Cancel Culture - Wie weit darf Meinungsfreiheit gehen?

  • Bin ich auch nicht, aber ich meine mal als ganz groben Unterschied gelesen zu haben, dass Meinungsäußerungen sehr weitreichende Freiheit genießen, Tatsachenbehauptungen aber nicht. Beispiel:


    Du bist ein Betrüger und Dieb -> Tatsachenbehauptung

    Ich finde, dass du ein Betrüger und Dieb bist -> Meinung

    Ich habe das jetzt nochmal nachgeschaut.


    Meinungen sind maximal eine Beleidigung, gegenüber Dritten können sie ein Werturteil bilden und sind dann wohl regelmäßig Bestandteil von richterlichen Abwägungen.


    Tatsachenbehauptungen, die ehrverletztend sind, sind tatsächlich immer strafbar, so sie unwahr sind. Dabei gilt, dass der Aussprechende sie als wahr kennen muss, Klatsch&Tratsch fallen also, so es ehrverletztende Dinge sind, unter den Tatbestand der Üblen Nachrede. Weiß er, dass es unwahr ist, ist es sogar Verleumdung.


    Inwiefern jetzt Spitzfindigkeiten der Formulierung ("du bist" vs. "ich finde") einen Unterschied machen, dazu gibt es mWn lange und ausführliche Gerichtsprozesse. :D

  • BlackandGold: In dem Fall handeltest du ja durchaus angemessen, indem du das Gespräch mit ihr suchtest und deinen Unmut kundtatst. Für mich klingt es jetzt aber nicht danach, dass du weitreichende, schwerwiegende soziale oder wirtschaftliche Konsequenzen für sie befürwortet hättest, oder?


    Wegen der Ausmaße zu Cancel Culture: Wir reden hier über soziale Ächtung oder Jobverlust, aber es kann sogar noch extremere Formen annehmen. Nach den Aussagen von J K Rowling schrieben Leute in den sozialen Medien "RIP J K Rowling". Wollen wir nie hoffen, dass es soweit kommt, aber sowas erinnert fast schon an Hexenjagd und könnte durchaus in Berufen außerhalb der Medienwelt vorkommen.

  • Muss man eigentlich seine Meinung unbedingt überall kundtun - gerade wenn man antizipieren könnte, dass es zu entsprechenden Reaktionen kommen könnte?

    Stimmt, eigentlich ist das die entscheidende Frage. Wer Reaktionen provozieren will, muss damit leben, dass er welche bekommt.

  • ...

    Wegen der Ausmaße zu Cancel Culture: Wir reden hier über soziale Ächtung oder Jobverlust,...

    Soziale Ächtung ist es bereits, wenn man Ekel bzgl. der Sexualität anderer verkündet. Du kannst nicht andere beleidigen und dann hoffen, dass du dafür auch noch beklatscht wirst. Was sollen denn Homosexuelle deiner Meinung nach machen, die Frau Rowling anrufen und mal drüber reden, dass sie das Verhalten nicht in Ordnung fanden? Scheinheilig ist das.


    Und nein, Morddrohungen sind kein probates Mittel, davon war in deiner Ausgangsfrage auch bislang nichts zu lesen.

  • Die Fragestellung ist ungeeignet. Rassismus ist keine unkonventionelle Meinung. Rassismus sollte IMMER Folgen bzw. Konsequenzen haben, nicht nur berufliche.

    Das steht außer Frage.


    Die Frage ist nur, wirft man nicht eigentlich eher den anderen Rassismus vor, wenn man ihnen unterstellt, jemanden nur aufgrund seiner Hautfarbe zu beschäftigen?


    Ich kenne nicht den kompletten Inhalt der Textnachricht von Herrn Lehmann. Somit möchte ich ihn hier nicht in Schutz nehmen. Trotzdem kann man sich diese Frage doch stellen, denke ich.

    In der Vergangenheit war es z.B. in vielen Hollywood-Filmen üblich, dort eine farbige Person unterzubringen - jedoch fast nie in der Hauptrolle. Das war doch in meinen Augen schon rassistisch. Das hat sich zum Glück geändert. Momentan haben wir aber eine Tendenz, die ich aber auch rassistisch finde, wenn z.B. bei der Oscarverleihung plötzlich fast die Hälfte der nominierten Darsteller und Darstellerinnen farbig ist. Wäre dies der Fall aufgrund ihrer schauspielerischen Leistungen, wäre dies kein Rassismus. Wenn man sie hingegen hauptsächlich getragen von BLM nominiert bzw. um ein Zeichen zu setzen, ist dies ein rassistisscher Akt im Namen des vermeintlich Guten.


    Rassismus wird mehr und mehr von weißen Gutmenschen ausgeübt. Vielleicht hatte Malcom X doch recht.

  • ...die besten "Volleys" gegen derartige Sprüche sind von den Äußerern absolut unerwartete, bewußt überzogene Spitzen...

    ...vor einiger Zeit, vor Corona... ein wenig Hilfe bei ner Tafel... es werden einige Lebensmittel rausgestellt, und eine kleine Gruppe "Kopftuchgeschwader" stürzt sich quasi drauf...

    ...eine Frau neben mir: "Furchtbar, diese Moslems..."

    was sag ich?

    "Ja, stimmt. Christen brennen viel besser..."

    Das Gesicht... unbezahlbar.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • BlackandGold: In dem Fall handeltest du ja durchaus angemessen, indem du das Gespräch mit ihr suchtest und deinen Unmut kundtatst. Für mich klingt es jetzt aber nicht danach, dass du weitreichende, schwerwiegende soziale oder wirtschaftliche Konsequenzen für sie befürwortet hättest, oder?

    Grundsätzlich würde ich das von der Situation abhängig machen. Wer mit solchen Entgleisungen Geld verdient oder das aus Publicity-Gründen macht, dem würde ich das wünschen, einer Frau im Bus, die dummen Unfug labert, nicht unbedingt.

    • Offizieller Beitrag

    Momentan haben wir aber eine Tendenz, die ich aber auch rassistisch finde, wenn z.B. bei der Oscarverleihung plötzlich fast die Hälfte der nominierten Darsteller und Darstellerinnen farbig ist. Wäre dies der Fall aufgrund ihrer schauspielerischen Leistungen, wäre dies kein Rassismus. Wenn man sie hingegen hauptsächlich getragen von BLM nominiert bzw. um ein Zeichen zu setzen, ist dies ein rassistisscher Akt im Namen des vermeintlich Guten.

    (vorab: ich stelle mir selbst die Frage und habe keine Antwort dazu)

    ... kann man so sehen.
    ... oder so sehen: aufgrund ihrer schauspielerischen Leistungen (als ob DAS ein Kriterium für eine Nominierung für die Oscars wäre...) hätten diese Menschen vorher auch nominiert werden sollen, wurden aber nie berücksichtigt.

    und es geht noch weiter:
    Aufgrund ihrer Hautfarbe kamen Menschen nicht mal zu Castings für soviele Hauptrollen und sind also unterrepräsentiert unter den bekannten Schauspieler*innen (auch die "Nebendarsteller*innen mussten bekannter werden, um in großen Produktionen eine Nebenrolle zu haben.

    Aufgrund ihrer Hautfarbe und struktureller Diskriminierung kamen viele Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe und ihrer oft damit zusammenhängenden sozialen Diskriminierung gar nicht mal zum Schauspielen, kamen nicht in Schauspielschulen, die sich selbst nunmal auch nicht zufällig rekrutieren (jaja, der amerikanische Traum..)



    Ich las letztens, dass eine schwarze Berliner Balletttänzerin (die erste und einzige?) gegen ihre Kündigung wegen Rassismus geklagt hat (und einen Vergleich bekommen hat). Wir sind uns ja wohl einig, dass schwarze Mädchen genauso gut tanzen können wie weiße Mädchen. Nur der ellenlange Weg und (Selbst)Auswahlprozess auf den Weg zur wahrnehmbaren Spitze tut sein Übriges...

  • Ich hab letztens in einer Klausur einen Text zu cripping up benutzt. Mit dem Thema hatte sich vorher niemand in der Klasse beschäftigt.Dabei hatten wir zum Thema Behinderung/ Einschränkungen auch Auszüge aus switched at birth und breaking bad geguckt.


    Aber nach 2 Monaten Distanzlernen zu dem Thema schrieben noch immer Leute die Integration von Schüler*innen mit Behinderungen oder Einschränkungen sei umständlich und teuer und man könne das nicht machen. Und das obwohl in der Klasse ein Autist ist, der sich selbst oft als Beispiel zu dem Thema nannte und man im Schulgebäude auch Schüler*innen mit Rollstuhl sieht.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • Und nein, Morddrohungen sind kein probates Mittel, davon war in deiner Ausgangsfrage auch bislang nichts zu lesen.

    Ich finde, dass man Cancel Culture nicht auf eine bestimmte Ausgangsfrage herunterbrechen kann. Morddrohungen sind sicher die radikalste Form der Cancel Culture, aber ich wollte aufzeigen, welche Extreme sie in Einzelfällen auch annehmen kann und bis zu welchem Punkt Cancel Culture womöglich auch hier im Forum befürwortet wird (denn z.B. die dauerhafte Sperrung eines Users hier kann man auch als "canceln" bezeichnen).

  • Das glaube ich dir, auch bei noch einer Wiederholung, nicht.

    Das ist mir, ebenfalls aus grundsätzlichen Überlegungen, total egal. Du hattest Unrecht, ich habe dir nachvollziehbar aufgezeigt, dass du Unrecht hattest und ich soll jetzt mit dir über deinen Glauben diskutieren? Mach mal allein...
    Wenn du den Wunsch nach weiterer juristischer Aufklärung hast, gerne. Wenn du mit mir über meine persönliche Meinung diskutieren willst, ebenfalls gerne, aber dann bring bitte wenigstens ein Argument. ;)

    Tut er in vielen Fällen ja auch - auch wenn irgendwelche Querdenker oder Rechte das anders sehen. Aus meiner Sicht hat der Staat dann regulatorisch einzugreifen, wenn es gegen die Menschenwürde einzelner Personen oder konkreter Gruppen geht. Hier habe ich für mich persönlich rechtliche Abgrenzungsschwierigkeiten. Ich finde, die Aussage "Soldaten sind Mörder" muss möglich sein. Eine rassistische Äußerung (die ich jetzt absichtlich ohne Beispiel lasse) muss es nicht. Ich hab leider nicht die Zeit, dein Buch zu lesen (und es hört sich Englisch an, brrr :-)). Ist Mill ein Verfechter der fast absoluten Meinungsfreiheit wie in den USA? Wie geht er damit um, dass Sprache die Realität verändert und grob rassistische oder diskriminierende Sprache die Gesellschaft durchaus in eine solche Richtung ändern kann? (Kann man das überhaupt in ein paar Sätzen zusammenfassen)

    "Über die Freiheit" gibt's in deutscher Übersetzung von Reclam, ist aber auch da etwas sperrig zu lesen, weil es halt von 1859 ist, weshalb manche Punkte damals nicht allzu relevant waren. Mill schränkt die Meinungsfreiheit dort ein, wo durch die Äußerung dieser Meinung einem anderen ein Schaden entsteht (ein echter, kein "das verletzt meine Gefühle"). Ich glaube eines der Beispiele war es in der Zeitung zu schreiben "Getreidehändler sind für den Tod von Tausenden verantwortlich und Eigentum sollte enteignet werden" sei ok, es vor dem Haus eines Getreidehändlers zu brüllen, während dort ein aufgebrachter Mob tobt nicht.


    Im Wesentlichen zentral sind für ihn die Freiheit der Gedanken, als auch der Handlungen.
    In Bezug auf die Gedanken führt er aus, dass man einerseits immer im Hinterkopf behalten könnte, dass die andere Seite Recht haben könnte, vielleicht nicht im Ganzen, sondern nur in Teilen und man daraus Erkenntnis in Bezug auf die Wahrheit ziehen kann. Andererseits kann man auch wenn die andere Seite Unrecht hat, daraus Erkenntnisse für die eigene Position gewinnen, so dass diese nicht nur zu einer leeren Hülle verkommt, deren eigentlicher Wesenskern uns fremd geworden ist. Nur in der Auseinandersetzung von Ideen, können sich solche weiterentwickeln, sich verbessern und nicht nur leere Hülsen bleiben. Wenn man davon ausgeht, dass wir nicht in der besten aller möglichen Welten leben, ist das eigentlich ein ganz kluger Gedanke.

    In Bezug auf Handlungen führt er aus, dass jeder alle Handlungen durchführen sollen dürfe, so sie nur auf eigene Kosten und Gefahr umgesetzt werden. Die Überlegungen dahinter sind relativ analog. Zum einen könnten die Handlungen besser sein, als das übliche Handeln, falls sie es nicht sind zwingen sie einen doch dazu, das eigene Handeln zu überdenken und zudem ist es auch möglich, dass eine Handlung für die eine Person die passende Wahl sei, die jemand anderen totunglücklich machen könnte. In Bezug darauf hat Mill ein paar tolle Ideen zu Bildung und Erziehung, die seit über 160 Jahren ignoriert werden.


    Das Buch lohnt sich wirklich (ich brauchte zum Lesen nur gefühlt fünfmal so lang wie normalerweise). "Die Unterwerfung der Frauen" ist auch toll...hat er zusammen mit seiner Ehefrau geschrieben, ähnlicher Entstehungszeitrum und sehr lesenswert, aber ganz anderes Thema.

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

    Einmal editiert, zuletzt von Valerianus ()

  • Ich kenne nicht den kompletten Inhalt der Textnachricht von Herrn Lehmann. Somit möchte ich ihn hier nicht in Schutz nehmen. Trotzdem kann man sich diese Frage doch stellen, denke ich.

    Googlen des Inhalts dauert 10 Sekunden. Danach würde ich mir die Frage nicht mehr stellen, außer man möchte halt (mal wieder) eine Diskussion mit gefühlten Fakten übernehmen.

    Wäre dies der Fall aufgrund ihrer schauspielerischen Leistungen, wäre dies kein Rassismus. Wenn man sie hingegen hauptsächlich getragen von BLM nominiert bzw. um ein Zeichen zu setzen, ist dies ein rassistisscher Akt im Namen des vermeintlich Guten.

    Same here - einfach mal eine an den Haaren herbeigezogene These ohne Belge in den Raum stellen, um ein bisschen die Diskussion zu lenken. Wie üblich halt.

  • Mill schränkt die Meinungsfreiheit dort ein, wo durch die Äußerung dieser Meinung einem anderen ein Schaden entsteht (ein echter, kein "das verletzt meine Gefühle").

    Danke für eine umfangreiche Zusammenfassung!


    Über den Punkt muss ich mal nachdenken. Die Definition des Schades ist - glaube ich - schwierig. Was ist denn ein echter Schaden? Nur materielle Schäden bzw. körperliche? Ich geh jetzt mal recht weit in meinem folgenden Gedanken:


    Wenn ein Neonazi irgendwo steht und den Holocaust leugnet oder verharmlost, entsteht dadurch weder ein materieller noch ein körperlicher Schaden. Was das für eventuelle Überlebende oder Angehörige von damals ermordeten Juden aber gefühlsmäßig bedeutet, vermag ich kaum nachzuvollziehen. (Ähnliches für Homosexuelle, Sinti und Roma, Kommunisten, Widerständler, Angehörige anderer Nationen... die Liste ist leider zu lang, um vollständig zu sein).


    Die Frage hier ist, was eine Gesellschaft denn zulassen möchte: Absolute Meinungsfreiheit oder eingeschränkte(!) Meinungsfreiheit, um bestimmte Dinge zu bewirken? Wo ist hier jetzt die Grenze, ab der es nicht mehr freiheitlich ist, sondern wo der Staat/die Gesellschaft unterdrückt?


    Ich persönlich finde die Strafbarkeit der Leugnung des Holocausts eine gute Sache. Aber man findet bei vielen Dingen vermutlich (vermeintlich) gute Gründe, warum man das nicht sagen sollte/dürfen soll...


    (Mensch, wirrer Post voller ungeordneter Gedanken - vielleicht kann ja jemand was kluges schreiben :-))


    Edit: Hier gehts um die Strafbarkeit von Meinungen. Im zwischenmenschlichen Bereich bin ich dafür, dass jeder die volle Verantwortung für seine Meinung zu tragen hat und alle Konsequenzen, die sich aus dieser Äußerung im zwischenmenschlichen Kontakt ergeben. Ich setze mich nicht mit einem AfD-Menschen an einem Tisch, um mir seinen rechten Scheiß anzuhören. Möchte derjenige danach irgendwas von mir, kann er sicherlich mit nichts von mir rechnen.

  • Ich stimme dir da zu. Man kann das auch so sehen, wie du es geschildert hast. Das ist auch absolut schlüssig.


    Das Problem ist eben, dass man als äußerer Betrachter nicht alle Hintergründe und schon gar nicht die Gedanken und Intentionen der Akteure kennt.

    Nehmen wir z.B. den Fall George Floyd. Mag sein, dass der Typ, der auf seinem Hals kniete, ein Rassist war. Vielleicht war er aber auch einfach nur ein Arschloch, war gefrustet von seiner beruflichen Situation oder mit der konkreten Situation überfordert. Wir wissen es nicht.

    Wenn sich jemand nicht offen zu seinen poltischen/menschlichen Ansichten bekennt (z.B. wenn jemand in der NPD ist oder sich unter Anwesenheit mehrerer Zeugen rassistisch geäußert hat), ist es eigentlich äußerst schwer, eine rassistische Motivation nachzuweisen. Trotzdem wird diese oft diagnostiziert.


    Ich las letztens, dass eine schwarze Berliner Balletttänzerin (die erste und einzige?) gegen ihre Kündigung wegen Rassismus geklagt hat (und Recht bekommen hat).

    Und genau hier haben wir wieder so einen Fall.


    Ist die Betroffene wirklich wegen ihrer Hautfarbe gekündigt worden oder war etwas anderes ursächlich?


    Weicht ihre Wahrnehmung des Kündigungsgrundes u.U. von der ihres Arbeitgebers ab? Benutzt sie den Rassismusvorwurf evtl., um sich für eine in ihren Augen ungerechtfertigte Kündigung zu rächen?

    Wir wissen es nicht. Und es ist eben oft sehr schwer zu beurteilen (auch für Gerichte). Wobei ich den Eindruck habe, dass viele mittlerweile so übersensibilisiert sind, dass man sehr schnell dabei ist, jemandem Rassismus vorzuwerfen.

  • Die Argumentation mit der Täter-Opfer-Umkehr ist meiner Meinung nach schwierig (nicht auf die konkrete Situation bezogen). Wann ist ein Vorwurf für uns wahr? Im Strafrecht, wenn es keinen begründeten Zweifel mehr gibt. In normaler Konversation, wenn mehr und glaubhaftere Gründe dafür sprechen als dagegen. In aktivistischen Kreisen, sobald ein Vorwurf gemacht worden ist, denn dem Opfer nicht zu glauben, wäre eine weitere Form diesem Leid anzutun. Es hat nichts mit Täter-Opfer-Umkehr zu tun, dass man zunächst beide Seiten anhören und zusätzlich nach Fakten Ausschau halten sollte. Der letzte Punkt ist aus konstruktivistischer Sicht kritisch, aber da muss man sich selbst hinterfragen: Hat man tatsächlich eine konstruktivistische Weltsicht (in weitgehend allen Lebensbereichen)? Dann ist es akzeptabel darauf zu verzichten...wenn man das aber nur für Einzelbereiche ausruft, dann ist es eher Heuchelei...

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    • Offizieller Beitrag

    Weicht ihre Wahrnehmung des Kündigungsgrundes u.U. von der ihres Arbeitgebers ab? Benutzt sie den Rassismusvorwurf evtl., um sich für eine in ihren Augen ungerechtfertigte Kündigung zu rächen?

    Wir wissen es nicht. Und es ist eben oft sehr schwer zu beurteilen (auch für Gerichte). Wobei ich den Eindruck habe, dass viele mittlerweile so übersensibilisiert sind, dass man sehr schnell dabei ist, jemandem Rassismus vorzuwerfen.

    https://www.dw.com/de/staatsba…assismusstreit/a-55906945


    Zitat

    Der Fall der dunkelhäutigen Tänzerin hatte international großes Aufsehen erregt: Sie habe sich wiederholt rassistische Kommentare der Trainingsleiterin anhören müssen, hatte Chloé Lopes Gomes öffentlich beklagt. Eine Schwarze im sogenannten Corps de ballet sei "nicht ästhetisch" und die Gruppe "dadurch nicht homogen".



    Ist es "rassistisch" genug oder ist es eine überempfindliche Wahrnehmung?
    Man kann weiter googeln.
    Von "Kleinigkeiten" wie selber für Maske und Make-Up bezahlen müssen, weil das Ballett einfach nichts für ihren Hautton hat (übrigens in der Medienbranche noch vor Kurzem für sehr viele PoC ein Problem, zum Teil weiterhin...) bis zu solchen Sprüchen...

  • Ich bin nicht der Meinung, dass eines Menschen Mängel oder Fähigkeiten persönlicher Art die Gefühle, mit denen man auf ihn schaut, nicht irgendwie beeinflussen. Das ist weder möglich noch wünschenswert. Wenn er durch eine der Anlagen hervorsticht, die zu seinem eigenen Besten dienen, dann bildet er darin einen würdigen Gegenstand für Bewunderung. Er steht dann der idealen Vollkommenheit der menschlichen Natur um so näher. Fehlen ihm aber diese Eigenschaften in starkem Maße, so wird ein der Bewunderung sehr entgegengesetztes Gefühl die Folge sein. Es gibt einen Grad von Dummheit und, was man (nicht ohne Einschränkung) Niedrigkeit oder Verderbtheit des Geschmacks nennen könnte, die es zwar nicht rechtfertigt, ihren Träger zu schädigen, die ihn aber doch notwendigerweise zum Gegenstand der Abneigung, wenn nicht gar - in extremen Fällen - der Verachtung macht.

    Das Zitat ist aus Kapitel 4, aber zumindest das 1. gibt es auf deutsch gratis (On liberty - auf englisch geht alles gratis).


    chilipaprika: Ich würde sagen "ja, das Verhalten der Ballettmeisterin ist rassistisch" und weiterhin behaupten, dass sie vor dem Arbeitsgericht vermutlich trotzdem verloren hätte (weil die Ballettmeisterin nicht ihr Arbeitgeber ist), das aber der öffentlichen Wahrnehmung des Staatsballett Berlin massiv geschadet hätte, weshalb die gerne einen Vergleich haben wollten. Wenn der Fall juristisch so eindeutig liegen würde wie du es darstellst, hätte sie wohl die Klage durchgezogen.

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

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