Fächerliebe- wie groß muss sie sein?

  • Ist es nicht gerade dann schwieriger, angemessen zu reduzieren, wenn man die ganze Breite (und bis zu einem gewissen Grad auch Tiefe) des Faches kennt?

    Nein, dann kann ich weitreichend überblicken, was ich auch in Zukunft nicht brauche.
    Wenn ich unwissend reduziere oder vereinfache, dann habe ich später vielleicht Probleme etwas zu vermitteln.


    Hat man in der Chemie häufig beim Thema Oxidation, die wird in der Sek I häufig gleichgesetzt mit Reaktion mit Sauerstoff, es ist aber allgemein eine Elektronenabgabe. Dadurch kommt es in der Sek II dann zu Fehlvorstellungen

  • Findest du die Meinungen so verschieden? Mein Eindruck ist, dass sich alle hier ziemlich einig sind.

    Einige haben ja gesagt, dass man wirklich brennen muss, andere formulieren dies als bloßes Interesse. Finde die Abstufung einfach ziemlich interessant.

    Tesla ist selbst noch Studierende:r. :)

    Der seit über einem Jahr als Vertretungslehrer arbeitet… aber ja bei uns gibt’s auch Kollegen die fachfremd unterrichten, aber da herrscht eigentlich auch die Meinung, dass das eigene Fach favorisiert wird. Habe mich selbst zb gegen fachfremden Unterricht entschieden und bleibe lieber bei meinen Fächern- gerade nachdem ein Kollege bis auf einen einzigen Kurs in Deutsch nur noch fachfremd unterrichtet hat und das auch nicht so toll fand. Kann ja sein, dass bei euch fachfremder Unterricht beliebter ist, bei uns ist das eher nicht so der Fall.

  • Ist es nicht gerade dann schwieriger, angemessen zu reduzieren, wenn man die ganze Breite (und bis zu einem gewissen Grad auch Tiefe) des Faches kennt?

    Nein. Klar, wer sein Fach nicht allzu tief durchdrungen hat hat auf den ersten Blick den leichteren Job, weil er/sie womöglich gar nicht mehr reduzieren müsste, so dünn wäre es, genau das ist dann aber auch das Problem. Um bestimmte Fallstricke selbst erkennen und entlasten zu können muss ich diese durchdrungen haben, um exemplarisch auswählen zu können, muss ich mehr als ein Beispiel in ausreichender Tiefe kennen, dessen Vor- und Nachteile (bzw. Grenzen der Exemplarität) bei Bedarf herausarbeiten/ergänzen können und die Theorie, die dahintersteht verstanden haben. Anders formuliert: Didaktisch reduzieren kann nur, wer über ausreichendes Fachwissen verfügt, das reduziert werden kann. Wer es geschafft hat sein Fach soweit zu durchdringen, wird auch didaktische Reduktion erlernen, das ist nämlich ein Bereich, bei dem das sehr gut und schnell möglich ist im Laufe des Refs (da spreche ich aus Erfahrung, denn das war meine größte Baustelle zu Beginn des Refs). Wer fachlich zu dünn aufgestellt ist hat gerade im Ref deutlich mehr zu kämpfen, weil Unterrichtsplanung sich oftmals weniger um die Frage der didaktischen Reduktion dreht, sondern darum, zuerst einmal selbst zugrundeliegendes Fachwissen zu durchdringen, damit man vernünftig planen kann.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • (...)

    Der seit über einem Jahr als Vertretungslehrer arbeitet… (...).

    War mir nicht ersichtlich aus deinen letzten Beiträgen, in denen es um dein Studium ging. (Und habe ich auch immer wieder nicht im Hinterkopf, weil es diese Option während meines Studiums noch nicht gegeben hat abgesehen von Studienpraktika an Schulen als Lehrkraft tätig zu werden vor Studienabschluss. Insofern befremdet mich das aus verschiedenen Gründen immer wieder, auch wenn ich verstehe, warum Schulen manchmal keine Wahl haben, als auf solche Lösungen zurückzugreifen.) Danke für die Ergänzung. :)

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • War mir nicht ersichtlich aus deinen letzten Beiträgen, in denen es um dein Studium ging. (Und habe ich auch immer wieder nicht im Hinterkopf, weil es diese Option während meines Studiums noch nicht gegeben hat abgesehen von Studienpraktika an Schulen als Lehrkraft tätig zu werden vor Studienabschluss. Insofern befremdet mich das aus verschiedenen Gründen immer wieder, auch wenn ich verstehe, warum Schulen manchmal keine Wahl haben, als auf solche Lösungen zurückzugreifen.) Danke für die Ergänzung. :)

    Ja, obwohl es nicht soooo üblich ist. Also ich bin in meinem Jahrgang auch der einzige der eine Vertretungsstelle hat (also in Physik) (und die habe ich ehrlich gesagt auch eher über vitamin B bzw ein vorangegangenes Praktikum bekommen). Gerade in Physik ist der Mangel wirklich sehr groß. Bin aber total happy jetzt schon so viel Praxiserfahrung zu sammeln.

  • Ja, als Physiker:in darf man getrost davon ausgehen mit Ref-Abschluss den Popo gepudert zu bekommen von zahlreichen interessierten SL, Mathe als Bonus noch obendrauf macht dich hochbegehrt bundesweit würde ich sagen (in BW auf jeden Fall beides absolute Mangelfächer am Gymnasium). Nutz deine Einblicke jetzt, um später eine gute Stelle für dich auszuwählen aus der Vielfalt der Angebote, denn- das ist der Nachteil solcher absoluten Mangelfächer- ein Schulwechsel wird nur unter äußerst erschwerten Bedingungen später möglich sein (wenn überhaupt), insofern solltest du weise wählen für dich mit Blick auf langfristige Bedürfnisse.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Interessanter Erfahrungsbericht! Ich weiß ja, dass in anderen Bundesländern z.B. das Mathematikstudium für Lehramt Grundschule durchaus umfangreicher als in Hessen ist. Dennoch empfand ich es in den ersten eigenen Stunden als Herausforderung, den Stoff adressatengerecht aufzubereiten und zu reduzieren. Man könnte ja noch... Und für die Fitten...

    Nach einiger Zeit hat man da aber den Dreh raus. Da bin ich ehrlich, dass ich im Anfangsunterricht Fremsprache länger brauchte, weil es zu Beginn eine krasse Umstellung ist von "Du kannst über Gott und die Welt reden." zu "Enfache und kurze Sätze möglichst nur mit Wortschatz, den die Kinder bereits kennen.".

  • Kiggie Danke, das mit der Oxidation ist wirklich eins der Paradebeispiele. Ich wünsche mir jedes Jahr wieder, es gäbe an der Sek I bei uns gar keinen Chemieunterricht in dem man solche Fehlvorstellungen etablieren kann. Und eigentlich hätte ich selbst genügend Ideen, wie man es machen könnte ohne Fachbegriffe falsch verwenden zu "müssen", so als völlig überqualifizierte Frau Dr.


    Natürlich kann ich Physik nicht besser, als unsere richtigen Physiker. Darum sitze ich auch schon das dritte Semester bei einem Kollegen zur Hospitation im Unterricht, um die Fallstricke alle mal gesehen zu haben bevor ich selber drüber falle. Da gibt es einiges, was mir nicht offensichtlich war.

  • 'Brennen' oder 'interessieren' ist ja eher eine Frage der Intensität. Aber...

    klingt schon arg lustlos und zwar für alle Fächer gleichermaßen.


    Ich bin ja dazu verdammt, so gut wie alles fachfremd zu unterrichten und das kann auch gerne jede*r doof finden, ist aber halt so. Trotzdem finde ich Regenwürmer und Industrielle Revolution gleichermaßen spannend, wenn ich mich erstmal damit auseinandersetze, selbst ohne Studium.


    Denn ich meine schon, wenn man was erklären oder Freude und Interesse erwecken will, sollte man auch selbst Freude empfinden. Wer Regenwürmer eklig findet und sich auch nicht mit ihnen auseinandersetzen mag, hat auch ein didaktische Problem, selbst wenn das "Drumherum" noch so passt.

  • Danke, CDL, für Beitrag #43.


    Ich denke auch, dass nur die, die fachlich gut aufgestellt sind, die Fehler oder Fallstricke in Handreichungen erkennen

    dass sie sowohl auf neue Inhalte wie auch neue Ansätze differenzierter schauen

    und sie besser verknüpfen können.


    Zur Reduktion an sich würde ich inzwischen sagen, dass es dabei einen allgemeinen, fächerübergreifende Anteil gibt und einen fachspezifischen.

    Es wird leichter, aber es bleibt eine Herausforderung, Inhalte so aufzubereiten, dass auch junge Kinder etwas nachvollziehen können oder im Lernen eingeschränkte mitarbeiten können. Das Bedenken ist das eine, das Material zu erstellen und es im Unterricht umzusetzen das andere, für alles hätte ich gerne mehr Zeit oder Zeitausgleich.

  • Aber ich frage mich auch, ob diejenigen, die sich für ein bestimmtes Fach begeistern, in die hineinversetzen, die diese Begeisterung nicht teilen und denen sich ein Fach erheblich schwerer erschließt.

    Warum sollte das denn nicht möglich sein? Und wie sollte sich dann eine Lehrerin, die ihr Fach nicht so toll findet, gut an SuS vermitteln, die das Fach mögen?

    Bildung ist die Fähigkeit, fast alles anhören zu können, ohne die Ruhe zu verlieren oder das Selbstvertrauen. (Robert Frost)

    Bildung kann einen sehr glücklich und gelassen machen. (Günther Jauch)

    Was nützt es dem Menschen, wenn er Lesen und Schreiben gelernt hat, aber das Denken anderen überlässt? (Ernst R. Hauschka)




  • Ist es nicht gerade dann schwieriger, angemessen zu reduzieren, wenn man die ganze Breite (und bis zu einem gewissen Grad auch Tiefe) des Faches kennt?

    Nein. Aber ich verstehe, warum du fragst: Fachliche Inkompetenz ist nicht zu rechtfertigen und macht eine Person zu einem schlechteren Lehrer. Wenn du also fachliche Probleme hast, dann solltest du sie lösen und dir nicht einreden, dass du dadurch besser unterrichten kannst.

    Bildung ist die Fähigkeit, fast alles anhören zu können, ohne die Ruhe zu verlieren oder das Selbstvertrauen. (Robert Frost)

    Bildung kann einen sehr glücklich und gelassen machen. (Günther Jauch)

    Was nützt es dem Menschen, wenn er Lesen und Schreiben gelernt hat, aber das Denken anderen überlässt? (Ernst R. Hauschka)




  • Hat man in der Chemie häufig beim Thema Oxidation, die wird in der Sek I häufig gleichgesetzt mit Reaktion mit Sauerstoff, es ist aber allgemein eine Elektronenabgabe. Dadurch kommt es in der Sek II dann zu Fehlvorstellungen

    Fand ich schrecklich als Schüler, als auf einmal eine Oxidation etwas anderes war. Total unnötig, den SuS erst Schwachsinn beizubringen.

    Bildung ist die Fähigkeit, fast alles anhören zu können, ohne die Ruhe zu verlieren oder das Selbstvertrauen. (Robert Frost)

    Bildung kann einen sehr glücklich und gelassen machen. (Günther Jauch)

    Was nützt es dem Menschen, wenn er Lesen und Schreiben gelernt hat, aber das Denken anderen überlässt? (Ernst R. Hauschka)




  • Fand ich schrecklich als Schüler, als auf einmal eine Oxidation etwas anderes war. Total unnötig, den SuS erst Schwachsinn beizubringen.

    Und genau das wurde mir im Ref beigebracht, dass wir mit so etwas rechnen müssen. Fachfremd hätte ich diesen Fallstrick nicht erlernt.


    Ich verstehe es auch nicht.

  • Klar, wer sein Fach nicht allzu tief durchdrungen hat hat auf den ersten Blick den leichteren Job, weil er/sie womöglich gar nicht mehr reduzieren müsste, so dünn wäre es, genau das ist dann aber auch das Problem.

    Das sehe ich auch so. Ich habe schon oft in Mathematik den Unterricht ab Klasse 8 oder 9 übernommen, der zuvor (aus Lehrermangel im Fach) fachfremd erteilt wurde.

    Hier nur eine kleine Anekdote: Das Thema war Zinseszins. Die SchülerInnen sollten die Zinsen eines angelegten Guthabens über 5 Jahre ausrechnen. Sie haben zunächst die Zinsen für ein Jahr ausgerechnet und dann die errechneten Zinsen mal 5 genommen und auf das Guthaben aufgeschlagen.

    Als ich sage, dass das aber so nicht richtig sei, wurde mir erklärt, dass ihnen der Kollege X das so beigebracht hat (hat er wirklich; ich habe gefragt).


    Hat man in der Chemie häufig beim Thema Oxidation, die wird in der Sek I häufig gleichgesetzt mit Reaktion mit Sauerstoff, es ist aber allgemein eine Elektronenabgabe. Dadurch kommt es in der Sek II dann zu Fehlvorstellungen

    Da kommt dann aber nach der Punkt hinzu, dass es einen Unterschied macht den SchülerInnen beigebracht wird und was sie behalten. Da liegen schon mal Welten zwischen.

    Anderes Beispiel (auch eine Anekdote): Im letzte Schuljahr war das Atommodell lange und ausführlich Thema. Bei der Wiederholung letzte Woche wurde dann mehrheitlich geantwortet, dass jede Schale in der Atomhülle immer 8 Elektronen erhält. Das habe ich denen nie so beigebracht. Also: Nochmal wiederholt.

    Freundlichkeit ist kostenlos, aber niemals umsonst.

  • Man kann das mit "grossen" SuS machen wenn's um Wissenschaftsgeschichte und Erkenntnisgewinn geht. Ich mache das im Praktikum in direkter Folge: Erst Oxidation/Reduktion mit Sauerstoff um zu erklären, woher die Begriffe historisch kommen um dann direkt im nächsten Experiment zu zeigen, dass der Vorgang viel allgemeiner aufgefasst werden muss. "Reduzieren" heisst "was weg nehmen" und dann kommen die doofen Elektronen aber plötzlich dazu - manchmal bleiben historische Fails halt auch einfach erhalten. Wie die Sache mit der "technischen" Stromrichtung, hab ich eben erst bei meinem Kollegen in der Physik gelernt, dass das auch nur ein schnöder historischer Fail ist. Daran habe ich mich jahrelang genervt und ich kenne einige Chemiker, die eben auch denken, dahinter steckt irgendwas besonders schlaues :D Es ist eben kein "Schwachsinn", wenn man es richtig anpackt. Dafür muss man halt aber einfach wirklich "vom Fach" sein bzw. wenn man es nicht direkt ist, verdammt viel lesen.

  • Bei der Wiederholung letzte Woche wurde dann mehrheitlich geantwortet, dass jede Schale in der Atomhülle immer 8 Elektronen erhält.

    Heisser Tipp: Frag sie mal, wo sie das gelernt bzw. gelesen haben wollen. Die sogenannten "Lernhelfer", die einem Tante Google ausspuckt, sind für Chemie leider erschreckend schlecht. Es geistert unglaublich viel Bullshit in diesem Fachbereich durchs Netz. Ich drohe meinen Jugendlichen unterdessen Schläge an, wenn sie mir mit "aber bei SimpleClub ..." kommen. Physik ist hingegen ein Traum, es gibt so tolles online Material, ich könnte meine SuS eigentlich 3 Jahre lang vor Leifi parken ohne selber nen Finger krumm zu machen.

  • Man kann das mit "grossen" SuS machen wenn's um Wissenschaftsgeschichte und Erkenntnisgewinn geht.

    Was verstehst du unter "großen" SchülerInnen?

    Wir haben die Oxidation im Lehrplan stehen in Klasse 7. Da sind die Kinder 12/13 Jahre alt.

    An den Lehrplan habe ich mich zu halten.

    In Klasse 9 kommen dann die Bindungsarten. Da hören sie das erste Mal dann von Anionen und Kationen.

    Freundlichkeit ist kostenlos, aber niemals umsonst.

  • An den Lehrplan habe ich mich zu halten.

    Ich weiss. Sinnvoll ist es halt nicht in der 7. Klasse überhaupt was über Oxidation zu erzählen. (Wieso zur Hölle haben die überhaupt in der 7. Klasse schon Chemie ...) Im Idealfall hast Du die gleichen SuS noch in der 10. Klasse und kannst das Thema dann so wieder aufgreifen, dass der Kreis sich am Ende schliesst. Ob das bei euch in der Regel so ist, weiss ich ja nicht. Ich muss einfach in jedem Jahrgang so einiges an Fehlvorstellungen wieder rausprügeln, die in der Sek I entstanden sind ohne dass es einen für mich erkennbaren Grund dafür gab. Darauf habe ich aber leider keinen Einfluss.

  • (Wieso zur Hölle haben die überhaupt in der 7. Klasse schon Chemie ...)

    In der Stundentafel in der Sekundarstufe 1 (bei mir Realschule) ist der Chemieunterricht ab der Klasse 7 drin. Unsere Schüler haben dann tatsächlich 4 Jahre Chemie bis einschl. Klasse 10. Die Themen sind im verbindlichen Lehrplan festlegt.

    Es ist bei uns aber tatsächlich so, dass es bis auf wenige Ausnahmen die gleiche Lehrperson bleibt.

    Freundlichkeit ist kostenlos, aber niemals umsonst.

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