Binnendifferenzierung bei Hochbegabung

  • Springen ist sehr umstritten, ich würde mich an eine Fachberatung wenden, um selbst Klarheit zu bekommen und andere "betroffene" Eltern kennenzulernen.


    Das Hauptproblem scheint mir aber die Schule zu sein. Immerhin hat man dich angesprochen. Aber ein "Heft hinlegen" wenn er schneller fertig ist, wird das Problem nicht lösen. (Zumal es durchaus möglich ist, dass der/die Lehrerin auch das nicht gestattet.)


    Hast du mit der Klassenlehrperson schon ausführlicher darüber gesprochen? Letztlich muss sie eine wie auch immer geartete Differenzierung befürworten.


    Ansonsten bleibt halt nur Absitzen der Grundschulzeit und nach einer weiterführenden Schule suchen, die was mit Individualität anzufangen vermag. Das Schuljahr ist ja schon halb geschafft...

  • Edit: vielleicht ist umstritten der falsche Begriff, "kein Allheilmittel, mit Vorsicht zu genießen und gut vorzubereiten" trifft's besser. Und das Kind hat ja auch noch ein Wörtchen mitzureden.

    Welche Fachleute sagen das?

    Alle Verbände für Hochbegabte- da müssen abgebende und aufnehmende Lehrkräfte einverstanden und genau informiert sein. Das Kind, v.a. wenn es früher einigeschult wurde, ist in der (Vor-) Pubertät psychosozial nicht zwei Jahre voraus, auch wenn seine Interessen das sein mögen. Der Sprung löst das Problem auch nur bedingt, denn im nächsten Jahr ist es wieder irgendwo weiter als der Rest.


    Beim oben beschriebenen Fall kommt hinzu, dass das Kind gerade die Schule gewechselt hat, all das muss man berücksichtigen.


    Der Gang zur Beratungsstelle ist sicher der erste sinnvolle Schritt. Man darf aber nicht erwarten, dass der gemeine Lehrer Lust hat, sich beraten zu lassen. Da habe ich leider in verschiedenen Schularten schon lieblose Dinge gesehen.

    Einmal editiert, zuletzt von UrlaubVomUrlaub ()

    • Offizieller Beitrag

    Das "Problem" bei der ganzen Entscheidung "Springen ja /nein" ist, dass "jeder" von uns vor Augen ein Auge hat, das wegen besonderer Begabung gesprungen ist und dann soziale Probleme in einer Klasse hatte.
    Aber ernsthaft: in jeder normalen 5.-7./8. Klasse gibt es Welten zwischen den Entwicklungsständen der SuS. und haben wir auch im Blick, wer eben zum Klassenclown / Underachiever geworden ist, weil er NICHT gesprungen ist?

    und wie geht es einem sozial-emotional, wenn man sich eben ständig über Paw Patrol unterhalten muss (bzw. mitbekommt, Pausen und so), in seinem Kopf aber weiter ist.
    Da bedarf es vieler Gespräche und "Abkommen" ("ja, ich weiß, vormittags in Latein geht der Unterricht dir viel zu langsam und die Lehrerin lässt dich nicht daneben dein Physikbuch lesen, aber: guck mal, wir kommen dir entgegen und du darfst drei mal die Woche zum Chinesischkurs", so in etwa die Idee einzelner Schulen mit Drehtür- oder Enrichmentmodellen (Drehtür sollte NICHT in die höhere Klasse drehen, sondern zum Beispiel zwei Fremdsprachen gleichzeitig, oder zum Matheprojekt während PK- und Mathe, die man dann selbstständig nachholt.

    Viele Fachleute beforzugen das Enrichment oder Akzeleration mit System (also alle SuS in der Gruppe arbeiten schneller, D-Züge, Sonderformen von Klassen oder Schulen..) aber nicht jede Schule bietet es an, da muss viel zu viel in Eigenleistung bringen und hat eben sogar Probleme, wenn der jeweilige Lehrer keine Lust auf sowas hat.
    Ich rate den Ganz zu einer Beratungsstelle. NIcht nur das mögliche Testen ist vielleicht hilfreich, sondern sie kennen auch gute Adressen für passende Angebote (gerade schießen weitere Online-Angebte aus dem Boden), aber auch bei Bedarf auch Angebote fürs Sprechen. Sowohl für die Kids als auch für die Eltern.)

  • Wow - vielen Dank für eure vielfältigen Meinungen und Anregungen. Ich versuche mal, etwas näher darauf einzugehen.


    Viele der Materialseiten und Knobelaufgaben in Mathematik kenne ich natürlich und habe es ihm schon oft angeboten. Die Schule hat zwar ein Forderheft in Mathe angeschafft, aber es kommt sehr selten zum Einsatz, da vorher alle Pflichtaufgaben erfüllt werden müssen. Auch habe ich das Gefühl, dass mein Kind nicht nur Knobelaufgaben möchte, sondern auch einfach mehr mathematische Fähigkeiten erwerben will. In Deutsch gilt das analog. Die Mischung macht es wohl aktuell.


    Dem Springen in die 5. Klasse stehe ich aus mehreren Gründen sehr skeptisch gegenüber. Er ist erst zum Halbjahr der 2. Klasse in diese Schule gewechselt. Dank Corona gab es bisher keinen normalen Grundschulunterricht für ihn. Wenn er jetzt sofort für 5 Monate in die 4. Klasse springen würde, wäre das für ihn wahrscheinlich nicht sehr positiv. Er hat endlich zwei gute Freunde, von denen einer allerdings auch fast hochbegabt ist 😊. Dazu kommt eben sein extrem junges Einschulungsalter und seine nicht gerade überdurchschnittlich ausgeprägten emotionalen Kompetenzen (v.a. Perfektionismus und mangelnde Frustrationstoleranz). Das macht das Leben dann sozial auch etwas schwierig für ihn.


    Es fällt mir tatsächlich sehr schwer, ihn im September in der 5. Klasse zu sehen. Tatsächlich würde es mir leichter fallen, wenn es vielleicht zwei so junge Kinder geben würde oder er in der 5. Klasse von der Schulsozialarbeiterin oder dem Beratungslehrer betreut würde. Beides ist am Wunschgymnasium vorhanden. Aber ich bin sehr unsicher, ob ein Gymnasium so etwas überhaupt (zeitlich) leisten könnte. Auch müssten sich die Fachlehrer zumindest auf ihn einstellen. Eine Friss-oder-stirb-Haltung würde ihn eher abstürzen lassen. Hier ist die große Frage, wie willig Gymnasien zu diesem Mehraufwand sind.


    Das Hauptproblem ist und bleibt der fehlende Wille zur „echten“ Differenzierung in seiner Grundschule. Hier zu Hause kann ich das momentan sehr gut auffangen. Ich kann ihn ganz vielfältig fördern. Teilweise nehme ich natürlich Stoff vorweg (Mathe Bruchrechnung, Deutsch Pronomen vertieft), aber biete auch altersgemäße Anregungen (Knobelaufgaben, veratypische Kompetenzaufgaben). Er wirkt sehr zufrieden und bearbeitet so auch den großen Teil der langweiligen Pflichtaufgaben. Ich weiß aber eben, dass mit Beginn der Unterrichts diese Förderung so nicht mehr stattfinden wird. Wenn er unzufrieden aus der Schule heimkommt und dann lustlos seine Pflichthausaufgaben vor sich hintrödelt, ist danach eben nicht mehr viel Motivation für schulische Lernthemen. Da will er dann spielen und das ist auch gut so. Schließlich ist er 8 Jahre alt.


    Es bleibt die große Frage im Raum, wie man in einem klassischen Frontalunterricht einigermaßen binnendifferenzieren kann, damit er eben nicht überspringen muss.

  • Ah mist, jetzt muss ich noch etwas ergänzen.


    Außerschulisch wird er sehr umfassend und aus allen Bereichen gefördert. Das genießt er sehr und macht es auch gerne.


    Problematisch bleibt, dass er zunehmend nicht mehr bereit ist, sich für die Schule anzustrengen. Die Pflichtaufgaben kann er eh schon alle und die andern Dinge sind natürlich anstrengend. Das ist er nicht gewohnt. Er kann quasi nicht „schulisch lernen“. Er befindet sich aktuell in einem Teufelskreis aus will ich nicht und kann ich nicht. Den würde ich gerne vor dem Gymnasium durchbrechen. Aber dazu braucht es Differenzierung.

  • Deine Ergänzung trifft es eher. Dass das Überspringen natürlich nur dann funktioniert, wenn die Schule mitspielt, die sozio-emotionale Entwicklung des Kindes weit genug ist etc., ist keine überstarke Kritik am Überspringen, sondern eher ein Hinweis, dass die Entwicklung durch Schule immer berücksichtigt werden muss (so wie es 9.Klässler gibt, die bereits die erste feste Freundin haben, und diejenigen, die mit ihrem Legobauset voll zufrieden sind).


    Überspringen wird zwar immer noch kritisch gesehen, weil es eine größere Veränderung für das Kind (und auch für die Schule) bedeutet als die Binnendifferenzierung. Es gibt auch gute Gründe, nicht zu Springen. Dennoch kann es eine Möglichkeit sein, ein Kind wieder kognitiv herauszufordern, statt dass es nicht lernt zu lernen. Dann kann es sein, dass die schulischen Leistungen in der 5., 6. oder 7. Klasse in den Keller gehen, weil es mit dem Pensum nicht mehr zurecht kommt, weil es das Lernen nicht gelernt hat.

    Meine Leseempfehlung zu diesem Thema ist "Eine Klasse überspringen - Sonst wäre ich fipsig geworden" von Annette Heinbokel. Darin werden diverse Erfahrungsberichte von Schülern, Lehrern und Eltern mit dem Springen und mit dem Nichtspringen vorgestellt.


    Ansonsten schließe ich mich den Vorrednern an, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Die kann sicherlich weiterhelfen, wie Schulwechsel, Lernmotivation und Begabung lernförderlich in die für das Kind passende Richtung relenkt werden können.


    À+

  • ...

    Überspringen wird zwar immer noch kritisch gesehen, weil es eine größere Veränderung für das Kind (und auch für die Schule) bedeutet als die Binnendifferenzierung.

    Ich sehe eher, dass sich Schulen es damit leichter machen als mit Binnendifferenzierung. Letztere macht doch viel mehr Arbeit.

  • Auch hier noch einmal vielen Dank für eure Gedanken.


    Ich hatte heute Morgen noch ein Gespräch mit dem Schulleiter, der ja gleichzeitig der Mathelehrer ist. Er favorisiert eindeutige das Überspringen und ist der Meinung. dass er diesen Leistungsvorsprung nicht angemessen fördern kann.


    Wir haben Anfang März einen Beratungstermin in einem, in BW, renommierten Institut. Dort wird er wohl auch getestet. Für mein eigenes Seelenheil habe ich nun entschiedene, dass für einen Sprung definitiv eine deutliche Hochbegabung vorliegen muss. Darunter oder im Grenzbereich gibt es für mich keine Diskussion.


    Der Schulleiter möchte nun gleich den Schulleiter des in Frage kommenden Gymnasiums kontaktieren und vorfühlen. Mir geht das deutlich zu schnell...

    • Offizieller Beitrag

    Er würde also zwei Wochen vor dem Übertritt gerade neun Jahre alt werden. ich finde das schon sehr sehr jung

    zu allem, was hier schon geschrieben wurde, möchte ich den Blick noch etwas weiter auf das Alter von 15/16 Jahren lenken: ein sehr jung eingeschultes Kind, das zudem noch übersprungen hat, wird auch in dem Alter noch immer hinterherhinken.

    Alle aus der Klasse machen den Führerschein? Meins ist noch viuel zu jung dafür.

    Alle anderen dürfen ab 16 Bier trinken/ länger wegbleiben /bestimmte Filme im Kino gucken...? Meines ist noch zu jung dafür.


    Das zieht sich solange, bis dein eigenes Kind volljährig ist. Dann ist es aber schon längst aus der Schule raus. Will vll studieren. Mietvertrag? Eigenes Konto einrichten?


    Das alles darf es noch nicht alleine machen.


    Ich würde mir das Überspringen sehr gut überlegen.

  • Aus meiner eigenen Erfahrung - mir hat das Springen sehr geholfen, da ich vorher, weil "unterfordert" oft massiv Mist gebaut habe. Ich habe auch "unpraktisch Geburtstag", hätte auf Antrag mit 5 eingeschult werden können, aber da kam auch der Kommenntar, ich habe noch "keine Lust auf Schule, lieber später springen".Passierte dannn mitten imSchuljahr von der 2. in die 3. Erfahrugsgemäß ist es auch gerade in der Primarstufe hilfreich, und einfacher als später

    btw, die eher ungewöhnlichen Interessen sollten dich nicht wundern...

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Ich würde es auch kritisch sehen, vor allem wenn er im sozialen Bereich eh nicht so weit ist. Ich habe es oft schon erlebt, dass die Kinder, die vorgerückt sind, sich überhaupt nicht in das Klassengefüge eingefügt haben. Nur weil man kognitiv weit ist, heißt es ja nicht, dass auch die sonstigen Interessen so entwickelt sind. Ist er z.B. noch sehr verspielt?

    Da sitzen dann gerade 11-Jährige in der 7. Klasse und stellen bei der Buchvorstellung "Babybücher" vor, einfach deswegen, weil ihr Humor noch ein ganz anderer ist als der der Klassenkameraden. Und nur weil man im Gymnasium ist, heißt das noch lange nicht, dass man Gleichgesinnte trifft. In der durchschnittlichen 5. Klasse interessiert sich auch kein Mensch für Dampfmaschinen.

  • Das Problem hast du doch auch bei Gleichaltrigen, die sozial noch nicht soweit sind. Mit 13 sind manche bereits sehr pubertär, andere noch ziemlich Kind.

  • das haben Hochbegabte sowieso oft, da sie die Pubertät ggf sogar überspringen bzw mit Vollgas durchrauschen (ist denen "zu kinndisch" -- wir haben einfach keine "Kicherthemen").

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
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  • Das "Problem" (schlimm genug, dass es ein Problem in unserem Schulsystem darstellt) ist doch nicht, dass ein*e Hochbegabte*r im Schulstoff 365 Tage weiter ist. Die Qualität des Denkens ist eine andere. Dass ändert sich doch nicht mit dem Umstand, dass man bis 1000 statt bis 100 rechnet.


    Miss Jones , weißt du, wie hoch dein IQ ist?

  • Das Witzige ist, dass dieser Umstand unterschiedlich ausgelegt wird: Die eine Seite befürwortet gerade deswegen das mehrgliedrige Schulsystem, die andere Seite ist genau deswegen dagegen.

  • Ja, aber die Kluft ist doch noch viel größer, wenn einer gerade erst 11 wird und in der 7. Klasse ist, während alle anderen schon mitten in der Pubertät sind.

    Wir haben auch immer wieder 14jährige im 10. Schuljahr. Die Jugendlichen sind sowieso alle so unterschiedlich weit, dass das überhaupt kein Ding ist. Ich hatte gar mal einen Schüler, der zu Beginn des 10. Schuljahres noch 13 war. Ging auch.

  • [Ich habe mal einen Schüler abgegeben, der dann zu Beginn der 5. Klasse 13 war. Ging fast gar nicht.]

    Besagter 13jähriger sass mit einer 19jährigen zusammen in der Klasse. Die 19jährige ging, er blieb 😉

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