Binnendifferenzierung bei Hochbegabung

  • Das merkst du trotzdem nicht.

    Dann stimmt - frei nach Loriot - mit Deinem Gefühl was nicht.



    Ich weiß, das du gern gewinnst, aber nein, ich denke eher nicht. Ich treffe jobgemäß nur mehr, die Probleme haben.

    So wird es sein. Primar- und Förderschullehrpersonen haben eh immer Recht, egal um was es geht. Dumm nur, dass ich halt per Definition schon mehr Hochbegabte unterrichte denn wie Valerianus schon schrieb sind die eben besonders intelligent (es geht wirklich darum und nicht um die Interessenslage) und damit statistisch häufiger am Gymnasium und hier vor allem in der Sek II zu finden.



    Genau, was Zehntklässler eben so interessiert.

    Ja, das interessiert auch andere Zehntklässler. Nur sind die nicht alle gleichermassen intelligent und es gehen auch nicht alle an die Uni um sich vertieft über dieses Thema zu informieren. Es ist der ganz normale Weg eines jeden jungen Menschen in diesem Lebensalter individuelle Interessen zu entwickeln. Man kann sich für alles mögliche auf ganz verschiedenen Niveaus interessieren. Es geht eben beim Thema Hochbegabung nicht um die Unterscheidung zwischen den Fleissigen und Interessierten und den grundsätzlich Lustlosen. Warum einer lustlos ist, kann viele Gründe haben und ja, es kann auch ein Grund sein, dass das Niveau des Angebots nicht stimmt. Das Problem tritt aber viel häufiger bei den Überforderten als bei den Unterforderten auf. Letztere sind nämlich meist kreativ genug um sich selbst zu suchen, was sie brauchen. Und es ist eben wichtig, dass es Lehrpersonen gibt, die sowas sehen und an entsprechende Angebote weitervermitteln können. Davon gibt's genug.

  • Nee, Schweizer SekII-Lehrerinnen haben immer Recht. Nochmal, Wollsocken80: Du unterrichtest keine 6. Klässler. Und wenn ich behaupte, dass in der Unterstufe die Unterschiede zwischen den Schülern viel größer sind als in der Oberstufe, wenn zwischen den Kindern 2,5 Jahre Unterschied liegen, dann stellst du das in Abrede ohne Erfahrungen mit dieser Altersstufe zu haben.

  • Und es ist eben wichtig, dass es Lehrpersonen gibt, die sowas sehen und an entsprechende Angebote weitervermitteln können. Davon gibt's genug.

    Die gibt's, das Kind ist aber an der Schule, wo es ist und die TE beschrieb, wie es dort zugeht. Außerdem hat das Kind gerade die Schule gewechselt und ist jetzt im Homeoffice. Alles Dinge, die berücksichtigt werden wollen. Es geht nur am Rande um deine Erfahrungen, es geht vor allem um den konkreten achtjährigen Menschen im Ausgangspost.


    ... Dumm nur, dass ich halt per Definition schon mehr Hochbegabte unterrichte

    Ich habe Diagnostik an der Erziehungshilfeschule gemacht und bin dort Kindern mit psychischen Problemen und Hochbegabung begegnet. Und nein, das eine ist nicht unbedingt ursächlich für das andere. Falsche Beschulung kann aber dazu beitragen. Zum Beispiel, wenn Lehrer keinen Bock haben, sich mit dem Jugendlichen auseinanderzusetzen und ihn einfach nur hochstufen. Du bist natürlich unfehlbar, aber es gibt falsche Entscheidungen. Achtung, nicht erschrecken: auch bei Gymnasislkollegen. Obwohl die was viel Schwierigeres studiert haben:hammer:


    Alter, ist das mühselig.

  • Wichtig ist vor allem,wann eine Hochbegabung erkannt wird, und ob das Umfeld damit umgehen kann.

    Es ist leider Tatsache, dass "wir" irgendwo "Systemfehler" sind. Zumindest sind wir "nicht vorgesehen". Und weil "wir" tendentiell einfallsreich sind, reagieren wir auch noch alle individuell anders... es gibt ein paar typische Anzeichen, aber auch die sind höchstens Indizien. Mir wurde auf meinem allerersten Zeugnis zwar höchste Leistung, abber quasi kein Sozialverhalten bescheinigt... aus heutiger Sicht keinn Wunder, ich binn immer noch "selektiv sozial", ich helfe, wo ich Sinn sehe oder dass es jemand verdient hat, sonst nicht.


    Also... fördert und fordert Hochbegabte. Es ist echt frustrierend, das Gefühl zu haben, von Idioten umgeben zu sein, oder "bestraft" zu werden, weil man etwas "zu gut" kann...

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Ich finde diese Diskussion sehr anregend. Und es war mir natürlich klar, dass es die beiden Lager außerhalb auch innerhalb des Forums geben wird. Es ist aber gut, beide Sichtweisen zu lesen.


    Vielleicht erkläre ich mal, warum ich mir nach wie vor sehr unsicher bin, ob er überhaupt hochbegabt ist und ob so etwas für ein Überspringen reicht.


    Dieses Kind ist mein erstes Kind und er ist in seiner Generation das deutlich älteste Kind in seiner Verwandtschaft. Ich habe also keinen Vergleich. Zusätzlich arbeite ich als Sonderschullehrerin. Im Vergleich zu unseren Schülern erscheinen alle „normalen“ Kinder als hochbegabt. Dazu kommt, dass ich immer mal wieder Schüler kennenlernen musste, die starke Verhaltensauffälligkeiten hatten und laut ihren Eltern hochbegabt (v.a. bei auditiven Wahrnehmungsstörungen) waren. Die IQ-Test zur Feststellung des Förderbedarfs sagten meist etwas anderes. Und als Lehrer hat man halt irgendwann ein Bild. Und genau so wollte ich nicht sein. Ich wusste ja, dass es seit dem Kindergarten leichte Verhaltensprobleme gibt.


    In seiner frühesten Kindheit zeichnete sich mein Kind weder durch eine sehr frühe und schnelle Sprachentwicklung noch durch eine schnelle motorische Entwicklung aus. Bis heute hat eine leichte Schwäche in der Sprachmotorik bzw. der Sprachflüssigkeit. Es ist kein Stottern. Man hat das Gefühl, dass das Gehirn schon drei Themen weiter ist und der Mund nicht alles schnell genug sprechen konnte. Dann weiß er nicht mehr was er sagen wollte und kommt ins „Stottern“. Die Sprachentwicklung scheint im Internet aber das IQ-Kriterium schlechthin zu sein. Also kam da natürlich auch nie jemand drauf.


    Er war ein waches interessiertes Baby, dass sehr unruhig war. Zum Schlafen musste er 8 Monate lang gepuckt (eng gewickelt) werden, sonst war an Schlaf nicht zu denken. Mit 1,5 war er trocken und hatte kapiert, dass Nässe zwischen den Beinen eklig ist und man dafür aufs Klo kann.

    Drehen, Robben, Krabbeln und frei Laufen konnte er erst ab 8 Monaten, dann aber alles bis zum 1. Geburtstag.


    Aus diversen Gründen besuchte er eine Tagesmutter und eine Krippe. Und im Kindergartenalter dann durch Referendariat und erste Anstellung zwei verschiedene Kindergärten. Er ging nie gerne, konnte sich nur schwer trennen und weinte lange beim Abgeben. Im letzten halben Jahr vor der Einschulung wurde es wieder besonders schlimm mit dem Abgeben. Da nie jemand eine Hochbegabung in Erwägung zog, dachte ich, es liegt ein seinem sensiblen Wesen und dem Übergang in die Grundschule.

  • Weiter gehts. Lesen bitte nur, wer es lesen möchte.


    Bis zum 4. Geburtstag und dem Beginn des Besuchs im Montessorikindergarten war er total unauffällig. Er brauchte allerdings klare Strukturen und feste Bezugspersonen, sonst ging gar nichts.


    Im Monte-KiGa war er das erste halbe Jahr ebenfalls sehr angepasst und unauffällig. Alle waren zufrieden mit ihm. Seine einzige Freundin war 5 und im Vorschuljahr. Da sie das einzige Vorschulkinder war, spielte sie sehr gerne mit meinem Sohn.

    Als sie sich für Buchstaben und Lesenlernen interessierte, wollte er das auch machen. Man sagte ihm, das Material sei erst für Kinder ab 6 (so hat er es zu Hause erzählt). Da er wusste, dass er mit 6 nicht mehr im Kindergarten sein würde, interessierte er sich nie mehr fürs Lesenlernen im KiGa, außer in der Vorschulgruppe.


    Im Sitzkreis, bei Brettspielen und im Turnen zeigte er zunehmend Verhaltensauffälligkeiten. Oft wurde er aus dem Kreis ausgeschlossen. Er wollte immer und überall erster sein, hatte keine Gedult. ADS wurde in den Raum geworfen. Er sei außerdem immer extrem angespannt. Eine Diagnose leierte ich nicht an, weil ich als Sonderschullehrerin weiß, wie ADS aussieht.

    Eine Zurückstellung gab es nicht. Der Kindergarten sagte uns, sein Platz wäre schon vergeben und er ein Musskind. Also wurde er mit gerade 6 und großem Bauchweh meinerseits eingeschult. Ich fand ihn zu jung und sozial-emotional nicht schulreif wegen der Verhaltensprobleme im Kindergarten.


    Er kam in eine Montessoriklasse 1-4, weil ich dachte, wenn die 1. Klasse nicht klappt, kann er da ohne Klassenwechsel wiederholen. Wer hätte denn auch ahnen können, was da noch kommt.

  • Teil 3 und letzter Teil.


    In der ersten Klasse gingen die Probleme weiter. Er hörte im Unterricht und im Sitzkreis nicht lange genug zu oder fing mit der Arbeit an, bevor die Lehrerin zu Ende erklärt hatte. Wenn er seine Anspannung oder seine Konflikte nicht mehr aushielt, löste sich das körperlich durch Stören, Hibbeln, Kneifen, Schubsen.


    Vor seiner Einschulung konnte er nicht lesen (bis auf ein paar Wörter) und auch nur seinen Namen und ein paar einfache Wörter schreiben. Mit 4 schrieb er mal im KiGa die Namen seiner Freunde, hörte aber recht schnell wieder auf.

    Er hatte von Anfang an weder Lust Buchstaben schreiben zu üben noch lesen zu üben. Erst als er in den Leseförderunterricht musste und damit nicht mehr in der Frühbetreuung Lego spielen durfte, konnte innerhalb von 2 Wochen komplett flüssig Erstlesebücher lesen und flog aus dem Förderunterricht (das hatte er so geplant, er wollte wieder rausfliegen).

    Anfang der Klasse 2 nahm er sich in Mathe heimlich die Hausaufgaben der Drittklässler, bekam richtig Ärger und machte das nie mehr.


    In Klasse 1 und 2 fiel jeweils zum Halbjahr die Klassenlehrerin langfristig erkrankt aus. Für mein strukturiertes Kind der Horror pur. Zusätzlich fühlte sich niemand mehr so richtig für die Kinder verantwortlich. Ich erfuhr nur noch von Verhaltensproblemen. Dann entschied ich, ihn dort abzumelden und hier in der konservativen Dorfgrundschule mit kleinen Klassen anzumelden. Ich hatte immer noch keine Hochbegabung im Kopf. Clever war er, das wusste ich.


    Jetzt in der Dorfgrundschule gibt es weitgehend konservativen Frontalunterricht ohne jegliche Differenzierung. Kurz nach dem Umschulung kam Corona. Ich hab einfach selbst differenziert, weil er einiges nachlernen musste. Problem gelöst. Nach dem obligatorischen Eingewöhnungshalbjahr begannen wieder die Probleme. Langsam äußert er auch die wahren Gründe dafür. Das hat er früher zu Hause verweigert.


    Jetzt plötzlich wurde von der Grundschule eine Hochbegabung in den Raum geworfen. Er schreibt in allen Fächern nur Note 1 und in Deutsch 1 und 2. Und hat auf eigenen Wunsch hin mit der Bruchrechnung angefangen.


    Persönliche Interessen: Dampflokomotiven, Modelleisenbahn, Eisenbahn allgemein, Computer, Technik und Naturwissenschaften, MineCraft, Dokus im Fernsehen schauen.

  • Ich bin gerade nur auf Stand Eingangsposting und Seite 4, aber: Lass doch einfach einen fürs Alter passenden IQ-Test machen, dann ist die Nummer mit der Hochbegabung geklärt. Manche der von dir genannten Verhaltensweisen würden zusätzlich auch in bestimmten Asperger Beobachtungsbögen relativ weit oben scoren, aber ob man in die Richtung was denken könnte, weißt du mit deinen Beobachtungen als Mutter und Erfahrungen als Sonderschullehrerin definitiv besser, aber Unterforderung führt, wenn nur Hochbegabung da ist, nicht zu underachievement, solche Kinder suchen sich Dinge die sie interessieren.


    Miss Jones: Auch hier - eigentlich muss eine Hochbegabung überhaupt nicht erkannt werden, der durchschnittliche Hochbegabte kommt mit seinem Leben ganz gut klar, weil Intelligenz eben auch bei sozialen, kreativen, empathischen Problemen hilft. Intelligenz ist einfach nur die Fähigkeit Probleme zu lösen, egal welcher Art...ok, sie müssen logisch lösbar sein und keine "eieiei Probleme" sein.

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • ...

    Im Sitzkreis, bei Brettspielen und im Turnen zeigte er zunehmend Verhaltensauffälligkeiten. Oft wurde er aus dem Kreis ausgeschlossen. Er wollte immer und überall erster sein, hatte keine Gedult. ADS wurde in den Raum geworfen. Er sei außerdem immer extrem angespannt.

    Das wiederum ist ein eigenes Thema:)

    Ich kann dich nur noch mal ermutigen, dich in Beratung zu begeben. Auch in Familienberatungsstellen findet man wirklich gut ausgebildete Berater*innen, die besser zuhören und dir weiterhelfen können als es die Erlebnisse anderer und "Tips" aller Art vermögen.

  • Anfang der Klasse 2 nahm er sich in Mathe heimlich die Hausaufgaben der Drittklässler, bekam richtig Ärger und machte das nie mehr.

    Und das in einer jahrgangsgemischten Montessoriklasse? Ich komme aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus:neenee:

  • Und das in einer jahrgangsgemischten Montessoriklasse? Ich komme aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus:neenee:

    Darüber bin ich auch gestolpert. Sehr seltsam!

    Was sagt dein Sohn denn selbst, Flixe? Fühlt er sich sozial wohl in der Klasse? Ein bisschen an Asperger müsste ich auch bei deiner Beschreibung denken.

  • Mal ganz generell: Sein Problem ist ja nicht die Hochbegabung (die eventuelle), sondern dass er dmait nicht zurecht kommt oder dass er mit irgendwas (feste Vorgaben?) nicht zurecht kommt. Da müsstest du ansetzen.

    Was bringt dir das Wissen um einen hohen IQ?

    Wo sehe ich mein Kind glücklich?

    Was kann ich tun, damit es glücklich ist?

    Ist es glücklicher, wenn es mehr leisten darf?

    Ist es glücklicher, wenn es schnell fertig ist?

    Ich verstehe immer nicht, warum Hochbegabung ein Problem sein soll. Dein Kind hat ein Problem ganz jenseitig einer (vermuteten) Hochbegabung (also ich sehe kein Problem bei deinem Kind, du siehst eines).

    Unser Kind konnte mit 4 lesen und schreiben, es hat auch nur 1er (außer in Mathe, da hat es 1 und 2+). Es langweilt sich bei Übungsaufgaben. Macht nix. Gehört dazu.

    Ich selbst bin hochbegabt (und habe das bei einem Test an der Uni erfahren, ich bin damals aus allen Wolken gefallen). Schule fand ich immer schön. Schnell fertig werden, juhu.

    Nochmal: Das Problem sehe ich nicht in seiner Lernstärke (die es definitv hat, siehe Noten), sondern ... da kennst du jetzt dein Kind besser.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Computer, Technik und Naturwissenschaften, MineCraft, Dokus im Fernsehen schauen.


    Die Interessen meiner 5 jährigen Tochter. Sie wollte auch mit 3 schon wissen, woher wir den wissen, dass es den Urknall gab, wenn es da noch keine Menschen gab. Mit 4 hat sie mir erklärt, dass ein Kreis gar nicht keine, sondern eigentlich unendlich viele Ecken hat. Ganz ehrlich habe ich nicht das Gefühl, dass das jetzt so mega besonders ist. Schlaue Kinder gibt es viele! (Sie liebt übrigens Paw Patrol)


    Das soll aber dein Problem nicht kleinreden. Ich würde einfach mit der SL über alle deine Bedenken sprechen. "Clever sein" an sich halte ich jetzt nicht für ein Problem. Und ob Springen nun gut oder schlecht ist, kann man von aussen nicht wirklich beurteilen.

  • Die Interessen meiner 5 jährigen Tochter. Sie wollte auch mit 3 schon wissen, woher wir den wissen, dass es den Urknall gab, wenn es da noch keine Menschen gab. Mit 4 hat sie mir erklärt, dass ein Kreis gar nicht keine, sondern eigentlich unendlich viele Ecken hat. Ganz ehrlich habe ich nicht das Gefühl, dass das jetzt so mega besonders ist. Schlaue Kinder gibt es viele! (Sie liebt übrigens Paw Patrol)

    Absolut mag es viele geben, relativ sind sie doch eine starke Ausnahme. Ich konnte zu Beginn der Grundschulzeit auch schon Wurzelziehen ;) .

  • Dieses Kind ist mein erstes Kind und er ist in seiner Generation das deutlich älteste Kind in seiner Verwandtschaft. Ich habe also keinen Vergleich.

    Aber die Grundschullehrer haben den Vergleich!


    Vieles was du erzählst kenne ich aus eigener Erfahrung und konnte es aus dem gleichen Grunde auch erst später so richtig einordnen.


    Im Beruf habe ich schon mehrere Hochbegabte in verschiedenen Klassen unterrichtet. Da waren alle Typen dabei, vom offensichtlich hochbegabten Kind bis zum kaum auffallenden Kind, bei dem es nur manchmal hervorblitzte. Von bestens integrierten Kindern (Mehrzahl!) bis zum sozial schwierigen Kind ( Einzahl). Keiner hat das Springen bereut. Der Altersunterschied war nie ein Thema, auch nicht in der Pubertät. Auffälliger sind da die Wiederholer. Die Springer entwickeln sich eher mit der Klasse mit.


    Die Literaturtipps zu Annette Heinbokel kann ich sehr unterstützen. Ich hatte schon mehrfach Kontakt zu ihr und mein Blickwinkel auf Hochbegabung und Fördermöglichkeiten bei Hochbegabung hat sich durch sie deutlich verändert und erweitert.

  • Wir haben Anfang März einen Beratungstermin in einem, in BW, renommierten Institut. Dort wird er wohl auch getestet. Für mein eigenes Seelenheil habe ich nun entschiedene, dass für einen Sprung definitiv eine deutliche Hochbegabung vorliegen muss. Darunter oder im Grenzbereich gibt es für mich keine Diskussion.

    Springen ist nicht nur etwas für Hochbegabte (IQ grösser 130), sondern auch für sehr begabte Kinder (IQ größer 120). Ich würde es eh nicht an einer Zahl festmachen wollen.

    Eher am Probeunterricht in der 4. Klasse. Die besondere Auffassungsgabe erkennt jeder Grundschullehrer sofort ( im Gegensatz zu Erziehern im Kiga, sorry). Wie Samu schon sagte, die Qualität des Denkens ist eine andere.

    Es bleibt die große Frage im Raum, wie man in einem klassischen Frontalunterricht einigermaßen binnendifferenzieren kann, damit er eben nicht überspringen muss.

    Wenn der Lehrer nicht will* - gar nicht! Da kannst du dich auf den Kopf stellen. Biste abhängig.


    *oder nicht kann, weil da noch das Kind ohne Deutschkenntnisse, die drei diagnostizierten Förderkinder und zwei weitere verhaltensauffällige Kinder in der Klasse sind.


    Hast du dir die Frage schon mal andersherum gestellt? Kann mein Kind in der Klasse verbleiben? Kann es so wie es jetzt ist weitergehen? Kann ich „Nichts tun“?


    PS: Begabten- und Hochbegabtenförderung ist für Gymnasien Alltagsgeschäft.

  • Ich möchte noch einmal betonen, dass ich selbst nie das Wort Hochbegabung in den Mund genommen habe. Sicherlich wusste ich, dass er ein cleveres Kerlchen ist und gut in der Schule mitkommt.

    Seine Verhaltensschwierigkeiten im Kindergarten und in Klasse 1 und am Anfang der Klasse 2 kannte ich natürlich und wir haben gemeinsam daran gearbeitet. Den Schulwechsel sahen wir gemeinsam (also Sohn und Mama) als Chance und seitdem sind die strörenden Auffälligkeiten so gut wie verschwunden. Er kann sich konzentrieren und auch zusammenreißen und benimmt sich anderen Kindern gegenüber weitgehend altersgemäß.

    Die starke Struktur scheint ihm gut zu tun. Die offensichtliche Unterforderung gibt es jedoch nach wie vor.


    Ich selbst denke, dass er ein extrem angepasstes Kind ist, der es allen recht machen will. Bis zu einem gewissen Grad kann er das leisten, dann bricht es aus ihm raus. In der neuen Schule lebt er das nun unter dem Tisch und unsichtbar aus.


    Die neue Schule machte uns auf eine deutlich überdurchschnittliche Begabung aufmerksam. Ich war, ehrlich gesagt, platt. Auch sieht die Schule Probleme und ist der Meinung, dass sie die notwendige Differenzierung nicht leisten könne... Ich persönlich wünsche mir nach wie vor eigentlich eine gute Binnendifferenzierung und keinen Sprung ins Gymnasium.


    Eine Asperger-Diagnose kann ich fachlich eigentlich ausschließen. Ich unterrichte teilweise solche Schüler und die sind doch nochmal ganz anders.


    Die Hauptfrage ist eben: Kann er noch 1,5 Jahre in der Klasse bleiben ohne zusätzliche Differenzierung und Förderung bzw. mit sehr wenig? Er hat bereits jetzt einen großen Teil seiner Lust am schulischen Lernen verloren.

    Es macht mich glücklich, wenn ich ihn beim Arbeiten mit Brüchen beobachte und sehe, wie ehrgeizig und konzentriert er sich diese neue Zahlenwelt erschließt. Plötzlich sind Fehler und Perfektionismus nicht mehr wichtig für ihn. Denn bei so schweren Sachen darf man ja Fehler machen 🙄, beim normalen Schulstoff auf keinen Fall...


    Zum Thema Montessori: Es war ein Montessorizweig in einer staatlichen Grundschule. Da gibt es für jeden Jahrgang in der Freiarbeit eine verpflichtende Liste zum Abarbeiten. Zusätzlich gab es jahrgangsinterne Trennstunden in den Hauptfächern ohne jegliche Differenzierung. Durch das Lehrerchaos bzw. deren Überforderung hatte niemand wirklich einen Blick auf ihn. Er fiel nur auf, wenn er Probleme machte. Der Rest musste einfach laufen.


    Wahrscheinlich bräuchten wir eine echte Montessorischule oder eine freie Schule für ihn, aber die gibt es hier nicht. Wir können die Grundschulzeit noch aushalten und haben dann die Wahl zwischen 4 Gymnasien und bei entsprechender Begabung gäbe es hier später auch ein Gymnasium für Hochbegabte. So ist das Landleben.

  • laleona: Wenn du selbst hochbegabt bist, ist die Chance sehr groß, dass deine Tochter ebenfalls hochbegabt ist.


    Ich sah bisher ein Problem in seinem Verhalten. Das habe ich aber eher auf sein junges Alter zurückgeführt.


    Seit 2,5 Jahren sehe ich allerdings, wie er immer mehr den Spaß am Lernen verliert. Er musste in seine Leben schon mehrfach erleben, dass er etwas lernen wollte und man ihm dann sagte, er sei noch zu klein dafür.

    Ich habe damals gesehen, mit welcher Motivation er diese Drittklässler-HA erledigt hat. Na ja, danach musste er eben wieder Additionsaufgaben bis 20 seitenweise ausfüllen. Und jetzt ist es wieder so. Er hat die Brüche bei den Größen kennengelernt und will da weiterlernen, Brüche begreifen usw. Das Befriedigen seines Wissensdrangs macht ihn glücklich. Ich lebe ihm momentan nur passendes Material hin und beantworte Fragen bzw. Hilfe, wenn er sie einfordert. Seit er diesen Wissensdrang stillen kann, erledigt er auch die Pflichtaufgaben problemlos.


    Zu Hause kann er diesen Drang schon immer ausleben. Aber er will das scheinbar auch zunehmend in der Schule. In Klasse 1 durfte er alleine auf den Schulhof, wenn er in Mathe schneller fertig war. Ich könnt euch vorstellen, wie ich einen 6-jährigen ohne Aufsicht auf dem Schulhof fand...

    Und nein, mein Kind ist leider nicht glücklich, wenn es schnell fertig ist. Es ist schon unglücklich, wenn es sieht dass es am dritten Homeschoolingtag hintereinander schon wieder einen Text abschreiben soll, in dem man Nomen gegen Pronomen austauschen muss. Einmal geht hier problemlos, danach wird es schwierig. Als ich eine Aufgabe mit 3 Pronomenarten hinlegte, bearbeitete er diese viel länger dauernde Aufgabe mit großer Motivation ab.


    Und genau hier stecke ich als Mama. Momentan können wir wählen zwischen Anpassung und unglücklich sein oder Vertiefung und Zufriedenheit.

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