Um neue Klasse beten?

  • Ich bin seit Februar im Referendariat und hatte bisher eine vierte Klasse. Nun wurde mir in Deutsch eine neue Mentorin zugewiesen, die eine 1.Klasse hat. Diese Klasse ist eine absolute Problemklasse, da ist sich das Kollegium einig. Alles Kinder mit starken Persönlichkeiten, ein Junge verbringt grundsätzlich dreiviertel der Zeit vor der Tür (er brüllt unkontrolliert in den Unterricht), es herrscht ein aggressives Klima.


    Jetzt ist das für mich noch kein Problem, ich hospitiere zwar noch, aber unter Anleitung traue ich mir dort Unterricht zu. Nur nächstes Halbjahr steht ja der BdU an und dann wäre ich alleine in dieser Klasse, ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Einerseits denke ich, dass es gut sein kann, dass ich nach dem Ref. auch eine solche Klasse bekomme und deshalb schon "trainieren" kann, andererseits denke ich an meine Lehrproben!


    Meine Mitreferendarin meinte, ich solle eine andere Klasse fordern, denn nach dem Ref. fragt keiner, wie meine Noten zustande gekommen sind...


    Was meint ihr? Soll ich zur Direktorin gehen und das Thema ansprechen? Möchte aber auch keinen "Drückeberger" Eindruck hinterlassen! Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll, eigentlich mag ich die Kinder aus der Klasse auch sehr gerne!


    Liebe Grüße
    Elaine

  • Na ja, ob beten das was bringt ;) sorry...


    also im Ernst... nach dem Ref kannst du dir deine Klasse auch nicht aussuchen. Klar, da wirst du dann auch nicht ständig benotet, aber ich glaube, du hast die Chance, in so einer Klasse viel zu lernen.


    Ich bin an ner SfE, kann dir also aus Erfahrung sagen, dass man auch vermeintlich schwierige Klassen *in den Griff* bekommen kann, da läuft dann ganz viel über Beziehungsarbeit. Das kann nicht in ein paar Wochen abgeschlossen sein, wohl aber können die Schüler bis zum BdU sehr wohl eine stabile Beziehung zu dir aufgebaut haben.
    Wenn du die Kinder magst - was du ja auch bestätigst - ist das doch schon die halbe Miete.
    Reflektiert deine Mentorin dein Lehrerverhalten mit dir? Das halte ich in eine schwierigen Klasse für besonders wichtig, da Schwächen, Unklarheiten, Inkosnequenz sofort mit weiteren Störaktionen 'honoriert' werden.
    Vom Schreien heute heisere Grüße :)

  • Hallo Elaine,


    mit wievielen Stunden wirst du denn im BDU in dieser Klasse sein? Ich denke, es kann zwar nicht schaden, wenn man auch im Ref Erfahrungen mit schwierigen Klassen sammelt, aber falls man ausschließlich damit zu tun hat, kann es vielleicht schon sehr stessig werden und v.a. (je nach dem wie sicher man sich selbst ist) auch ganz schön am Selbst- bzw. Lehrerrollenbewußtsein kratzen.
    Ich habe z.Zt., seit Anfang des Schuljahres zwei relativ schwierige Klassen, allerdings mit insgesamt nur 3 Stunden. Die haben mich zwar in ersten Halbjahr mehr Nerven (und Vorbereitungszeit) gekostet als alle anderen zusammen, aber mitlerweile wird's besser. In den schwierigen Phasen habe ich immer wieder den Unterricht in den anderen Klassen genossen, dort konnte ich viel mehr ausprobieren und wirklich effektiv arbeiten, was sehr zum Spaß an dem Job beigetragen hat. Inzwischen kann ich vieles, was ich dort ausprobiert habe, auch in den beiden anderen Klassen umsetzen und bin mit allen meinen BdU-Lerngruppen ziemlich zufrieden. Aber grade am Anfang, wenn der 'normale' Unterricht noch sehr anstrengend und 'referendarerschöpfend' ist finde ich es hilfreich, sich auch mal weniger auf's Disziplinieren und für Ruhe sorgen und mehr auf das Unterrichten konzentrieren zu können.


    Viele Grüße,
    carla

    Nehmen Sie die Menschen so wie sie sind.
    Es gibt keine anderen

  • Hallo Elaine,


    ich fange auch mit einem Spass an:
    Du bist ja ganz schön extrem und schwankst zwischen "beten" und "fordern". Der, zu dem man betet, hat als Allmächtiger Dir diese Situation doch eingebrockt und Dir diese kleinen Teufel geschickt. Du meinst wohl, dann könne er sie auch wieder wegholen?


    Im Ernst, ich bin der festen Meinung, dass man im Referendariat NICHT schon alle denkbar möglichen Härten des Lehrerinnendasein durchmachen muss.


    Ich stelle mal Deine Schilderung nicht in Frage, wobei ich mich allerdings frage, wieso dieser Wechsel nach 3 Monaten wirklich unumgänglich war. Als "Nur-Referendarin" - bis Du da beleibig verschiebbare "Masse"?


    Du hast in dieser Lern- und Übungsphase einen Anspruch darauf, dass Dein Anfängerin-Sein, die Bedeutung der Noten für Deine spätere Karriere etc. berücksichtigt werden.
    Du befindest Dich doch im pädagogischen Raum, Du sollst was lernen, "man" will Dir was beibringen, Dich anleiten - da muss auch pädagogisch (was immer = human ist) mit Dir umgegangen werden.


    Leider wird in Direktoren- und Ausbilderkreisen viel zu häufig der Begriff "Belastbarkeit" ausgereizt, was nur Machtspielchen und Machtmissbrauch ist.


    Als Referendarin sollst Du bestmögliche AUSBILDUNGS-Bedingungen haben, möglichst angstfei, um Sicherheit "im Geschäft" langsam aufzubauen - und nicht durch das Inferno geschickt werden nach dem Motto "Was uns nicht umbringt, macht uns nur härter!" oder "Vogel friss oder stirb!". Du sollst nicht in erster Linie auslesemäßig hart durchgetestet werden !
    Und gegebenenfalls "im Abfall" landen. "Harte" Menschen sind keine guten Pädagogen


    Aber so scheint mir die Situation im Referendariat oft zu sein.


    Ich gehörte zu denen, die um 1970 das Referendariat auch für die Grund-, Haupt- und Realschullehrer in Hessen gefordert - und erreicht haben (ab 1972). Wir waren vorher mit 28 Wochenstunden plus schriftlichen Vorbereitungen plus Seminar einfach zu überlastet, um uns in den Beruf gründlich einarbeiten zu können. Und was für die Gymnasiallehrer schon lange gut war (Referendariat), sollte auch für uns gut sein ! Dem konnte man auf Dauer nicht widersprechen.


    Schon bald war ich enttäuscht und empört, dass es vielen Referendaren gar nicht besser ging als uns vorher - manchmal sah es sogar schlimmer aus. Und ich glaubte bald den Grund zu erkennen: den bis dahin einfachen Lehren, die jetzt Ausbilder wurden, stieg ihre MACHT ÜBER DAS SCKICKSAL DER ERWACHSENEN REFERENDARE zu Kopf und sie steigerten und steigerten die formalen Anforderungen bis zu Schikanen.


    Damals fing gleichzeitig die Akademikerarbeitslosigkeit an und viele Ausbilder schienen es zu geniesen, junge Erwachsene um ihre Lebensbasis bibbern zu sehen, und erwarteten unterwürfigstes Verhalten. Sogar "Fertig-machendes" Verhalten war zu beobachten. Mit Oberstufenschüler wurde respektvoller umgegangen.
    Wie ich Eure Berichte teilweise hier lese, ist es häufig immer noch so schlimm.


    Am meisten wundert mich, dass junge Kollegen zwar schreiben, dass es "gerade die Hölle war" - aber scheintröstend formulieren, sie hätten es überstanden und dann würdest Du es auch überstehen.
    So stelle ich mir vor, haben sich im 17./18. Jahrhundert auch die Negersklaven in Amerika gegenseitig getröstet und Gospels zum "Lord" gesungen.
    Aber Ihr seid keine Sklaven und keiner hat das Recht, Euch wie Sklaventreiber zu behandeln.


    Ich bin kein unmittelbarer 68-er, ich war nie auf der Strasse - aber ich habe mit anderen in meinem Bereich für Reformen geworben und gekämpft.


    Warum lässt sich die große Mehrheit der jeweiligen Referendariatsgeneration diese Misstände und "Misshandlungen" gefallen ???


    In Frankfurt gab es ein Seminar, das berüchtigt-berühmt für seine hohe Suizidrate war. Die Leiter waren noch stolz drauf !


    Ich frage mich manchmal, ob ich nicht den Respekt vor denen von Euch aufgeben soll, die so mit sich umgehen lassen und sich nicht zusammentun, um was zu verändern. Und ich denke, wer im Referendariat das Duckmäusern gelernt und eingeübt hat, kann danach kein guter Lehrer und Erzieher für ein demokratisches Gemeinwesen mehr sein, in dem die Menschenwürde Vorrang hat.


    Beginnt so mancher Lehrerfrust schon hier im Referendariat ???

    Da scheinen mir die Watte-Trösterchen im Forum ganz unangeracht das System zu erhalten.


    Zurüch zu Dir, Elaine:


    Es ist schon prima, dass Du die Situation als problematisch ansiehst und auch hier beschreibst.


    Ich möchte Dich ganz intensiv ermutigen, um eine normale Klasse zu "bitten". Vielleicht gebrauchst Du einige meiner obigen Argumente. Kein Handwerker überträgt einem Lehrling gleich die schwierigsten Aufgaben.


    Wahrscheinlich würde ich es in einem wohl ausgewogenen Brief formulieren, in dem ich "bitte" (und in Klammern "beantrage") schreibe, denn es ist meine über 30-jährige Erfahrung, dass man mündlich sehr oft abgewimmelt wird und erst Schrifliches auf dem Schreibtisch der Zuständigen ernst genommen wird. Mündlich und schriftlich kan auch nacheinander erfolgen. Darüber muss dann ersthafter nachgedacht werden und es muss ein "wohl" begründeter schriftlicher Bescheid gegeben werden.


    Ich weiß schon, dass einige hier "NÖ !" schreiben werden, aber dies is mein Vorschlag an Dich.


    Und alle Referendare, die "leiden" unter 20-seitigen schriftlichen Unterrichtsvorbereitungen und unter Demütigungen - so schreibt mir eine Moderatorin - bitte ich, sich meine Argumentation zur Veränderung mal gut zu überlegen.


    Wenn sich nichts ändert, sage ich "Selbst dran schuld! Zu Mißständen gehören immer zwei - einer, der sie verursacht, und einer der es mit sich machen lässt!"


    Viele Grüße, Georg Mohr

    Glückliche Kinderaugen machen glücklich !
    "Lehren" = beim Lernen unterstützen + "Erziehen" ist noch wichtiger als "Stoff" vermitteln.

  • Vielen Dank für Eure ausführlichen Antworten!


    Gemo, ich meinte nicht "beten zu Gott", sondern "ich bete meine Schulleiterin um eine andere Klasse". Gerade fällt mir auf, dass es "bitten" heißen muss! Sorry :)!


    Eure Antworten sind ein bisschen zwiespältig, der eine dafür, der andere dagegen. Ich werde am Montag zu meiner Schulleiterin gehen und mal mit ihr über meine Sorgen sprechen! Und genau erfahren, was es mit dem BdU auf sich hat! Denn ihr habt recht, nur in einer Problemklasse zu arbeiten verdeckt die Sicht auf den Unterricht an sich. Zwar hätte ich in meinem Zweitfach Sport sicherlich andere Klassen.


    Ich habe meinen Mentor nicht wirklich gewechselt nach zwei Monaten. Die Schulleitung ist nur der Meinung, es wäre besser, zwei Mentoren zu haben, für jedes Fach eine, damit man auch andere Unterrichtsstile etc. kennenlernt! Dem stimme ich absolut zu und in zwei Klassen macht es auch mehr Spaß!


    Lieben Dank für Eure hilfreichen Antworten!
    Elaine

  • Wegen dem BDU in NRW - vermutlich werden es auch bei dir 9 Stunden pro Halbjahr sein. Bei uns gilt es aber auch dann als BDU, wenn man nur einen Teil der Klasse hat, z.B. Förderung von Kleingruppen, oder auch, wenn man im Stundenplan in Doppelbesetzung eingeteilt ist. Vielleicht ist das ja auch bei euch möglich?
    Viel Erfolg!

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Elaine,


    ich war auch mit in einer sehr schwierigen Klasse, mehrere verhaltensauffällige Kinder, mehrere Kinder mit ADHS, 2 lernbehinderte Kinder, schwierige Eltern und eine Mentorin, die nicht so wirklich Rat wusste, die sich auch in der Klassenstufe nicht wohlfühlte. Die Unterrichtsbesuche waren zwischen "mit Augen zudrücken ne 3+" (meine Seminarleiterinnen kannten meine Situation und nahmen Rücksicht) und "Katastrophe". Ich habe kurz vor der Prüfung in eine neue erste Klasse gewechselt, dachte zuerst, es ist Wahnsinn, aber die neue Kollegin, die diese Klasse hatte, hat sich super um mich gekümmert, sehr schnell Strukturen für die eher unkomplizierten Kinder geschaffen - und die Prüfung lief super! Ich würde diesen Wechsel wieder vollziehen, auch wieder wenige Wochen vor der Prüfung.


    Grüße,
    Conni

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Hallo Elaine!
    Ich habe auch eine sehr schwierige Klasse (Geistigbehinderten-Schule mit Kinder, die aber eher lernbehindert und erziehungsschwierig sind.) Ich habe mit den Kindern Schwierigkeiten, was noch ginge, wenn ich Unterstützung bekäme von meiner Mentorin. Die bekomme ich aber leider nicht. Mir wurde aber auch gesagt, vom Fachleiter, dass man das sich hinterher auch nicht aussuchen können und ich da bleiben solle... Jetzt, kurz vor der Prüfung ärgere ich mich, micht nicht gewehrt zu haben. Später werde ich länger in einer Klasse sein pro Woche, selbst bei einer Teilzeitstelle. Die schrecklichen Kolleginnen werden Kolleginnen sein, aber keine Mentorinnen, die mich bewerten. Und außerdem: Andere Refis wechseln auch die Klasse, wenn sich wer für sie einsetzt.


    Ich denke, man sollte im Referendariat die Chance haben, auch in Ruhe lernen zu können.


    gemo: Du hast immer noch recht mit deinen Forderungen, aber wie setze ich sie durch. Wir hatten z. B. am Freitag eine Konferenz, bei der unsere Ausbildungskoordinatorin netterweise kritisiert hat, dass der Elternsprechtag jetzt schon zum zweiten Mal an unserem Seminartag sein soll. Wie soll man Elternberatung lernen, wenn man nie dabei ist? Aber was war die Reaktion der lieben Kollegen: Abfälliges Gemurmel und eine Abstimmung, die dann den Sprechtag doch auf den Donnerstag verlegte. Nicht mal die Mentorinnen haben für "uns" gestimmt, nur einige, denen der Donnerstag aus anderen Gründen nicht passte. Die haben sich damals nicht gegen die Referendariatsbedingungen gewehrt und verstehen nicht, warum wir so frech sind, da mal was zu fordern!


    Viele Grüße


    Uta

  • hallo zusammen!
    ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir vor drei jahren ziemlich fertig gemacht wurden von unserem fachleiter, weil wir uns gewagt hatten, zu fordern nur einen tagesplan zu machen, wenn lehrproben oder so anstehen.
    daraufhin hat dann keiner mehr sich auch nur irgendwie getraut was zu sagen.
    was ich aber eigentlich sagen will: es ist eben gar nicht so einfach, irgendetwas durchzusetzen.


    zu der schwierigen klasse kann ich nur sagen, versuche mit deinen vorgesetzten zu reden. normalerweise lässt sich da doch etwas machen.
    viel glück
    simsa

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