Sobald die Zahlen sinken und die ersten Kollegen vor der Abordnung stehen, sieht das ganz schnell anders aus.
Das ist immer so das Argument, das Schulleitungen aus dem Ärmel schütteln, wenn es um solche Profilierungsveranstaltungen geht. Als PR konnte mir aber bisher noch kein SL schlüssig erläutern, wie denn diese Gefahr so drängend sein kann, dass wir ständig irgendwelche Specials anbieten sollen, die Ressourcen binden, und gleichzeitig bekommen wir jedes Jahr eine ganze Reihe von neuen Kollegen, zum überwiegenden Teil mit Vertretungsverträgen. So eng kann es dann ja nicht sein mit den Schülerzahlen, dass wir ständig Angst vor Abordnungen haben müssen.
Zum Thema: Das Problem ist ja nicht nur die Frage der Verpflichtung, sondern auch die Märtyrerhaltung vieler Kollegen / Fachschaften. Als in Bayern das G8 eingeführt wurde, gab es an meiner Schule eine denkwürdige Konferenz, in der die gestiegene Arbeitsbelastung diskutiert wurde. Man war sich einig, dass man natürlich nun Ressourcen sparen muss, wo es nur geht, beispielsweise bei Klassenfahrten. Alles, was nicht vorgeschrieben oder pädagogisch unbedingt notwendig ist, sollte radikal gestrichen werden. Da gab es großen Konsens, alle waren bereit, sich diesmal aber wirklich mal gegen den willkürlichen Umgang der Landesregierung mit unserer Arbeitszeit und unserer Gesundheit durchzusetzen. Und als es dann an das große Streichkonzert gehen sollte, haben erst die Klassenlehrer der fünften Klassen gemeint, dass der Schullandheimaufenthalt der Fünfer aber pädagogisch unverzichtbar ist. Die Sportfachschaft meinte, ohne das Skilager in der Siebten würde die physische Entwicklung der Kinder untragbar leiden, die Englischfachschaft konnte natürlich auf keinen Fall auf den Schüleraustausch in der Neun verzichten, weil die Kids ja gerade jetzt durch die mündlichen Klassenarbeiten im G8 auch echt mal mehr Mündlichkeit im authentischen Kontext erleben müssen, die Klassenfahrt nach Berlin in der 10. war natürlich ganz wichtig aus Gründen der staatsbürgerlichen Bildung, immerhin sind wir ja ein Gymnasium, das mündige Bürger heranzieht, und das Gleiche galt auch für die mehrtägige Fahrt nach Osteuropa und Ausschwitz. Und die Abifahrt als Schlusspunkt wollte man den Schülern auch nicht nehmen.
Ich war beinahe ein bisschen überrascht, dass am Ende nicht noch ein paar mehr Fahrten beschlossen wurden, so wie plötzlich jeder dachte, in "seiner" Fahrt liegt die Verantwortung für die erfolgreiche Zukunft der Schüler.
Inzwischen erachte ich Fahrten mit einer sehr konkreten und konsequent durchgehaltenen fachlichen Ausrichtung, die idealerweise direkt an den Unterricht anknüpft (Sportfahrten, Schüleraustausch mit Unterbringung in Gastfamilien, Probenfahrten der Theaterkurse - meinetwegen eine Fahrt des Kunstkurses nach Florenz, um jeden Tag Gebäude zu zeichnen oder in Gallerien zu gehen oder so), als sinnvoll. Dies sollte aber meiner persönlichen Meinung nach jeder Kurs und vor allem (!) jede Lehrkraft freiwillig selbst entscheiden. Schullandheimfahrten oder so Studienfahrten wie nach Berlin oder London oder noch besser nach Malta oder so, wo man so ein bunt gemischtes, häufig eher touristisch ausgerichtetes Programm durchführt, finde ich eher verzichtbar. Der pädagogische Mehrwert, der zweifelsohne auch in solchen Fahrten steckt, steht in keinem Verhältnis zum Aufwand, finanziell und in Hinblick auf die vorhandenen Ressourcen.