Ich finde das Thema der Verschwörungstheorien (oder Verschwörungsmythen; der andere Begriff hat sich halt schon sehr eingebürgert) sehr spannend, auch für die Schule, deswegen äußere ich mich dazu, ohne die Diskussion im Thread vollständig verfolgt zu haben.
Vorab zum Ausgangspost: Klar seid ihr noch Studierende, aber das liest sich für mich sehr unprofessionell. Mit den Gepflogenheiten eines Forums seid ihr anscheinend auch nicht vertraut. Da finde ich es kühn, zu sagen: diskutiert mal, was wir euch auftragen; wir schreiben dann mit - oder jedenfalls davon auszugehen, dass das dann so passiert. Die Fragen selber reizen mich auch nicht besonders zur Diskussion außerhalb der Metaebene, dennoch: das Thema interessiert mich.
Verschwörungsmythen, an die man so allgemein denkt, sind mir in der Schule nie begegnet. Meine Schüler und Schülerinnen (Gymnasium, Bayern) haben wenig Interesse und wenig Bedürfnis zur Diskussion; wenn ich das Thema aufbringen, klingen sie so stabil und vernünftig, wie man es sich nur wünschen kann.
Zählen (1) "die Ausländer nehmen uns die Arbeit weg", (2) "die Regierung will, dass die Ausländer uns die Arbeit wegnehmen", und (3) das meiste, das den Begriff "Pharma-Lobby" enthält, auch dazu? Oder gehören (4) "gesundheitsschädliche Handystrahlen" oder (5) "gesundheitsschädliche Handystrahlen, die uns verschwiegen werden" zu Verschwörungsmythen?
Ich würde (2), (3) und (5) auf jeden Fall dazu zählen. Die sind mir von Schüler:innen nie begegnet. Aber wie man an (1) und (4) merkt, ist der Schritt vom Aberglauben zur Verschwörung nicht weit. (3) begegnet einem spärlich im Kollegium (prä-Corona-Impfskepsis, unterdrückter Status der Homöopathie - auch hier ein Reizthema), (4) mitunter auch, eher bei Eltern. Bei Schüler:innen kaum.
Angst gibt es immer, und wer dafür empfänglich ist, sucht sich eine Geschichte dazu aus: die Jakobiner, die Freimaurer, die Illuminaten, die Juden, das Atom, der Ausländer, das Gen, der Handystrahl, das Vakzin. Ich glaube wirklich, dass da erst einmal das Angstgefühl da ist, und dass man das an dem festmacht, was gerade als Begriff durch die Kultur geht.
Mein Vorgehen dabei: Historisch vorgehen. Ich unterrichte gerne das 18. Jahrhundert, wenn auch nur in Literaturgeschichte. Entstehung der Geheimbünde und -clubs - Jakobiner, Illuminaten. Entstehung der Panik vor ihnen Anfang des 19. Jahrhunderts, Übernahme durch die Populärkultur in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Reptiloiden als Folge von Robert E. Howards Kull-Geschichten (einem Vorläufer Conans). Ich glaube nicht, dass dadurch Werbung für diese Theorien gemacht wird, weiß allerdings durchaus, dass das bei Anti-Drogen-Propaganda, wie sie früher mal an Schulen beliebt war, geschehen kann, lerne also gerne dazu.