Prüfungen ändern, um Unterricht ändern zu können?

  • In Mathe bekommen unsere SuS definitiv andere Aufgaben, mehr kann ich dazu aber nicht wirklich sagen, da ich kein Mathelehrer bin. In Deutsch bekommen die SuS zum Teil die gleichen Aufgaben.

    Hier mal meine Einschätzung als Mathelehrer aus dem beruflichen Gymnasium:


    Die Sache mit dem Berufsbezug ist in allgemeinbildenen Fächern ein zweischneidiges Schwert: Zum einen bietet es sich natürlich an, die Unterrichtsinhalte aus dem Schwerpunkt des Bildungsganges zu beleuchteten. Wenn dies ohne weiteres (d.h. ohne die SuS zu "belügen") anwendbar ist -> Super!


    Womit ich, gerade im Fach Mathematik ein Problem habe sind diese Art von Aufgaben:


    "Ein Greifvogel der Gattung lufticus mathematicus fliegt Entlang des Richtungsvektors xyz an einem Steilwandmassiv vorbei, in welchem ein natürlicher Fressfeind auf ihn lauert. Als angehender Biologisch-technische/r Assistent/in haben Sie mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern im Praktikum in den Alpen ermittelt, dass der Fressfeind, sobald sein Abstand < 1,34 Meter zum Greifvogel beträgt, diesen fängt.

    Entscheiden Sie mit Rechnung, ob der Greifvogel gefangen wird oder nicht. "


    Diese Art von Aufgabe ist, Achtung Mathelerer werden ihn verstehen, einfach auf so vielen Ebenen daneben.


    Die stärkeren SuS merken sofort, dass diese Aufgabe inhaltlich komplett hirnrissig ist und die schwächeren SuS kommen vielleicht sogar wirklich auf die Idee, dass Biologen auf diese Art und Weise arbeiten.. Was hat diese Aufgabe also für einen Mehrwert gegenüber der Aufgabe wie sie ohne Pseudoberufsbezug wäre? Für mich keinen, eher fühlen sich die stärkeren SuS verar**** und die Schwächeren nehmen etwas falsches mit nach Hause.


    Ich für meinen Teil hab entschlossen meine SuS nicht zu belügen und fahre damit ganz gut. Immerhin muss ich sie auch auf ein hypothetisches Hochschulstudium vorbereiten und in mathelastigen Fächern kommt man mit diesen didaktischen Traumtänzereien einfach nicht weit.

  • die schwächeren SuS kommen vielleicht sogar wirklich auf die Idee, dass Biologen auf diese Art und Weise arbeiten..

    Naja, wer genau das aus dieser Aufgabe mitnimmt, ist wohl höchstens an der "Alanus-Hochschule" gut aufgehoben.


    PS. Das mit den Ebenen hab sogar ich verstanden. Nur mal so erwähnt.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • :lach: geile Aufgabe! Aber Gymnasium ist doch nicht anders. Ich erinnere mich immer wieder nicht gern daran, dass wir ausrechnen mussten, wir schnell Pudding vor dem Fenster abkühlt.


    Oder an meine erste Geschichtsarbeit: es ging um Ägypter und ich wusste, wie viel so ein Pyramidenbauklotz wiegt und ähnliches unnützes Wissen mehr. Ich hatte wirklich gelernt! Nur was... ich war baff und enttäuscht, weil ich eine 5 hatte. Man muss erst lernen, was Lehrer hören wollen.

  • Abi 1993, Mathe-LK, dünnes, bräunliches, alkoholgetränktes Papier aus dem Matrizendrucker:

    1. Diskutieren Sie die Funktion fk(x) ...

    2. In einem kartesischen Koordinatensystem sind die Punkte ...

    3. Eine Stichprobe mit dem arithmetischen Mittel ...

  • Hahaha schönes Thema! ^^ Erinnert mich sehr ans Ref, wo man für UBs ständig damit beschäftigt war, irgendwie einen Berufsbezug zu konstruieren. In manchen Fächern ist das echt ziemlich bescheiden bis bescheuert. Beispiele?

    Thema Ökonomisches Prinzip:

    Frisöre: Frisörin Aischa hat einen Frisörsalon und will fünf neue Scheren kaufen. Dafür hat sie xyz Geld.

    Bäckereifachverkäufer: Bäckereifachverkäufer Jan will Backwaren ankaufen .... bla bla


    Oder auch sehr hübsch, Religion:

    Thema Tod und Sterben, Anlagenmechaniker: Ööööhm ... Anlagenmechaniker Max ist traurig, denn sein Kollege Tom ist in die neu konstruierte Maschine gefallen und jetzt tot...:gruebel:


    Oder Bio, Hauswirtschafter:

    Hauswirtschafter Moritz hat nicht richtig geputzt, deshalb haben Essensreste in der Küche Schaben angelockt ...


    Liste kann beliebig erweitert werden ...

    Ich finde den Berufsbezug in allgemeinbildenden Fächern ziemlich arg überschätzt. Wenn es Sinn ergibt, dann gerne Berufsbezug! Aber auf Biegen und Brechen einen Berufsbezug konstruieren, wenn man sich dabei selbst schon vera***** vorkommt, kann man den SuS eigentlich nicht zumuten.

  • Wobei doch eigentlich für jeden Beruf realistische Anwendungsbeispiele existieren müssten. Ist ja nicht so, dass man Mathe nicht bräuchte...

  • Wobei doch eigentlich für jeden Beruf realistische Anwendungsbeispiele existieren müssten. Ist ja nicht so, dass man Mathe nicht bräuchte...

    In den Berufsausbildungen wird Mathe meist ja auch nicht extra unterrichtet. Fällt dann unter Fachrechnen und das ist dann natürlich in Anwendung.
    Aber Vollzeit-Bereiche und Technikerschule, die Inhalte orientieren sich an den "normalen" Bildungsplänen und dann kommt eben der Berufsbezug dazu.


    Wobei wir da in der Chemie und mit ET keine großen Probleme haben.

    Trotzdem sind viele Sachen einfach konstruiert.


    Mit Hass blicke ich auf meine Mathe-LK-Abiklausur zurück - Matritzen, irgendeine komische Käferpopulation.

  • Mein Bedauern darüber habe ich ja schon mehrfach zum Ausdruck gebracht.

    Hm, ich hatte ein wenig Latein (kein Latinum) und fand es tatsächlich auch spannend… heute kann ich aber nichts mehr und ich finde, man kommt auch sehr gut ohne klar.


    Von Goethe musste ich die Iphigenie lesen - hab ich damals ausnahmsweise auch gemacht, ganz ohne Lektürehilfe 😂 Seine Lyrik hatte ich nur in der Realschule (ich hatte aber auch Deutsch nicht als LK, vielleicht war es da anders), Zauberlehrling und Erlkönig. Wenn ich an dieser Stelle noch einen auf Bildungsbürger machen darf: Die Lyrik von Schiller gefällt mir deutlich besser 😛


    In Englisch kann ich mich gar nicht mehr an fiktionale Werke erinnern… aber irgendwas wird es wohl schon gewesen sein (auch hier kein LK). Shakespeare war es aber sicher nicht, das wüsste ich - ich mag Shakespeare 🙂

  • Mit Hass blicke ich auf meine Mathe-LK-Abiklausur zurück - Matritzen, irgendeine komische Käferpopulation.

    Ich blicke mit einem milden Lächeln auf mein Matheabi (GK 1980) zurück - war ein Witz gegenüber dem, was ich heute meinen AbiturientInnen zumute, auch an bekloppter Anwendungssabbelei. Dafür war Englisch wohl vom Anspruch ordentlich und Sowi auch.


    Was ich alles nicht konnte, habe ich erst im Studium begriffen😀. Hat trotzdem gut geklappt, vielleicht waren die Grundlagen sicher und die Freude am Lernen noch groß genug.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Ich blicke mit einem milden Lächeln auf mein Matheabi (GK 1980) zurück - war ein Witz gegenüber dem, was ich heute meinen AbiturientInnen zumute, auch an bekloppter Anwendungssabbelei. Dafür war Englisch wohl vom Anspruch ordentlich und Sowi auch.

    Bei mir war das Englisch-Abi eher ein Witz (nur wenige, m. E. leichte Aufgaben). Ich war schon nach der 3. Stunde fertig und habe die eigentlich scchsstündige Klausur nach der 4. Stunde abgegeben ^^. Die Klausuren im Französisch-LK und im Bio-GK (drittes Prüfungsfach) waren zwar etwas schwerer, aber doch gut machbar für mich.


    EDIT: Insgesamt war ich aber wirklich kein "Überflieger"; nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht ;) .

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • EDIT: Insgesamt war ich aber wirklich kein "Überflieger"; nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht ;) .

    Du hast nichts vom Ergebnis der zu früh abgegebenen Klausur erwähnt :zungeraus:

  • Boah *Neid*, wenn ich was zu früh abgegeben hatte, hatte das meist andere Gründe :flieh:

    Aber ich hatte sicher das Abi aus dem schwierigsten Bundesland :_o_D

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