Und ja, dort wird tatsächlich ausgesiebt in den ersten Semestern. Im Referendariat wird meiner Erfahrung nach zwar teilweise komisch bewertet, aber ausgesiebt wurden in meinem Jahrgang tatsächlich nur diejenigen, die garnich gingen.


    Wenn jetzt jemand nach dem Studium die Wahl hat in der Wirtschaft unterzukommen, oder für ein Azubi-Gehalt ins Referendariat zu gehen, dann entscheiden sich halt auch nochmal einige gegen den Lehrberuf. Und weil man eben mit den "normalen" Studenten mit studiert nehmen einen die Unternehmen eben auch mit Kusshand. Gerade wenn man im Bereich Maschinenbau oder Elektrotechnik studiert hat. (Das sind die, wo besonders viele Lehrer fehlen)


    Ruhige Kugel... Naja. Es gibt sicher Bereiche, bei denen man eher einfache Schüler hat. Aber in der Berufsvorbereitung oder in Berufen, die diejenigen wählen, die nichts anderes bekommen haben ist es alles andere als einfach.


    Zudem: ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Material es für allgemeinbildende Schulenn zum Kaufen gibt. Für viele Berufe an der Berufsschule gibt es genau 1 Buch, kein Arbeitsheft, keine zusätzlichen Materialien zu kaufen. Wenn ich Unterricht vorbereite, dann erstelle ich alles selbst. Zum Teil sogar die Übungsaufgaben. Weil es einfach nichts gibt. Manchmal nicht mal ein Buch, oder zumindest werden die Bücher nicht ausgegeben an Schüler.


    Und dann die Heterogenität. In Klassen in Berufsschulen sitzen Förderschüler neben Abiturienten, neben ADHS*lern, neben Leuten mit abgebrochenen Sudium, neben 40-jährigen Umschülern in einer Klasse. Das unter einen Hut zu bringen ist auch nicht einfach.


    Nicht falsch verstehen, ich mag meinen Job und empfehle ihn auch weiter. Aber ne ruhige Kugel schieb ich nur in den Ferien. 8)

    Sei konsequent, dabei kein Arsch und bleib authentisch. (DpB):aufgepasst:

  • Manche Seminarausbilder (Fachleiter) vom allgemeinbildenen Gymnasium in Bawü betrachten die beruflichen Schulen als Schulen zweiter Klasse - dorthin kommt laut deren Aussage nur der, der keine EInstellung am allgemeinbildenen Gymnasium bekommt.

    Mich hat auch immer gewundert, woher diese Einstellung den beruflichen Schulen, deren Lehrern und Schülern gegenüber, kommt. Von daher: mich interessiert die Frage auch :D

  • Irgendwas muss ich völlig falsch gemacht haben. Warum bin ich nicht Berufsschullehrer geworden? Warum hat mir das niemand gesagt?


    :autsch:

    Jetzt weißt du ja Bescheid fürs nächste Leben ;) Ich muss schon sagen, dass das Leben als Lehrkraft an beruflichen Schulen, ein gutes ist. Ob das der lässigste Job der Welt ist weiß ich nicht, aber ist schon gut.

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