Im Ringen um Autorität

  • Hallo, liebe Kollegen,


    ich arbeite an einer Oberschule und beende gerade mein erstes Berufsjahr nach dem Referendariat. Wegen Du-weißt-schon-wer unterrichten wir hier in Sachsen gerade nur die Abschlussklassen, diese aber jeweils geteilt in zwei Gruppen. Da auch ein paar Kollegen ausfallen, unterrichte ich dort in den letzten Wochen deutlich mehr Stunden als üblich. Statt einer Ethikstunde waren es zuletzt je drei Stunden, verteilt auf zwei Gruppen, also pro Klasse und Woche etwa 6 Ethikstunden.


    Ich betone das deshalb so, weil ich üblicherweise vor allem jüngere SuS unterrichte, 6. und 7. Klasse. Meine Erfahrungen mit diesen Schüler_innen sind ganz anders als die der letzten Wochen.


    Zwei der zehnten Klassen sind insgesamt schwierig, viele SuS sind unzufrieden mit dem Stoff, den Lehrern, vielleicht mit dem Leben generell. Bei einigen ist es sicher eine alterstypische Distanz und Ablehnung der Erwachsenen, andere provozieren gezielt und – wie es mir vorkommt – durchaus systematisch. Ich habe als relativ neuer Lehrer an der Schule sicher noch keinen festen Status oder Ruf, ich gelte bei den betreffenden 10. Klassen wohl auch nicht als eine Lehrkraft, vor der man Respekt haben muss.


    Die SuS arbeiten zwar mit und erledigen ihre Aufgaben so weit, dass ich den Stoff vermitteln und guten Gewissens prüfen kann, aber die zwischenmenschliche Komponente ist unter aller Sau, leider. Das heißt, ich ziehe meine One-Man-Show vor der Klasse durch, versuche mit aller Freundlichkeit immer wieder aufs Neue, einen Draht aufzufädeln und scheitere immer wieder damit. Einzelne Schüler testen meine Grenzen, rufen einzelne Sätze ins Zimmer, beleidigen sich gegenseitig oder stellen "Fragen", die mich vermutlich provozieren sollen, warum es so ein unsinniges Fach wie Ethik gebe, dass ich der einzige Lehrer sei, bei dem man dieses und jenes nicht dürfe, der so oder so sei. Mal arbeiten sie für ein paar großartige Minuten interessiert mit, dann leuchtet der Raum. Dann arbeiten sie eine halbe Stunde fast gar nicht.


    Oder sie schmeißen Sachen durch die Gegend, Papierknüllen oder Radiergummi zum Beispiel. Den talentiertesten der Werfer habe ich mir nach dem Unterricht gefischt, er musste die Zettel aufheben und wegwerfen. Was macht er: Sammelt den Müll ein und schmeißt ihn neben den Eimer. Da er gleich gegangen ist, habe ich das erst 5 Minuten später gesehen. In dem Moment wollte ich dieses saudämliche Spiel zwar nicht verlängern, aber ich wollte ihm auch nicht durchgehen lassen, dass sich jetzt andere Menschen nur wegen seiner Impertinenz zum Müll bücken müssen. Also den Schüler im laufenden Folgeunterricht rausgefischt und einen vorgefertigten Info-Brief in die Hand gedrückt mit dem Termin zum Hausmeisterdienst. Das werde er auf keinen Fall tun, hat der Schüler gleich gesagt, was er denn getan habe, den Zettel nehme er nicht in die Hand, was ich denn für einer sei, und so weiter und so fort. Ich habe den Zettel schließlich auf seinen Platz gelegt.


    Ich weiß natürlich, dass das Thema der Disziplinprobleme ein alter Hut für euch alle sein muss, das Thema ist uns allen ja irgendwie bekannt, selbst die vielen Erfahrenen hier hatten ja vielleicht früher auch das eine oder andere Probleme. Vermute ich zumindest.


    Meine Frage geht gar nicht so sehr in die Richtung, welche Maßnahmen ich im Einzelnen ergreifen kann (obwohl ich auch hier natürlich offen für den helfenden Heilsbringer bin), sondern eher, ob ihr diese Kämpfe als erfahrene Lehrer auch noch ausfechtet oder ob man mit einer einmal erlernten konsequenten Art diese zwischenmenschlichen Differenzen und Respektlosigkeiten ausmerzen kann? Muss man diese Kämpfe also für den Rest des Berufslebens kämpfen oder lohnt es sich, hier einmal ein rigoroses Vorgehen einzuüben und sich dieses sozusagen selbst einzutrichtern, um gewappnet zu sein? Wie seht ihr das?

    Ich stehe immer noch staunend vor diesem Rätsel der natürlichen Autorität. Manche meiner Kollegen haben sie einfach (da reichen mir ein paar Gesprächssekunden mit Schülern und Eltern, um das zu merken), andere wissen wohl, wie es theoretisch geht, aber kriegen es nicht umgesetzt. Ich würde gerne mal zur ersten Kategorie gelangen, bin da aber garantiert noch lange nicht. Andernfalls kriecht man langfristig doch auf dem pädagogischen Zahnfleisch.


    edit: Weil ich den Unterschied zu den Erfahrungen mit den jüngeren Klassen betont habe: Dort sind die Probleme und Reibereien in meinen Augen fast immer gegenständlich fassbar. Ich kann also mit den SuS darüber reden, was gerade vorgefallen ist und dadurch Lösungen erarbeiten. Das wirkt nicht nur beruhigend für das Klassenklima, sondern ist für mich auch Psychohygiene. So bleiben die Schulthemen in der Schule.

    Die betreffenden Schüler der 10. Klasse wirken dagegen so vage und ungreifbar aggressiv, so als würden sie mich seit vielen Jahren verachten, obwohl wir uns kaum kennen. Dieses Verhalten ist verstörend.


    Wie gelingt mir das, welche Eigenschaften (nicht Handwerk) muss ich erlernen? Strenge, Güte, Gleichgültigkeit?


    Liebe Grüße und danke fürs Lesen!

  • Guten Abend, wollte gerade ins Bett gehen, aber noch kurz vor Ferienbeginn (die sollte man immer fröhlich antreten:aufgepasst:) eine Sache: wenn du mit deinen Sechsten und Siebten jetzt klar kommst, kommst du auch mit ihnen klar, wenn sie Neunte und Zehnte sind. Vergiss den jetzigen Jahrgang, die sind in vier oder fünf Monaten raus. Da würde ich auch keine Machtspielchen mehr spielen, der weiß genau, dass du ihn mal kreuzweise kannst mit deinen blauen Briefen und Nachsitzterminen.


    Je schwieriger die Klientel, desto wichtiger die Beziehung und die kommt nicht von heute auf morgen.


    Und natürliche Autorität hat nicht jeder, das stimmt. Aber man kann ja immer mal gucken, wie die das machen, die selbige besitzen. Und man entwickelt doch eine gewisse väterliche Unnachgiebigkeit und mütterliche Direktheit oder so ähnlich. Du machst dir irgendwann keinen Kopp mehr, ob sie dich lieb haben und auf dich hören werden, sondern nimmst sie innerlich an die Hand, sachst wo's langgeht, lachst mit ihnen, hörst zu und lässt dich nicht mehr so leicht aus der Ruhe bringen. Und wenn eine*r sich echt wie ein Arsch verhält, hat man immer noch die Möglichkeit, Unterstützung bei Klassenleitungen und Schulleitung einzuholen. Alles wird gut macht euch ein paar schöne Stunden bis zu den Prüfungen, so gut das eben geht mit AHA.

  • Das hat m. E. mit der Jahrgangsstufe nicht viel zu tun sondern mit der Situation. Wenn ich Zehntklässler übernehme, dann haben die gerade das Schulhaus gewechselt, alles ist neu. Und ich behalte sie dann 3 - 4 Jahre. Letztes Schuljahr habe ich eine Abschlussklasse von einer pensionierten Kollegin übernommen, das war auch nicht so geil. Zumal ohnehin bekannt war, dass die komisch sind (wirklich frech sind unsere Jugendlichen selten).


    Aber ja, ich bin schon am Anfang gleich eher streng und wenn alle meine Regeln gefressen haben, wird es leichter. Das wichtigste ist, dass Du konsequent bist. Du kannst mehr oder weniger nett sein, das spielt nicht so eine Rolle. Es muss immer gleich gehen bei Dir, Jugendlichen hassen an der Schule nichts mehr als unzuverlässige Lehrpersonen.


    Samu hat schon recht, nerv Dich nicht an denen. Die sind bald weg, da bekommst Du eh keinen Fuss mehr auf den Boden.

  • welche Eigenschaften (nicht Handwerk) muss ich erlernen? Strenge, Güte, Gleichgültigkeit?

    Souveränität. Und das auch ausstrahlen. Das liest sich so, als hätten die SuS das Gefühl, mit dir "kann man's ja machen". Gelassenheit, die Gewissheit, über solchen Banalitäten zu stehen, Konsequenz, aber weder als "Wutknubbel" wirken noch als "Weltverbesserer". Deine Analyse (Unzufriedenheit der SuS) klingt durchaus plausibel, aber das ist ja nun mal nicht deine Schuld.

    Anregung... es geht um Ethik... hast du das Thema "Unzufriedenheit" schon mal direkt als Themenreihe gesetzt?

    Vielleicht würde das Interesse zur Mitarbeit bewirken. Weil es sie angeht. Und sie dann vlltmmerken, dass sie gar nicht so "doof" sind, wie vllt ihr Umfeld von ihnen denkt. Nur müssen sie das selber merken. Ergo - Hilfe zur Selbsthilfe.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Danke für eure Antworten!


    Samu, deine Prognose, dass die Beziehung zu den heranreifenden jungen SuS in der Regel auch später noch gut sein wird, beruhigt mich schon. Es wäre mir ein Graus, wenn die Pubertät oder Schulmüdigkeit oder sonst was die Beziehung später wieder erschweren würde.

    Der Drops mit dem Schüler ist ja nun gelutscht, den Kampf muss ich jetzt wohl oder übel austragen und ihn zum Hausmeister begleiten. Im Nachhinein scheint mir das Einlenken/Hinwegsehen über Kleinigkeiten auch ein gute Wahl, gestern ging es mir da eher ums Prinzip. Für die Zukunft ist es aber eine gute Info, auch darauf zu achten, ob ich denn überhaupt noch etwas ausrichten kann, so spät in der Schulkarriere.


    Wollsocken80, die vielbeschworene Konsequenz habe ich natürlich immer im Blick, das ist ja vermutlich das Schlagwort schlechthin der Ausbilder_innen im Schulgeschehen. Ich würde mich auch so lange als konsequent einschätzen, wie ich mich auf bekanntem Terrain bewege. Die üblichen und widerkehrenden Themen (Zuspätkommer, Hausaufgabenvergesser, Träumer, Impulsive, Schwätzer...) kann ich konsequent moderieren und lenken, weil ich damit einfach schon genug Erfahrungen gemacht habe. Aber gerade im Zusammenspiel mit älteren, teils aggressiven und zumindest phänotypisch bösartigen SuS fehlen mir Erfahrungswerte und Handlungsroutinen. Da fehlt mir leider auch jedes Verständnis für Handlung-Reaktion, mir fehlt also sicher die Konsequenz.


    Miss Jones, Souveränität ist genau das, was ich erreichen möchte und sollte. Nur halte ich Souveränität eher für das Endprodukt der Arbeit an sich selbst. Um dahin zu gelangen, muss ich für mich erstmal Stück für Stück herausfinden, welche Zutaten ich dazu brauche. Und da stehe ich halt auf dem Schlauch.

    Was du über den Eindruck der Schüler schreibst, würde ich so unterschreiben. Mit mir können sie es machen, genau so ist es leider.

    Unzufriedenheit zum Thema zu machen ist eine gute Idee. Ich gestalte die Themen schon sehr schülerbezogen, wir diskutieren (natürlich gestützt durch Buch und Arbeitsblätter) häufig über aktuelle Themen wie Corona-Demos, Schwangerschaftsabbrüche, Führungsstile von Autoritäten wie Lehrern usw. Es ist mir also schon auch ein Anliegen, dass die SuS ins themenbezogene Quatschen kommen und wir über ihre Alltagserlebnisse reden, sie können mir dabei dann auch gerne ihre Meinungen sagen, ohne dass ich mich darüber erhebe. Aber immer wieder wird das dann torpediert von einzelnen SuS, die auf Deutsch gesagt einfach Scheiße bauen und die Stunde gegen die Wand fahren wollen. Traurig. Weil ich nicht hart genug (oder konsequent, souverän) bin, ihnen alles vorzugeben, sodass sie viel schreiben und durch einen Schlauch an vorgegebener Lehrmeinung kriechen müssen. In einer der drei 10. Klassen, die ich unterrichte, klappt dieses offene Unterrichtsgespräch dagegen so genial und ist beiderseitig motivierend, sodass ich es immer wieder in den beiden anderen Klassen versucht habe. Aber da muss ich dann wohl wirklich zwei unterschiedliche Unterrichtsplanungen erstellen, sau ärgerlich.

  • Das lernst Du mit der Zeit. Du hast ja ein gutes Gefühl für die Situation und auch für Deine Schwächen also wirst Du schnell besser zurecht kommen. Ich hatte gleich im ersten Jahr eine richtige Arschloch-Klasse. Dann lernt man schnell wie's geht und wie nicht.

    Frag erfahrene Kollegen bei euch im Schulhaus wie sie konkret mit solchen Situationen umgehen. Das hängt ja auch sehr von den Regeln vor Ort ab, was man machen kann. Und dann musst Du einen Weg finden, der für Dich passt.

  • Ich gestalte die Themen schon sehr schülerbezogen, wir diskutieren (natürlich gestützt durch Buch und Arbeitsblätter) häufig über aktuelle Themen wie Corona-Demos, Schwangerschaftsabbrüche, Führungsstile von Autoritäten wie Lehrern usw. Es ist mir also schon auch ein Anliegen, dass die SuS ins themenbezogene Quatschen kommen und wir über ihre Alltagserlebnisse reden, sie können mir dabei dann auch gerne ihre Meinungen sagen, ohne dass ich mich darüber erhebe.


    Vielleicht erstmal weniger diskutieren. Das müssen SuS sich verdienen, mit Rotzlöffeln diskutiere ich nicht.


    Vielleicht tut mal eine Stunde "Buch Seite ..., Arbeite heraus..." ganz gut. Nächste Stunde unangekündigt schriftliche LK, Hefter ist erlaubt, aber nur der eigene, das Buch nicht.


    Wenn sie komplett am Rad drehen immer ruhiger werden, Beamer aus, und selbst was sinnvolles machen. Ich beantworte dann meistens irgendwelche Mails oder mache meine Steuererklärung. Dabei nebenbei drauf achten, dass sie sich nicht gegenseitig umbringen.

  • Ich hatte im Ref. so eine Klasse (danach zum Glück nicht mehr; schwierige Klassen schon, aber nicht so eine). Da wollte einer mal eine Ex (= einen Test) nicht abgeben, weil er wusste, dass sie extrem schlecht war (war dann auch eine 6), er hat sie festgehalten, ich (damals 25 J. alt) dran gezogen. Ich kam mir vor wie im Kindergarten. Sie ist dann zerrissen... Dann sagte er: "Ha, jetzt können Sie sie eh nicht mehr werten!" Ich habe mir beide Teile geschnappt, sie zusammengefügt, kopiert und das Ding natürlich bewertet...


    Ich denke, an diesem Punkt sind/waren wir wahrscheinlich alle mal und selbst, wenn es jetzt nicht läuft, lernst du daraus. Du legst dir eine dickere Haut zu und Strategien, wie du ggf. ein nächstes Mal damit umgehst.

    Ich persönlich würde alle Register ziehen, die Klassenleitung (evtl. auch Schulleitung), die Eltern mit ins Boot holen. Den Info-Brief hätte ich per Post verschickt. Ich hätte auch das Thema mal angesprochen, den Spieß umgedreht, was sie eigentlich von dir wollen (schließlich willst du nur deinen Job machen, aber sie hindern dich daran), vielleicht gemeinsam drüber sprechen, wie man das Schuljahr für alle angenehm über die Bühne bringt. Wenn sie mal sagen können, was sie so ankotzt und merken, dass du wahrscheinlich gar nicht dran Schuld bist, merken sie vielleicht selber, dass ihr Verhalten unangemessen ist.


    Viel Glück, du schaffst das bestimmt.

  • Deine innere Haltung ist immens wichtig. Du musst für dich erstmal ganz klar haben, was für dich geht und was nicht. Für mich ist eine ordentliche Begrüßung mit Aufstehen und Anschauen (bis Klasse 8) wichtig. Joa, das habe ich auch schonmal 20 Minuten üben lassen (war eine sehr schwierige Klasse).

    Ich habe auch schon mehrfach meinen Unterricht abgebrochen und die Übungen schriftlich machen lassen (anschließend von allen einsammeln und benoten), weil es mir zu laut war und eine Verwarnung nicht ausreichte.

    Innere Haltung, Konsequenz und den Schülern zeigen, dass sie einem wichtig sind, das wären so meine Tipps.

    Sowas wie natürliche Autorität gibt es sicher, aber ein Stückweit kann man das auch lernen.

    Und, um dir mal eine andere Sicht der Dinge zu bieten, sag ich dir, dass es nicht immer soo toll ist, den Ruf zu haben "der, die hat jede Klasse im Griff", denn meist schustert dir die Schulleitung dann schwierige Klassen zu, gern begleitet mit den Worten "Die kann ich ja nur dir geben. Du kommst mit denen klar." 🤔


    Lg

    Kopfschloss, die nächstes Jahr mal keine "schwierige" Klasse möchte 😋

  • Ich beantworte dann meistens irgendwelche Mails oder mache meine Steuererklärung. Dabei nebenbei drauf achten, dass sie sich nicht gegenseitig umbringen.

    Und darauf, dass der Beamer wirklich aus ist! :aufgepasst:

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Also ich persönlich lasse mich niemals auf "Machtspielchen" ein, egal wie lange die SuS noch da sind. Bei mir gibt es im Grunde immer die selbe Reaktion auf Fehlverhalten: Eine entweder - oder Entscheidung.

    Entweder zeigt die jeweilige Person das erwünschte Verhalten (z.B. Müll sofort wegräumen) ODER die Person entscheidet sich für irgendeine wesentlich unangenehmere zweite Option, die möglicherweise auch erst in der Zukunft ihre Wirkung entfaltet. In 99% der Fälle entscheiden sich die SuS dann freiwillig für Option 1. Allein schon die Tatsache, dass die SuS eine Art Wahlfreiheit haben, entzerrt die Situation sehr. Und wenn nicht Option 1 gewählt wird, dann bleibt der Müll halt für den Moment liegen aber irgendwas anderes hässliches folgt. Das muss dann aber auch wirklich folgen. In jedem Fall spart man sich so lange Diskussionen und kann souverän "im Programm" weitermachen.


    Müllprobleme habe ich nie, das ist bei mir das erste, was die SuS ins Hirn gehämmert kriegen: Bei Frau Hannelotti hat kein Schnipsel auf dem Boden zu liegen. Dafür gelegentlich Gequatsche im Unterricht oder sich beleidigende SuS.

    Bei mir gibts dann folgende Esklationsstufen: "Du hast die Wahl, entweder sofort mundhalten (Option A) oder Platzwechsel nach vorne ans Pult (Option B)"

    Meistens wirds Option A. Manchmal wird dann natürlich trotzdem nochmal palavert und dann kommt die zweite und letzte Eskalationsstufe: "Du kommst ans Pult (Option A) oder du verlässt jetzt den Raum (Option B).

    Und darüber diskutiere ich auch nicht rum, ich verlese lediglich die Optionen und lasse die SuS ihre Wahl treffen, völlig sachlich und unemotional. Nüchterne Sachlichkeit hilft dabei sehr, wenn die SuS merken, dass man sich nicht von Blödsinn auf die Palme bringen lässt. Jeder kennt doch diese Lehrer, die unter lautem Gekicher ausrasten und schreiend auf den Tisch hauen, während die lieben Kleinen rote Köpfe haben vor Kichern. Die haben ihr Ziel jedenfalls erreicht. Aber da hab ich keine Lust drauf und meine Nerven sind mir zu schade, um sie strapazieren zu lassen :victory: Ich sag immer, wer Ruhe haben will, bekommt sie in den seltensten Fällen durch Schreien.
    Keine Ahnung, wie man sich gezielt mit mehr Autorität umgeben kann. Aber ein Aspekt davon ist sicherlich, dass man die SuS merken lässt, dass sie nicht mit den Emotionen der Lehrkraft nach Belieben Pingpong spielen können. Und wenn sie das nicht können, dann macht das Stören auch ganz schnell keinen Spaß mehr. Frei nach dem Motto: Was juckt es die Eiche wenn sich die Sau an ihr reibt :pirat:

  • Mir kommt gerade noch eine Idee, wo ich Hannelotti s Beitrag lese. Manchmal hilft auch die Erwartungshaltung mit Pause. "Heb das auf. Jetzt." *mehrere Sekunden konzentriert er-warten, dass genau das passieren wird*.

  • ... Jeder kennt doch diese Lehrer, die unter lautem Gekicher ausrasten und schreiend auf den Tisch hauen, während die lieben Kleinen rote Köpfe haben vor Kichern.

    Naja, wäre es nicht ehrlicher, zu sagen, '(fast) jede*r kennt doch die Situationen, wo man vor Wut auf den Tisch haut etc. pp.' Ich bin nicht stolz drauf, aber meine Geduldsfäden sind durchaus auch das eine oder andere Mal gerissen. Aber ja, hilfreich ist das selten.

  • Mir kommt gerade noch eine Idee, wo ich Hannelotti s Beitrag lese. Manchmal hilft auch die Erwartungshaltung mit Pause. "Heb das auf. Jetzt." *mehrere Sekunden konzentriert er-warten, dass genau das passieren wird*.

    Kann ich voll unterstreichen! Ich find generell nonverbale Kommunikation in vielen Fällen effektiver als Worte. Über Worte kann man diskutieren, über Gesten eher schwierig. Ich mag gerne das wortlose Fingerzeigen auf die Tür, das versteht jeder. Ebenso wie die "komm her" Geste mit dem Zeigefinger, um einen Platzwechsel zu signalisieren. Oder das stumme anstarren von Müll auf dem Boden - bei ausbleibender Reaktion gerne dann auch mit einem entspannt nachgeschobenen "...ich sehe Müll auf dem Boden..." :/

  • Nicht emotional werden ist genau der Punkt, den ich auch für am wichtigsten halte. Wenn die SuS merken, dass es auf den Lehrer persönlich gar keinen Einfluss hat, ob sie sich nun daneben benehmen oder nicht, ist ja häufig schon die Hälfte des Spaß' weg. Ich mache es ählich wie Hannelotti : "Du benimmst dich jetzt, oder du kommst ans Pult". "Du setzt dich jetzt um, oder du hast gleich noch ein Treffen mit der Stufenleitung/Schulleitung/ich rufe deine Eltern an".

    Ich habe in meiner ganzen Lehrerkarriere einmal SuS zur Schulleitung geschickt. Ich hatte denen gesagt "enweder ihr seid ruhig oder ihr müsst zur SL". Anwort:"Das trauen Sie sich doch eh nicht." Ich habe einfach nur mit den Schultern gezuckt und weiter gemacht. Die Klasse konnte man nicht alleine lassen. Bin nach dem Unterricht zur Schulleitung. In der nächsten Stunde hatte die Klasse Sport. Diejenigen, die sich bei mir wirklich absolut daneben benommen hatten, haben den Sportunterricht verpasst und durften sich dafür eine Stunde lang vor der SL erklären. Danach lief es udn zwar auch in einer anderen schwierigen Lerngruppe. Sowas verbreitet sich wie ein Lauffeuer.

  • Naja, wäre es nicht ehrlicher, zu sagen, '(fast) jede*r kennt doch die Situationen, wo man vor Wut auf den Tisch haut etc. pp.' Ich bin nicht stolz drauf, aber meine Geduldsfäden sind durchaus auch das eine oder andere Mal gerissen. Aber ja, hilfreich ist das selten.

    Mir passiert das auch immer mal wieder.

    Meine Schüler kucken mich dann nachsichtig an und meinen hinterher: "Na, Frau Sonnenschein, sind Sie wieder schlecht drauf?"

    Bin halt auch nur ein Mensch. :weissnicht:

  • Halte es ähnlich wie Hannelotti. Der Erste der Müll wirft hebt Ihn auf, mit der Belehrung an alle, dass sowas nicht toleriert wird und der Nächste am Ende der Stunde das ganze Klassenzimmer aufräumen muss. Wichtig ist, neue Regelungen nach erstmaligem Auftreten des Fehlverhaltens anzukündigen, dann sind die Schüler vorgewarnt und fühlen sich "meistens" nicht unfair behandelt. Wer Blödsinn macht bzw. wer es auf die Spritze treibt fliegt sofort raus zum Abkühlen. Das Ganze wird dann möglichst gelassen und nüchtern meinerseits durchgesetzt. Wer in der gleichen Stunde nochmals auffällt kommt am Freitag Nachmittag zum Nachsitzen. In meiner schwierigen Klasse fahre ich damit zumindest ganz gut ohne ein Arsch zu sein ;).

  • Pustekuchen gerade bei den "Großen" funktioniert das auch oft sehr gut, wenn man hässliche Drohungen mit Humor in die Tat umsetzt. Mein Favorit: "Oh toll, das finde ich ja richtig lieb von dir, dass du dich entschieden hast, jetzt für alle die Klasse am Ende der Stunde sauber zu machen. Du bist ja ein richtiger Ehrenmann, deine Mitschüler freuen sich auch schon über dein Engagement. Find ich richtig gut, dass du uns diese Arbeit abnimmst, du bekommst auch einen extra-schönen Besen von mir, du kannst ja nach dem Putzen mal versuchen, ob man auf ihm fliegen kann. Soll ich dir noch ein Lied dazu singen, während du den Boden fegst? Bibi Blocksberg vielleicht?" :geschenk::victory: Meine Erfahrung - je länger und bescheuerter die Ansprache, desto schneller und ordentlicher wird am Ende geputzt :lach: Insbesondere bei meinen "schweren Jungs" zieht das besser, als jeder scharfe Ton.

  • Das ist der Vorteil bei den Grossen, man kann sie ganz emotionslos vor die Tür schicken. Wenn die nicht ganz daneben sind, finden sie das gar nicht lustig.


    Hannelotti Ich merk schon, wir zwei würden uns gut verstehen 😁 Ich mache gerne einen auf theatralischen Anfall wenn einer Popcorn unter den Tisch krümelt. Das gute Popcorn, was eine Verschwendung...

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