Impfpflicht für Lehrer

  • Seph : Für mich persönlich wiegt das Recht auf körperliche Unversehrtheit höher als das gesamtgesesellschaftliche Bedürfnis auf "Verhinderung der Ausbreitung übertragbarer Erkrankungen".

    Auch bei Letzterem geht es um das Recht auf körperliche Unversehrtheit.

    Bildung ist die Fähigkeit, fast alles anhören zu können, ohne die Ruhe zu verlieren oder das Selbstvertrauen. (Robert Frost)

    Bildung kann einen sehr glücklich und gelassen machen. (Günther Jauch)

    Was nützt es dem Menschen, wenn er Lesen und Schreiben gelernt hat, aber das Denken anderen überlässt? (Ernst R. Hauschka)




  • Seit einem Jahr leben wir nun mit teils erheblichen Einschränkungen und durch die Impfung wird uns hoffentlich in absehbarer Zeit ein halbwegs normales Leben ermöglicht. Wie kann man dagegen sein? Warum kann man seinen Teil nicht dazu beitragen? Vermutlich geht das aus Prinzip nicht.

    Was andere Impfungen angeht: Vielleicht einfach nochmal drüber nachdenken, was Sinn und Zweck einer Impfung ist.

  • Wie kann man dagegen sein? Warum kann man seinen Teil nicht dazu beitragen? Vermutlich geht das aus Prinzip nicht.

    Es geht in der Tat weniger um Corona an sich, sondern eher um das Prinzip. Wenn man einmal eine Impfpflicht durchsetzt, ist das ein Prädezenzfall, auf den man sich in allen möglichen Kontexten beziehen könnte, weswegen ich allgemein bei jeder einzelnen Grundrechtseinschränkung während dieser Pandemiephase sehr skeptisch war. In meinen Augen stehen die Grundrechte über allem und sollten auch in Notfällen uneingeschränkt Anwendung finden.

    Ich als Mensch bin bis zu einem gewissen Grad verantwortlich für meine Familie, meine Freunde, meine Arbeitskollegen oder Kunden (analog für Schüler im Lehrerkontext). Was jedoch meinen Körper und meine Gesundheit angeht, so denke ich, dass das mitunter das Sensibelste ist, was man hat und dass da kein Dritter reinreden sollte.

  • Wenn du schon mit Begriffen wie Körperverletzung hantierst, empfiehlt sich auch die tiefere Auseinandersetzung damit. Grundsätzlich erfüllen ärztliche Eingriffe zwar den äußeren Tatbestand der Körperverletzung, sind aber dann nicht rechtswidrig, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Dieser kann durch Einwilligung gegeben sein oder durch Gesetzeslage.


    Das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG) lässt sich wiederum durch Gesetze einschränken. Genau das sieht das Infektionsschutzgesetz zum Zweck der Verhinderung einer Ausbreitung übertragbarer Erkrankungen bereits vor. Für die Masernschutzimpfung ist dies bereits normiert und der Gesetzgeber könnte dies verfassungskonform durchaus auf andere Erkrankungen übertragen.

    Zuletzt wurde das ja auch vom Europäischen Gerichtshof bestätigt. In Tschechien gibt es beispielsweise schon jetzt deutlich mehr vorgeschriebene Pflichtimpfungen für staatliche Kitas/Kigas und Schulen, als hier in Deutschland. Das Urteil wurde auch in Deutschland im Hinblick auf laufende Klagen gegen die Masernimpfplicht als Vorbedingung für den Besuch von Kita/Kiga/Schule mit Spannung erwartet:


    Zwar greife eine Zwangsimpfung erheblich in das Recht auf Privatleben ein. Dieses Recht und das Recht auf Leben verpflichteten die Staaten aber auch, die Gesundheit ihrer Bürger zu schützen. Darauf könnten sich Staaten bei einer Impfpflicht berufen.

    Eine weitere Rechtfertigung ergebe sich aus dem Kindeswohl. „Wenn es um Impfungen geht, sollte das Ziel sein, dass jedes Kind vor schweren Krankheiten geschützt ist.“ Dies werde durch die Impfungen erreicht – bei einem hohen Impfniveau auch für Kinder, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, betonten die Straßburger Richter. Der hier angegriffene Impfplan in Tschechien betreffe Krankheiten „gegen die die Impfung von der wissenschaftlichen Gemeinschaft als wirksam und sicher angesehen wird“.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ich erinnere nochmal daran, dass ich mich auf den oben verlinkten Artikel bezog, in dem es explizit um eine Impfpflicht für verbeamtete Lehrer geht, und darum, dass Eltern "wünschen" könnten, dass ihre Kinder von nicht von einem ungeimpften Lehrer unterrichtet werden.

    Ich finde das gar nicht abwegig, sondern durchaus nachvollziehbar, zumindest in individuellen Einzelfällen (und davon gibt es gar nicht so wenige).


    Eine befreundete Familie hatte ein (inzwischen leider verstorbenes) schwerst herzkrankes Kind, das schon im 1. Lebensjahr eine Herztransplantation erhielt. In der Folge nahm er viele Immunsuppressiva und durfte keine Impfungen erhalten, war also zwingend auf Herdenschutz angewiesen.

    Die Familie fand in einer mittelgroßen Kleinstadt keinen Kindergartenplatz für ihr Kind, da in jedem angefragten KiGa ungeimpfte Kinder waren und das Risiko für eine Ansteckung zu groß gewesen wäre.

    Zu Schulzeiten wurde das Kind zuhause beschult, da es ihm da gesundheitlich schon nicht mehr gut ging, aber wäre es zur Schule gegangen, hätte es auch dort unbedingt ein durchgeimpftes Umfeld gebraucht.


    Das mag jetzt ein extremes Beispiel sein, aber es betrifft halt doch einige Kinder, die aus medizinischen Gründen nicht selbst geimpft werden dürfen. Aktuell dürfte die Gruppe noch viel größer sein, denn noch können Kinder ja überhaupt nicht geimpft werden.

    Mein chronisch krankes Kind ist aus diesem Grund aktuell vom Präsenzunterricht befreit. Zum Glück kann unser Kind geimpft werden, sobald der Impfstoff für Jugendliche zugelassen ist, aber das gilt eben nicht für alle und ja, da fände ich es richtig, wenn Eltern fordern könnten, dass ungeimpfte LK dieses Kind nicht unterrichtet. Idealerweise sollte das auch für MitschülerInnen gelten, da ist es aber deutlich schwieriger, das durchzusetzen.


    Ich würde übrigens auch nicht wollen, dass meine 96jährige Tante von ungeimpften Pflegekräften versorgt wird.

  • Idealerweise sollte das auch für MitschülerInnen gelten, da ist es aber deutlich schwieriger, das durchzusetzen.

    Das ist genau der Punkt. Nur der geimpfte (verbeamtete) Lehrer nützt wahrscheinlich wenig.


    Ich würde übrigens auch nicht wollen, dass meine 96jährige Tante von ungeimpften Pflegekräften versorgt wird.

    Das ist für mich eine ganz andere Situation. Pflege ist ein Gesundheitsberuf und da kommt man sich zwangsläufig sehr nah.

    Das erklärt für mich nicht, dass man dazu gezwungen werden kann, weil es das Beamtenverhältnis ggf. möglich macht.

    Was anderes, wie schon gesagt, wäre, wenn grundsätzlich für alle in medizinischen Berufen und / oder die in der Schule arbeiten / in die Schule gehen eine Impfpflicht gälte.


    (Vielleicht noch ergänzend: Ich bin bereits gegen Covid geimpft, und habe auch sonst alle empfohlenen Impfungen, auch 2x Masern, ich bin absolut pro-impfen, aber Impfpflicht finde ich sehr schwierig bzw. nur unter bestimmten Bedingungen gerechtfertigt.).

  • Seph : Für mich persönlich wiegt das Recht auf körperliche Unversehrtheit höher als das gesamtgesesellschaftliche Bedürfnis auf "Verhinderung der Ausbreitung übertragbarer Erkrankungen".

    Was du womöglich anders sehen würdest, wenn dein Leben oder das deines Kindes davon abhängen würden, dass ein ausreichend hoher Herdenschutz besteht...


    Ich bin zwiegespalten, was eine Impfpflicht anbelangt, halte das aber für die schwächstmögliche Argumentationsstrategie dagegen- insbesondere, wenn man eine solche Argumentation mitten während einer weltweiten Pandemie einsetzt. Das klingt zu sehr nach Verharmlosung, Egozentrismus und Ignoranz der aktuellen Lage. Lass dich von Aogo beraten, was cleveres (Selbst-)Marketing bei ungünstiger Ausgangslage ausmacht.

    Ich würde mir persönlich wünschen, dass wir auch ohne eine Impfpflicht eine ausreichende Durchimpfungsquote erlangen. Das liegt aber vor allem daran, dass ich mir wünsche, dass wir als einsichtsfähige, empathiefähige Wesen erkennen, dass Impfungen inklusive der Coronaimpfung für uns und unsere Mitmenschen bestmöglichen Schutz bieten. Ich gehe davon aus, dass wir irgendwann mindestens für den Schulbereich eine analoge Regelung haben werden wie bei der Masernimpfung und wäre durchaus erleichtert, gerade meine SuS entsprechend geschützt zu wissen. Ich gehe auch davon aus, dass einige Länder, die begehrte Reiseziele der Deutschen sind eher früher, als später die Impfung zur Einreisebedingung machen werden, was auch bei Erwachsenen die Impfquote erhöhen würde.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: Tippfehler

  • Haare schneiden ohne Einwilligung ist Körperverletzung,

    Danke für diesen Hinweis! Das Schreiben meines Anwaltes an meinen Friseur ist raus (Haare zu kurz geschnitten! Das war nicht vereinbart und ohne meine Einwilligung!). Von den Schadensersatzansprüchen kann ich jetzt meinen Job an den Nagel hängen, ich ziehe nach Neuseeland und zeige von dort aus Lindbergh eine lange Nase, wenn er/sie sich wieder über Corona in Deutschland aufregen muss.

  • Es geht in der Tat weniger um Corona an sich, sondern eher um das Prinzip. Wenn man einmal eine Impfpflicht durchsetzt, ist das ein Prädezenzfall, auf den man sich in allen möglichen Kontexten beziehen könnte, weswegen ich allgemein bei jeder einzelnen Grundrechtseinschränkung während dieser Pandemiephase sehr skeptisch war. In meinen Augen stehen die Grundrechte über allem und sollten auch in Notfällen uneingeschränkt Anwendung finden.

    Ich als Mensch bin bis zu einem gewissen Grad verantwortlich für meine Familie, meine Freunde, meine Arbeitskollegen oder Kunden (analog für Schüler im Lehrerkontext). Was jedoch meinen Körper und meine Gesundheit angeht, so denke ich, dass das mitunter das Sensibelste ist, was man hat und dass da kein Dritter reinreden sollte.

    Grundrechte gelten (unter Ausklammerung von Art. 1 und 20 GG, sowie Art.79 Absatz 3, die man an dieser Stelle getrennt betrachten und bewerten müsste), wie dir in diesem Forum im Laufe des letzten Jahres wenigstens ein Dutzend mal erklärt wurde, niemals uneingeschränkt. Sie konfligieren miteinander (deine Freiheitsrechte z.B. mit meinem Recht auf Leben und Gesundheit), was konstanter Abwägung bedarf, welche Einschränkungen oder eben auch gerade Nichteinschränkungen jeweils verhältnismäßig sind. Wer mit Grundrechten argumentiert wie du, zeigt, dass er diese wahlweise nicht richtig versteht oder- als Schlagworte- instrumentalisieren möchte (denn wer sich nicht gut genug auskennt wird sich womöglich von einer derartigen Argumentation beeindrucken lassen). Leider wird das GG sehr gerne und nicht nur aktuell instrumentalisiert von Gruppen des rechten, wie linken Randes inklusive der irgendwo dazwischen einzuordnenden Querdenkerbewegung, deren Argumentation du dir in den letzen 12 Monaten immer wieder implizit zu eigen gemacht hast.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: Tippfehler

  • Verharmlosung, Egozentrismus und Ignoranz der aktuellen Lage.

    Jetzt hast Du die Postings eines bestimmten Users knapp, aber treffend zusammengefasst.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

    • Offizieller Beitrag

    Seph : Für mich persönlich wiegt das Recht auf körperliche Unversehrtheit höher als das gesamtgesesellschaftliche Bedürfnis auf "Verhinderung der Ausbreitung übertragbarer Erkrankungen".

    Ja, für mich auch.
    Zumindest in der Definition "Erschieß Herrn Müller, er ist Corona-positiv und könnte die Krankheit übertragen".


    Aber in der Definition "gesicherte Impfung" vs "Pandemie und weitere Mutationen"... mmm... lass mich überlegen. Nee, brauche ich nicht.

    und ja, ich weiß, dass es rechtlich leider nicht so einfach ist, wie ich es mir vorstelle. Aber Es gibt da auch was mit Abwägung der Folgen...

  • Danke für diesen Hinweis! Das Schreiben meines Anwaltes an meinen Friseur ist raus (Haare zu kurz geschnitten! Das war nicht vereinbart und ohne meine Einwilligung!). Von den Schadensersatzansprüchen kann ich jetzt meinen Job an den Nagel hängen, ich ziehe nach Neuseeland und zeige von dort aus Lindbergh eine lange Nase, wenn er/sie sich wieder über Corona in Deutschland aufregen muss.

    Falls dich das ernsthaft interessiert: Klick mich!

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Ich würde übrigens auch nicht wollen, dass meine 96jährige Tante von ungeimpften Pflegekräften versorgt wird.

    Würdest du dann Impfpflicht für Pflegekräfte fordern? Oder dass sich nur Geimpfte aus dem Team um deine Tante kümmern dürfen?

  • Impfpflicht für verbeamtete Lehrer einführen? Geht das nicht etwas zu weit?

    Ich bin sehr für Impfpflicht. Sehr effektiv, um der Pandemie beizukommen. Natürlich auch für Lehrerinnen. Bzw. für die sogar mit höherer Priorität. Aber weil es sinnvoll ist, nicht weil Eltern irgendetwas schwafeln.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

    Einmal editiert, zuletzt von O. Meier ()

  • Für mich persönlich wiegt das Recht auf körperliche Unversehrtheit höher als das gesamtgesesellschaftliche Bedürfnis auf "Verhinderung der Ausbreitung übertragbarer Erkrankungen".

    Die „körperliche Versehrung“ die einer beim Impfen widerfährt ist so gering, das man sie im Verhältnis zu der Chance, die Pandemie in die Wüste zu schicken, nicht erwähnen sollte. Diese „Abwägung“ ist nicht mal mehr egoistisch, sondern grotesk.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

    Einmal editiert, zuletzt von O. Meier ()

  • In meinen Augen stehen die Grundrechte über allem und sollten auch in Notfällen uneingeschränkt Anwendung finden.

    Da bin ich grds. auch bei dir, nur geht die Bedeutung dieser Grundrechte über "meine persönlichen Abwehrrechte ggü. dem Staat" hinaus. Im hier diskutierten Art. 2 GG heißt es u.a. "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit." (Hervorhebung durch mich). Es ist durchaus sachgerecht, im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen einem ziemlich niedrigschwelligen Eingriff in dieses Recht für den Einzelnen (kleiner Pieks bei Impfpflicht) und relativ harten Konsequenzen für viele MitbürgerInnen ohne einen solchen Eingriff (Worst Case: Zusammenbruch des Gesundheitssystems mit entsprechender Anzahl Schwererkrankter und Toter) diejenige Variante zu wählen, die dem normierten Recht auf Leben und Unversehrtheit eher entgegen kommt.

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