Wie „persönlich“ seid ihr bei SuS?

  • Siehe Titel.


    Ich habe mich das gefragt, weil einige KuK im Unterricht wohl ziemlich häufig Smalltalk einbauen und dann auch recht private Informationen von SuS haben und andersherum. Persönlich muss ich sagen, dass mir das total abgeht. Ich wünschte mir manchmal, dass ich das mehr könnte, damit es die Atmosphäre lockert, aber ich bin da einfach nicht der Typ für. In meiner Blase denke ich ‚oh Gott keine kostbare Unterrichtszeit vergeuden‘ und klammere so etwas aus. Außer, wenn es sich in seltenen Fällen durch den Unterricht ergibt. Auch Wandertage sind für mich in dem Punkt schwierig, weil die semi-privat sind. Dazu muss ich sagen, dass ich kein grummeliger Lehrer bin und meine Klassen sehr schätze und denen das auch spiegle. Aber private Gespräche irritieren mich, weil ich dann meine Rolle verlassen müsste.


    Wie haltet ihr das? Sind euch persönliche Gespräche wichtig?

  • Da, muss ich sagen, dass ich es recht einfach habe, da man in meinen Fächern automatisch auch Privates mit einfließen lässt im Unterrichtsgespräch in der Fremdsprache, angefangen bei Lieblingsfarben und über Familie/Freunde reden in der Unterstufe, bis hin zu persönlichen Meinungen zu bestimmten gesellschaftlichen / politischen Themen in der Oberstufe. Und ich persönlich finde das auch oft sehr interessant, da ich mehr über die SuS erfahre, wie sie z.B. über ein bestimmtes Thema denken (z.B. auch Zukunftspläne und -ängste), manchmal ergibt es sich dann auch, dass ich nachhake und sie sogar noch mehr berichten.


    Was mich selbst angeht, überlege ich schon gut, was ich Persönliches erzähle bzw. wie neutral ich bleibe, weil ich auch schonmal was erzählt habe, was ich später bereut habe (nichts Schlimmes, aber sie hätten es eigentlich auch nicht wissen müssen). Aber ich finde auch nicht, dass man da seine Rolle verlassen muss. Ein Lehrer hat zwar einen bestimmten Job zu erledigen, aber das kann ja möglicherweise sogar manchmal besser gelingen, wenn man eine Ebene mit den SuS findet, die den Lehrer auch "menschlicher" erscheinen lässt, weil man dann vielleicht auch besser zu den SuS durchdringen kann. Manchmal erzähle ich auch kurze Anekdoten aus meiner Schulzeit (aber eben nichts zu Persönliches), dass ihnen nochmal bewusst wird, dass wir auch mal Schüler waren und das gleiche "durchgemacht" haben wie sie.


    Man kann aber auch Smalltalk mit den SuS halten, ohne viel von sich preiszugeben, wenn man sich auf deren Themen konzentriert und sich halt darüber unterhält. Ich habe immer den Eindruck, die fühlen sich dann großartig, wenn der Lehrer sich z.B. für ihr Hobby o. Ä. interessiert.

  • In bestimmten Grenzen ja. Meine Schüler wissen ein paar private Dinge über mich, weil ich sie bei Gelegenheit erzähle (wenn man z.B. im Unterricht auf bestimmte Dinge kommt). Andere Dinge wissen sie nicht, das würde meine "Grenze" überschreiten.

    Umgekehrt finde ich es schon auch wichtig, über die SchülerInnen etwas zu wissen. Ich kann (auch wenn es mich streng genommen vielleicht (!) nichts angeht) bestimmtes Verhalten schon besser einordnen, wenn ich weiß, dass z.B. der Vater krank ist oder die Beziehung der Eltern auseinander geht. Je nach Fach ist es auch gut, über das eine oder andere Hobby / Interessengebiet der SchülerInnen Bescheid zu wissen (z.B. ist es in Englisch doch oft in einem bestimmten Rahmen (oder auch völlig) egal, worüber sie einen kurzen Text schreiben ... da kann man dann ja Dinge auswählen, von denen man weiß, dass es einige interessiert ... ohne das Thema völlig frei zu geben).

    Klar ist aber, dass jeder selbst entscheidet (LehrerInnen und SchülerInnen), was sie von sich preis geben.


    Kostbare Unterrichtszeit ... es geht mir ja nicht nur um die Fachinhalte, sogar der Lehrplan nennt noch andere Bildungsziele (Toleranz, Respekt ...) ... solche Gespräche bewirken da manchmal mehr, als "normaler" Unterricht.

  • Ich gehe mit dem, was DeadPoet schreibt, absolut d'accord!

    Gerade bei der Schülerklientel in meiner eigenen BFS-Klasse ist es mir schon wichtig etwas über sie zu erfahren, z. B. über ihr häusliches Umfeld, wie sie ihre Freizeit verbringen,... Das zu wissen hilft mir, besser einordnen zu können, warum Schüler X so "drauf ist", wie er ist, Schülerin Y gerade schlechte oder auch besonders gute Laune hat usw.

    Über mich selber erzähle ich auch ein wenig, aber das hat eben auch seine Grenzen. Ich finde, das muss wirklich jede Lehrkraft für sich entscheiden. Wer sich damit unwohl fühlt Persönliches preiszugeben, sollte es m. E. bleiben lassen.

    Zudem hatte ich noch nie das Gefühl mit Small Talk und persönlichen Gesprächen (die i. d. R. nicht sonderlich lange dauern) "kostbare Unterrichtszeit" zu vergeuden. Allerdings stehe ich in einer BFS- u. ä. Klasse ja auch nicht so sehr unter Zeitdruck, die und die Themen schafffen zu müssen, wie es im Gymnasium der Fall ist.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Ich erzähle vermutlich eher wenig Privates. Ich habe nicht die geringste Scheu davor und könnte stundenlang über mich und meine Hobbies und meine Partnerin reden, aber das ist nicht meine Aufgabe. Wenn ich das Gefühl habe, es trägt etwas zu einem Thema bei, bringe ich gerne eigene Erfahrungen, und ab und zu, wenn weder die SuS noch ich Lust auf Unterricht haben, lasse ich mich auch auf eine Zeittotschlagstunde ein. Aber an sich achte ich die die Kollegen und Kolleginnen, die viel von ihrem Urlaub erzählen, und sei es auch um authentisch zu sein, nicht besonders. - Von den SuS erfahre ich in der Klasse wenig Privates. Es gibt selten Anlass dazu. Ich finde es andererseits gut, dass es Lehrkräfte gibt, von denen ich mir zumindest einbilde, dass sie einen direkteren Draht haben.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

    • Offizieller Beitrag

    Das kommt meiner Erfahrung nach immer auf die Lerngruppe an, wie der Draht ist und wie viel man außer der Reihe spricht - zumal sich Gesprächsanlässe ja auch nicht nur im Unterricht ergeben.
    Manche Leistungskurse habe ich nach dem Abitur nie wieder gesehen - zu der einen oder anderen Klasse habe ich heute noch Kontakt bzw. mit einzelnen haben sich nach dem Abitur freundschaftliche Verhältnisse ergeben.

    Wenn ich Privates erzähle, dann Unverfängliches - wie alt sind meine Kinder, welche Instrumente spiele ich und dergleichen. Ansonsten halte ich es recht ähnlich wie Herr Rau, auch wenn ich mich durchaus um einen direkten Draht - im Rahmen meiner Professionalität - zu den SchülerInnen bemühe. Das ist Teil meines Naturells - ich könnte gar nicht anders.

    • Offizieller Beitrag

    Ich handhabe es wie DeadPoet. Übrigens finde ich es gerade jetzt beim Dostanzunterricht sehr wichtig, auch mal was Persönliches zu berichten, wenn es sich ergibt; z.B, wenn die Schüler mich fragen, ob ich besorgt sei wegen der hohen Inzidenzzahlen. Ich gebe sehr gerne Zeit von meinem Fachunterricht für solche "persönlicheren" Dinge her (immer so weit wie ICH es zulasse), weil mir gerade jetzt die Betreuung meiner eigenen Klasse sehr am Herzen liegt. Daher nutze ich nicht nur die Klassenleiterstunden für eine Fragerunde, wie sie sich fühlen oder ob sie etwas loswerden wollen. Selbst in der Fremndsprache, wo eine Unterrichtseinheit auf die andere aufbaut, ist mir nciht nur das Fachliche wichtig. Dafür fällt gerade keine von den vielen Aktivitäten an, die sonst Unterrichtszeit fressen (Kompetenztests, Schulzahnarzt, Unterrichtsgänge in diversen Fächern, Konzertbesuche etc)

  • Klassenleiterstunden

    OT: Finde ich super, dass ihr sowas habt! Diese Stunden gibt es bei uns leider nur in den Berufseinstiegsklassen Kl. 1 (dem ehemaligen BVJ); dabei bräuchte ich die für meine Klasse oftmals auch :(.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Es stimmt, ich baue in meinen Unterricht (Englisch z.B.) auch Smalltalk ein. Aber da ist der Zweck ganz klar, um in die Sprache zu finden und der Inhalt ist Mittel zum Zweck. Stimmt aber, so erfahre ich ja auch immer was über die Schüler.


    Ich dachte eher an Lehrer, die ihren Unterricht wirklich erst mal mit 5-10 Minuten ‚labern‘ beginnen oder in Pausen persönlichen Kontakt zu SuS suchen. Deswegen meinte ich auch ‚kostbare Unterrichtszeit‘, weil ich diese Beispiele vor Augen hatte und für solche Gespräche nie vorsätzlich Zeit einplanen würde, sondern nur, wenn es sich ergibt.

    • Offizieller Beitrag

    Ich glaube, dass man in dem Job nicht glücklich wird, wenn man sich dem Dogma der "jede Minute ist kostbar" Unterrichtszeit unterwirft. Ich kann das vom Grundsatz her zwar verstehen, aber letztlich bin ich nicht nur Wissens- und Kompetenzvermittler auf der Fachebene. Ich habe auch einen grundsätzlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag - dem kann ich nicht nachkommen, wenn ich mir meinen Unterricht immer unter der Maßgabe, keine Minute zu verschwenden betrachte. Und selbst das liegt ja im Auge des Betrachters.

  • Ich glaube, dass man in dem Job nicht glücklich wird, wenn man sich dem Dogma der "jede Minute ist kostbar" Unterrichtszeit unterwirft. Ich kann das vom Grundsatz her zwar verstehen, aber letztlich bin ich nicht nur Wissens- und Kompetenzvermittler auf der Fachebene. Ich habe auch einen grundsätzlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag - dem kann ich nicht nachkommen, wenn ich mir meinen Unterricht immer unter der Maßgabe, keine Minute zu verschwenden betrachte. Und selbst das liegt ja im Auge des Betrachters.

    Ja, das sehe ich auch so und habe es im letzten Post auch versucht zu relativieren. Ich denke wir sind uns darin einig, dass 100% Wissensvermittlung im Schulalltag weder realistisch noch erwünschenswert ist.


    Aber auch hier denke ich: Es gibt Grenzen. Es gibt im Alltag auch sicherlich genug Szenarien, in denen zu sehr auf Kosten der Inhalte andere Sachen stattfinden.

  • Einer meiner Schüler ist letztens durch die Führerscheinprüfung gefallen und kam total geknickt in meinen Unterricht. Da habe ich erzählt, dass mir das auch passiert ist. Danach ging es ihm deutlich besser :)


    Ich gebe das ein oder andere preis, aber längst nicht alles. Die Schüler*innen wissen, dass ich Harry Potter mag und Pizza, wie alt meine Tochter ist, dass mein Mann auch Lehrer ist etc. Also nichts, was viel aussagen würde, aber den SuS schon das Gefühl gibt, dass sie mich kennen.


    In Englisch kommen wir manchmal ganz von selbst auf meine Erfahrungen im Ausland zu sprechen und dann erzähle ich auch schon mal, wie mich an meiner Uni in den USA mal morgen um sechs auf einem Sonntag eine Gruppe von "Southern Baptists" aus dem Bett getrommelt hat und meine Seele retten wollte, in dem sie mich mit zum Gottesdienst nehmen. Ich erzähle den SuS dann auch, dass ich in dem Moment auf das Retten meiner Seele verzichtete habe, aber dass das natürlich nicht heißt, dass andere nicht morgens um sechs in die Kirche können. Über solche Geschichten freuen sie sich und dass ich nicht besonders religiös bin, wissen die auch vorher schon.

  • Ich mache gerne Smalltalk mit meinen SuS, auch im Unterricht. Das habe ich bisher nie als vergeudete Unterrichtszeit empfunden, im Gegenteil. Natürlich alles im Rahmen, also nichts zu privates. Ich stelle mir immer vorher die Frage "würde ich das von den SuS wissen wollen, oder wäre das zu privat?". Wenn ich die SuS anschaue sehe ich in erster Linie Menschen und nicht Lernmaschinen oder Noten. Und deshalb interessiert mich natürlich auch, was die über die Schule hinaus so treiben. Und wenn ich merke, dass die SuS genug Vertrauen haben um mir Sachen aus ihrem privaten Bereich anvertrauen, dann habe ich auch gar kein Problem damit, selbst Sachen von mir preiszugeben. Kommt halt immer auf das Verhältnis an.

  • Einer meiner Schüler ist letztens durch die Führerscheinprüfung gefallen und kam total geknickt in meinen Unterricht. Da habe ich erzählt, dass mir das auch passiert ist. Danach ging es ihm deutlich besser :)

    Ich sage auch, dass ich in manchen Fächern nicht so gut war und mich auch manchmal durchschlagen musste. Physik und Chemie werden nunmal für immer ein Buch mit 7 Siegeln für mich bleiben, und ich verstehe deshalb auch, dass jemand so über Französisch denkt. Nur, wenn man dann auch noch faul ist und es nicht wenigstens versucht und das lernt, was man lernen kann, bin ich nicht mehr einverstanden...

  • Ich sage auch, dass ich in manchen Fächern nicht so gut war und mich auch manchmal durchschlagen musste. Physik und Chemie werden nunmal für immer ein Buch mit 7 Siegeln für mich bleiben, und ich verstehe deshalb auch, dass jemand so über Französisch denkt. Nur, wenn man dann auch noch faul ist und es nicht wenigstens versucht und das lernt, was man lernen kann, bin ich nicht mehr einverstanden...

    Wetten du würdest jetzt mit dem nötigen Abstand Physik und Chemie auch verstehen? ;)

  • Ich bezweifle es stark. Vielleicht ein bisschen mehr. Aber es war schon nicht so einfach das mit den mRNA-Impfstoffen zu verstehen ^^

    Meine Erfahrung mit erwachsenen Schülern ist zumindest häufig, dass sie sagen, dass die Themen ohne Pubertät, wenn man die Grundlagen nochmal anständig wiederholt, ja doch richtig verständlich sind.


    Mir fehlen sie persönlich ja in Bio und Chemie auch ... :D

  • Es kommt wirklich auf dem Kontext und die Lerngruppe an...


    An einer Förderschule Lernen setzte ich die 'Preisgabe' persönlicher Informationen ganz gezielt ein, die SuS wissen immer, was ich am Wochenende oder so gemacht habe (ob es nun stimmt, ist eine andere Sache...) Auch Photos von Einrichtungsgeständen in meiner Wohnung hab ich schon mal gezeigt...(die SuS wissen aber z.B. nicht hausnummerngenau, wo ich wohne)


    Ich hab da teilweise sehr persönliche Informationen über die SuS und ihren häuslichen Kontext und erwarte auch von den SuS relevante Probleme vorzubringen...da kann ich kein Unbekannter bleiben (gibt aber auch Kollege, die machen das so...)


    'Gut ankommen' und auch ein bissel zum Vertrauensverhältnis beitragen tut so eine (kontrollierte!) Offenheit sicherlich, ist aber halt Typ und vor allem auch Schulformsache.

  • Wie haltet ihr das? Sind euch persönliche Gespräche wichtig?

    Wenn es gerade passt klar. Dadurch lerne ich die Lerngruppen ja besser kennen. Die Themen sind ganz unterschiedlich, je nachdem was die Lerngruppen bewegen.

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