Schwieriger Schüler

  • Liebe Forumgemeinde,


    ich habe einen Schüler der mich in Teilen einfach zur Verzweiflung bringt. Wenn wir etwas besprechen, dann quatscht er einfach lustig mit seinem Nachbarn ohne Punkt und Komma. Ermahne ich ihn, dann geht das Spiel 20 Sekunden später weiter. Es ist ziemlich egal was ich mache. Er kann keine 2 Minuten zuhören. Ich habe jetzt nicht den Eindruck, dass seine Mitschüler das wirklich toll finden, was ihm aber recht egal zu sein scheint. Ich habe es mit durchgebenden Ermahnungen probiert. Ich habe versucht Lauer zu werden. Ihn woanders hinzusetzen. Alles erfolglos.



    Auf jede Frage meldet er sich und gibt mir ungefragt auch Tipps, was die Organisation angeht. Selbst zu Aspekten die ihn null tangieren erklärt er mir welche Lösung er favorisieren würde. Seine Rechtfertigung ist, dass er ADHS hat.


    Ich glaube gar nicht, dass er das böse meint. Und ich bin mir auch nicht sicher ob er wirklich sieht wie extrem genervt ich von ihm bin. Ich brauche mit meinen Erklärungen nur zu beginnen und seine Hand ist sofort oben, was mich innerlich schon nervt. Das sollte so ja eigentlich nicht sein.


    Vielleicht hat jemand ähnliche Erfahrungen oder sogar eine Idee.


    VG

  • Den würde ich einfach mal vor die Tür setzen, wenn er den Unterricht so massiv durch sein Gequatsche stört; vielleicht wird ihm dann bewusst, dass sein Verhalten wirklich störend ist. Hast du dann schon mal ein Vier-Augen-Gespräch mit ihm geführt (ich frage, weil du ja schreibst, dass er evtl gar nicht merkt, dass er dich nervt)? Je nach Alter wäre, wenn er noch minderjährig ist, vermutlich auch ein Gespräch mit seinen Erziehungsberechtigten über sein Verhalten angebracht.

    Benimmt der junge Mann sich auch bei anderen KuK so? Und wäre es in dem Fall vielleicht ratsam, die Schulsozialarbeit einzuschalten? Unsere Schulsozialarbeiter*innen nehmen sich solchen "schwierigen Fällen" gerne an.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Danke für deine Antwort.


    Ja, er benimmt sich bei allen Kollegen so. Ich bin scheinbar der einige den das so absolut nervt. Und natürlich haben wir schon darüber geredet. ADHS ist die Ausrede oder es gibt dann immer einen Grund.



    Er ist volljährig. Berufskolleg, in Vollzeit.


    Das mit dem Vor die Tür setzen habe ich mir tatsächlich überlegt. Ich darf das nur nicht, solange der Gute nicht beaufsichtigt wird. Gerade in der Probezeit verkneife ich mir so etwas.


    Der Schulsozialarbeiter könnte einen neuen Ansatz darstellen.

  • Ich darf das nur nicht, solange der Gute nicht beaufsichtigt wird.

    Warum bitte das nicht?
    BK ist Sek II und damit ist keine Aufsicht mehr nötig, noch dazu ist er volljährig.
    Bei mir wäre er vor der Tür und bei der Schulsozialarbeit.


    Grundsätzlich sollten aber schon alle involvierten Kollegen mit beteiligt werden.

  • Das mit dem Vor die Tür setzen habe ich mir tatsächlich überlegt. Ich darf das nur nicht, solange der Gute nicht beaufsichtigt wird.

    Da schließe ich mich Kiggie an. Das stimmt für den berufsbildenden Bereich meines Wissens nicht, zumal der Schüler ja schon volljährig ist.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Wieso ein volljähriger Schüler beaufsichtigt werden muss, verstehe ich auch nicht. Allerdings kannst du ihn ja auch vor die offene Tür in den Gang setzen, so dass du ihn noch sehen kannst (und er auch dem Unterricht theoretisch noch einkgermaßen folgen kann). Mache ich in der Sek I so, wenn mir jemand akut auf den Keks geht.

  • Man kann auch Schüler vor die Tür stellen, die Tür offen lassen und ihn an der gegenüberliegenden Wand parken. So hat man ihn zumindest im Auge. Mache ich auch mit einem Schüler, ähnlich wie Deinem. Der geht halt, wenn er sich nicht an die Regeln hält nach ca. 5 Minuten raus.

    Das ist auch so ziemlich der einzige Schüler bei mir, denn ich über den Mund fahre, wenn er meint mir Tipps geben zu müssen oder versucht mich auszuspielen. Manche Spielchen muss man auch nicht mitmachen.


    Natürlich darf dann irgendwann wieder rein kommen und sein Glück erneut versuchen. Bevor jemand fragt, Schulsozialarbeit, Eltern sind involviert und wissen bescheid.

  • Wie lange geht eigentlich ADHS? Wie lange ist das eine gängige Entschuldigung? Was passiert, wenn ich als Erwachsene sage: Tut mir leid, ich habe ADHS? Ich weiß, saublöder Kommentar. Aber dieser "Grund", der dann ausgesprochen wird, nervt mich zunehmend. Genauso Schüler in der Notbetreuung, die 1000 Fehler machen. Wenn ich dann sage, dass das nochmals korrigiert werden muss, kommt bei manchen 4ern zuweilen. Nö, ich muss das nicht, ich hab LRS. Mehrmals passiert.

  • PaddelCore, hast du die Möglichkeit dieses Problem mit deiner Leitung zu besprechen? Vor allem in den Inklusionsklassen habe ich nicht nur AD(H)S Schüler, sondern auch andere Kinder mit herausforderndem Verhalten und vor die offene Türe bringt nicht viel, da sie dann dort weiter Faxen machen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Gut, der Schüler ist volljährig und wahrscheinlich nicht ganz so pubertär. Falls ihr so etwas wie einen Ruheraum habt (meistens bei den Sozialpädagogen und die haben dann auch ein Auge drauf), könntest du ihm wenn es in der Klasse nicht mehr weitergeht, den Stoff in die Hand drücken und er soll ihn dort bearbeiten. Finden viele AD(H)S Schüler gar nicht so schlecht, weil dann nicht so viel auf sie einprasselt und sie sich nur auf das eine konzentrieren müssen.

  • Warum denkst du, dass es dich mehr nervt als andere? Stört es dich tatsächlich mehr oder stört er möglicherweise mehr in deinem Unterricht als in anderen? Im ersten Fall steht m.E. die Frage im Vordergrund, warum dich das so "triggert", damit du gelassener reagieren kannst (nicht weniger streng unbedingt, aber eben auch nicht genervt). Im zweiten Fall würde ich mich fragen, wann es besser ist. Wann quatscht er weniger? Was hilft ihm beim Konzentrieren? Das könntest du auch mit ihm extra nach der Stunde besprechen.


    Das Kommentieren deines Verhaltens würde ich mir allerdings auch verbitten. ADHS hin oder her, er kann im Berufsleben auch nicht seinem Chef ungefragt mitteilen, wie der seinen Job zu machen hat.


    Mein erster Impuls war auch: schmeiß ihn raus. Wenn das aber nicht deinem Gefühl entspricht, bist du unsicher und dann funktioniert es nicht. Versuche neue Wege zu finden, damit sich kein Pingpong einspielt. Vielleicht mal ein "boah, danke Herr Müller, ohne Ihre Tips käme ich echt nicht klar. Und jetzt wenden Sie das mal auf Ihre eigenen Aufgaben an: Buch Seite 17...", um den Fokus von dir und der Kritik an dir wegzunehmen. Nimm nix persönlich, lenke die Aufmerksamkeit auf den Schüler und seine Aufgaben, gib ihm zu tun:)

  • Ich hatte auch mal ein solches "Exemplar", immer alles besser wissen und alles kommentieren müssen. Ich habe mich dann irgendwann mal spontan dazu entschlossen, das Spiel mitzuspielen und habe diesem Schüler meine Materialien gegeben, habe ich auf einen freien Platz gesetzt und gesagt "unser neuer Kollege Schüler XY übernimmt ab jetzt den Unterricht und antwortet auf alle Fragen und erklärt das Thema, los gehts". Das gab erstmal ziemlich doofe Blicke und Zögern, aber der Schüler hat sich dann tatsächlich ans Pult gesetzt und hat "losgelegt". Nach ein paar Minuten und einigen Fragen der Mitschüler wusste er dann plötzlich doch nichts mehr zu sagen und schaute nur noch hilfesuchend mich an. Die blöde Situation musste er dann eine Zeit lang aushalten, bis ich ihn dann wieder "erlöst" habe. Danach war erstmal Ruhe. Und immer wenn dann doch nochmal eine "Besserwisserei" rausrutschte, reichte ich ihm wortlos meine Sachen und schon war Ruhe angesagt.

    Kommt halt drauf an, wie derjenige so drauf ist- kann klappen, kann schiefgehen.

  • Mal abgesehen davon, dass eine Aufsichtspflicht bei Volljährigen ohnehin nicht mehr wirklich greift, verletzt man seine Aufsichtspflicht auch bei jüngeren SchülerInnen nicht bereits pauschal durch das "vor die Tür setzen". Wenn das Problem derart massiv ist, scheint mir dieses milde Erziehungsmittel im Übrigen auch nicht ausreichend. Sollte so etwas auch nicht wirklich fruchten, wäre der Weg über Ordnungsmaßnahmen zu gehen. Der Fokus sollte dann auf dem Schutzaspekt für die MitschülerInnen liegen, die ein Recht auf Bildung haben, welches durch das beschriebene Verhalten nachhaltig gestört wird.

  • Wie lange geht eigentlich ADHS?

    Meinst Du damit, wie lange es dauert, bis ADHS sich "verwächst"? Nun, die Antwort ist simpel: Es geht nicht weg. Idealerweise bekommen die Betroffenen es in den Griff - mit Medikamenten, teilweise auch über Verhaltensstrategien. Aber die Annahme, ein Betroffener könnte irgendwann sagen, "ach, jetzt bin ich aber echt zu alt für den Quatsch", wird dieser Krankheit - die immer noch viel zu oft als Unerzogenheit oder als schlechte Angewohnheit betrachtet wird - nicht gerecht.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Meinst Du damit, wie lange es dauert, bis ADHS sich "verwächst"? Nun, die Antwort ist simpel: Es geht nicht weg. Idealerweise bekommen die Betroffenen es in den Griff - mit Medikamenten, teilweise auch über Verhaltensstrategien. Aber die Annahme, ein Betroffener könnte irgendwann sagen, "ach, jetzt bin ich aber echt zu alt für den Quatsch", wird dieser Krankheit - die immer noch viel zu oft als Unerzogenheit oder als schlechte Angewohnheit betrachtet wird - nicht gerecht.

    Leider nie, das ist aber kein Grund, sich so zu benehmen. Macht der Schüler keine Verhaltenstherapie? Nimmt er keine Medikamente? Ich würde mit der Schulsozialarbeiterin einen konkreten Plan machen, z.B. mit Einzelarbeitsphasen, wenn er zu laut ist - ggf in eine andere Klasse setzen mit einem Kollegen, der schon lange Lehrer ist und der für seine Durchsetzungskraft bekannt ist.

  • Was soll denn Rausschmeissen bringen, wenn er ADHS hat? Das geht davon nicht weg. Ich habe eine direkte Kollegin mit ADHS, die ist 62 und ja mei, manchmal nervt sie halt. Das gehört zum Leben mit ADHS dazu, dass die Leute lernen wann sie andere nerven denn selber "spüren" können sie es offenbar nicht. Also muss man es ihnen wohl beibringen und das gehört zu unseren pädagogischen Aufgaben dazu, auch in der Sek II. Wenn der junge Mann grundsätzlich freundlich ist, lohnt es sich auf jeden Fall das Spiel mal mitzuspielen und im wie bereits vorgeschlagen mal das Zepter in die Hand zu geben. Offenbar ist er ja nicht ausgelastet oder denkt das zumindest. Ansonsten kann auch ruhig, offen und ehrlich reden helfen. Nach dem Motto "Tim, Sie quatschen mir jetzt zum 5. Mal in Folge rein, ich finde das wirklich wahnsinnig anstrengend. Können Sie das verstehen? Meinen Sie, das klappt heute noch oder wollen Sie lieber alleine irgendwo anders weiter arbeiten?" Dann ist es nicht rausgeschmissen sondern der Schüler nimmt sein Zeug mit und beschäftigt sich eben selbst. Generiert natürlich einen gewissen Zusatzaufwand wenn man hinterher schauen muss, ob er auch wirklich was gemacht hat. Aber mei, man hat ja nicht nur ADHS-Schüler.

  • Erstmal vielen Dank für die wirklich vielen Tipps und Anregungen.


    Ich werde den jungen Mann vor den Ferien nicht mehr wiedersehen. Das mit der Aufsichtspflicht klebt noch aus dem Ref an mir. Und ehrlich gesagt habe ich noch nie einen Schüler rauswerfen müssen, weil meine Werkzeuge immer irgendwie hilfreich genug waren, dass ich die Situation irgendwie meistern konnte.


    Was mich einfach so ratlos zurücklässt ist, dass die Kollegen das alle wahrnehmen, es aber nur mich so massiv stört. Ich bin noch in der Probezeit. Alle anderen sind seit 20 Jahren im Geschäft.


    Ich werde nach den Sommerferien folgendes probieren:

    Ich werde mit ihm noch einmal das Gespräch suchen und erklären, dass ich dieses Gequatschte im Unterricht so nicht mehr akzeptiere. Sollte das nichts bewirken, schicke ich ihn wirklich mal für 10 Minuten aus dem Raum. Parallel werde ich mal unseren Sozialarbeiter kontaktieren. Tatsächlich habe ich so ein Spielchen bisher noch nicht spielen müssen. Vielleicht eine Erfahrung, an der ich auch wachsen kann. Mal schauen was passiert.

    VG

  • Ja, sowas muss man lernen und es wundert mich nicht, dass die "alten Hasen" das einfach aushalten. Ich hatte gleich im ersten Jahr einen Asperger-Autisten und einen Schüler mit ADHS in einer Klasse. Dankbarerweise waren beide in einer Verhaltenstherapie und kamen direkt auf die neuen Lehrpersonen zu um sich zu erklären. Dann findet man gemeinsam Wege um damit umzugehen. Versuche so freundlich und gelassen wie möglich zu bleiben und denk immer dran, dass der junge Mann am allermeisten sich selbst nervt. Der wird sein ganzes Leben immer wieder anecken weil er eben "anders" ist.

  • Ich habe eine direkte Kollegin mit ADHS, die ist 62 und ja mei, manchmal nervt sie halt.

    Wie äußert sich das konkret? Würde mich interessieren.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Oh, sie ist beinahe vorbildlich gemäss DSM. Sie ist grundsätzlich ein herzensguter Mensch, redet aber unfassbar viel und hat keinen Zentimeter Distanzgefühl. Man ist gerade mit einer anderen Person im Gespräch, sie kommt in den Raum, stellt sich einem direkt vors Gesicht und fängt einfach an einen vollzuquatschen mit irgendwas, was ihr jetzt gerade unglaublich wichtig erscheint und was sie 10 min später auch schon wieder vergessen hat. Wenn sie neben mir am Schreibtisch sitzt, kann ich keine 2 min mehr arbeiten weil sie mich eben entweder vollquatscht oder irgendwelche Geräusche von sich gibt während sie selbst irgendwas versucht zu "arbeiten". Sie weiss grundsätzlich NIE über Termine Bescheid, schafft es auch schon mal angesagte Prüfungen zu vergessen, hat kurz vor Notenschluss IMMER das Problem dass es nicht genügend Einzelnoten gibt oder irgendwas falsch gewichtet ist oder ... Versucht man irgendwas mit ihr zusammen zu arbeiten, hat sie gefühlte 100000 supertolle Ideen (die sind meist wirklich kreativ), mit denen sie einfach mal jeden platt bügelt, so wirklich umgesetzt wird am Ende aber irgendwie nichts davon weil sie sich einfach mit allem immer nur hoffnungslos verzettelt. Sie ist wirklich nett und ausgesprochen hilfsbereit aber ich fürchte, ich bin im gesamten Kollegium die einzige, die regelmässig mit ihr Kaffee trinkt und überhaupt irgendeine Art von sinnvollem Austausch mit ihr hat. Erstaunlicherweise schafft sie es aber ihre SuS mit einigermassen vernünftigem Wissen abzufüllen, ich hatte schon mal ne Stellvertretung für sie und war da ganz erstaunt wie viel die wussten.

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