Kappen oder Mützen im Unterricht

  • Den Hinweis auf die Notengebung finde ich überflüssig. Willst du hier irgendwem unterstellen, er vergäbe seine Noten nach Klamotten? :nein:

    (...)

    Das habe ich niemandem unterstellt anders zu machen. Ich habe etwas darüber geschrieben, worauf es mir bei Prüfungen ankommt und worauf nicht, was ich bewerte und was nicht. Ich habe ebenfalls darauf hingewiesen, warum ich mich z.B. im Ref durchaus gewissen Normen gebeugt habe, denn ich wurde vorab von mehreren Menschen die an Seminaren tätig sind darauf hingewiesen, dass es für manche Prüfer durchaus noch eine Rolle spiele wie ein Prüfling sich kleidet und das zwar nicht mit einfließe in die offizielle (schriftlich festgehaltene) Begründung zur Note, aber sie in einigen Fällen (als Beisitzer ohne Mitspracherecht) miterlebt hätten, dass inoffziell die als berufsunangemessen erachtete Bekleidung das Zünglein an der Waage war, wenn jemand zwischen zwei Noten stand, um die schlechtere Note zu geben. Mein Vater hat selbst zwei derartige Fälle miterlebt als Beisitzer, was er später dann, als er selbst Prüfungsvorsitzender war entsprechend unterbunden hat. Es geht nicht darum jemandem hier etwas zu unterstellen, aber durchaus darum aufzuzeigen, welche schwarzen Gräben es rund um derartige Bekleidungsfragen in Prüfungssituationen gibt. Schön, wenn du das überflüssig findest, ich nicht. Ich hatte aber auch im Ref einen Schulleiter, der es sehr wichtig fand den Bekleidungsstil seiner Anwarter:innen zu kommentieren und mit zu bewerten (habe ich sogar schriftlich von dem SL, was immer wieder ungläubiges Kopfschütteln bei anderen Lehrkräften auslöst). Ich habe also selbst erlebt, dass das notenrelevant sein kann, auch wenn es das nicht sein darf.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    • Offizieller Beitrag

    Schön, wenn man von sich behaupten kann, dass solche Details nicht den Eindruck und /oder die Note einfließt.
    Ich bin ganz ehrlich: ich bin sicher, dass ich eingenommen werde. Nicht, dass ich allen Schüler*innen in Jogging-Hosen eine 5 gebe und im Sakko eine 1. Aber alles spielt nunmal eine Rolle. Jogginghose und Schlafhaltung auf dem Stuhl kombiniert mit durchschnittlicher Leistung gepaar mit zu spät kommen oder aufmüpfig sein: ich kann nicht schwören, dass die selbe Leistung aus dem Mund von jemandem in normalen Jeans und gerader SItzhaltung eine andere Note bekommt.
    Genauso, wie ich mich nicht davon freispreche, Schüler*innen, die höflich und freundlich sind, vielleicht mehr zuzutrauen oder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. (und manchmal umgekehrt, weil der Klassenrebelle auch einen anzieht, also ohne festes Muster.).

    Wichtig ist es, das zu reflektieren und sich der Risiken bewusst sein (was zur Hyperkompensation führen kann, haha).

    Denn: Doch, ich hatte schon Jogginghosen im Abitur, genauso wie kurze Hosen (ich muss mich jedes Jahr in eine sehr luftige Bluse zwängen, weil ICH den Anspruch an mir habe, in Schule und erst recht im Abitur meine Schulter zu bedecken und der Abiturtag immer ein super heißer Tag ist). Dann kamen schon Schüler*innen nachmittags in kurzer Hose, weil sie vormittags noch im Freibad waren. Diejenigen, die sich "leicht schick" gemacht hatten, vermitteln sofort einen leicht anderen Eindruck.
    Leider nicht in meiner Prüfung, aber ein Schützenanzug (mit Hut?) war auch schon mal da (15 Punkte).

  • Jogginghose und Schlafhaltung auf dem Stuhl kombiniert mit durchschnittlicher Leistung gepaar mit zu spät kommen oder aufmüpfig sein: ich kann nicht schwören, dass die selbe Leistung aus dem Mund von jemandem in normalen Jeans und gerader SItzhaltung eine andere Note bekommt.

    Bzgl. der Sitzhaltung kann ich das ja noch nachvollziehen, bzgl. der Hosen allerdings nicht. Ich weiß ja nicht, ob ihr Röntgenaugen habt, aber ich kann bei den allermeisten SuS gar nicht sehen, was für eine Hose, Rock, Shorts, ... sie tragen, wenn sie im Klassenraum sitzen. Das sehe ich höchstens bei den SuS in der ersten Reihe oder wenn sie von ihrem Platz aufstehen. Und selbst dann schaue ich dort i. d. R. nicht hin, weil ich den Menschen ins Gesicht und nicht auf ihre Beine gucke ;) .

    Na ja, ich bin ja auch die, die nicht merkt, dass jemand beim Friseur war, wenn sie/er nicht plötzlich kurze statt langer oder türkise statt blonder Haare hat :pfeifen: ... Hinsichtlich Kleidung bin ich ähnlich "ignorant".

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Ich möchte bezüglich Kleidung allgemein mal Folgendenes einwerfen: Kleidung schafft (auch) Hierarchie und die ist nicht per se schlecht sondern absolut notwendig um im Berufsleben klarzukommen. Ich muss wissen, was meine Aufgaben und Pflichten sind und was ausserhalb meines Kompetenzbereichs liegt. In der Schweiz läuft bezüglich Kleidung aber auch Sprache im Sinne von duzen/siezen oder (Nicht)Nennung von akademischen Titeln einiges sehr viel Informeller als in Deutschland und erst recht als in Österreich. Eine recht typische Falle, im die Deutsche im offiziellen Umgang mit Schweizern gerne treten, ist, dass der Gesprächspartner nicht ernst genommen wird weil durch den Verzicht auf gewisse Formalitäten die Hierarchie nicht klar wird. Dem Schweizer ist die aber klar, also fühlt er sich vor den Kopf gestossen. Ich muss mir das nach 10 Jahren immer noch bewusst machen und ich bin ehrlich gesagt froh darüber, dass meine Chefin sich "schick" anzieht und auch optisch schon klar ist, dass sie im Haus offenbar was zu sagen hat. Mich erinnert das immer wieder bewusst daran, dass sie mir gegenüber zwei verschiedene Rollen einnimmt: Ich kann sehr gut beim Kaffee mit ihr tratschen aber sie ist meine Chefin und im gewissen Situationen muss ich das Maul halten. Als Lehrperson pflege ich den Jugendlichen gegenüber auch einen sehr koölegialen Umgang aber tatsächlich habe ich im Laufe der Zeit einen anderen Kleidungsstil gewählt um ihnen die Hierarchie trotz aller Freundschaftlichkeit präsenter zu machen. Ich merke einfach, dass das für beide Seiten nützlich ist. Und manchmal ernte ich aus dem Kollegium einen dummen Spruch, man sei ja gar nicht gewöhnt, dass Chemiker sich anständig anziehen können ;)

  • Vielleicht kommen deine "Klienten" aus Schulen, in denen solche "kleinen" Regeln als unwichtig empfunden werden.
    Wenn man bei "unverfänglichen" Themen wie einem Mützenverbot konsequent die Einhaltung von Regeln einfordert, haben die Schüler eine "billige" Möglichkeit, auszutesten, wie der Lehrer bei Regelverstoß reagiert - zumal man als Lehrer hier mit einem launigen Spruch schnell intervenieren kann - ohne die große Keule benutzen zu müssen.

    Damit müssen die Schüler keine schwerwiegenderen Regelverstöße austesten. Ein Mützenverbot dient damit zur Deeskalation.
    Kannst du gerne auch in Fachliteratur zur Schulpsychologie nachlesen.

    die Früchte davon sind, dass davon genau gar nichts hängen bleibt. Eine Regel die ich nur um der Regel willen befolgen muss hinterlässt genau gar nichts außer vielleicht eine innere Abwehrhaltung.

  • Also offenbar läuft eure mündliche Abiturprüfung doch anders als bei uns - in Österreich ist die mündliche Matura die Prüfung schlechthin für jeden Gymnasiasten mit allem, was dazugehört: 2 Fachprüfer, Schulleiter, und ein Vertreter der Schulbehörde (und manchmal auch Zuhörer - vor allem Schüler der 7. Klassen, die hören wollen, was sie im nächsten Jahr so erwartet). Pandemiebedingt fielen heuer (und letztes Jahr) die Zuhörer und der Vertreter der Schulbehörde aus - aber dennoch ist das bei uns so eine Art rite de passage. Und das wird entsprechend feierlich begangen - samt feierlicher Kleidung.

    Und natürlich ist es auch mein Ziel, die Schüler zu mündigen Bürgern zu erziehen, die Dinge kritisch hinterfragen und nicht alles hinnehmen, was ihnen als gottgegeben (oder von welcher Instanz auch immer) präsentiert wird - aber auch kritisches Hinterfragen kann nicht Selbstzweck sein! Um bei meinem Bild von vorhin zu bleiben: Wenn ich mich mit 50 Sachen der roten Ampel nähere, ist keine Zeit (und wohl auch nicht die passende Gelegenheit), die entsprechende Vorschrift zu diskutieren - dann ist einfach der Anordnung des Fahrlehrers (bzw. den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung) folgezuleisten und zu bremsen....

    • Offizieller Beitrag

    Wenn ich mich mit 50 Sachen der roten Ampel nähere, ist keine Zeit (und wohl auch nicht die passende Gelegenheit), die entsprechende Vorschrift zu diskutieren - dann ist einfach der Anordnung des Fahrlehrers (bzw. den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung) folgezuleisten und zu bremsen

    Ich glaube, das mit der roten Ampel lernt man nicht erst in der Fahrschule, wenn man auf die Ampel zufährt.

    Das lernt man viel früher. Und mir haben meine Eltern auch erklärt, warum ich bei einer Roten Ampel stehen bleiben muss.

  • Also offenbar läuft eure mündliche Abiturprüfung doch anders als bei uns - in Österreich ist die mündliche Matura die Prüfung schlechthin für jeden Gymnasiasten mit allem, was dazugehört: 2 Fachprüfer, Schulleiter, und ein Vertreter der Schulbehörde (und manchmal auch Zuhörer - vor allem Schüler der 7. Klassen, die hören wollen, was sie im nächsten Jahr so erwartet). Pandemiebedingt fielen heuer (und letztes Jahr) die Zuhörer und der Vertreter der Schulbehörde aus - aber dennoch ist das bei uns so eine Art rite de passage. Und das wird entsprechend feierlich begangen - samt feierlicher Kleidung.

    Und natürlich ist es auch mein Ziel, die Schüler zu mündigen Bürgern zu erziehen, die Dinge kritisch hinterfragen und nicht alles hinnehmen, was ihnen als gottgegeben (oder von welcher Instanz auch immer) präsentiert wird - aber auch kritisches Hinterfragen kann nicht Selbstzweck sein! Um bei meinem Bild von vorhin zu bleiben: Wenn ich mich mit 50 Sachen der roten Ampel nähere, ist keine Zeit (und wohl auch nicht die passende Gelegenheit), die entsprechende Vorschrift zu diskutieren - dann ist einfach der Anordnung des Fahrlehrers (bzw. den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung) folgezuleisten und zu bremsen....

    Ich verstehe deine Analogie absolut nicht. Die Wahl der Kleidung ist doch keine Notsituation, in der ich reflexartig handeln muss oder ziehen sich die Prüflinge direkt vor der Prüfung um und müssen sich innerhalb von Sekunden für das richtig Outfit entscheiden?

  • Es handelt sich in beiden Fällen um macht-man-halt-so. Von daher passt doch die Analogie.


    @Maturaprüfung: Unsere Jugendlichen haben 5 schriftliche und 5 mündliche Prüfungen, da gibt es keine eine "grosse Prüfung" mit irgendeiner speziellen Bedeutung. Besonders gut gelungene Maturarbeiten dürfen in einer Abendpräsentation vorgestellt werden, da sitzt dann auch ein bisschen Publikum dabei und die meisten Jugendlichen schauen da schon nach, ob sie was "Besseres" im Schrank finden. Aber auch da habe ich noch nie jemandem im Hemd oder gar Anzug gesehen. Wie bereits erwähnt, ist das in der Schweiz generell sehr unüblich, auch ein Severin Schwan (ein gebürtiger Österreicher übrigens ...) tritt meist ohne Krawatte vor die Kamera.

  • 2 Fachprüfer, Schulleiter, und ein Vertreter der Schulbehörde

    OT, aber interessehalber: Wie bekommt ihr das denn organisatorisch hin?

    Bei uns am beruflichen Gymnasium haben wir jedes Jahr mind. 60 mündliche Abi-Prüfungen, die größtenteils parallel an mehreren Tagen stattfinden. Der Prüfungsausschuss besteht allerdings nur aus jeweils drei Fachlehrkräften. Schulleitung und Behördenvertreter*innen sind nicht dabei; das wäre organisatorisch gar nicht machbar.

    Und das wird entsprechend feierlich begangen - samt feierlicher Kleidung.

    Ich wüsste nicht, warum eine Prüfung (also die Durchführung derselben) ein Anlass zum Feiern sein sollte...

    Gefeiert wird, wenn das komplette Abi bestanden wurde!

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • (...)

    Ich wüsste nicht, warum eine Prüfung (also die Durchführung derselben) ein Anlass zum Feiern sein sollte...

    Gefeiert wird, wenn das komplette Abi bestanden wurde!

    Danke, genau so sehe ich das auch. Die Abschlussfeier mit der feierlichen Zeugnisübergabe ist der besondere Moment, den man zelebriert und für den man sich entsprechend schick (durchaus mit Anzug oder Abendkleid) kleidet, die Prüfung lediglich die Türschwelle vor dem Übergang. Offenbar ist das aber ein gewichtiger kultureller Unterschied zwischen Österreich und Deutschland oder auch der Schweiz. Ist doch eigentlich schön zu sehen, dass wir trotz gewisser sprachlicher Gemeinsamkeiten und historischer Verknüpfungen am Ende eben doch ganz verschiedene Länder mit ganz verschiedenen Kulturen sind und sein dürfen. Der kleine Adolf mag das noch anders gesehen haben, wir wissen es zum Glück inzwischen besser. :) Insofern lera1 : Spannend, dass das in Österreich so ganz anders gesehen und gehandhabt wird auch seitens der Schülerschaft. Dennoch ist es auch in Österreich- auch eine Demokratie- völlig in Ordnung, wenn SuS die Bekleidungsfrage in Prüfungssituationen anders interpretieren und handhaben. Oder erwartet ihr als Schule von eurer Schülerschaft eine entsprechende Bekleidung zur Abschlussprüfung?

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ist das in Österreich denn noch so eine Kreuzverhör-Prüfung, in der der Prüfling von allen anderen Anwesenden gefragt werden darf; eventuell noch fachübergreifend?

    So war das in NRW doch bis zur Oberstufenreform in den 70ern auch, oder nicht?

  • Die kulturellen Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland sind viel größer als einige denken. In Österreich ist zum Beispiel die Kleiderfrage zu einem bestimmten Anlass sehr wichtig und man drückt u.a. damit den Respekt gegenüber des anderen (ggf. in der Hierarchie höher stehend) aus (neben weiteren bestimmten Umgangsformen und Regeln). Gutes Verhalten spielt hier eine größereRolle als in Deutschland.

    Schüler haben sich für den Schulbesuch angemessen zu kleiden. Das wird auch im Unterricht und auch auf Elternabenden besprochen. Es kommt schon vor, dass Eltern angemessene Kleidung bringen müssen. Das gilt letztlich sogar auch für Lehrer selbst. Man wird keinen Kollegen bzw Kollegin mit Kopfbedeckung unterrichten sehen. Es gehört sich einfach nicht.

    Ich selbst erlebe die Schüler in Österreich viel respektvoller als in Deuschland. Es mag sein, dass solche Regeln den Respekt gegenüber der Schule bzw des Lehrers als Respektsperson dazu beitragen.

  • Dann bin ich ja mal auf den "Kulturschock" nächstes Jahr in Österreich gespannt. (Ich tippe, er bleibt aus, weil wir immer noch deutlich mehr gemeinsam haben, als uns trennen würde).

  • Dann bin ich ja mal auf den "Kulturschock" nächstes Jahr in Österreich gespannt. (Ich tippe, er bleibt aus, weil wir immer noch deutlich mehr gemeinsam haben, als uns trennen würde).

    Welches Bundesland bist du denn gerade? Oder ursprünglich?

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Also ich bin im tiefsten Bayern aufgewachsen und mein Kulturschock in der Schweiz war gross genug. Ich find's witzig, wie angestrengt hier abgestritten wird überhaupt auf Kleider zu achten. Tut ihr alle, so seid ihr sozialisiert. Und es spielt halt in der Schweiz eine kleinere Rolle, in Österreich spielt es eine grössere Rolle.

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