Kindergarten mit offenem Konzept

  • Hallo zusammen,


    ich wollte mal fragen ob es hier Kollegen gibt, die Kinder aus Kindergärten mit offenem Konzept unterrichten. Merkt ihr bei denen Unterschiede zu den Kindern aus geschlossenen Konzepten?


    Ich frage deshalb, weil unser Kindergarten seit ca. 3 Jahren (mit Unterbrechungen durch Corona) ein offenes Konzept (schlecht) umsetzt. Seitdem können wir die Kinder in der Schule salopp gesagt nicht mehr "gebrauchen". Sie können sich an keinerlei Struktur und Regeln halten, haben zu allem keine Lust mehr und wollen nur das tun, wonach ihnen gerade ist. Jeder Tag in jeder Klasse ist ein Kampf. Rückmeldung an die Verantwortlichen im Kindergarten brachte keine Besserung, dort sind alle vollkommen von dem Konzept überzeugt. Man muss dazu sagen, die Erzieher/innen machen sich es dort auch sehr einfach. In jedem Raum steht eine/r oder zwei und sie schauen nur, leiten nicht an, gehen nicht auf die Kinder ein. Macht einem natürlich das Leben leichter.

    Jetzt habe ich mich mit einer befreundeten Mutter unterhalten, deren fast 4 jährige Tochter ebenfalls in diesen Kindergarten geht. Das Kind ist eigentlich sehr weit für ihr Alter, kennt von zu Hause Grenzen und Strukturen und ist in der Einrichtung heillos überfordert (sitzt wohl den ganzen Tag nur auf dem Flur weil sie sich nicht in die Räume traut und die Erzieher/innen sagen einfach nur sie hätten nicht genug Personal um sich auch noch um solche Kinder zu kümmern). Die Mutter sagte auch, sie erkennt ihre Tochter vom Verhalten her auch zu Hause nicht mehr wieder. Als ich ihr dann sagte, dass wir in der Schule ebenfalls die Auswirkungen des offenen Konzeptes spüren, bat sie mich nochmal das Gespräch mit der Leitung des Kindergartens zu suchen. Ich denke aber dass dies nichts ändern wird. Trotzdem nochmal die Frage an euch:


    Stellt ihr Unterschiede zwischen Kindern aus offenen und geschlossenen Konzepten fest?

    Würdet ihr eure Kinder in so einen Kindergarten schicken oder lieber einen Fahrtweg in Kauf nehmen und sie woanders anmelden (das war nämlich mein Rat an die Mutter)?


    Vielen Dank schonmal!


    Liebe Grüße

  • Keine Erfahrung hier mit schlechten Kindergärten, sorry. Daher ein ganz pragmatischer Rat: Wendet euch an den Träger. Der kann solchem Spuk schnell ein Ende bereiten.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Ich kann nur anekdotisch das berichten, was meine beste Freundin mir immer erzählt: Ihre Grundschule liegt im Einzugsbereich von zwei Kindergärten mit einem offenen Konzept und scheinbar läuft es dort ähnlich...also eigentlich läuft gar nichts, man lässt die Kids einfach mal machen und das böse Erwachen erfolgt dann in der Grundschule. Ich denke, man kann das wahrscheinlich nicht komplett verallgemeinern, aber wenn ich mir anhöre, was in der ersten Klasse meiner Freundin so abgeht, dann scheint das schon auffällig oft die Kids aus den zwei spezifischen Kigas zu betreffen. :/

  • Also ich bin zwar an der Haupt- und Realschule, aber meine Tochter war in einem Kindergarten mit teiloffenem Konzept und alle Freunde auch. Das ist hier super umgesetzt. Die Kinder haben Stammgruppen. In den Gruppen treffen sie sich morgens. Dann wird ein Sitzkreis mit Begrüßung gemacht und die Kinder wählen sich in Räume ein. Es gibt einen Turnraum, Bauraum, Rollenspielraum, Experimenteraum, draußen und viele mehr.

    Einmal wöchentlich bleiben die Kinder in den Stammgruppen und einmal werden sie nach Kleine, Mittlere und Schulis eingeteilt. Das läuft alles sehr strukturiert und funktioniert in der Schule jetzt auch.

    In deinem Beispiel klingt das eher nach einer Aufbewahrungsstätte.

  • Ich hatte damals als GSlehrerin das gleiche Problem. Die Kids aus dem offenen Kindergarten konnten auffällig wenig (z.B. eine Schere richtig halten). Nach Rücksprache mit meinen Kolleginnen erfuhr ich, dass das bereits seit Jahren auffällig war. Unter dem Deckmantel des Offenen Konzepts kann man auch ganz gepflegt nichts tun. Und ich bin prinzipiell ein Fan von Offenen Konzepten.

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe im Kindergarten meiner drei Kinder mit dem offenen Konzept die Erfahrung gemacht, dass es eine andere Bezeichnung für "Beliebigkeit" bzw. Konzeptlosigkeit ist.

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Unser Kindergarten vor Ort hatte vor 20 Jahren ein recht offenes Konzept, hat über die Jahre aber wieder Abstand davon genommen, sodass es uneins Mischung aus Gruppe, Wahlpflicht-Angebot und Freiem Spiel gibt.


    Ich beobachte eher Unterschiede zwischen den ErzieherInnen und Elternhäusern, leider potenziert sich das gerne: Eltern, die es frei und offen mögen, suchen sich ein solches Angebot fürs Kind, bzw. Eltern, die es anders wünschen, werden aktiv und die Kinder, deren Eltern es egal ist, bleiben in dem KiGa ohne Struktur.

    „Offenes Konzept“ muss aber auch nicht „Konzeptlosigkeit“ heißen und bedeuten.


    Sie können sich an keinerlei Struktur und Regeln halten, haben zu allem keine Lust mehr und wollen nur das tun, wonach ihnen gerade ist.

    Das können viele andere auch nicht und es nimmt von Jahr zu Jahr zu, hat aber bei uns vor Ort weniger mit den KiGa zu tun.

    Eher entwickelt sich der Umgang der Eltern mit den Kindern in eine Richtung, die dazu führt, dass sofortige Bedürfnisbefriedigung direkt auf Wimpernschlag erfolgt.


    Corona hat aber sicher auch einen erheblichen Anteil:

    Die jetzigen Erstklässler waren wenig im KiGa,

    die Zweitklässler auch nicht, dazu Schulschließungen und Wechselunterricht nach den ersten 12 Wochen Schule, in NDS über Monate Wechselunterricht, allerdings in Kleingruppe,

    die Kinder der dritten Klassen hat die Schulschließungen nach Ostern, also mitten im 1. Schuljahr zu einem Zeitpunkt, zu dem die Differenzierung greifen müsste bei Kindern, die beim Lernen auf der Stelle treten.

    Auch beim Lernen zu Hause stellt sich bei vielen ein, das immer jemand direkt daneben sitzen muss, alles mehrfach erfragt werden muss und die Kinder durch jede Aufgabe moderiert werden müssen.

  • ich wollte mal fragen ob es hier Kollegen gibt, die Kinder aus Kindergärten mit offenem Konzept unterrichten. Merkt ihr bei denen Unterschiede zu den Kindern aus geschlossenen Konzepten?

    Zwar nicht unterrichten, aber ich habe als Erzieher in Kindergärten mit geschlossenem und offenem Konzept gearbeitet. Ich merke gewaltige Unterschiede zwischen beiden Konzepten und habe mir schon öfters gedacht "die armen Grundschullehrer*innen. Das was zu ihnen kommen wird, kann absolut gar nichts."

    Ich frage deshalb, weil unser Kindergarten seit ca. 3 Jahren (mit Unterbrechungen durch Corona) ein offenes Konzept (schlecht) umsetzt.

    Das ist bei uns auch seit drei Jahren so. Davor waren alle Kindergärten geschlossen oder nur teiloffen.

    Seitdem können wir die Kinder in der Schule salopp gesagt nicht mehr "gebrauchen".

    Wundert mich kaum.

    Sie können sich an keinerlei Struktur und Regeln halten, haben zu allem keine Lust mehr und wollen nur das tun, wonach ihnen gerade ist.

    Du hast das offene Konzept zutreffend beschrieben. Volle Punktzahl.

    Jeder Tag in jeder Klasse ist ein Kampf.

    Kann ich mir gut vorstellen. Ich schaudere immer noch, wenn ich mich an die Zeit zurückerinnere

    Rückmeldung an die Verantwortlichen im Kindergarten brachte keine Besserung, dort sind alle vollkommen von dem Konzept überzeugt.

    Du musst immer bedenken, dass solche Entscheidungen nicht vom Pädagogischen Fachpersonal gemacht werden. Das gibt der Träger vor und dagegen kann man sich nicht wehren. Das wäre so als würdest du dich gegen das Kultusministerium wehren und sagen "eh, nee, mache ich nicht". Geht nicht. Ich kenne persönlich keine*n Erzieher*in die*der vom Wechsel in das offene Konzept überzeugt oder begeistert war. Eher das Gegenteil. Das hat bei uns dazu geführt, dass vor drei Jahren viele Erzieher*innen deshalb den Träger gewechselt haben oder die Einrichtungsart, weg vom Kindergarten, wie ich auch. Mein Träger hat daher sehr großen Mangel an Erzieher*innen.

    Man muss dazu sagen, die Erzieher/innen machen sich es dort auch sehr einfach. In jedem Raum steht eine/r oder zwei und sie schauen nur, leiten nicht an, gehen nicht auf die Kinder ein. Macht einem natürlich das Leben leichter.

    Wenn du alleine mit 25-30 3-6 jährigen Kindern im Raum bist, die sich unter anderem:


    - immer noch einnässen (Bei uns ist es eine Seltenheit, dass ein 3 Jähriger sauber ist)

    - extremst aggressiv sind

    - kaum der deutschen Sprache mächtig sind


    Dann kannst du nicht viel machen. Du musst aufpassen, dass sich keiner von denen verletzt oder einfach abhaut, was bei der Menge an Kindern, schnell passieren kann. Da geht nichts mit Angeboten. Um dich nur mal von diesem Klischee zu befreien, in dem ich dir die andere Seite schildere.

    Jetzt habe ich mich mit einer befreundeten Mutter unterhalten, deren fast 4 jährige Tochter ebenfalls in diesen Kindergarten geht. Das Kind ist eigentlich sehr weit für ihr Alter, kennt von zu Hause Grenzen und Strukturen und ist in der Einrichtung heillos überfordert (sitzt wohl den ganzen Tag nur auf dem Flur weil sie sich nicht in die Räume traut und die Erzieher/innen sagen einfach nur sie hätten nicht genug Personal um sich auch noch um solche Kinder zu kümmern).

    Das ist leider in so großen offenen Kindergärten Realität und die Aussage, dass sie zu wenig Erzieher haben stimmt. Einfach den oberen Abschnitt lesen und dir die Frage stellen, ob du dann wirklich noch an Angebote oder Förderung denken würdest. Es geht darum, dass du dein Bestes gibst, dass es nicht zu einer Verletzung kommt und mehr nicht. Mehr geht in solchen Strukturen nicht. Aber im Flur sitzen den ganzen Tag geht auch nicht. Die waren bei uns meistens doch mit drinnen, aber sichtlich überfordert mit dem ganzen Chaos. Kein Wunder ist man als Erwachsener auch.

    Die Mutter sagte auch, sie erkennt ihre Tochter vom Verhalten her auch zu Hause nicht mehr wieder. Als ich ihr dann sagte, dass wir in der Schule ebenfalls die Auswirkungen des offenen Konzeptes spüren, bat sie mich nochmal das Gespräch mit der Leitung des Kindergartens zu suchen. Ich denke aber dass dies nichts ändern wird. Trotzdem nochmal die Frage an euch:

    Ihr müsst euch beim Träger beschweren, nicht bei der Leitung. Die kann nichts dagegen tun, weil das offene Konzept vom Träger aufgezwungen wird und es einfach kaum Personal gibt und die Kindergärten immer größer statt kleiner werden.

    Stellt ihr Unterschiede zwischen Kindern aus offenen und geschlossenen Konzepten fest?

    Ja. Ich kann als Erzieher im geschlossenen Konzept und bei guter Besetzung mit den Kindern überhaupt erst Angebote machen und sie wirklich fördern. Ich kann sie wirklich kennenlernen und aktiv begleiten, da ich mich in einer geschlossenen Gruppe, nur um 25 Kinder kümmern muss, mit anderen Erzieherinnen zusammen und nicht versuchen muss irgendwelche zufällig 25-30 Kindern aus 100 Kindern, die gerade in meinem Raum sind, zu bändigen, da wir sowieso stark unterbesetzt sind und 3 Erzieherinnen krank sind.

    Würdet ihr eure Kinder in so einen Kindergarten schicken oder lieber einen Fahrtweg in Kauf nehmen und sie woanders anmelden (das war nämlich mein Rat an die Mutter)?

    Als Erzieher der in so einem Kindergarten leider arbeiten musste, rate ich den Fahrtweg dringend in Kauf. Eure Kinder sind permanent einer Gefahr durch andere aggressive stark gestörte Kinder ausgesetzt und es gibt nicht genug Erwachsene, die sich richtig um sie kümmern können in solchen Einrichtungen! Ich würde immer nach geschlossen und Größe der Einrichtung gehen. Je kleiner desto besser logischerweise. Eingrüppige Einrichtungen also insgesamt nur 25 Kinder sind das Beste.

  • Zwei Freundinnen von mir hatten ihre Kinder in einem Kiga mit offenen Konzept: Bei der einen war es so, dass der Kiga sein Konzept zu diesem offenen umgestellt hatte, als ihr Sohn im letzten Kiga-Jahr war. Er war total unglücklich ohne seinen feste Gruppe, feste Erzieherin und den Raum. Er ist dann der ehemaligen Erzieherin auf Schritt und Tritt gefolgt. Wäre es nicht das letzte Jahr gewesen, hätte meine Freundin den Kiga gewechselt.


    Eine andere Freundin hatte erst keinen Platz für ihre Tochter im Kiga gefunden und daher auch in dem Kiga mit dem offenen Konzept angemeldet. Nach einem Jahr haben sie gewechselt, denn die Kleine hat jeden Tag nur im Waschraum mit Wasser gespielt. Sie hat nicht gemalt, gebastelt oder sich mal im Bewegungsraum aufgehalten.


    Es ist wohl so, ohne sehr aufmerksame Erzieher/innen laufen die Kinder ggf. ziellos durch die Gegend.


    Kigakinder brauchen feste Gruppen, feste Bezugspersonen und einen festen Raum zum Wohlfühlen. Grundschulkindern muten wir doch auch nicht Kurse mit Fachlehrer(inne)n und Fachräumen zu.


    Dass die Kigakinder beim offenen Konzept weniger gefördert werden, erscheint mir total logisch.

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