Cancel Culture - Wie weit darf Meinungsfreiheit gehen?

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    Indem Leute nicht mehr sagen, was sie tatsächlich denken, wird nach außen hin der Schein erweckt, dass alle super woke und tolerant sind. Ob sie es dann auch tatsächlich sind, weiß natürlich keiner, weil keiner seine ehrliche Meinung wiedergibt, sondern die, mit der er möglichst wenig aneckt.

    Und du denkst, je öfter falsche oder gewalttätige Sachen unreflektiert in die Kamera gesagt werden, desto toleranter werden die Menschen? Es ist KEINE Aufklärung, wenn eine erfolgreiche Person mit Vorbildfunktion dumme und unreflektierte Sachen sagt, die dann unwidersprochen in zigtausenden Köpfen hängen bleiben.

  • Himmel, ihr darf doch widersprochen werden und ihr muss widersprochen werden. Aber deshalb muss nicht der Arbeitgeber aufgefordert werden sie zu entlassen, sondern vielleicht eher der Wurst eine Weiterbildung und ein Praktikum mit entsprechenden Skills verpassen...das bringt definitiv mehr als "er hat jetzt eine Denkpause und denkt zuhause mal in Ruhe nach, was er böses gesagt hat." Das klappt doch schon bei Schulkindern nicht...

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Wo hab ich dazu denn was geschrieben? Das war eine Situationsbeschreibung. Der Profifußball und die entsprechende Fanszene sind (nicht nur latent) homophob. Du schreibst, dass das anders wäre, das halte ich für offensichtlich falsch.


    Wenn du jetzt meine Meinung dazu wissen willst: Das ist furchtbar und dagegen muss Aufklärungsarbeit geleistet werden. Das hat auch was mit liberal sein zu tun, dieses Mal auf der Handlungsebene. Wenn ein Mann einen Mann liebt und das ausleben will, dann soll er das tun dürfen, denn er schadet damit niemand Anderem (und das ist die zentrale liberale Maxime, die entscheiden sollte, ob man etwas darf oder nicht) und sich selbst sowieso nicht (was aber egal wäre). Wenn jemand das schlecht findet, dann darf die Person das, aber sie darf weder aktiv dagegen handeln (das passiert im Fußball wohl eher weniger), noch darf sie sozialen Druck aufbauen (das passiert ganz massiv...wie gesagt: 0 Outings in 7 Jahren). Wir unterscheiden uns nicht darin, dass wir das falsch und schrecklich finden, wir unterscheiden uns darin, wie wir damit umgehen wollen. Du willst die Leute aufgeben, ausschließen (mindestens aus deinem Freundeskreis) und ggf. noch beleidigen dürfen. Das ist ok, ich spreche dir nicht ab, dass du das darfst, ich halte es nur schlicht und ergreifend für nicht hilfreich. Ich halte es für hilfreich Kampagnen zu fahren, aufzuklären und nicht locker zu lassen. Ich weiß noch genau wie viele Bananen in den 90ern geflogen sind (die meisten auf Oliver Kahn, das war in Ordnung, aber immer noch zu viele auf schwarzafrikanische Spieler (damit niemand an Sean Dundee denkt, wenn ich nur afrikanisch sage). Wie hat das aufgehört? Durch Fanbeauftragte, durch Strafen gegen die Vereine, durch Ansprachen der Leute in der Kurve, immer und immer wieder...das passiert heute in den oberen Ligen nicht mehr (reden wir besser nicht von den unteren Ligen).


    Sobald du die Leute aufgibst, hast du sie verloren und erreichst sie nicht mehr. Was glaubst du, wohin die sich dann wenden? Und was genau bringt dir das? Und der Gesellschaft?

    Dann haben wir z.T. aneinander vorbei geschrieben ... denn Lindbergh hat - aus meinem Verständnis - Lehmanns Aussagen mehr oder weniger mit "ist im Profifußball halt normal" relativiert. Ich habe mich dagegen gewandt, dass etwas, nur weil es verbreitet ist, zu akzeptieren ist. Ich habe nie abgestritten, DASS es diese Homophobie gibt.


    Und jetzt zur Frage, wie man mit Leuten, die sich so äußern, umgeht.

    a) "Aufklärungsarbeit" - wie immer die aussieht?

    b) Shitstorm, cancel culture


    Beides hat Vor- und Nachteile. bei b) besteht die Gefahr, die Leute, die man mit a) noch erreichen könnte, zu verlieren. Bei a) besteht die Gefahr, dass manche Leute sich sogar ermutigt fühlen, weil es halt keine richtige Gegenreaktion gibt (und viele in dem Milieu, das Du hier beschreibst, verstehen halt manche Reaktionen besser als andere).


    zum Glück gibt es mMn nach noch Möglichkeit c) Ich kläre auf, geben den Leuten noch ein, zwei Chancen ... aber wenn das wieder nix hilft (und da wären wir bei Lehmann), dann muss man es vielleicht doch mit einer Variante von b) versuchen. Und wenn es dann nur ist, um anderen zu zeigen, dass sowas nicht ohne Folgen bleibt.


    Ist übrigens etwas übe griffig zu meinen, ich wolle Leute beleidigen ... ich denke, ich hab mich hier in der Richtung (auch wenn Tommi das anders sieht) recht harmlos ausgedrückt im Vergleich zu anderen.


    Und ... wie hat das aufgehört? Hat es das wirklich? Affenlaute sind noch gar nicht so lange her ... Aber wenn es weniger geworden ist oder vielleicht sogar aufgehört hat, wie?

    "Durch Strafen gegen die Vereine " ... eben, also doch "Konsequenzen" ... bis hin zum Spielabbruch und Wertung des Spiels als verloren ... auch "cancel culture"? Was kann man denn den Vereinen vorwerfen? Dass sie ihre Fans nicht im Griff haben ... und während ich zustimme, dass durch Fanbeauftragte viel erreicht wurde, hat die Möglichkeit des Stadionverbots (von dem soweit ich weiß auch Gebrauch gemacht wurde) wohl auch etwas bewirkt.

    Ja, eine Kernfrage von oben wird sein: Werden diese Äußerungen jetzt nur unterdrückt oder entwickelt sich die Gesellschaft doch positiv weiter. Ich fürchte, bei manchen Leuten musst Du froh sein, wenn es zum Unterdrücken reicht ... denn bitte die Betroffenen nicht vergessen: die leiden nämlich unter solchen Aussagen auch. Und von der Perspektive ist mir nicht mehr gar so wichtig, ob ich jemanden erreiche oder ausschließe oder unterdrücke ... die Betroffenen haben auch ein Recht auf Schutz.

  • Ich glaube jetzt sind wir weitestgehend auf demselben Stand. :)

    Nur drei Anmerkungen:
    1.) Gegen Konsequenzen habe ich gar nichts. Dem Verband und auch dem Verein geht es um sein Image und das soll nicht zerstört werden, also sind die natürlich berechtigt gegen Vereine/Fans vorzugehen, die ihr Image und damit ihren Marktwert schädigen. Die machen das nicht, weil ihnen irgendwelche Werte wichtig wären, den Zahn muss ich dir beim Profifußball aber vermutlich nicht ziehen, das dürfte bekannt sein.

    2.) Die angesprochenen "Beleidigungen" fallen bei dir vermutlich unter b). Wenn du jemanden Nazi oder Rassist nennst, dann ist das eine diskussionsbeendende Beleidigung. Worüber soll derjenige nachher noch mit dir reden? Wenn man die Freundschaft aufkündigt, weil der Freund etwas gesagt hat (die Wahrscheinlichkeit, dass ein Freund von 0 auf "wir beleidigen auf der Straße einen Wildfremden als Nigger" abgeht, ist vermutlich doch recht gering, das fängt niederschwelliger an) ist das auch end of discussion...

    3.) Die Gesellschaft entwickelt sich weiter, aber viel langsamer als das die Politik wahrnimmt, was meiner Meinung nach mit einer Entfremdung von den Bürgern zu tun hat, weil die meisten Politiker halt in der Großstadt leben und einen gewissen Bildungslevel erreicht haben. Welcher Politiker versteht denn, was es heißt von ALG II für ein paar Jahre eine Familie durchzubringen? Fucking noone, nicht einmal bei den Linken.

    Die Menschen haben teilweise ganz andere Sorgen, wenn du die ernst nimmst, kannst du sie auch beim Rest besser mitnehmen.

    If you look for the light, you can often find it.
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  • Ok, ich gestehe zu, dass man wohl nicht immer (kommt bei mir schon etwas auf die Äußerung an) beim ersten "Fehltritt" mit "Ausschluss" reagieren sollte.

    Wie sieht es dann aber bei Menschen aus, die in der Gesellschaft eine heraus gehobene Position bekleiden, die Vorbildfunktion, aber auch ein gewisses Maß an Bildung haben? Die gar keine oder doch deutlich wenige "andere Sorgen" haben? Die diese Äußerungen tätigen, weil sie nicht nachdenken (und da Wiederholungs"täter" sind ... ok, dann ist das auch nicht der erste "Fehltritt") oder weil sie provozieren wollen? Oder weil sie aufwiegeln wollen? Oder weil sie in einem bestimmten "Milieu" punkten wollen?

    Und klar, bei dieser Motivation muss man wohl wieder für sich selbst entscheiden, was man vermutet / wie man interpretiert.

  • Dein Beispiel müssen wir etwas konkreter machen. Nehmen wir an, dass der nächste Bundeskanzler (oder die nächste Kanzlerin) wiederholt rassistischen Unfug redet (nur Unfug wäre für Laschet gemein, dann hätte er keine Chance). Das müsste angesprochen werden, in allen Zeitungen, im Internet, auch im Freundeskreis diskutiert und im Bundestag müsste jeder Abgeordnete für sich sein Gewissen befragen und überlegen ein konstruktives Misstrauensvotum einzubringen und/oder zu unterstützen. Nach dem Clownzirkus in den USA und dem Mist den sich Herr Scheuer (fachlich) in dieser Legislaturperiode geleistet hat, glaube ich aber leider dass die Zeit in der Politiker wegen Fehlverhalten zurücktreten oder vom Parlament zurückgetreten werden, sich dem Ende neigt. Für was für Kleinigkeiten sind Politiker früher freiwillig zurückgetreten und wie klebrig sind manche heute geworden... ;)

    Ein echtes Problem hast du erst dann, wenn sie aus einer Partei kommen und eine Wählerschaft haben, die das gut findet (Hint: Trump...)...

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  • Ich weiß nicht, ich würde sagen, das echte Problem hat man schon, wenn eben nicht genügend Leute bestimmten Behauptungen massiv widersprechen. Denn dann gibt es

    a) Nachahmer

    b) anderen das Gefühl, das sagen zu dürfen

    c) manchen die Vorstellung, dass das Gesagte (da unwidersprochen) Konsens ist.


    Und ja, jetzt können wir wieder von vorn anfangen, wie der Widerspruch am Besten aussehen soll ;)

  • Ja, aber das ist dann eine philosophische Frage danach wie du das Ganze angehst und wir sind (hoffentlich) beide der Meinung, dass unsere Einstellung zu dem Thema das Bestmögliche für die Gesellschaft herausholt. Du eher interventionistisch-links, ich eher linksliberal. Same, but different :P

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  • Andere Frage: Gibt es so etwas wie Cancel culture überhaupt? Das ist ja ein umstrittener Kampfbegriff derjenigen, die das Phänomen nicht mögen. Gibt es ein anderes Wort dafür - "demokratisches Feedback" am Ende? Oder Shitstorm? Ist Shitstorm (ein Begriff, der im Englischen weit skandalöser ist als im Deutschen) das gleiche, und ist der wenigstens legitim?


    Ich sehe als Ursache, dass es vor den sozialen Medien eher so war, dass Kommunikation weitgehend in eine Richtung führte: privilegierte Sender konnten Botschaften an eine große Zahl von Empfängern loswerden, ohne dass die reagieren konnten. Und jetzt können die das, und damit muss man umgehen. Das gilt für die privilegierten Sender: die müssen mit Widerspruch rechnen, und das gelingt denen nicht, die gleich Shitstorm krähen. Aber das gilt auch für uns Nutzer der sozialen Medien, stimmt: was am Stammtisch geht, geht öffentlich nicht; der redaktionelle Filter der traditionellen Medien fällt weg. (Andererseits: Diese Fußballer wohl - ich interessiere mich nicht für die und kann die auch nicht auseinanderhalten - und Boris Palmer sicher verzichten ja auch auf diesen Filter.)


    Nachtrag: Gerade im Guardian gelesen - Rennpferdbesitzer erleidet Konsequenzen, weil Pferd gedopt war; für ihn ganz klarer Fall von cancel culture. https://www.theguardian.com/sp…-culture-disqualification

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Ich weiß nicht, ich würde sagen, das echte Problem hat man schon, wenn eben nicht genügend Leute bestimmten Behauptungen massiv widersprechen. Denn dann gibt es

    a) Nachahmer

    b) anderen das Gefühl, das sagen zu dürfen

    Der TE vermittelt, mir zumindest, auch den Eindruck, als ob er genau das für erstrebenswert hielte: Jeder dürfe unwidersprochen alles sagen oder man könne über alles reden. Und das funktioniert eben nicht in jedem Falle. Lehmanns Aussagen sind vielleicht nicht besonders durchdacht, deswegen konnte er wohl auch schon öfter verbal entgleisen. Aber eben auch bei Undurchdachtem gibt es offenbar Grenzen.

  • Andere Frage: Gibt es so etwas wie Cancel culture überhaupt? Das ist ja ein umstrittener Kampfbegriff derjenigen, die das Phänomen nicht mögen. Gibt es ein anderes Wort dafür - "demokratisches Feedback" am Ende? Oder Shitstorm? Ist Shitstorm (ein Begriff, der im Englischen weit skandalöser ist als im Deutschen) das gleiche, und ist der wenigstens legitim?

    Frag mal Dieter Nuhr, Heino, Lisa Eckhardt, Egon Flaig, Abdel Samad, Lucke, Liefers, oder auch Leute wie Steimle. Es gibt ziemlich viele Leute des öffentlichen Lebens, die dir ein Lied davon singen können. Auch aus ganz verschiedenen Bereichen. Satire, Historiker, Wissenschaftler, Politiker.

    Kann man so eine Entwicklung wirklich gutheißen?

  • Du verkürzt wieder (absichtlich oder weil Du es wirklich nicht siehst): Wehrpflicht ist nicht das Problem, aber Wehrpflicht mit dem Ziel, dass das "Bewusstsein für die wehrhafte Demokratie wiederbelebt" wird ist ein Problem. Wir haben nämlich bereits eine wehrhafte Demokratie (der Begriff bezeichnet nämlich nicht, dass die Demokratie sich gegen Angriffe von außen wehrt, sondern gegen Radikale von Innen, die die Demokratie zerstören wollen), das Bewusstsein dafür ist bei vielen Menschen, gerade bei denen die AfD kritisch sehen, offensichtlich da. Zu sagen, man müsse es wiederbeleben sagt, dass es nicht da ist bzw. dass den Menschen ein anderes Konzept von "wehrhafter Demokratie" vermittel werden soll. Und die Antwort zur Schaffung eines Bewusstseins für eine wehrhafte Demokratie ist Militär?


    Erinnerungskultur ist auch nicht grundsätzlich das Problem ... aber der Versuch einer Partei, zu entscheiden, mit was Geschichte und Wissenschaft sich beschäftigen sollen, ist das Problem.


    Du kennst die Aussage Gaulands nicht, der Nationalsozialismus wäre doch lediglich "ein Fliegenschiss in der deutschen Geschichte"?

    Du machst das, was viele Leute gerne machen. Sich an Phrasen aufhängen und daraus eine Gesinnung ableiten. Du versteifst dich beispielsweise auf die eine Phrase "Bewusstsein für die wehrhafte Demokratie wiederbelebt". Dann interpretierst du deinen gewünschten Inhalt hinein. In diesem Fall natürlich radikales Gedankengut, da verlangt wird sich gegen äußere Feinde zur Wehr zu setzen. Zumal ich selbst diese Phrase seltsam finde und deren Aussage nicht ganz nachvollziehen kann, ist es für mich jetzt nicht der Inbegriff der Radikalität.


    Wenn die Partei Lerninhalte und Forschungsinhalte auswählen will, dann haben wir ein Problem. Völlig korrekt. Steht das denn im Programm?


    Die Rede kenne ich nicht. Die Phrase schon. Aber ich finde Kontext grundsätzlich wichtig. Phrasenpickerei wird in der Politk gerne gespielt, um Leuten irgendwelche Attribute zuzuschreiben. Das finde ich immer unprofessionell.

  • Der TE vermittelt, mir zumindest, auch den Eindruck, als ob er genau das für erstrebenswert hielte: Jeder dürfe unwidersprochen alles sagen oder man könne über alles reden. Und das funktioniert eben nicht in jedem Falle. Lehmanns Aussagen sind vielleicht nicht besonders durchdacht, deswegen konnte er wohl auch schon öfter verbal entgleisen. Aber eben auch bei Undurchdachtem gibt es offenbar Grenzen.

    Verwechsel nicht "unwidersprochen" mit "Shitstorm, Kündigung und Drohung". Widerspruch ist immer gut und wichtig. Aber es sollte sich nicht in schlimmsten sozialen, beruflichen und gesellschaftlichen Folgen entladen.

    Ich denke ebenfalls dass die sozialen Medien hier gehörig dazu beigetragen haben, dass sekundenschnell einfache Nachrichten zu riesigen Shitstorms aufgebaut werden können und Leute sich ständig dazu genötigt fühlen, dass sie jeden Mist kommentieren, kritisieren und belehren. Das Mitteilungsbedürfnis ist enorm gestiegen.

    Mit dem Shitstorms werden wir wohl leben müssen. Aber zumindest fände ich es gut, wenn man klare Kante gegen Berufsverbote, Kündigungen und Drohungen zeigen würde.

  • Frag mal Dieter Nuhr, Heino, Lisa Eckhardt, Egon Flaig, Abdel Samad, Lucke, Liefers, oder auch Leute wie Steimle. Es gibt ziemlich viele Leute des öffentlichen Lebens, die dir ein Lied davon singen können.

    Inwiefern sind die gecancelt? Ständig in Medien, ständig präsent? Was genau wurde denen gecancelt? Ist jetzt - und das war ja meine Frage - jeder Shitstorm ein Canceln? Ist die Absage einer Veranstaltung ein Canceln? In deiner Liste fehlt noch Xavier Naidoo.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Der TE vermittelt, mir zumindest, auch den Eindruck, als ob er genau das für erstrebenswert hielte: Jeder dürfe unwidersprochen alles sagen oder man könne über alles reden. Und das funktioniert eben nicht in jedem Falle. Lehmanns Aussagen sind vielleicht nicht besonders durchdacht, deswegen konnte er wohl auch schon öfter verbal entgleisen. Aber eben auch bei Undurchdachtem gibt es offenbar Grenzen.

    Ja, nicht ganz, aber es geht in die Richtung. Zunächst setze ich niedrigere Maßstäbe bei Aussagen im Vergleich zu Handlungen an. Dann kommt es sicher auf die Umgebung an und die Intention. Es kommt auch noch einmal darauf an, ob du mich als Einzelperson ansprichst oder eine größere Personengruppe, deren Teil ich bin oder auch nicht.

    Offensichtlich, wenn du mir regelmäßig Sachen sagst, die ich so gar nicht cool finde, werde ich dich irgendwann fragen, was das Ganze soll und dass ich das nicht so gut finde. Erst, wenn ich merke, dass wir auf gar keinen grünen Zweig kommen, werde ich den Kontakt zu dir meiden. Dass ich dir zudem noch weiteren Schaden wünsche... Da muss man halt echt viel passiert sein. Ich glaube, ich setze da so hohe Maßstäbe an, dass mir gerade kein sinnvolles Beispiel einfällt. Doch, z.B. systematisches Mobbing.

  • Inwiefern sind die gecancelt? Ständig in Medien, ständig präsent? Was genau wurde denen gecancelt? Ist jetzt - und das war ja meine Frage - jeder Shitstorm ein Canceln? Ist die Absage einer Veranstaltung ein Canceln? In deiner Liste fehlt noch Xavier Naidoo.

    Manche betroffene sprechen sogar selbst darüber. Dieter Nuhr hat ja auf Phönix ein tolles Interview zu geben. Wenn du dich jetzt hinstellst und sagst, dass es alles Quatsch ist, finde ich das ehrlich gesagt etwas lächerlich. Und was gecancelt wurde? Einige Jobs, Auftritte, Vorlesungen, Veranstaltungen, Konzerte. Sogar Austragungsveranstalter wurden unter Druck gesetzt.

  • Hier mal ein paar meiner Meinung nach sehr typische Fragen, denen viele Verfechter der Meinungsfreiheit in den sozialen Medien mit großer Gewissheit mit Empörung begegnen würden, obwohl diese durchaus diskutable sein könnten:


    Gehört der Islam, auch in seiner konservativen Auslegung, zu Deutschland?

    Warum ist es Schweden, Dänemark und vielen anderen Nationen der Welt erlaubt, sich ihre Einwanderer auszusuchen (Einwanderungstests, -beschränkungen usw.), aber in Deutschland ist das nicht möglich?

    Ist die Inklusion, so wie sie in Deutschland umgesetzt wird, nicht oftmals nur elternberuhigende Augenwischerei, damit man seine Ruhe vor der EU hat?

    Sollten Menschen, die nachweislich aus Verantwortungslosigkeit ihre Gesundheit auf's Spiel setzen (Raucher, bestimmte Fälle von Fettleibigkeit, Extremsportler....) sich weiterhin auf ein System verlassen können, das von der Gemeinschaft getragen wird?

    Sollten Senioren Ü60, die AZ verweigern, sich wieder hinten anstellen müssen?

    Sollten Menschen, die keine Kinder zeugen, mehr in die Rentenkasse zahlen müssen?

    Verlangen wir der Gesellschaft derzeit einfach zu viel Toleranz ab, wenn man gleichzeitig innerhalb weniger Jahre fordert, dass jeder Mensch die neuen Maßstäbe "bunt, divers, inklusiv, integrativ, you name it" zu akzeptieren und bitte auch gut zu finden hat?

    Ist der Feminismus in seiner heutigen Ausprägung für die Mehrheit der Frauen repräsentativ oder letztendlich doch nur das Gezeter einer intellektuellen Blase?


    Es gibt sooooooooo wahnsinnig viele Fragen, die durchaus kontrovers diskutiert werden können, die aber sehr häufig abgewürgt werden, weil die "Social Justice Warrior"-Reaktionen dies kaum ermöglichen, ohne dass es direkt in heftigen Twittergefechten oder sonstigem Tohuwabohu ausartet. Die obigen Fragen waren jetzt einfach mal eine Auflistung der Fragestellungen, die mir in letzter Zeit über den Weg gelaufen sind.

  • Verwechsel nicht "unwidersprochen" mit "Shitstorm, Kündigung und Drohung". Widerspruch ist immer gut und wichtig. Aber es sollte sich nicht in schlimmsten sozialen, beruflichen und gesellschaftlichen Folgen entladen.


    Es gibt sooooooooo wahnsinnig viele Fragen, die durchaus kontrovers diskutiert werden können, die aber sehr häufig abgewürgt werden, weil die "Social Justice Warrior"-Reaktionen dies kaum ermöglichen, ohne dass es direkt in heftigen Twittergefechten oder sonstigem Tohuwabohu ausartet.

    Bleibt selbst konkret. Was ist "Tohuwabohu", wer hat wen bedroht? Ihr macht es keinen Deut besser als das von euch Kritisierte.

  • Frage: Gilt die angebliche Cancel culture nur für die Zivilgesellschaft? Von Maaßen sagt ja auch niemand ernsthaft, der sei gecancelt worden; bei Cem Özdemir seinerseits ja auch nicht. (Wir erinnern uns: Heutzutage treten Politiker:innen allenfalls zurück, wenn es nach Kriminalität aussieht, und oft nicht mal dann.) Wenn ich fordere, dass Andi Scheuer entlassen werden muss und ich auch mit dem Innenminister nicht zufrieden bin, der noch jeden Shitstorm ausgesessen hat - ist das Cancel culture?

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Manche betroffene sprechen sogar selbst darüber. Dieter Nuhr hat ja auf Phönix ein tolles Interview zu geben. Wenn du dich jetzt hinstellst und sagst, dass es alles Quatsch ist, finde ich das ehrlich gesagt etwas lächerlich. Und was gecancelt wurde? Einige Jobs, Auftritte, Vorlesungen, Veranstaltungen, Konzerte. Sogar Austragungsveranstalter wurden unter Druck gesetzt.

    Wow. Jemand kann ein tolles Interview geben. Der ist aber krass gecancelt. Man könnte fast meinen, der ist in die Arbeitslosigkeit getrieben worden. Vielleicht lebt er gar von ALG2?


    Oder eben nicht. Und ist einfach nur weinerlich, weil man seinen Unfug nicht mehr hören mag. Ich cancele Dieter Nuhr übrigens seit vielen Jahren, weil ich ihn schon immer unerträglich fand.

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