Gewaltprävention "auf die Schnelle" (1 U-Stunde)

  • Ich zitiere mich selbst:


    Zitat


    für´s Protokoll: Sek I ("Mittelstufe")


    Sek I = Klassen 5, 6, 7, 8, 9, 10

    Was davon als "Mittelstufe" zu werten ist, ergibt sich relativ leicht rein mathematisch.


    (Nicht mit der Mittelstufe am Gymnasium zu verwechseln, deshalb schrieb ich in Anführungszeichen.)

  • Ich würde mir die Zeit schenken und regulären Unterricht machen.

    Alle Konzepte der Welt bringen nichts. Siehe Ida Ehre Schule in Hamburg, wo vor ein paar Wochen 80 Minderjährige, teilweise erst 13-14 Jahre alt, einen dort sogenannten "cop4u" (wer denkt sich eigentlich so einen Käse aus?) sprich Stadtteilpolizisten niederknüppelten, als er einen Streit unter Schülern schlichten wollte. Und die haben reichlich Konzepte an der Schule.

    Tante Suchmaschine liefert hier reichhaltiges Lesematerial...

    War das der Vorfall, wo Schüler*innen eingeschritten sind, weil ein Schüler unter einem Polizisten keine Luft mehr bekam?

    Man muss Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.“

    Elie Wiesel

  • Zum Ursprungsbeitrag: Ich bin nicht sicher, ob man da mit einer Doppelstunde glücklich wird. Was ist Dein Eindruck, warum es zu körperlichen Auseinandersetzungen kommt? Machtrangeleien? Körperliche Unausgeglichenheit? Mobbing/Bullying? Unsicherheit? Hast Du Einzelgespräche mit den Betroffenen geführt? Wie geht es allen Beteiligten derzeit?


    Vielleicht muss man auch erst über Grundlagen reden? Wo fängt Gewalt an? Wie definieren die Jugendlichen das? Wie kann man sinnvoller mit Aggressionen umgehen? Woher kommen die Aggressionen? Gab es konkrete Probleme oder war das die gesamte Zeit unterschwellig vorhanden? Wie löst man Konflikte sinnvoller?


    Persönlich würde ich erst einmal versuchen wollen, zu verstehen, was aus welchen Gründen passiert ist.

    Man muss Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.“

    Elie Wiesel

  • (Ich bin froh, nicht bei euch zu sein, nicht wg. Schüler, sondern Lehrern wie dir).

    Du kennst mich doch gar nicht und meine Schüler mögen mich sogar :)


    War das der Vorfall, wo Schüler*innen eingeschritten sind, weil ein Schüler unter einem Polizisten keine Luft mehr bekam?

    Den genauen Hergang werden die Ermittlungen in dem Fall hoffentlich klären. Ich fürchte aber, dass "offiziell" tatsächlich deine Angaben bestätigt werden und die Schüler sogar noch mit einem Preis für Zivilcourage nach Hause gehen...

  • Den genauen Hergang werden die Ermittlungen in dem Fall hoffentlich klären. Ich fürchte aber, dass "offiziell" tatsächlich deine Angaben bestätigt werden und die Schüler sogar noch mit einem Preis für Zivilcourage nach Hause gehen...

    Im Allgemeinen wird Polizei immer mehr geglaubt. Es gibt quasi keine Anklagen wegen Polizeigewalt. Insofern halte ich Deine Aussage zumindest für unwahrscheinlich.

    Man muss Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.“

    Elie Wiesel

  • Die Polizei hatte damit nichts zu tun.

    Zitat

    Zum Ursprungsbeitrag: Ich bin nicht sicher, ob man da mit einer Doppelstunde glücklich wird. Was ist Dein Eindruck, warum es zu körperlichen Auseinandersetzungen kommt? Machtrangeleien? Körperliche Unausgeglichenheit? Mobbing/Bullying? Unsicherheit? Hast Du Einzelgespräche mit den Betroffenen geführt? Wie geht es allen Beteiligten derzeit?


    Vielleicht muss man auch erst über Grundlagen reden? Wo fängt Gewalt an? Wie definieren die Jugendlichen das? Wie kann man sinnvoller mit Aggressionen umgehen? Woher kommen die Aggressionen? Gab es konkrete Probleme oder war das die gesamte Zeit unterschwellig vorhanden? Wie löst man Konflikte sinnvoller?


    Naja, die Doppelstunde soll sicher nicht alles abschließend bereinigen (schön wärs). Es ist halt gerade die Zeit, die ich relativ spontan während der U-Zeit in der Klasse dafür aufbringen kann und soll vielleicht die "Spitze des Eisbergs" etwas abtragen.

    Rangeleien gibt es eigentlich ständig, vor allem auch immer diese kleinen Niggeligkeiten. Jetzt sind diese einmal etwas weiter gegangen. Machtgehabe spielt sicher eine Rolle. Wobei die Beteiligten öfters mit kleineren Dingen auffallen. Nichts, wo man außer mit ein paar Worten aktiv werden würde, aber mit der Zeit addiert sich das... Ich habe denen auch bereits gesagt, dass ich sie unter Beobachtung habe.

    Unsicherheit spielt vielleicht auch eine Rolle, Mobbing eher weniger (glaube ich). Gespräche wurden und werden aktuell geführt. Möchte da jetzt nicht ins Detail gehen.

    Was mir auffällt, sind die ständigen kleinen verbalen Attacken im Umgang miteinander (nicht nur in dieser Klasse, generell), die die SuS für völlig normal halten. Dass das dann gelegentlich auch als Funke über springt, ist eigentlich nicht verwunderlich.


    Ich glaube, die SuS wissen im Prinzip, was Gewalt ist und wo sie anfängt. Was sie nicht wissen, ist, dass sie mit ihrem eigenen Verhalten teils selbst direkt oder unterschwellig mit dazu beitragen. Die Schwellen, die sie da überschreiten, sind ihnen überhaupt nicht bewusst.

  • Ehrlich gestanden führe ich ständig Diskussionen darüber, wo Gewalt anfängt und viele Erwachsene sehen nicht, was alles schon Gewalt ist. Vor allem auch strukturelle Gewaltausübung wird gerne als normal/akzeptabel wegdefiniert. Insofern habe ich bei dem Teil Zweifel.


    Aber zurück zum Thema: Das sind ja leider meist komplexe Bereiche, die alles Mögliche betreffen und verschiedenste Ursachen haben. Wie wird im Elternhaus miteinander umgegangen etc.?


    Vielleicht kann man herausarbeiten, inwiefern ein respektvoller Umgang und eine sichere Umgebung sowie gute Konfliktlösungs-Mechanismen für alle Beteiligten einer Klasse hilfreich sein können? Letztendlich kosten solche Auseinandersetzungen halt vor allem Energie.


    (Ob ich als (damals durchaus in körperliche Auseinandersetzungen involvierte) Jugendliche darauf gehört hätte, weiß ich allerdings auch nicht. Aber je authentischer und aufrichtiger man selbst argumentiert, erhöht vielleicht die Chancen.)

    Man muss Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.“

    Elie Wiesel

  • Gefällt dir mein Beitrag nicht oder wieso schreibst du nichts dazu?

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

    • Offizieller Beitrag

    mit einer einzigen speziellen Doppelstunde wird man nicht wirklich weiterkommen.

    Ich baue solche Themen immer in den Unterricht mit ein, NACHDEM ich mit den Hauptbetroffenen gesprochen habe. Einzeln. Ich lasse mir von jedem seine Sicht der Dinge schildern. Das protokolliere ich, frage nach, aktives Zuhören eben. Die Schüler unterschreiben die Protokolle.


    Und zwar gegenüber beiden Parteien.


    Ich selber bin dann erst mal kein (Schieds)Richter, sondern versuche zusätzlich zu diesen Einzelgesprächen eine Mediation mit den Hauptbetroffenen. Denn nicht immer der, der aggressiv agiert, war der Hauptauslöser. Die aggressive Handlung ist oft nur die Spitze des Eisbergs.


    Das dauert aber und verlangt auch, dass ggf Kollegen bereit sind, die Hauptkontrahenten aus dem aktuellen Unterricht zu entlassen, damit sie mit mir sprechen können.


    Wenn es "nur" um händische Gewaltausübung geht, kann man auch eine klare Ansage mit Bezug auf die Schul- und Hausordnung machen. Dauert nicht lange. Macht den Standpunkt der Schule klar, hilft aber nicht für länger.


    Zum Alter der Schüler: warum eierst du rum? Nenne doch einfach die Klassenstufe. Dann können Andere gezielter antworten und nehmen dich auch ernster ;)

  • Nachdem Informationen zur Klassenstufe fehlen nur ergänzend: Es gibt Gewaltpräventionsangebote der Polizei. Die holen wir uns bei entsprechenden Vorfällen (vor allem ab Klasse 8) gerne ins Haus, weil das auf manche hartgesottenere Kandidaten einen etwas nachhaltigeren Eindruck macht, als wenn "nur" die Lehrkraft ihnen etwas über bestimmte Grenzen und Konsequenzen für deren Überschreiten erzählt. Umgekehrt können als sehr niederschwellige Unterstützungsangebote längerfristig an Schulen Peer-Angebote zur Konfliktlösung wie Streitschlichter sinnvoll sein. Dazwischen liegt denke ich vieles, wie die kontinuierliche Arbeit im Alltag, die Etablierung wertschätzenden Umgangs (was bei der Lehrkraft und deren Ausdrucksweise und Verhalten beginnt), über Klassenlehrerstunden mit entsprechenden Themen und Modulen, wie bestimmten Bausteinen des Lions-Quest-Programms, der Einbindung der Schulsozialarbeit oder auch der abgestimmten Vorgehensweise verschiedener Lehrkräfte in einer Klasse, Elternarbeit, sowie die Entwicklung eines Schulcurriculums zu diesem Themenbereich, um eben nicht jede Lehrkraft kontinuierlich dazu zu verpflichten das Rad allein neu erfinden zu müssen. "Mal eben" in 45min kann man sich einen kleinen Teilaspekt herauspicken, um dann kontinuierlich weiter am Thema zu arbeiten in verschiedenster Weise und gemeinsam mit weiteren KuK.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Mir fällt spontan ein, mit deinen Schülern in der Stunde evtl. zu thematisieren, was ist (für mich) Gewalt. Wir hatten das mal als Einstieg in eine entsprechende Fortbildung zur Gewaltprävention: Ein Seil auf den Boden legen oder einen Klebebandstreifen und am ein Ende eine 10 und ans andere eine 1 hinschreiben. Dann verschiedenen Situationen nennen und jeder überlegt auf der Skala von 1 bis 10, wie sehr es diese Situation als gewalttätige Situation einstuft und stellt sich entsprechend hin. So kommt man schon mal zu der Erkenntnis, dass jeder das anders empfindet und nicht nur körperliche Gewalt , Gewalt ist. Anschließend Gespräch darüber, dass jede Wahrnehmung von Gewalt ernst zu nehmen ist und es nicht heißt: Stell dich nicht so an. Oder Das war nur Spaß. Man könnte auch ein paar Bilder ausdrucken und ordnen lassen. Ist das Gewalt? Oder nicht?


    Die Schüler könnten aufschreiben, wie sie selber Gewalt definieren und sich in Gruppen auf eine Definition einigen. Anschließend überlegen, was tue ich, wenn ich Gewalt erlebe. Bei wem kann ich mir Hilfe holen? Kann ich selbst helfen, wenn andere Opger von Gewalt werden. Rollenspiel bietet sich an, z. B. zwei Schüler pöbeln jemanden an, gehen dabei an beiden Seiten sehr nah neben ihm her, berühren ihn aber nicht, trotzdem fühlt sich derjenige zu Recht bedrängt. Was könnte das Opfer tun? Was könnten Mitschüler tun, um zu helfen? Deutlich machen, dass das Gewaltopfer keine Schuld trägt… Ich denke, mehr kannst du in einer Doppelstunde nicht erreichen.

  • So etwas ähnliches haben wir gemacht (die Sozialarbeiterin, ich habe dokumentiert). Es ging vor allem um die Frage "Was ist Gewalt?" (für die Schüler). Besprochen wurde das anhand einfacher Beispiele zu körperlicher, verbaler, psychischer Gewalt sowie Sachbeschädigung.


    Klasse 7, die Erkenntnis war erschreckend:

    Schläge sind keine Gewalt, wenn sie Spaß sind (unabhängig davon, wie der Geschlagene dies empfindet) und keine Verletzungen verursachen. Verbales wie "Du Arschloch" etc. wird als normal und klar nicht als Gewalt empfunden. Malen auf Schultische oder Treten gegen Eigentum von anderen wird nicht als Gewalt empfunden. U.s.w.


    Dass die SuS nicht jedes Detail von Gewalt so wahrnehmen, wie wir es tun, war mir klar. Dass die Grenzen aber derart aufgeweicht und verschoben sind, fanden wir erschreckend. Und die Klasse erscheint erst einmal noch "normal" im Schulalltag. Da gibt es Klassen bzw. einzelne SuS, die weitaus mehr auffallen. Und wir sind beileibe kein Brennpunkt. Im Gegenteil, Dorf. Auch wenn die Welt auch hier nicht mehr "heile" ist.


    Was mir auch aufgefallen ist, war, dass die SuS anscheinend Null Empfinden für die sog. "political correctness" haben, also einen Sinn für die "richtigen Antworten". Davon wäre ich jetzt ausgegangen. Gibt es offenbar nicht.

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