Danke für diese differenzierte, klare Zusammenfassung samt Lösungsansätzen:
"SED-Erfahrung sorgt bis heute für Misstrauen gegen Staat | MDR.DE" https://www.mdr.de/zeitreise/b…ktatur-demokratie100.html
Danke für diese differenzierte, klare Zusammenfassung samt Lösungsansätzen:
"SED-Erfahrung sorgt bis heute für Misstrauen gegen Staat | MDR.DE" https://www.mdr.de/zeitreise/b…ktatur-demokratie100.html
Ob SED-Erfahrung zu genetischen Mutationen geführt hat, dass die Generationen ab 1990 ebenso misstrauisch sind...?
Mal im Ernst, wer ab 1990 geboren ist, der kennt SED-Erfahrung nur noch aus Erzählungen und Geschichtsbüchern - da müsste der gesellschaftliche Einfluss in Ostdeutschland schon sehr erheblich gewesen sein. Ich kann mich an aktive Demokratieerziehung zu Hause "tief im Westen" im "Bundeshauptdorf" nicht erinnern - aber vielleicht sind es gerade die unbewussten Haltungen, Gesten, Worte, die die eigene Einstellung prägen...
Ich kann mir vorstellen, dass die jungen Ostdeutschen halt einfach oft so erzogen wurden, dass sie dem Staat misstrauen. Ich habe mir gerade beim Lesen des Beitrags von @samu zufällig dasselbe gedacht, so nach dem Motto "Mittlerweile müssen doch schon ziemlich viele Menschen aus Ostdeutschland komplett in der BRD aufgewachsen sein oder zur Zeit der Wende so jung gewesen sein, dass die DDR kaum noch einen direkten Einfluss ausüben konnte".
Man darf die generationenübergreifende Wirkung von Traumata auf keinen Fall unterschätzen. In den Vertriebenenverbänden sind auch kaum noch unmittelbar Betroffene unterwegs, und dennoch sind sie nach wie vor sehr aktiv.
Edit: Ich halte es für einen, wenn nicht "den" Geburtsfehler der deutschen Einheit des Beitritts der neuen Bundesländer, zu glauben, dass die Integration des Ostens mit Reisefreiheit und Videorecordern zu erreichen wäre.
Vielleicht war es aber auch genau das. Die neuen Bundesländer sind dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beigetreten. Eine "Wiedervereinigung" - womöglich noch mit neuer Verfassung, wie sie das GG ja ursprünglich als selbsternanntes Provisorium vorsah, hat es ja im engeren Sinne nie gegeben.
In den Vertriebenenverbänden sind auch kaum noch unmittelbar Betroffene unterwegs, und dennoch sind sie nach wie vor sehr aktiv.
und sterben gar nicht aus. Ein Wunderwerk der Evolution
Man darf die generationenübergreifende Wirkung von Traumata auf keinen Fall unterschätzen. In den Vertriebenenverbänden sind auch kaum noch unmittelbar Betroffene unterwegs, und dennoch sind sie nach wie vor sehr aktiv.
Wobei man natürlich unterscheiden muss zwischen Traumata und einem "besonderen" Blick auf die Geschichte. Meine Familie wurde auch "vertrieben", aber als traumatisch empfinde ich diesen Teil unserer Familiengeschichte nicht. Vertriebenenverbände arbeiten vorrangig keine Traumata auf.
Vertriebenenverbände arbeiten vorrangig keine Traumata auf.
Das habe ich auch nicht behauptet. Aber die Weitergabe des erlenten Verlusttraumas hält die Vertriebenenverbände mit am Leben (klar ist das nur ein Faktor unter vielen).
Dass echte Integration für manche Gruppen von ehemaligen Gastarbeitern so schwierig ist, liegt auch nicht nur daran, dass sie anfangs so unerwünscht war.
Kleine Ergänzung zum Thema - heute Morgen im Radio: Interview mit einem Wissenschaftler zum Thema "Richard Bransonchens Mondfahrt". Zitat: "Wir Deutschen verbinden ja die Anfänge der Raumfahrt immer noch mit dem Namen Neil Armstrong." Soso, "wir Deutschen". Ich glaube, es gibt da ein paar Millionen, die vielleicht eher an Juri Gagarin denken würden. Aber den hat man als gelernter Wessi halt nicht auf dem Schirm.
Kleine Ergänzung zum Thema - heute Morgen im Radio: Interview mit einem Wissenschaftler zum Thema "Richard Bransonchens Mondfahrt". Zitat: "Wir Deutschen verbinden ja die Anfänge der Raumfahrt immer noch mit dem Namen Neil Armstrong." Soso, "wir Deutschen". Ich glaube, es gibt da ein paar Millionen, die vielleicht eher an Juri Gagarin denken würden. Aber den hat man als gelernter Wessi halt nicht auf dem Schirm.
Die Erfahrung hatte ich tatsächlich mit meinem Mann ("Wessi"), er kannte Juri Gagarin nicht. Aber gut, ich kenne viele Sachen nicht, die er kennt und umgekehrt, da habe ich es nie auf "Wessi"-Lehrplan abgetan (sondern auf "80% von dem, was man in der Schule lernt, vergisst man eh").
Juri Gagarin, Sigmund Jähn, ostdeutsche Musiker, die allenfalls als Hitlieferanten gut waren. Das Interesse an "der Zone" oder am Osten im Ganzen war bis 1989 und auch noch danach war denjenigen mit persönlichem oder familiärem Bezug vorbehalten.
Man kannte jedes Balearen-Kaff, die netteste Bar in Phuket und das coolste Kasino in Vegas. Aber Rostock oder Eisenach hätten genausogut an Polen gefallen sein können. Sprechen die dort überhaupt noch Deutsch?
Umgekehrt bastelten sich die Ossis selber Satellitenschüsseln oder Antennenungetüme aufs Dach, um einen noch so grieseligen Blick nach drüben zu erhaschen. Sie nannten ihre Kinder nach dem exotischen Westen, wälzten Bestellkataloge, klebten ergatterte West-Aufkleber in Massen auf und den Grünkeil in ihren Schiguli. Im Intershop schnüffelte man West-Luft und der Video-Rekorder war der Hausaltar.
Wie groß war die Enttäuschung als man feststellte, dass das Interesse am jeweils anderen doch sehr einseitig war.
PS: Mir fällt gerade auf, wie sehr das Szenario einem Stalker ähnelt, dessen "Liebe" enttäuschenderweise nicht erwidert wird.
Mir fällt gerade auf, wie sehr das Szenario einem Stalker ähnelt, dessen "Liebe" enttäuschenderweise nicht erwidert wird.
Ein möglicherweise ganz treffendes Bild.
Die Erfahrung hatte ich tatsächlich mit meinem Mann ("Wessi"), er kannte Juri Gagarin nicht. Aber gut, ich kenne viele Sachen nicht, die er kennt und umgekehrt, da habe ich es nie auf "Wessi"-Lehrplan abgetan (sondern auf "80% von dem, was man in der Schule lernt, vergisst man eh").
Ich weiß nicht - ich habe schon eher den Eindruck, dass es halt um Siegerkultur geht und ging.
ja, meine Formulierung war zu knapp und ich hatte einen Teil gelöscht.
"Damals" beim Gespräche habe ich es auf "alle vergessen fast alles aus der Schule" abgetan, aber jetzt fand ich deinen Ansatz interessant...
Und ja, die Siegerkultur ist ein wichtiger Teil der Lehrpläne. Ich weiß ja, wie erstaunt ich war, als ich "erfahren" habe, dass Napoleon nicht der große tolle Held ist, wie es mir in der Schule beigebracht wurde (also auch tatsächlich).
PS: Mir fällt gerade auf, wie sehr das Szenario einem Stalker ähnelt, dessen "Liebe" enttäuschenderweise nicht erwidert wird.
Vermutlich wurden hauptsächlich unsere Konsumgüter und vor allem unsere Freiheit geliebt, nicht unbedingt das Wessivölkchen.
Man muss sich doch als Nation auch nicht untereinander mögen, das ist doch alles nur zufälligerweise zusammengewürfeltes Volk.
Vermutlich wurden hauptsächlich unsere Konsumgüter und vor allem unsere Freiheit geliebt, nicht unbedingt das Wessivölkchen.
Man muss sich doch als Nation auch nicht untereinander mögen, das ist doch alles nur zufälligerweise zusammengewürfeltes Volk.
Das ist ein richtiger und wichtiger Punkt. Niemand in Karl Marx Stadt hat sich für die allemannische Fastnacht, die bayrische Küche oder den niederrheinischen Dialekt interessiert. Klar ging es primär um Konsumgüter, Musik, Filme, Mode etc. Das, was man überdies erfuhr, waren Abfallprodukte.
Trotzdem gab es ein Gefälle im Interesse und es fehlt oft die Ehrlichkeit, sich mit dessen Grundmotiv auseinander zu setzen. Dann wäre man nämlich doch ziemlich nah beieinander. Der Blick ging beiderseits der Mauer immer dahin, wo die Verlockungen lagen. Auch im Osten befasste man sich nicht allzu ausgiebig mit den Zuständen im Kongo oder in Belize. Exotik hin oder her.
Primär ist wohl auch nicht das mangelnde Interesse (hier im Süden Interessieren wir uns auch nicht für den Kölner Karneval) das zentrale Problem, sondern die Erwartungshaltung des "Westens", die DDR-Bürger würden nach dem Beitritt freudigst ihre Biografien, ihre Lebenserfahrung und ihre Sozialisation in die Tonne treten und zu begeisterten Westbürgern mutieren, weil sie ja 40 Jahre lang unterdrückt waren (jeder einzelne, jeden Tag) und eigentlich hätten froh sein müssen, daran möglichst schnell nicht mehr erinnert zu werden. Hat irgendwie nur so halbgut geklappt.
Ich glaube nicht an eine Erwartungshaltung und auch nicht an eine Sieger-Mentalität. Nicht in der breiten Masse. Beides hätte wenigstens ein minimales Interesse an der DDR oder ihrer Bewohner erfordert. Und daran glaube ich nicht.
Am Ende kommt es auf das Selbe raus.
Ob ich mich an einer ostdeutschen Identität, Haltung, Eigenheit, Politik-, Staats- oder Demokratieverständnis störe, weil ich aus Ignoranz oder eben Naivität etwas anderes erwartete, spielt am Ende keine Rolle. Und aus der Warte des Ostdeutschen ist es eine ebenso wenig schöne Wahl. "Wir waren denen komplett egal" oder "die wussten um unsere eigene Identität und sie haben drauf gesch...".
Ich verstehe die Siegermentalität so, dass auch Kinder in der Bundesrepublik bewusst sozialisiert wurden, aber davon ausgehen, dass ihr Aufwachsen, ihr Selvstbild "normal" ist, gottgegeben, richtig. Auch das Gefühl von den "guten, Frieden in die Welt tragenden USA" und dem "bösen, korrupten, angsteinflößenden Russland". Der Westen sind die Sieger, der Osten fängt irgendwo da drüben an. Und die DDR ist dazwischen, die muss man nicht so ernst nehmen. Natürlich auch, weil keine nennenswerten Marken/Reichtümer zu finden sind. Ist das nicht immer noch so? Wo liegt Aserbaidschan? Wie heißt das Staatsoberhaupt von Kasachstan? Welches Wahrzeichen von Usbekistan ist das Bekannteste?
Werbung