• hallöchen!
    dies ist kein besonderes posting - ich hätte mich auch einer menge anderen anschließen können. ;)
    ich bin seit einem halben jahr dabei - und habe den ersten tiefpunkt erreicht, aus dem ich seit einigen wochen nicht mehr herauskomme. die randbedingungen meiner ausbildung sind gut - nette mentoren, nette schüler, nette schule, nettes seminar. kein grund zur klage.
    meine kraftreserven sind nur aufgebraucht. akku absolut leer. kaum schlaf, keine ablenkung - nichts außer schule, schule, schule. und jede menge frusttränen.
    dazu versagensängste. bin ich überhaupt geeignet? ist mein unterricht gut und vielfältig genug? didaktisch gut aufbereitet? werde ich durchfallen? und tausend andere fragen, die sich ein referendar immer wieder stellt.
    mein problem ist nicht locker lassen können, keine entspannung. und das raubt mir alle kraft und nerven.
    habt ihr das zu einem gewissen punkt geschafft? dinge während des referendariats lockerer zu sehen? zu begreifen, dass die welt nicht untergeht, wenn die stunde mal nicht so gelaufen ist, wie idealerweise geplant? den eigenen ehrgeiz dämpfen können?


    verzweifelten gruß,
    hexe schrumpeldei :(

    • Offizieller Beitrag

    Arme kleine Hexe


    Ich glaub zu dieser Zeit hatte ich auch ein ziemliches Tief.


    Es ist nicht so, dass das Refi leichter wird, aber ich finde schon, man passt sich mehr oder weniger an.


    Die erste Zeit des eigenverantwortlichen Unterrichts hat mich auch viele Nerven gekostet, weil ich 1. alles perfekt machen wollte und mir 2. gerade dazu die Erfahrung fehlte, was 3. dazu führte, dass ich unendlich lange haareraufend über meinen Planungen saß und mich hin und wieder komplett unfähig fühlte.
    Die Angst kenne ich auch - man kann sich wirklich verrückt machen. Aber ich sage dir als alte und weise Referendarin
    :D : es ist viel zu früh, um sich so aufzuregen. Und wenn es soweit ist, bist du schon viel cooler geworden 8)


    Ich mache mich auch noch oft verrückt, aber wirklich nicht mehr so sehr wie am Anfang. Ich kann nur arbeiten und was ich nicht schaffe, das schaffe ich nicht. Dann wird eben auch mal was aus dem Lesebuch gemacht oder die Stunde ist nicht hunderprozentig - na und?
    Was ich immer predige (und dieses Wochenende selber nicht eingehalten habe):Tu etwas für dich!! Ein Hobby, ein Stadtbummel, schönes Essen, abschalten!


    Also, ich z.B. hab heute den ganzen Tag am Scheibtisch gesessen - Strafsitzen, sozusagen - aber effektiv wenig geschafft. Fühle mich erschöpft und gleichzeitig weiß ich, dass ich doch nicht fertig bin.
    Da wär es besser gewesen, ich hätte noch mal, wie geplant mein Pferd besucht und wär ne Runde geritten.
    Mach ich sonst an den Wochenenden und es tut mir unendlich gut. Da kann ich Kraft schöpfen und danach viel besser arbeiten.
    Manchmal hilft es auch, mich einfach mal einen Abend vor die Glotze zu hängen und Miss Marple oder so was zu gucken...ich bin sicher, du hast auch irgendwas, was dir gut tut. Tu es!


    Mensch, Schrumpeldei, das wird wieder! Ich war richtig depressiv zwischendurch, weil ich dachte, ich schaff das alles nicht. Jetzt gehts mir den Umständen entsprechend gut :D


    Am Besten fängst du gleich heute Abend an und tust dir was Gutes.
    Von mir noch mal ein


    Ich kann das gut verstehen!


    Liebe Grüße, Melosine


  • Ach Schrumpeldei,


    ich glaube, du bist an dem Punkt, an dem wir alle irgendwann ankommen... und an dem wir dann liebe Menschen brauchen, die die richtigen Worte finden. Bei mir war das hier . Und dann tut's gut, zu heulen und sich in Selbstzweifel zu verlieren, damit jemand anders einem vor's Schienbein treten kann und sagen kann: Nimm dich zusammen und mach, das wird wieder. Es wird nämlich wieder. Und es wird noch viel schöner. Es wird so, dass man den Beruf nie wieder hergeben möchte...


    Ich kau mir hier im Moment die Nägel ab, weil ich noch keine vernünftige Stelle hab und ich möcht so gern wieder richtig vor die Klasse und das dauert alles so laaange... aber glaub mir, ganz bestimmt und ungelogen, es wird viel, viel besser. Der Stress verändet sich - irgendwann registrierst du, dass deine SuS dich trotz deiner Macken sehr gern mögen, und dann lässt der Perfektionismus etwas nach. Die Examensarbeit stresst, aber deine Schüler halten dich hoch. Das Ref stresst, aber irgendwann merkst du, was für ein alberner Spiegeltanz das ist und dass es auf die Meinung der Fachleiter nur sehr begrenzt ankommt.


    Am Anfang des Refs, als ich mich grad mal wieder für eine schlechte Stunde zerfleischt hab, hat ein Ausbildungslehrer mal gesagt "Mach dir nix draus, die SuS sind schlechten Unterricht gewöhnt." Ich dachte, der verarscht mich - besonders aufbauend fand ich das nicht. Hab dann irgendwann gerafft, dass er das ernst meinte und Recht hatte, so traurig es ist. Das heißt aber auch, dass die SuS dir verzeihen, wenn dein Unterricht mal nicht besser ist als der der anderen Lehrer. Oder wenn du mal unvorbereitet bist. DAS MACHT NIX. Wichtig ist, dass du die Schüler magst und ihnen was beibringen kannst, der Rest kommt von allein.


    Tipps zur Bewältigung der akuten Krise:


    1. Arbeit fallen lassen. Jetzt. Sofort. Beste Freundin anrufen und zum Kinogehen verabreden. Ist mir egal, ob du morgen Schule hast. Ins Kino gehen. Nachher mindestens drei Köl... Bier trinken und wenn möglich abtanzen.


    2. Morgen mit dem Liebsten einen langen Spaziergang machen. Gemeinsam über's Mistwetter schimpfen und nachher zum Aufwärmen gemeinsam in die Badewanne. Der Rest ergibt sich.


    3. Mitgliedschaft im Fitnessclub, in der Bauchtanztruppe oder dem Volleyballverein unterschreiben. Und auch hingehen, auch wenn du den Schreibtisch noch voll hast. Dich bewegen, Körpergefühl und Leistungsfähigkeit wiederentdecken. Spaß haben und Frust rauslassen. Auftanken. Feststellen, dass du noch da bist.


    4. Schwellendidaktik üben. Bewusst mal nur grob vorbereitet hingehen - ungefähres Stundenziel, ungefähre Methodenvorstellung reichen. Mal den Schülern Platz zum Selber-Wege-Finden lassen: Biete ihnen einen Text, ein Thema an und lass sie mal selbst einen Weg rauskriegen. Ich stelle immer wieder mit Erstaunen fest, dass bei solchen Stunden der Lernerfolg viel höher ist als wenn ich da den minutengenauen Planungstanz mache.


    5. Was Versagensängste angeht: Guck dir mal die Leute an deiner Schule genau an. Wenn's so ist wie bei uns, sind 10% davon Flaschen. Die haben das Ref auch hinter sich gebracht. Du willst Kinder unterrichten, keine Mondrakete fliegen und keinen Nobelpreis gewinnen. Das kriegst du hin. Fachleiter und Co machen nur den großen Buhmann darum, weil sie nicht ertragen können, nicht ganz schrecklich wichtig zu sein. Aber sie sind's nicht - schenk ihnen ein wenig Aufmerksamkeit, damit die armen Würstchen auch eine Freude haben, aber lass sie in deinem Kopf nicht zu groß werden. Sie sind's nicht wert.


    Und jetzt sieh zu, dass du ins Kino kommst,


    Umärmelung und liebe Grüße,
    w.

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

    • Offizieller Beitrag

    wolkenstein
    Danke für diese Analyse! Hat mich grad richtig zum Lachen gebracht.


    hexe schrumpeldei
    Weißt du, was der Unterschied zwischen einem Referendar und vielen älteren Kolleg(inn)en ist?

    Zitat

    hexe schrumpeldei schrieb am 20.02.2005 19:15:
    bin ich überhaupt geeignet? ist mein unterricht gut und vielfältig genug? didaktisch gut aufbereitet? werde ich durchfallen? und tausend andere fragen, die sich ein referendar immer wieder stellt.


    Genau das. Viele fragen sich das alles später gar nicht mehr.
    Mal ein Vorschlag zusätzlich zu Wolkensteins Vorschlägen:
    Wöchentlich ist nicht mehr als eine dieser Fragen erlaubt! (Und "bin ich überhaupt geeignet?" ist gar nicht erlaubt. Wenn du mit den Schülern und Kollegen gut klar kommst und dir noch so viele Fragen zu deinem Unterricht stellst, bist du das bestimmt!)


    Grüße und ein von Conni

  • Hallo Hexe,
    als Lehrerin mit einigen Dienstjahren auf dem Buckel hab ich trotzdem nicht vergessen, wie es mir als Referendarin ging, und ich kann den Kolleginnen da oben nur in allen Punkten Recht geben: So gut analysiert habe ich das noch nie gelesen, aber jeder Buchstabe davon stimmt und ist wichtig!
    Halt durch!
    Viele Grüße
    venti :)

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