Disziplinprobleme berufsbildende Schulen?

  • Hallo zusammen,

    ich habe bisher Erfahrungen mit dem Unterrichten am Gymnasium und im zweiten Bildungsweg (ZBW) gesammelt. Im ZBW fühle ich mich sehr wohl, da Disziplinprobleme dort kaum eine Rolle spielen. Die Schüler:innen sind meist Anfang 20 und haben in der Regel bereits einen Realschulabschluss. Man wundert sich schon manchmal, wie wenig zielstrebig einige sind. Man muss aber nicht ständig darauf achten, "die Zügel fest in der Hand" und die Kontrolle zu behalten, sondern es ist ein sehr lockerer Umgang möglich und wenn mal ein paar Leute quatschen, reicht in der Regel eine ruhige Ansprache ohne Nachdruck.

    Nun frage ich mich, wie es - im Vergleich zu Gymnasium und ZBW - an berufsbildenden Schulen mit Unterrichtsstörungen, Disziplinproblemen, etc. aussieht. Wie schätzt ihr das ein? Wie sind eure Erfahrungen?

    Ich gehe davon aus, dass man auch als Gymnasiallehrer an einer BS im BVJ unterrichten muss und dass es dort sehr anstrengend/schwierig ist. Könnt ihr das bestätigen?

  • bevor ich lange aushole: welches Bundesland? Bvj, BF usw. gibt es in mehreren, beschreibt aber zum Teil unterschiedliche Schulformen.

  • Schwierige Frage, denn dazu müsste man ja schon mal an einem allgemeinbildenden Gymnasium oder im 2. Bildungsweg unterrichtet haben und das habe ich nicht...

    Aber ja: von den zwei Kolleginnen an unserer BBS, die ursprünglich Gymnasiallehramt studiert haben, unterrichtet eine auch in der BES (Berufseinstiegsschule; das BVJ gibt es in Niedersachsen nicht mehr). Sie hat dort überhaupt keine Schwierigkeiten. Natürlich gibt es in einigen Klassen mit "schwierigerer Schülerklientel", z. B. eben der BES oder Berufsfachschulklassen mit Hauptschulabschluss als Eingangsvoraussetzung, auch mal Unterrichtsstörungen oder Disziplinprobleme, aber ich habe es noch nie als sehr anstrengend empfunden, in diesen Klassen zu unterrichten. Und ich unterrichte seit Jahren fast nur in solchen Klassen ;) - momentan habe ich nur vier Stunden Englisch in der Fachoberschule Klasse 12, im nächsten Schuljahr drei Stunden Englisch im Beruflichen Gymnasium Kl. 11; ansonsten bin ich ausschließlich in der BFS und BES eingesetzt.


    EDIT: @DpB hat natürlich recht! Um welches Bundesland "im Norden" geht es denn bei dir Alasam ?

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • EDIT: DpB hat natürlich recht! Um welches Bundesland "im Norden" geht es denn bei dir Alasam ?

    Bin ich blind? Ich sehe nichts von "im Norden".

    Dann bin ich allerdings sowieso raus und muss an anderer Stelle weiter Recht haben 😁

  • Vielen Dank schon mal für eure schnellen Antworten!

    Ich bin in Nds., interessiere mich aber für berufsbildende Schulen in Meck-Pomm sowie Berlin und Brandenburg (evtl. auch NRW), da wir dort überall Familie haben. Leider gibt es gerade keine Stellen im ZBW (es gibt ja insgesamt nur sehr wenige solche Schulen), daher frage ich mich, ob auch der BS-Bereich in Frage käme. Im Ref am Gymnasium haben mich die disziplinierenden Aufgaben im Grunde zu sehr genervt, besonders in Klasse 7 und 8. Ich komme eh besser mit etwas Älteren klar.

    Wobei ich denke, dass die Disziplinprobleme nicht so bundeslandabhängig sein dürften, daher habe ich diese Infos zunächst weggelassen.

  • Berufsbildende Schulen sind so viele...


    In der Berufsvorbereitung finde ich es teilweise schwierig, da hatte ich in ein paar Klassen schon mit Disziplinproblemen zu kämpfen. Wobei das dann oft an schlechter Organisation oder extrem heterogenen Klassen lag. Ansonsten finde ich da auch oft das extrem niedrige Niveau anstrengend, da landen doch oft auch recht leistungsschwache Schüler.


    In den klassischen dualen Ausbildungsberufen sind die Klassen sehr unterschiedlich. Tendenziell heißt es, dass die Einzelhändler eher aufgedreht sind und die Steuerfachanfestellten sehr ruhig. Eine meiner bisher nettesten Klassen waren aber mal eine Klasse Einzelhändler, eine der ätzendsten Klassen waren Bankkaufleute.


    Im gewerblichen Bereich sind die Klassen oft derber, viele Kollegen mögen aber die ehrlich Art der Schüler, ich habe da selbst noch keine Erfahrungen gemacht.

    Sei konsequent, dabei kein Arsch und bleib authentisch. (DpB):aufgepasst:

  • Bin ich blind? Ich sehe nichts von "im Norden".

    Dann bin ich allerdings sowieso raus und muss an anderer Stelle weiter Recht haben 😁

    Das "im Norden" steht bei dieser Userin unter "Bundesland" im Profil, also unter dem Avatar. ;) Liest und schreibst du am Smartphone? Ich meine, dass mal jemand erwähnt hat, dass man dort nicht alles lesen kann (Ich sitze am Laptop).

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  • Das "im Norden" steht bei dieser Userin unter "Bundesland" im Profil, also unter dem Avatar. ;) Liest und schreibst du am Smartphone? Ich meine, dass mal jemand erwähnt hat, dass man dort nicht alles lesen kann (Ich sitze am Laptop).

    Ja, bin am Smartphone, da ist diese Info recht gut versteckt.

  • Im gewerblichen Bereich sind die Klassen oft derber, viele Kollegen mögen aber die ehrlich Art der Schüler,

    Das kann ich bestätigen. Ich unterrichte seit Jahren Berufsfachschulklassen u. a. in der Fahrzeugtechnik und war auch mal bei den Berufskraftfahrer*innen (Berufsschulklasse) eingesetzt. In diesen Klassen habe ich oft SuS sitzen, die so gaaar keine Lust auf Englischunterricht haben und oftmals tatsächlich eher derbe drauf sind, aber die habe ich bisher auch immer zu packen bekommen. Man muss sie nur zu nehmen wissen. Und ich fand viele dieser Schüler*innen auch sehr witzig; vielfach sind es einfach nette "Jungs und Mädels vom Land".

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  • Wobei ich denke, dass die Disziplinprobleme nicht so bundeslandabhängig sein dürften

    Doch, ich schätze, z. T. hängt es davon ab, ob du an einer Schule auf dem Land bzw. einer Kleinstadt oder in einer Großstadt tätig bist. Ein entfernter Bekannter von mir war einige Jahre Berufsschullehrer in Berlin; was der an Geschichten erzählt hat, da schlackere ich noch jetzt mit den Ohren. Ähnliches berichtet ein Kollege, der an einer berufsbildenden Schule in einem "Brennpunkt" in Bremen tätg war. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die SuS an unserer "Kleinstadt-BBS" da doch pflegeleichter sind (was mir dieser ehemals in Bremen tätige Kollege auch schon mehrfach bestätigt hat).

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  • Naja, die BBS vereinen als viele Schularten. Außerdem gibt es ja unterschiedliche Richtungen. Kaufmännisch, gewerblich, etc. Da gibt es, was Disziplinprobleme angeht, schon erhebliche Unterschiede.


    Am Kaufmännischen hatte ich als zickige Mädels; jetzt im Gewerbe habe ich eher kernige Jungs. Landwirte, Biker... Am Anfang des Schuljahres, als wir bei den obligatorischen Vorstelllungsrunden waren, wollten sie wissen, welchen Traktor \ welches Motorrad ich fahre und welches Bier ich trinke.


    Aber ich sag mal so... Lieber so als Eltern die einen verklagen weil man das Kind schief angeschaut hat...

  • Ich bin mir ziemlich sicher, dass die SuS an unserer "Kleinstadt-BBS" da doch pflegeleichter sind

    Das kann ich so bestätigen. Ich hatte schon Einzelhändler in großer Stadt (ziemlich undiszipliniert) und Einzelhändler in der mini Stadt in Bullerbü (super liebe Schüler). Da lagen echt Welten dazwischen.

    Sei konsequent, dabei kein Arsch und bleib authentisch. (DpB):aufgepasst:

  • An Berufsschulen (in NRW) gibt es ja auch das sogenannte Berufsgrundschuljahr, in dessen Klassen Schüler mit Sonderschul- oder Hauptschulabschluss der 9. Klasse den Hauptschulabschluss der 10. Klasse sowie auch die Mittlere Reife, den FOR bei ausreichenden Noten in den Hauptfächern erreicht wird.


    Dort gibt es öfters Disziplinprobleme als in Klassen der BS in denen höhere Bildungsabschlüsse erreicht werden können.


    Von Unterrichtsstörungen durchs Quatschen bis hin zu Schlägereien kenne ich da von einem guten Studienkollegen, der an einer BS unterrichtet, etliche Erlebnisse.


    Aber auch wie im Primar- als auch SEK I-Bereich kommt es auch hier auf die Klassenkonstellation an.

  • Gymnasiallehrer an einer BS im BVJ

    Wenn du an der berufsbildenden Schule bist, dann bist du für alles dort (zumindest in NRW), dann bist du kein Gym-Lehrer mehr.

    Bei uns unterrichten vornehmlich Leute in der Berufsvorbereitung etc., die das auch wollen, dadurch funktioniert es da gut.

    Einzelne Leute sind im Vollzeit-Bereich schwierig, aber im Großen und Ganzen finde ich gerade deswegen das BK sehr entspannt, weil die Leute dort "freiwillig" sind.

    Ich trage keinem was hinterher. Holschuld der Schüler. In den Azubi-Klassen gibt es ne Ansage und wenn das nicht fruchtet - ab durch die Tür und ich telefoniere mit dem Betrieb.


    Regelmäßiges Zuspätkommen kann man durch eine geschlossene Tür schnell beheben :D


    Ich mag gerade meine Elektroniker im Handwerk. Man muss sie halt mögen und authentisch sein. So quatsche ich mal über Fussball, Zocken, Bier und dergleichen mit denen und alle sind glücklich. Unnahbar und abgehoben - das würde da nicht gut ankommen.

  • Zum BK kann ich nichts beitragen, aber ich würde bei Stellen im zweiten Bildungsweg doch NRW mal ins Auge fassen. Es wird immer mal wieder etwas ausgeschrieben.


    Bei uns wurde gerade eine Stelle besetzt für Mai.

  • Naja, die BBS vereinen als viele Schularten. Außerdem gibt es ja unterschiedliche Richtungen. Kaufmännisch, gewerblich, etc. Da gibt es, was Disziplinprobleme angeht, schon erhebliche Unterschiede.

    Genau so ist es: In einer beruflichen/berufsbildenden Schule finden sich verschiedenste Bidlungsgänge und berufliche Fachrichtungen. Ich unterrichte an einer "Bündelschule", wo sich quasi alles tummtelt ;) .

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Natürlich gibt es am BK Disziplinprobleme. Da sind oft schulmüde Kids, die aber noch schulpflichtig sind. Sie hatten bisher keine schöne Schulzeit und sind dementsprechend desillusioniert. Außerdem gibt es auch in dualen Klassen manchmal Probleme, insbesondere wenn sie sehr groß sind und einen Querulanten drin hat.


    Ich kann nur für Metaller Industrie und Handwerk reden:

    Man kann dem aber wunderbar begegnen, indem man Respekt vor ihnen hat, sich authentisch gibt und sich auf sie einlässt. Man sollte sie ernst nehmen und bei großen Probleme auch den Betrieb (wenn vorhanden) einschalten. Ich habe zu Beginn in einigen Klassen auch ziemliche Probleme gehabt, aber mit der Zeit lernt man, wie man sie „kriegen“ kann. Heute habe ich damit keine Probleme mehr.


    Am BK ist die Mischung einfach spannender. Kids ohne Abschluss tummeln sich neben dualen Schülern aller Art und Fachschülern auf Bachelor Niveau. Elternarbeit entfällt nahezu vollständig. Herrlich!


    drummer;-) es gibt schon lange kein Berufsgrundschuljahr und keine Sonderschule mehr in NRW.

  • Danke für die zahlreichen Rückmeldungen.


    Ok, es scheint also (in der Regel) ein Großstadt – Kleinstadt bzw. Stadt – Land-Gefälle zu geben. Das würde deutlich mehr für Meck-Pomm als Berlin für mich sprechen.

    Und anscheinend hängt es auch sehr von Fachrichtung und Bildungsgang/-ziel ab.


    Derb sind sie im ZBW auch mitunter, insbesondere wenn sich für mich mal ein Kurs ergibt, in dem ausschließlich Männer sind. Ich gebe im Unterricht nicht viel Privates von mir preis. Für abgehoben halte ich mich nicht. Insgesamt sind auch im ZBW viele mit bildungsfernem Hintergrund und auch (im Vergleich zum Gym) viele, die sich mit den Inhalten schwer tun oder sogar daran scheitern. Mit Eltern hat man im ZBW zum Glück auch nix am Hut.


    Schwierige Frage, denn dazu müsste man ja schon mal an einem allgemeinbildenden Gymnasium oder im 2. Bildungsweg unterrichtet haben und das habe ich nicht...

    Als Maß für den Vergleich von Disziplinproblemen eignet sich vlt. Folgendes:

    In Niedersachsen hat man im Ref auf Gymnasiallehramt von Anfang an u.a. eigenverantwortlichen Unterricht, also die volle Verantwortung für den Fachunterricht in einer Klasse (ohne Ausbildunglehrkraft im Hintergund). Es ist sehr verbreitet, dass Referendar:innen in ihren eigenen Klassen längerfristig Probleme mit Unterrichtsstörungen, also ihre Klassen nicht im Griff haben. Wenn man beim Austesten der Lehrkraft durch die SuS zu Beginn nicht parieren konnte, ziehen sich die Probleme meist durch, bis man seine Klassen irgendwann wieder abgeben kann. Da kann man dann seinen Unterricht natürlich noch so toll vorbereiten, ohne ein gewisses Maß an Ruhe und Konzentration im Raum bringt einem das rein gar nichts.

    Sind solche Probleme auch im Ref an Berufsschulen verbreitet? Also, sind dort auch Klassen/Kurse üblich, in denen insbesondere Referendare (und auch durchsetzungsschwächere Lehrkräfte) jede Stunde ausgetestet werden?


    Und welche Kurs-/Klassengrößen sind üblich? (Das hängt vermutlich auch wieder nicht nur vom BL, sondern den zahlreichen anderen Faktoren ab...)

    • Offizieller Beitrag

    In Niedersachsen hat man im Ref auf Gymnasiallehramt von Anfang an u.a. eigenverantwortlichen Unterricht, also die volle Verantwortung für den Fachunterricht in einer Klasse (ohne Ausbildunglehrkraft im Hintergund). Es ist sehr verbreitet, dass Referendar:innen in ihren eigenen Klassen längerfristig Probleme mit Unterrichtsstörungen, also ihre Klassen nicht im Griff haben.

    Also das halte ich für eine sehr merkwürdige Verallgemeinerung.
    Klar, du hast nur geschrieben "sehr vebreitet" und nicht "immer", aber: was die Disziplin angeht, waren die größten Unterrichtsstörungen, die ich hatte, fehlende Hausaufgaben. und ich hatte vorher (und nachher) echt andere Kaliber. Da würde ich keinen Bundeslandvergleich machen (Ref in NDS, vorher und nachher NRW). Ich war einfach auf dem Land.
    Die "Probleme", von denen meine Mitreferendar*innen berichteten, darüber konnte ich - bei aller Ernsthaftigkeit - nur lachen, sie wären in einer anderen Umgebung sicher drei Tode gestorben (und wären dran gewachsen, schafft ja auch fast jede*r).
    Mein ganzes Seminar (sehr großes Gebiet) war auf dem Land und da hat keine*r, der/die sich ein bisschen durchsetzen konnte, richtige Probleme gehabt.

  • Ok, mag sein. Ich war in einem Städtchen von ca. 160.000 Einwohnern; da war es so, zumindest an den städtischen Gymnasien, an den konfessionellen geht es wohl auch ruhiger zu..

    Stimmt, ich hatte damals auch vernommen, dass es auch im Gym-Bereich auf dem Land einfacher in den Schulen sein soll, was das Thema angeht

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