Es fehlt an allem...

  • Wertes Forum,


    gebt mir mal bitte eure Perspektive/Erfahrungen zu folgendem Thema...


    Ich unterrichte an einer Mittelschule in der bayerischen Landeshauptstadt - in diesem Schuljahr neun verschiedene Fächer in einer 9m. Für fünf dieser Fächer habe ich ein Schulbuch. Für keines dieser Fächer hat die Schule Lehrerhandbücher, Gehefte oder USB-Sticks mit Begleitmaterial.


    Ich bin erst seit einem Jahr aus dem Vorbereitungsdienst raus und kann somit auch nicht auf einen privaten Fundus zugreifen. Die lieben Kollegen tauschen ungern Material - wenn man etwas bekommt, gleicht das eher einer "losen Sammlung", in der die Mauer noch steht und in DM-Preisen gerechnet wird.


    Wie bitteschön soll man da Unterricht halten? Derzeit verbringe ich meine kompletten Wochenenden mit dem eigenhändigen Erstellen von Materialien am PC. Ich sehe es auch nicht ein, hunderte Euro aus der privaten Tasche für Materialien zu zahlen. Dank des neuen Lehrplans haben viele Verlage außerdem schlichtweg noch kein Lehrermaterial anzubieten!


    Freunde aus der freien Wirtschaft schütteln ungläubig den Kopf, wenn ich ihnen davon erzähle. Die sagen zum Chef, was sie benötigen, um ihre Arbeit zu erledigen, und es es wird ohne weiteres angeschafft...


    Ich komme mir vor wie ein Schreiner, der ein Fenster bauen soll. Es muss halt ohne Holz, ohne Leim und mit einer stumpfen Säge geschehen.



    Lehramt ist offenbar Alchemie... aus Scheiße soll man Gold machen. :sauer:

  • Hast du schonmal versucht, das Material gebraucht zu kaufen? Oder kennst du vielleicht ehem. Refis an anderen Schulen, die besser ausgestattet sind und wo du dir zumindest das leihen könntest, was du gerade benötigst?


    Bei uns schaffen die Fachleitungen einen gewissen Grundstock an Zusatzmaterial an (Lehrerhandbücher, Kopiervorlagen etc.); was alle nutzen können, wer darüber hinaus mehr möchte, muss es sich selbst kaufen.

  • Ich habe einiges an Lehrermaterialen... Meist schaue ich nicht rein und lasse stattdessen mich im Internet inspirieren. Es gibt so unendlich viel kostenfrei verfügbares Material.

  • Das Material im Internet ist bedingt tauglich... Bin z. B. bei Lehrerbüro registriert, aber das ist oft viel zu gymnasial für meine Pappenheimer.


    Es geht um die Fächer Deutsch, Mathe, Englisch, GPG, NuT, WiB, Ethik, Kunst - und mein absolutes Lieblingsfach Informatik, von dem ich null Ahnung habe.

  • Klingt anstrengend, kann ich gut nachfühlen. Ich habe bislang in den sauren Apfel gebissen und Arbeitshefte gekauft, aus denen ich kopieren kann. Wir kriegen auch keine Exemplare des Schulbuchs zur Verfügung gestellt. Werde beginnen, den Kampf darum in Angriff zu nehmen, im ersten Berufsjahr wäre ich nicht auf die Idee gekommen.


    Dass man dich alles auf einmal unterrichten lässt, finde ich ein starkes Stück. Erkundige doch beim Personalrat, ob er dich im kommenden Schuljahr unterstützt, dass es im nächsten Jahr nicht so extrem wird.

  • Oder kennst du vielleicht ehem. Refis an anderen Schulen, die besser ausgestattet sind und wo du dir zumindest das leihen könntest, was du gerade benötigst?

    Das wäre auch mein Tipp!

    So habe ich auch angefangen. Wir haben uns oft am Wochenende getroffen und Zeug kopiert.


    Manchmal hatte ein/e Ehemalige/r auch guten Kontakt an der jetztigen Schule zu Lehrern, die zu Hause noch ungeahnte Schätze stehen hatten und die mal zum Kopieren herliehen.

    (Manche Themen ändern sich ja auch nicht ständig)


    Ergänzung: Kopieren natürlich an der Schule, nicht auf eigene Kosten.;)

  • Freunde aus der freien Wirtschaft schütteln ungläubig den Kopf, wenn ich ihnen davon erzähle. Die sagen zum Chef, was sie benötigen, um ihre Arbeit zu erledigen, und es es wird ohne weiteres angeschafft...

    Willkommen im Lehrerberuf. Wenn ich von den Bedingungen erzähle bekomme ich auch ständig ungläubige Gesichter zu sehen.


    Hast du schonmal versucht, das Material gebraucht zu kaufen?

    Mach das nicht! Nicht einen Cent aus privaten Mitteln einsetzen. Ich habe das bislang so durchgezogen.

    Ich wollte das Lehrerhandbuch zu unserem Schulbuch haben, da hieß es, es steht eines in der Lehrerbibliothek oder ich müsse mir das "von meinem eigenen Geld anschaffen".

    Ich habe das gesamte Lehrerhandbuch in der Schule kopiert. Die dafür verwendete Arbeitsstunde habe ich wieder reingeholt, indem ich in der Woche in mehreren Klassen eine Dokumentation reingeschoben habe anstatt Unterricht vorzubereiten. Wenn der Dienstherr es möchte, dass ich in meiner Arbeitszeit am Kopierer stehe anstatt Unterricht vorzubereiten, dann ist es so.

    Und ja, das Lehrerhandbuch zu kopieren verbessert die Arbeitsabläufe in dem Fach für kommende Jahre, es war also eine sinvolle "Investition" auch, wenn da eben ein paar Klassen mal Dödelunterricht bekamen.

    So kann man an ganz vielen Stellen verfahren. Ich würde dem Dienstherren, der seiner angemessen Alimentierungspflicht nicht nachkommt, nicht einen Cent schenken.



    Ich habe es mal ausgerechnet, mir schuldet der Dienstherr über 20 000 Euro!!!!

    https://dbbsh.de/weihnachtsgeld/index.php?link=calculator

  • Ich kann den Beitrag von Firelilly ausnahmsweise mal voll unterstützen :teufel:, habe allerdings als Berufsanfänger - naiv, wie man war - direkt nach dem Ref noch etwas anders gedacht. Vieles wurde sehr aufwändig selbst gemacht oder auf eigene Kosten kopiert und gekauft. Ganz schön blöd, sage ich heute. Ich werde für meine Arbeit bezahlt. Ich bezahle nicht für das, was selbstverständlich der Arbeitgeber zur Verfügung stellen sollte. Das machen viel zu viele Lehrer*innen.

  • Da fallen mir verschiedene Aspekte ein. Zunächst einmal ging es wohl den meisten von uns so, dass die ersten Jahre Vollzeit sehr stressig waren. Denn man hatte im Referendariat einfach nicht alle Jahrgangsstufen über alle Fächer unterrichtet ... und musste jetzt plötzlich für x verschiedene Jahrgangsstufen den Unterricht erstellen (übrigens gibt es so umfangreiche Verlagshilfen noch gar nicht so lange / oder die Qualität war/ist nicht so toll ... immerhin hat man jetzt die Wahl zwischen "viel Zeit reinhängen" oder "viel Geld ausgeben") .

    Und selbst wenn man einen Jahrgang schon in einem Fach hatte, konnte es sein, dass die Schule, an der man die Stelle bekommen hatte, andere Schulbücher verwendetet (das störte in Geschichte nicht sonderlich, in Englisch bedeutete das, dass man den Unterricht halt noch einmal neu erstellen musste).

    Schlimmer wird es - wie von mir in einem anderen Thread kritisiert - wenn nicht einmal die Materialien, die für das Unterrichten mit einem bestimmten Buch unbedingt nötig sind, (Audio-CDs für Englisch z.B.) zur Verfügung gestellt werden.


    "Derzeit verbringe ich meine kompletten Wochenenden mit dem eigenhändigen Erstellen von Materialien am PC. Ich sehe es auch nicht ein, hunderte Euro aus der privaten Tasche für Materialien zu zahlen."


    Ich weiß nicht, wie es den anderen hier ging, aber das war genau meine Erfahrung und meine Einstellung. War sehr, sehr anstrengend und auch meine Bekannten konnte damals kaum glauben, wie viel Zeit dafür drauf ging. Man kann sich nur damit trösten, dass - gerade bei neuen Lehrplänen - man von der Arbeit, die man jetzt leistet, auch einige Jahre zehren kann.

  • Es geht um die Fächer Deutsch, Mathe, Englisch, GPG, NuT, WiB, Ethik, Kunst - und mein absolutes Lieblingsfach Informatik, von dem ich null Ahnung habe.

    Ähm, was sind GPG, WiB?

    NuT: Naturwissenschaften und Technik?

    Freundlichkeit ist kostenlos, aber niemals umsonst.

  • Bei uns schaffen die Fachleitungen einen gewissen Grundstock an Zusatzmaterial an (Lehrerhandbücher, Kopiervorlagen etc.)

    Bei uns auch (inkl. CDs usw.). Wir tauschen aber auch unter den KuK sehr viel selbst erstelltes Material aus. Das hat mir schon in meinem ersten Schuljahr als Vollzeitlehrkraft super weitergeholfen. Ansonsten schaue ich auch oft immer Internet nach kostenlosem Unterrichtsmaterial.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Dass man dich alles auf einmal unterrichten lässt, finde ich ein starkes Stück.

    Das ist Standard an bayerischen Mittelschulen. Als Klassenlehrer unterrichtet man so viele Fächer wie möglich in seiner Klasse, unabhängig davon, welche man studiert hat.


    Ähm, was sind GPG, WiB?

    NuT: Naturwissenschaften und Technik?

    GPG = Geschichte / Politik / Geographie

    WiB = Wirtschaft und Beruf

    NuT = Natur und Technik


    Zum Thema:

    Du hast das Pech, dass für die 9. Jahrgangsstufe viele Verlage noch nicht liefern können. Sei froh, dass du schon in jedem Fach ein Schulbuch hast. Wenn sich die Verantwortlichen deiner Schule nicht überzeugen lassen, dass du bestimmtes Lehrerbegleitmaterial brauchst, würde ich in den sauren Apfel beißen und zu den eingeführten Schulbüchern die digitalen Lehrermaterialien kaufen (sofern schon vorhanden). Das würde dir die Vorbereitung stark erleichtern, vor allem, weil sie oft editierbar zur Verfügung gestellt werden. Als Anfänger ist man an unserer Schulart sowieso schnell mit der Fülle an Fächern überfordert, v.a. mit denen, die man fachfremd (und evtl. unbegabt wie z.B oft in Kunst, Musik oder Informatik) unterrichten muss.


    Außerdem haben wir ja erst seit 4 Tagen Schule. Gib deinen Kollegen ein bisschen Zeit, denn die ersten Tage sind für alle stressig. Ich hätte die letzten Tage nicht den Nerv gehabt, auch noch einen Kollegen mit Material zu versorgen. Die Zusammenarbeit spielt sich in den nächsten Wochen bestimmt noch ein!

  • Sommertraum hat Recht, lass dir bloß kein schlechtes Gewissen von Fachlehrerinnen einreden, die seit 20 Jahren dasselbe unterrichten und alles aus dem Regal holen, was schon anno dazumal kopiert wurde. Das erste Jahr ist sehr anstrengend, fachfremd umso mehr! Man kann nur Arbeitszeit oder Geld investieren. Alles andere sind langfristige Baustellen. Wer nächste Woche vor der Klasse steht und 25 oder 26 oder 27 Stunden füllen muss, MUSS pragmatisch denken, wozu selbstredend auch fertige Kopiervorlagen gehören dürfen.

  • Das ist Standard an bayerischen Mittelschulen. Als Klassenlehrer unterrichtet man so viele Fächer wie möglich in seiner Klasse, unabhängig davon, welche man studiert hat.

    Auch in Niedersachsen ist beispielsweise die Anzahl der Stunden in der eigenen Klasse für einige Schulformen per Erlass geregelt. Das führt zu fachfremden Unterricht. Das hat meiner Meinung viele Vorteile, wie mehr Stunden in der eigenen Klasse, die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung und die Erweiterung des persönlichen Horizonts.


    Ich denke auch, dass die eigene Anschaffung die einfachste Lösung wäre. Es kann hilfreich sein, sich einen persönlichen Fundus anzulegen, wenn auch auf eigene Kosten. Immerhin verdienen wir auch genug Geld, da können wir vielleicht auch mal etwas investieren. Und wenn Dich dann mal eine Kollegin oder ein Kollege um Material bittet, kannst Du dann hilfreich zur Seite stehen - aber das ist nur meine Meinung.

  • Ich denke auch, dass die eigene Anschaffung die einfachste Lösung wäre. Es kann hilfreich sein, sich einen persönlichen Fundus anzulegen, wenn auch auf eigene Kosten. Immerhin verdienen wir auch genug Geld, da können wir vielleicht auch mal etwas investieren.

    Junge, Junge, wir haben sehr viele Jahre studiert um dann ein mäßiges Gehalt zu bekommen. Der Lehrerberuf wird nur durch den Beamtenstatus (Unkündbarkeit etc.) halbwegs attraktiv. Aus finanziellen Erwägungen lohnt es sich nicht den Beruf zu ergreifen.

    Und dann noch das eigene Geld ausgeben, damit der Unterricht besser wird? So abstruse Ideen hört man wirklich nur im Lehrerberuf.

    Demnächst fängt der Konditor an auf seinem eigenen Grundstück Erdbeeren anzubauen, weil die besser schmecken, und die dann in die Kuchen zu stecken. Ohne, dass er den Preis dafür anhebt natürlich, sondern so, dass er davon gar keinen zusätzlichen Gewinn, sondern nur Zusatzkosten und Zusatzarbeit hat.

    Im Falle des Konditors könnte man vllt sogar damit rechnen, dass die besonders leckeren Kuchen vllt sogar mehr Kunden anziehen, was ihm dann langfristig doch zu Gute käme.... aber der Konditor würde Dir trotzdem den Vogel zeigen für den Vorschlag, denn es ist ein klares Minusgeschäft.

    Hier im Forum könntest Du allerdings ein paar likes bekommen für den Vorschlag Material anzuschaffen, das stimmt wohl. Lehrer machen sowas und finden sowas toll!

  • Ich empfehle den "Worksheet crafter", schließt euch als Kollegen zusammen, dann kostet es wenige Euros pro Jahr und es gibt tolle ABs dort und man kann schnell ansehliche erstellen.

    Ansonsten: Als ich vor 1000 Jahren als Förderschullehrerin angefangen habe, gab es nicht mal Bücher ganz generell für die Schüler, nahezu alles musste ich selbst erstellen.

    Was definitv keine Entschuldigung darstellen soll! Ich meine nur, dass man sich selbst in den ersten Jahren meist einen eigenen, sehr individuellen Grundstock an Arbeitsmaterial erarbeitet. Und, ganz ehrlich, dafür tun´s die alten Bücher vermutlich auch. Reiß dir kein Bein aus, arbeite mit alten Sachen, hol dir was von NETTEN Kollegen (an andren Schulen evtl?) und begrenze dein Pensum.

    Geld für Bücher wie Kopiervorlagen gebe ich schon aus. Ich verdiene gut und empfinde es nicht als Verlust, pro Monat 50 Euro für Schulsachen auszugeben. Auch wenn ich mir das politisch gaaaaaaaaanz anders vorstelle.

    PS Evtl kann ich dir irgendwie weiterhelfen. Mein Mann hatte letztes Jahr eine 9. Klasse. Bei Fragen bitte PN.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

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