Referendariat abbrechen oder Alternativen suchen?

  • Hallo zusammen,


    ich habe im Mai diesen Jahres mein Referendariat an einem Gymnasium (NRW) begonnen. Seit Ende der Sommerferien mache ich mir immer mal wieder Gedanken, ob ich das Referendariat abbrechen soll.

    Das liegt an unterschiedlichen Gründen. Ich fühle mich in der Rolle als Lehrer überhaupt nicht mehr wohl. In den zwei Monaten vor den Sommerferien habe ich mich eigentlich noch ganz wohl gefühlt, obwohl wir Referendare in einem anderen Raum sitzen mussten und nicht im Lehrerzimmer sitzen durften. Man hat in Freistunden immer wieder Kolleginnen und Kollegen gehört, die über uns gelästert haben. Andere Kollegen haben uns sogar gesagt, dass die letzten Referendare immer froh waren, sobald sie an eine andere Schule konnten. Die Schüler sind hingegen wirklich in Ordnung.

    Am Anfang war ich noch sehr motiviert, doch das hat sich schnell ins Gegenteil geändert. Vermutlich habe ich zu hohe Ansprüche an meinen eigenen Unterricht und wenn ich nicht richtig vorbereitet bin, werde ich vor der Klasse schnell unsicher und weiß nicht, was ich als nächsten Unterrichtsschritt machen soll. In den letzten Wochen habe ich jeden Tag bis spät abends gearbeitet, weil meine aktuelle Ausbildungslehrerin sehr hohe Ansprüche hat und für jede Stunde einen kompletten Verlaufsplan, Tafelbild, Arbeitsblätter etc. haben möchte. Das hat sich auch auf meinen eigenen Unterricht ausgewirkt, da ich für die Planung kaum Zeit hatte. Immer öfter überkommt mich der Gedanke, dass ich das alles gar nicht möchte. Dass ich auch mal meine Freizeit haben möchte, und dann kommt beim Arbeiten wieder der Gedanke, dass ich nicht aufhören kann, weil ich das fertig machen muss. Dann bekomme ich Panik und starre auf das leere Word-Dokument, weil mir nichts einfällt. Ich brauche Stunden für eine einzelne Unterrichtsstunde und komme dann doch nicht auf einen grünen Zweig, bekomme einen Heulkrampf und scmeiße dann auch schon mal mein Buch durchs Büro, weil ich dann sauer auf mich bin.

    Gedanken wie, "Ich kann das nicht!" und "Ich will das auch nicht!" kommen immer öfter. Außerdem habe ich ständig Kopfschmerzen und bin total überarbeitet. Mittlerweile habe ich sogar Angst morgens in die Schule zu fahren. Ich habe nach dem Abi eine Ausbildung zur Bürokauffrau gemacht, was ich immer langweilig fand, aber jetzt denke ich, dass ich zufriedener in meinem alten Job wäre.

    Mit meinen Eltern habe ich schon über einen möglichen Abbruch gesprochen, die verstehen mich jedoch nicht und sagen, dass ich das Referendariat unbedingt durchziehen soll, weil ich sonst keine Perspektiven hätte. Mit meinem Kernseminarleiter hatte ich auch schon ein Gespräch. Er meinte, ich solle versuchen meinen Hang zum Perfektionismus abzulegen und ich würde mir zu viele Gedanken machen.


    Die Frage bleibt: Soll ich abbrechen oder nicht? Tatsächlich habe ich schon eine Bewerbung als Bürokauffrau rausgeschickt, um zu überprüfen, ob ich überhaupt eine Chance auf dem Arbeitsmarkt hätte.


    Hat jemand von euch Erfahrungen mit einem Abbruch? Oder steckt in einer ähnlichen Situation?


    Liebe Grüße

  • Eine Schwiegertochter hat abgebrochen und ist jetzt Ehefrau und Mutter. Ist auch ein Lebensweg.

    #Zesame:!:


    Konzentrieren Sie sich ganz auf den Text, wenden Sie das Ganze auf sich selbst an. (J.A. Bengel)

  • Mit meinem Kernseminarleiter hatte ich auch schon ein Gespräch. Er meinte, ich solle versuchen meinen Hang zum Perfektionismus abzulegen und ich würde mir zu viele Gedanken machen.

    Das!

    Und vor allem muss man sich klar machen, dass der Lehrberuf hinterher nur noch wenig mit dem Ref zu tun hat. Klar mache ich noch AB und plane meine Stunden, aber je nach zeit mal mehr und mal weniger intensiv. Und nach ein paar Jahren wird es auch ruhiger. Also Freizeit kann und muss man sich durchaus nehmen.

    Ref war stressig, aber es ist machbar.

  • Eine Schwiegertochter hat abgebrochen und ist jetzt Ehefrau und Mutter. Ist auch ein Lebensweg.

    Das ist sicherlich ein Lebensweg... mit dem zweiten Staatsexamen kann man jedoch in aller Regel das Privatleben mit dem Beruf ebenso gut vereinbaren. Man kann Ehefrau, Mutter UND (Gymnasial-)Lehrerin sein.

    Immerhin ist es in wenigen anderen Berufsbildern so "leicht" für längere Zeit Kindererziehung, dauerhaft Teilzeit und eine gute Lebensabsicherung unabhängig vom Lebenspartner unter einen Hut zu bekommen.


    Das gilt natürlich nur, wenn man dem Berufsbild und dessen Anforderungen schlussendlich etwas abgewinnen kann.


    cre8art

    Der Vorbereitungsdienst kann je nach Ausbildungsseminar, Mentor und/oder Ausbildungsschule

    a. eine gewinnbringende Erfahrung sein

    b. oder ein "grenzwertiger" Affenzirkus

    c. oder sogar teilweise beides. ;)


    Als Trost auch von mir - das Referendariat ist nicht unbedingt ein Abbild für den späteren Berufsalltag! So wie du deine momentane Mentorin beschreibst, ist das nicht unbedingt der Regelfall was die Erwartungen an Referendare angeht. Solch einen Planungsaufwand pro Stunde kannst du mit Vollzeit getrost vergessen. ^^


    Deine Entscheidung ist sicherlich keine leichte Entscheidung. Manchmal lohnt es sich zu kämpfen, manchmal erst Abstand zu gewinnen (evtl. eine Auszeit mit Wiedereinstiegsmöglichkeit/Schulwechsel, Seminarwechsel, etc.) und manchmal auch über "weitere Umwege" an seinen Berufstraum schlussendlich erst zu kommen.


    Lass dich gut von der Gewerkschaft beraten, falls du tatsächlich über einen Ausstieg nachdenkst, versuche so viel wie möglich Unterstützung aus deinem privaten Umfeld (Freundeskreis) zu erhalten und nutze evtl. nochmals die kommenden Weihnachtsferien zum Verschnaufen, bevor du die Tür hinter dir schließt.


    Die Entscheidung triffst allein du anhand dessen was du schlussendlich aushältst und welche Perspektive du dem Beruf noch abgewinnen kannst.


    Weiterhin viel Erfolg und Kraft! :top:

  • Machen wir uns nichts vor: Die Zeit von Sommer bis Weihnachten ist auch jedes Jahr die schlimmste! Danach sind dann gleich wieder Winterferien, Osterferien, alle Nase lang Feiertage und ab Juni läuft eh nichts mehr. Von Sommer bis Weihnachten muss man richtig Strecke machen und das merkt man halt. Meine Beobachtung: Wer nach Weihnachten wiederkommt, der packts.


    Zudem: Als Reffi ist man halt der Stift. Lass die Leute doch einfach labern und mach deinen Kram. Prioritisiere deine Aufgaben und lass weg, was nicht wichtig ist und dir auch keine Anerkennung/Bewertung bringt. Sorge dafür, dass Aufwand, den du betreibst, auch tatsächlich wahrgenommen wird.


    Das Ref ist eine anstrengende Zeit und auch danach gibt es noch viele Belastungsspitzen. Das Lehramt wird nie ein nine-to-five-Job sein. Dafür ist die Bezahlung auch deutlich besser und wenn man es geschickt anstellt, kann man es sich recht häuslich einrichten. Mir ist kein Job bekannt, den man so seinen eigenen Vorlieben nach gestalten kann. Aber auch dieser Gestaltungsprozess ist anstrengende Arbeit und erfordert Hartnäckigkeit. Jeder ist seines Glückes Schmied, aber Schmied sein bedeutet eben, einen unförmigen Klumpen heiß zu machen und verdammt oft verdammt doll mit dem Hammer draufzuhauen, bis er endlich halbwegs so aussieht, wie man es haben will.

  • Machen wir uns nichts vor: Die Zeit von Sommer bis Weihnachten ist auch jedes Jahr die schlimmste!

    Das mag ich so nicht stehen lassen. Bei mir - wie vermutlich bei allen Lehrkräften, die Prüfungen vorbereiten, abnehmen und korrigieren müssen - ist die Zeit von Frühjahr (Anfang März) bis ca. eine Woche vor den Sommerferien (nachdem die Zeugniskonferenzen durch und die Zeugnisse geschrieben sind) weitaus "schlimmer" - d. h. arbeitsintensiver - als das erste Halbjahr.

    Zu den Abschluss- und Abiprüfungen kommt bei mir im März auch noch die Arbeit im Aufnahmeausschuss (Bewerbungen für das kommende Schuljahr sichten usw) hinzu.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Das mag ich so nicht stehen lassen. Bei mir - wie vermutlich bei allen Lehrkräften, die Prüfungen vorbereiten, abnehmen und korrigieren müssen - ist die Zeit von Frühjahr (Anfang März) bis ca. eine Woche vor den Sommerferien (nachdem die Zeugniskonferenzen durch und die Zeugnisse geschrieben sind) weitaus "schlimmer" - d. h. arbeitsintensiver - als das erste Halbjahr.

    Zu den Abschluss- und Abiprüfungen kommt bei mir im März auch noch die Arbeit im Aufnahmeausschuss (Bewerbungen für das kommende Schuljahr sichten usw) hinzu.

    Oh ja. Die elend lange Zeit ohne Pause zwischen Ostern und Sommerferien in Ländern, die keine Pfingstferien haben. Ausgerechnet dann, wenn alle eh schon durch sind, gibt's z.T. 14 Wochen ohne Unterbrechung.

  • Ich möchte den Inhalt von Humblebee unterschreichen. Vor allem in Bundesländern wo es gar keine Winterferien oder keine wirklichen Pfingstferien gibt. Da zieht sich auch die Zeit von Weihnachten bis Ostern oft echt lang. Das ist also wahrscheinlich je nach Schulform und Bundesland sehr unterschiedlich und die Persönlichkeit und Lebensumsände spielen auch noch eine Rolle (mag ich den Sommer lieber und bin da aktiver, bin habe ich Kinder mit denen ich auch im Winter versuche im Tageslicht noch raus zu gehen und sitze daher immer nur mit künstlichem Licht am Schreibtisch...)

    Grundschullehrer, die gefühlt von Ostern bis zum Sommer Zeugnisse schreiben findet die Phase wahrscheinlich auch weniger entspannt.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • Oh ja. Die elend lange Zeit ohne Pause zwischen Ostern und Sommerferien in Ländern, die keine Pfingstferien haben. Ausgerechnet dann, wenn alle eh schon durch sind, gibt's z.T. 14 Wochen ohne Unterbrechung.

    Kleine Unterbrechungen durch Feiertage und bei uns in NDS durch den Brückentag nach Himmelfahrt sowie einen Tag Pfingstferien gibt es zwar schon, aber die sind - zumindest bei mir - immer vollgepackt mit Korrekturen von Prüfungs- und Klassenarbeiten.


    Sorry übrigens für OT! cre8art : Ich schließe mich dem an, was Kiggie oben schrieb! Du scheinst ja auch eine etwas "merkwürdige" Schule als Ausbildungsschule erwischt zu haben (extra Zimmer für die Refis, über die Refis herziehende Kolleg*innen, ...); glaub' bitte nicht, dass es in jeder Schule so zugeht.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • extra Zimmer für die Refis

    Das muss so etwas ähnliches sein wie extra Privat-Wartezimmer beim Arzt. Ein Relikt aus Opas Zeiten.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Das muss so etwas ähnliches sein wie extra Privat-Wartezimmer beim Arzt. Ein Relikt aus Opas Zeiten.

    So sieht's aus! Ich habe beides noch nie erlebt (noch nicht mal einen Extra-Tisch für die Refis, von dem ja hier auch schon einige berichtet haben).

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • So sieht's aus! Ich habe beides noch nie erlebt (noch nicht mal einen Extra-Tisch für die Refis, von dem ja hier auch schon einige berichtet haben).

    Ich denke das ist eher so ein Ding fürs Gymnasium. Dafür verschwendet man in beruflichen Schulen keine Energie.

  • Das hängt natürlich ursächlich zusammen mit der unzureichenden Größe des Lehrerzimmers....(so kenne ich das zumindest nur, gar nicht so selten). Referendarstisch hatte ich auch, fand ich gut...

  • Unsere Refis haben auch einen eigenen Tisch. Ist total gut, da sie so wesentlich mehr Platz haben als die anderen Kollegen. Zudem kann man vom Refitisch das ganze Lehrerzimmer überblicken - sind eigentlich die besten Plätze. Einziger Nachteil: das Telefon steht auch dort, aber es klingelt eher selten.


    Deine Ausbildungsschule klingt aber tatsächlich schwierig - aber das ist nicht der Standart! Wichtiger ist doch, dass dir die Arbeit selbst mit den Schülern erstmal grundsätzlich Spaß macht.

  • obwohl wir Referendare in einem anderen Raum sitzen mussten und nicht im Lehrerzimmer sitzen durften. Man hat in Freistunden immer wieder Kolleginnen und Kollegen gehört, die über uns gelästert haben. Andere Kollegen haben uns sogar gesagt, dass die letzten Referendare immer froh waren, sobald sie an eine andere Schule konnten.

    Kindergarten.

    Wie sagt man so schön: Don't give a shit. Zieh dein Referendariat durch. Ist doch nur 1 Jahr noch. Denk in dem Fall nur an dich selbst.

    Wichtig sind nur die Leute, die primären Einfluss auf deine Note haben. Von Kritik nimmste an, was nützlich ist, alles andere kann dir egal sein. Ziehste halt die Show ab, die sie so ungefähr haben wollen und nach dem Ref. hauste dort ebenfalls ab. Siehe die jetzige Phase als Nervenprobe und versuche, das Ganze mal aus "long-term"-Sicht bzw. lebensstrategischer Sicht zu sehen.

    Gut für die Nerven: Ausgleich. (Nein, keine Schokolade.) Geh Joggen/mach Sport - hau richtig rein- gerade wenn du merkst, du verkrampfst und mal schauste auch mal einen schönen Film für das Emotionale etc., bist ja schließlich keine Maschine, sondern ein Mensch, der auch seine Qualitäten hat. Dann Pareto-Prinzip: Wichtig ist immer das große Ganze. Je tiefer es Richtung Mikromanagement-Detail geht, desto beliebiger/verzichtbarer. 80% der Anforderungen kriegt man immer mit relativ geringem Aufwand erfüllt. Der Aufwand steigt erst ab da an exponentiell. Ist immer so, in jedem Studium, in jedem Job. Nicht so viel machen wie möglich, sondern so viel machen wie nötig, solange du mit knappen Ressourcen an Zeit und Nerven zurechtkommen musst.


    Ich hab aber gut reden, mein Ref beginnt erst noch... ;)

  • Dann Pareto-Prinzip: Wichtig ist immer das große Ganze. Je tiefer es Richtung Mikromanagement-Detail geht, desto beliebiger/verzichtbarer. 80% der Anforderungen kriegt man immer mit relativ geringem Aufwand erfüllt.

    Übrigens, Pareto angewendet auf Pareto sind 64% des Erfolgs (also immernoch bestanden!) mit nur 4% des Aufwandes ;)

  • Übrigens, Pareto angewendet auf Pareto sind 64% des Erfolgs (also immernoch bestanden!) mit nur 4% des Aufwandes ;)

    Dann würde ichs aber nochmal machen, das reicht auch noch für 51,2% (auch bestanden) mit nur 0,8% Aufwand.

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