In meiner Elften baut sich grad ne Front auf

  • Hallo, ihr Mitstreiter,


    seit einem Monat bin ich nun Referendarin. Ich habe eigenständigen Unterricht in Geschichte in einer Siebten und in einer Elften.


    Nachdem es in den ersten Wochen in der Elften sehr gut geklappt hat, hat nun offenbar die Phase begonnen, wo sie testen, wo meine Grenzen sind.


    Insbesondere drei Spezies habe ich.


    Einer, ein Türke, ist einfach ein Rüpel und Hitzkopf, aber nicht wirklich böse. Er redet ständig sehr laut dazwischen, reagiert nicht auf Ermahnung, steht mehrfach im Unterricht einfach auf und läuft irgendwohin und beklagt sich, wenn ich ihn ermahne. Er denkt, ich hätte ihn auf dem Kieker - das stimmt aber nicht. Ich ermahne ihn (leider) sehr oft, weil er halt einfach am meisten stört mit seiner "Unerzogenheit" und seinem lauten Organ. Heute aber ging er etwas weiter. Er hatte im Unterricht einen Ohrstöpsel im Ohr. Meiner Bitte, das Ding rauszunehmen, ist er nicht gefolgt. Er argumentierte, er würde keine Musik hören. Nach einigem Rumdiskutieren hat er das Ding dann rausgenommen, aber keine 15 Minuten später, in einer Stillarbeitsphase, hatte er den Kopfhörer wieder im Ohr. Ich habe mich nciht mehr getraut, etwas zu sagen, zumal er seine Arbeit gemacht hat. Aber ich habe Angst, dass das hier gerade auf einen Machtkampf zuläuft.


    Aber das größere Problem habe ich mit zwei Schülern, die einiges auf dem Kasten haben, aber unerträglich cool und überlegen tun, alles ironisieren, was ich mache und sage, und immer destruktiver werden. Die seltenen Male, wo sie konstruktiv mitmachen, ist das dann aber inhaltlich gut. Leider ist mir die Schlagfertigkeit nicht grad in die Wiege gelegt worden, und ich habe das Gefühl, sie fühlen sich mir überlegen.


    Heute dann hat mich ein (harmloser) Schüler etwas über das Referendarait ausgefragt, und da bekam ich in der anderen Ecke mit, wie diese beiden coolen Schüler meinten, bei der Lehrprobe würden sie dann zeigen, was sie alles gelernt hätten, aber das sei ja nicht viel.


    Ich weiß, ich darf mir das nicht allzu sehr zu Herzen nehmen - schließlich bin ich erst vor einem Monat vereidigt und dann komplett ohne Anleitung inskalte Wasser geschmissen worden. Aber ich habe den Eindruck, die Stimmung in der Klasse kippt grad zu meinen Ungunsten.


    Zum Thema lernen muss ich sagen, dass ich viel Gruppenarbeit gemacht habe. Und wenn sie dabei nichts gelernt haben, dann möchte ich mir den Schuh auch irgendwie nicht anziehen, denn ich behaupte mal, dass meine Anleitung zur Gruppenarbeit ganz O.K. war. Ich gebe mir für den Unterricht in der Elften wirklich viel Mühe, zumal es einen neuen Lehrplan gibt, den ich als Versuchskaninchen ausprobieren darf, und noch keinerlei Unterrichtsmaterial.


    Wie geht ihr mit solchen Situationen um?


    Ich würde mich über ein paar Tips freuen!


    Ansonsten hat es auch schon gut getan, hier mal meinen Frust rauslassen zu können.


    Liebe Grüße,
    Mia

  • Sorry, ist OT, aber ich dachte, ich frag mal:


    Ich wundere mich, daß Du so früh schon eigenständigen Unterricht geben mußt! Wie kommt das? In welchem Bundesland bist Du denn? Oder willst Du verkürzen?


    Ich habe mal eine Zeitlang mehr oder weniger als Erzieherin gearbeitet und kann Dir nur raten: Den Walkman definitiv einkassieren, während der Stunde auf dem Pult liegen lassen und erst nach der Stunde wieder 'rausrücken. Ich kann sehr gut verstehen, daß Du verunsichert bist, aber bei solchen Sachen würde ich gar nicht diskutieren ("Packst Du den Walkman jetzt in die Tasche oder soll ich ihn holen kommen?"). Konsequenz und selbstbewußtes Auftreten sind da, glaube ich, ganz wichtig. Sonst sitzen nach kurzer Zeit alle da wie die Steiff-Tiere mit Knopf im Ohr.


    Halt durch, bleib stark und für die zwei Obermachos findest Du vielleicht eine Aufgabe, an der sie sich die Zähne ausbeißen können, wenn Du schon viel Gruppenarbeit machst!


    Liebe Grüße,
    Dudelhuhn

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Dudelhuhn schrieb am 28.02.2005 18:11:
    Sorry, ist OT, aber ich dachte, ich frag mal:


    Ich wundere mich, daß Du so früh schon eigenständigen Unterricht geben mußt! Wie kommt das? In welchem Bundesland bist Du denn? Oder willst Du verkürzen?


    Hi Dudelhuhn,


    in SH geht´s auch sofort mit eigenverantwortlichem Unterricht los, kann aber nicht Mammamias Bundesland sein, da wir mit dem Modulsystem keine richtigen Lehrproben mehr haben.


    @ mammamia, mir ging es bei einer achten so (ich bin nicht besonders groß) und geh da ab und zu mal unter (mein Eindruck). Dann habe ich mich letztens erstmal aufgeplustert und nen Flummi, der andauernd an einer anderen Ecke auftauchte, einkassiert, auf den Pult gelegt für den Rest der Stunde und erst wieder rausgegeben, nachdem die Schüler (in deren Pause *g* ) sich entschuldigt haben.


    War ein gutes Gefühl, man muss sich nur zwingen. Bei der fünften habe ich mit sowas keine Probleme. Aber je älter (und größer) die sind...


    *daumendrück*
    jotto

    Bolzbold #5

    Gutmensch und Spaß dabei (= das GG und der Diensteid sind schon 'ne gute Sache 😉)

    "Und hast du die Ausrufezeichen bemerkt? Es sind fünf. Ein sicheres Zeichen dafür, dass jemand die Unterhose auf dem Kopf trägt." (T. Pratchett)

  • Hallo,


    ich stelle mir Deine Situation wirklich ziemlich schwierig vor. Aber Du kriegst das bestimmt wieder in den Griff!


    Zitat

    Er denkt, ich hätte ihn auf dem Kieker


    Nimm ihn doch mal beiseite und sag ihm, Du hättest den Eindruck, er hätte DICH auf dem Kieker. Ich weiß nicht, obs was bringt, aber er ist doch so gut wie volljährig und vielleicht kriegt er nen Perspektivenwechsel (an den er noch nie gedacht hat) ja hin ?( .


    Zitat

    Aber das größere Problem habe ich mit zwei Schülern, die einiges auf dem Kasten haben, aber unerträglich cool und überlegen tun, alles ironisieren, was ich mache und sage, und immer destruktiver werden.


    Kann mir vorstellen, dass das superätzend ist, v. a., wenn man weiß, dass die nicht so schlau sind, wie sie meinen, aber es ihnen nicht zeigen kann. Wenn ich ganz ehrlich bin, war ich, glaub ich, als Schüler manchmal auch so :D . Wenn ich nur von mir ausgehe, kommt das aber vielleicht krasser rüber, als sie es meinen --- jedenfalls würde ich die "Drohung" mit der Lehrprobe nicht so hoch hängen. Oder hast Du den Eindruck, die sind wirklich böswillig?


    Zitat

    Leider ist mir die Schlagfertigkeit nicht grad in die Wiege gelegt worden, und ich habe das Gefühl, sie fühlen sich mir überlegen.


    Ich glaube, die Schlagfertigkeit ist uns allen nicht in die Wiege gelegt ;);) . Aber oft ist es doch so, dass man das selbst am schärfsten empfindet? Vielleicht kommt das auf Schülerseite gar nicht so an?


    Du fängst halt erst an und hast noch nicht so viele Standardantworten, wie Lehrer, die alles schon kennen...


    Drück Dir auf jeden Fall die Daumen, dass die ganze Sache sich schnell wieder entspannt...


    Grüße
    Unter uns

  • Kenn ich, kenn ich, ging mir auch so ;)
    ich bin an einer Schule für Erziehungshilfe - was du beschreibst, beherrschen die Schüler in Perfektion, vor allem dieses Grenzen austesten. Wie belastbar ist die Lehrerin? Frage am Rande - stehst du als referendarin den schülern gegenüber? Ich habe gleich klar gestellt - natürlich mit dem Rückhalt meiner Mentorin - ich bin hier ganz normal Lehrerin. Ich habe genauso was zu sagen. So erspar ich mir zumindest die Diskussion.
    Dem Schüler mit dem Walkman würde ich ihn auch einfach wegnehmen. Gegebenenfalls noch nen Spruch drücken, von wegen du könntest auch gern sein Eltern bitten, seine Schultasche zu kontrollieren, wenn er mit dem Walkman nicht angemessen umgehen kann.
    Tipp Nummer 1 von mir - durchatmen. Zeig ihnen nicht, dass dich das ärgert oder verunsichert. Das ist doch die Art von Reaktion, die sie wollen, die das Verhalten nur noch verstärkt.
    Und Tipp Nummer 2 - nett kannst du später sein :P wenn ich neu in eine Klasse komme, bin ich erstmal sehr streng, setze ganz enge Grenzen. Erst möchte ich meine Autorität sicher stellen, dann lass ich die Zügel etwas locker.
    Hm, und zu den blöden Sprüchen - diskutieren würde ich da gar nicht. Da einem ja oft erst hinterher gute Antworten einfallen, haben wir im Seminar mal beratschlagt und gesammelt. Wohl bemerkt für Schüler an Schulen für Erziehungshilfe - da ist der Umgangston ja etwas... nun ja... härter. Gut gefallen hat mir jedoch folgender: "Hast du nicht mehr zu bieten? Ich bekomm ne ganze Menge Geld dafür, dass ich hier stehe und mir das anhöre..."
    Mein Fazit - versuch das alles nicht zu nah an dich ran zu lassen - und trage genau das nach außen.
    Viel Erfolg mit deinen Großen (und ähm *threadübergreifend* herzlichen Glückwunsch :) )
    LG

  • Hallo Mia,


    ehrlich gesagt könnte ich mich zunächst mal aufregen. Was soll denn das, Euch gleich im ersten Monat "allein" vor eine Klasse zu stellen und zu erwarten, dass alles prima läuft? Wo ist denn da bitte eine "Ausbildung"??????? Das ist ja wohl eher trial and error. Finde ich unmöglich!!!!!


    Meiner Meinung nach hängt das Problem in der 11 direkt damit zusammen. Mir ging es am Anfang auch so, dass ich den Unterricht zu locker angegangen bin (auf zwischenmenschlicher Ebene) und mir meiner "Erzieherrolle", die übrigens auch noch in der Oberstufe von Bedeutung ist, erst mal richtig bewusst werden musste. In der Zeit hatte ich aber immer die Klassen-/Kursleiter dabei, mit denen ich gerade auch solche Dinge ausgibig besprechen konnte. Hast du in der Schule niemanden, der die betreffenden Schüler kennt und dir konkret mit Ratschlägen helfen könnte. Kollegengespräche sind in solchen Fällen meistens sehr fruchtbar.
    Grundsätzlich hat es mir auch geholfen, mir mal ganz konkret klar zu machen, was ich von den Schülern erwarte und ihnen das auch transparent zu machen.


    Letztlich konnte ich aber glaube ich meine Schüler vor allem über das Fach und den Unterrichtsinhalt überzeugen. Dabei musste ich auch feststellen, dass Gruppenarbeit nicht immer zur Anerkennung des neuen Lehrers beiträgt. Ich hatte den Eindruck, dass die Schüler gerade in der Oberstufe erst mal sehen wollten, was ich so "weiß" und "kann", um sich anschließend in Gruppenarbeit, Lernzirkeln u.ä. einzubringen. Also vielleicht eher zunächst mal 1-2 lehrerzentrierte Stunden mit klarem Tafelbild und deutlicher Ergebnissicherung sowie Feedback bezüglich Deiner Erwartungen am Ende der Stunde .... ????


    Walkman kassieren muss glaube ich wirklich sein ... und das mit der Lehrprobe würde ich jetzt mal nicht so ernst nehmen. In allen mir bisher bekannten Fällen haben sich die Schüler in der Lehrprobensituation sehr zusammengerissen, da auch sie sich geprüft fühlten und einige Augenpaare im Rücken aushalten mussten. :P


    Ich drücke dir jedenfalls die Daumen.
    Viele Grüße
    A.

  • Einen ganz herzlichen Dank an alle meine Antworter!


    Es tut mir leid, dass ich erst jetzt auf eure wirklich ermutigenden und hilfreichen Antworten reagiere, aber ich bin erst jetzt, wo die Osterferien nahen und ich ein KLITZEKLEINBISSCHEN mehr Routine gewonnen habe, dazu gekommen, mal wieder in's Forum zu gucken! Hätte ich es früher getan, wäre die Situation mit meinen Elften wohl etwas besser ;-)!


    Es ist zwar nicht eskaliert, aber wirklich verbessert hat sich die Situation auch nicht. Die Situation ist irgendwie so in-between, so dass ich nie so richtig weiß, ob ich nun ein Fass aufmachen soll oder nicht.


    Einen Tipp von euch habe ich jedenfalls befolgt: Ich habe jetzt einige Stunden lehrerzentrierten Unterricht gemacht, Hausaufgaben aufgegeben, eingesammelt und benotet, sprich: Die Zügel etwas angezogen. Und siehe da - es lief tatsächlich etwas besser! Irgendwann dachte ich dann, ich könnte mal wieder etwas "Netteres" mit ihnen machen als Frontalunterricht, und es ist gleich wieder in die Hose gegangen. In der letzten Stunde lief es dann wieder so doof ab, dass ich spontan einen unangekündigten Test geschrieben habe. Merkwürdigerweise schienen sie mir das nicht besonders übel zu nehmen, sondern fast von mir zu erwarten.... Diese Tests muss ich nun morgen zurückgeben und bin gespannt, wie sie reagieren und wie sich diese Aktion auswirken wird!


    Und dann beginnen ja gottlob schon die Osterferien!


    Übrigens bin ich aus Berlin, für die, die fragten, wieso ich gleich eigenständigen Unterricht übernehmen musste. Das ist bei uns leider so! Der Senat kann billige Arbeitskräfte gut gebrauchen ;-)!


    Also, nochmals vielen Dank und schöne Grüße von
    Mia

  • Ohohoh, Berlin...
    Das ist doch die Stadt, deren Schulsenatoren seit 25 Jahren immer unfähiger und noch unfähiger geworden sind. Bei jedem neuen Senator hat man gedacht, der Tiefpunkt sei erreicht - und siehe da, es geht immer noch ein bißchen schlechter.


    Kommentar für alle zweifelnden Nichtberliner von der Hauptstadtkatze!

    Musik ist die Stenographie des Gefühls.
    Tolstoi

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