Binnendifferenzierung bei Hochbegabung

  • Dass dein Sohn beim Abgeben geweint hat und sich schlecht hat trennen konnte, finde ich völlig normal. Er hatte schon einige Wechsel zu verarbeiten: Tagesmutter, Kinderkrippe, Kiga 1, Kiga 2, GS 1, GS 2 - Ich kenne im Freundes- und Bekanntenkreis viele Kinder, die nicht gerne in den Kiga etc. gehen bzw. gegangen sind und die sicher auch damit Probleme gehabt hätten. Meine Nichte z.B. hat in 5 Jahren Kita dort aus Protest nie geschlafen und nicht gegessen. Der Sohn meiner Freundin war zufrieden bei seiner Tagesmutter, aber als die ihn dann in den Kiga bringen sollte und nachher wieder abholen, war er todunglücklich. Das war ihm zuviel. Ich selber hatte -für meine Generation ungewöhnlich- als Kind zwei Vollzeit arbeitende Eltern. Ich war zwar einerseits stolz, dass meine Mama keine Vollzeithausfrau war, aber damit auch nicht glücklich immer die Erste morgens im Kiga zu sein und als letzte abgeholt zu werden, meist von der Kinderfrau. Letztendlich sind eben alle Kinder verschieden, manche kommen leichter mit wechselnden Bezugspersonen/ Umfeld zurecht als andere. Ob mit oder ohne Hochbegabung. Du schreibst ja selbst, dass dein Sohn Strukturen braucht und mag, jeder Wechsel bedeutet aber neue Strukturen und Umstellungen.


    Vor dem Hintergrund würde ich ihn in der Klasse lassen. Wenn er dort Freunde hat, ist das meiner Meinung nach wichtiger als Langeweile im Unterricht.


    Als völlig durchschnittlich Begabte fand ich Schule übrigens auch oft sehr langweilig. Je länger ich zur Schule ging, desto weniger gern bin ich hingegangen. Und in vielen Fächern habe ich noch heute das Gefühl, es war reine Zeitverschwendung. Meine eigenen Kinder gehen nur aus 2 Gründen zur Schule, weil sie einen (guten) Abschluss möchten und weil sie dort ihre Freunde treffen. Dass sie dort etwas Lernen könnten, der Antrieb ist nur in wenigen Fächern gegeben.


    In der Grundschule haben aber die meisten Kinder den Wunsch zu lernen, daher solltest du natürlich überlegen, wie du Lernfreude bewahren kannst. Kann man denn mit der GS-Lehrerin keinen Kompromiss finden, dass er z.B. einen Text schreibt, in dem Nomen gegen Pronomen ausgetauscht werden und dann eben zusätzlich schwierigere Aufgaben erledigt. Wenn ich als KL-Lehrerin das nicht hinkriege, ihm immer schwierigere Aufgaben zu geben, sollte ich mich an ihrer Stelle doch freuen, wenn du ihm z.B. eine alternative Aufgabe raussuchst, die er dann macht. - Vielleicht könntest du mit der Lehrerin zusammen überlegen, welches Material sich eignen würde, um ihn zu „füttern“.

  • Nee, Schweizer SekII-Lehrerinnen haben immer Recht. Nochmal, Wollsocken80: Du unterrichtest keine 6. Klässler. Und wenn ich behaupte, dass in der Unterstufe die Unterschiede zwischen den Schülern viel größer sind als in der Oberstufe, wenn zwischen den Kindern 2,5 Jahre Unterschied liegen, dann stellst du das in Abrede ohne Erfahrungen mit dieser Altersstufe zu haben.

    Deine Unaufmerksamkeit gegenüber Jugendlichen finde ich einigermassen erschreckend. 15jährige sind meist noch Kinder, 19jährige sind junge Erwachsene. Sprich einfach mal mit ihnen abseits des Unterrichts, könnte helfen. Aber Du unterrichtest ja auch einfach keine Oberstufe. Dass die 10. Klasse bei euch noch zur Sek I zählt, vergesse ich hin und wieder.

  • Zum Beispiel, wenn Lehrer keinen Bock haben, sich mit dem Jugendlichen auseinanderzusetzen

    ... sind sie falsch im Beruf. Ende der Diskussion. Hat nichts mit Hochbegabung zu tun. Wenn man Dir nicht mehr als das in Deiner Weiterbildung beigebracht hat, tut's mir leid.

  • Wichtig ist vor allem,wann eine Hochbegabung erkannt wird, und ob das Umfeld damit umgehen kann.

    Es ist leider Tatsache, dass "wir" irgendwo "Systemfehler" sind. Zumindest sind wir "nicht vorgesehen". Und weil "wir" tendentiell einfallsreich sind, reagieren wir auch noch alle individuell anders... es gibt ein paar typische Anzeichen, aber auch die sind höchstens Indizien. Mir wurde auf meinem allerersten Zeugnis zwar höchste Leistung, abber quasi kein Sozialverhalten bescheinigt... aus heutiger Sicht keinn Wunder, ich binn immer noch "selektiv sozial", ich helfe, wo ich Sinn sehe oder dass es jemand verdient hat, sonst nicht.


    Also... fördert und fordert Hochbegabte. Es ist echt frustrierend, das Gefühl zu haben, von Idioten umgeben zu sein, oder "bestraft" zu werden, weil man etwas "zu gut" kann...

    Ich habe keine Ahnung wie hoch mein IQ ist, aber ich habe mit 13 Bücher über Schwarze Löcher gelesen. Intelligenz und spezielle Interessen sind nicht notwendigerweise deckungsgleich. Lehrpersonen, die Schüler für "zu gut bestrafen" sind einfach Idioten, unabhängig von Hochbegabung oder sonst was. Bitte... Einfach keine Klischees. Ich habe in der Chemie bislang noch jeden "Einstein" eintüten können und kann gleichermassen gut mit den nicht ganz so Schlauen. Als Lehrperson ist man für alle da. laleona hat einfach vollkommen Recht, Schwierigkeiten mit der Sozialkompetenz und Hochbegabung sind einfach zwei vollkommen unterschiedliche Baustellen.

  • Wollsocken80: du bist echt lustig. Na klar habe ich Oberstufe. Gymnasium, verstehst? Da unterrichte ich doch regelmäßig Schüler zwischen 10 und 20... Und ab und zu unterhalte ich mich auch mit Kindern und Jugendlichen😁. Mit manchen sogar zur Zeit öfter und länger als mir manchmal lieb ist. Die sitzen hier sogar mit mir am Küchentisch und teilen mit mir das Badezimmer.

  • Wenn du selbst hochbegabt bist, ist die Chance sehr groß, dass deine Tochter ebenfalls hochbegabt ist.

    ist das tatsächlich so? habe dazu nicht viel im Netz gefunden. Das ein Teil der Intelligenz über Umwelteinflüsse beeinflusst wird, konnte in Studien nachgewiesen werden. Daher könnte ein hochbegabtes Elternteil natürlich darauf Einfluss haben, wenn es sein Kind fördert.

  • FLIXE s These klingt durchaus nachvollziehbar für mich. Was mich ja interessieren würde, wäre die Wahrscheinlichkeit für ein hochbegabtes Kind mit Eltern mit mittlerer oder sogar unterdurchschnittlicher Intelligenz.

  • Verweisen wir mal auf die profilierteste "schweizerische" Intelligenzforscherin: Elsbeth Stern ;)

    Der Anteil der Gene dürfte in etwa bei 50-80% (bei Kindern teilweise niedriger, bei Erwachsenen höher) liegen, dazu gibt es Zwillingsstudien. Nature-Nurture ist schon lange beendet. Nature gibt die mögliche Bandbreite vor, Nurture ist dafür zuständig wo auf dieser Bandbreite man im Endeffekt landet.

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Wollsocken80: du bist echt lustig. Na klar habe ich Oberstufe. Gymnasium, verstehst? Da unterrichte ich doch regelmäßig Schüler zwischen 10 und 20... Und ab und zu unterhalte ich mich auch mit Kindern und Jugendlichen😁. Mit manchen sogar zur Zeit öfter und länger als mir manchmal lieb ist. Die sitzen hier sogar mit mir am Küchentisch und teilen mit mir das Badezimmer.

    Das ist tragisch. Ich hielt Dich tatsächlich aus all Deinen Beiträgen bisher immer für Unterstufe & Sek I. Wenn man im psychosozialen Entwicklungsstand eines 15jährigen und eines 19jährigen keinen wirklichen enormen Unterschied erkennen mag ist das Ausmass an Unaufmerksamkeit echt beeindruckend. Bei manchen 15jährigen Gymnasiasten ist nicht mal das Abstraktionsvermögen vollständig entwickelt, sprich im 1. Jahr kann sich sogar kognitiv noch einiges tun. Sowas hat man mir ja sogar in meiner Schmalspur-PH-Ausbildung beigebracht. Vor allem die Burschen sind in der 10. Klasse noch mitten in der Pubertät. Da hat es einige, die von einem aufs andere Jahr gefühlt doppelt so gross und breit werden. Und... Ich brauche ja nur hinschauen, was im 1. Jahr geht vs was im 4. Jahr geht, bei den Erstis muss ich allein schon mit meinen Sprüchen aufpassen dass keins anfängt zu heulen. Zu guter letzt sammeln sie in dem Zeitraum noch einiges mehr an Lebenserfahrung als im Kindesalter. Gross und selbstständig werden halt.


    Ich habe übrigens nie behauptet, die Unterschiede seien in dem Alter grösser als im Kindesalter. Ich wiedersprach lediglich, dass sie kleiner sind. Das machst Du aber auch furchtbar gerne, Dich an irgendetwas aufreiben, was ich gar nicht geschrieben habe.

  • Ich habe nur geäußert, dass du von 6. Klässlern wenig Ahnung hast, weil du sie nicht unterrichtest. Ich hab nie behauptet, dass ein 15- Jähriger auf dem gleichen Stand sei wie ein 19-Jähriger. Wo soll ich das denn gesagt haben? Die sind doch auch nie in einem Jahrgang zusammen? Meine These war, dass in der Oberstufe die Unterschiede in der Entwicklung innerhalb eines Jahrgangs, wie sie z.B. durch Überspringen und Wiederholer entstehen, viel weniger zum Tragen kommen als in der Unterstufe. Ob du jetzt 18-Jährige neben 20-Jährigen in der 12 sitzen hast, macht wenig Unterschied. Ob du allerdings noch nicht mal 11-Jährige neben 13,5-Jährigen Anfang der 6. unterrichtest, schon. Und noch mal: 10. Jahrgangsstufe gehört hier nicht zur Oberstufe.

    Lustigerweise übernehme ich jetzt zum Halbjahr neu eine 6. Klasse. Ich habe mich gerade diese Woche mit meinem Vorgänger über die Klasse ausgetauscht. Nebem Fachlichem ging es natürlich auch um pädagogische Aspekte. Aussage: alles im grünen Bereich, nur ein Mädchen sei 2 Jahre jünger als die anderen, was sehr auffalle, und sei deswegen öfters "blöden Sprüchen" (OTon) ausgesetzt.

  • Falls es für irgendjemanden noch interessant ist.


    Wir haben den Sohn nun testen lassen und ja, MIR hat das Ergebnis die Schuhe ausgezogen, weil er eben nicht schon im Kleinkindalter offensichtlich herausragend war. Ein PR von 99,5 ist es dann aber wohl wirklich.


    Auf eigenen Wunsch erlaube ich ihm nun das Springen in die 5. Klasse. Er war sehr erleichtert, freut sich riesig und braucht jetzt einen Rucksack 😉 nach eigener Aussage.


    Gemeinsam mit verschiedenen beteiligten Personen, der Schulpsychologin und einer Beratungslehrerin wird nun gerade eine Art Konzept erarbeitet, wie sein schulischer Weg weitergehen kann und auch was außerschulisch wichtig für ihn ist.


    Wir hoffen sehr, dass das JETZT der richtige Weg für ihn ist. Und ja, die sozial-emotionale Entwicklung wird schwierig werden. Darüber sind wir uns im Klaren. Aber ein Verbleib in der Grundschule ist auf Grund der willentlich fehlenden Differenzierung seitens der GS absolut keine Option. Vorgestern musste er den Diktattest noch einmal komplett nachspuren, obwohl er nur einen halben Fehler hatte. Das Argument der Lehrerin war, alle müssten das Gleiche machen...


    Ab Klasse 7 steht dann auch das örtliche Hochbegabtengymnasium noch als Option zur Debatte. Wir werden sehen, wie es weitergeht. Ich habe immer noch Magengrummeln, aber man hat mir mehrfach empfohlen, ihn ziehen zu lassen, mutig mit ihm zu sein und ihm etwas zuzutrauen. Und am wichtigsten - er selbst will es unbedingt.


    Zum Schluss noch etwas zum Schmunzeln. Der Test hat gezeigt, dass er dem absoluten Klischee-Hochbegabten entspricht. Höchstbegabung im mathematischen und sprachlichen Bereich - normale bis leicht überdurchschnittliche Begabung in den sozialen Testteilen.


    Fazit: Er kann sich manchmal nicht benehmen und ist hochbegabt 🤣.

  • Freut mich, zu lesen, FLIXE ! Das ist ja dann ein gutes Ergebnis. Normal bis leicht überdurchschnittlich ausgeprägte soziale Intelligenz klingt jetzt auch nicht nach Sheldon Cooper himself, sodass du dir in der Hinsicht keine Sorgen machen brauchst. Und ein bisschen Nerd ist ja nicht schlimm ;) !

    Einmal editiert, zuletzt von Lindbergh ()

  • Alles Gute auf eurem Weg! Und liebe Grüße unbekannterweise an deinen Sohn :)

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

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