Ernsthaft jetzt? Klasse, dann kann GL am Ende KEINER mehr?
Das Fach Wirtschaft in NRW oder wenn Leute ohne Ahnung Schulpolitik machen Teil 8453
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Stellungnahme vom Deutschen Verband für politische Bildung (DVPB), die auch die Frage "cui bono" stellt.
Zitat"Die [...]-Debatte ist exemplarisch für die Diskreditierungsstrategie gegen Sowi-Lehrkräfte, die in den letzten Jahren durch Befürworter des Monofachs „Wirtschaft“ aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und liberal-konservative Medien erfolgt ist. Ihre ökonomische Kompetenz wird infrage gestellt, ohne dass es auch nur eine halbwegs seriöse Studie gibt, die zu dieser Aussage berechtigt."
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Höchst polemischer Erklärungsansatz von mir:
Sowi- und PolitiklehrerInnen werden von der FDP als eher links wahrgenommen. Linke LehrerInnen braucht die neoliberale Wirtschaftspartei aber nicht - nachher findet noch jemand Kritik am grenzenlosen Kapitalismus. Dann doch lieber die Lehrkräfte direkt von neoliberalen VWL/BWL-Profs ausbilden lassen. Dann kommt auch die richtige Meinung raus.
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Ernsthaft jetzt? Klasse, dann kann GL am Ende KEINER mehr?
sorry, es war Sarkasmus.
Dieser Versuch, mir anzudichten, ich könne etwas nicht, macht mich noch zynisch, als ich eh schon sein kann. "Leider" habe ich genug andere Fächer, dass ich quasi die letzte auf der Liste einer SL wäre, wenn es um Zertifikatskurse ginge. -
War mir auch schon klar. Aber an meiner Schule unterrichten so viele Kollegen GL, die ÜBERHAUPT keines der integrierten Fächer haben, dass ich die Vorstellung urkomisch fand. So von "kann ja jeder" hin zu "kann wohl keiner".
Ich verstehe Deinen Zorn voll und ganz! Den hätte ich an Deiner Stelle sicher auch!
Wir haben übrigens Wirtschaftslehrer, die NUR das Fach Wirtschaft haben (+ Mathe oder Technik oder sowas). Die armen Schweine müssen in Zukunft noch DREI weitere Fächer unterrichten. Dagegen ist das Mimimi von uns Schon-Immer-GL-Lehrern auf ganz hohem Niveau ...
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Höchst polemischer Erklärungsansatz von mir:
Sowi- und PolitiklehrerInnen werden von der FDP als eher links wahrgenommen. Linke LehrerInnen braucht die neoliberale Wirtschaftspartei aber nicht - nachher findet noch jemand Kritik am grenzenlosen Kapitalismus. Dann doch lieber die Lehrkräfte direkt von neoliberalen VWL/BWL-Profs ausbilden lassen. Dann kommt auch die richtige Meinung raus.
Das ist auch die einzige Erklärung, die ich mir vorstellen kann. Ich kenne die Studienpläne einiger SoWi-Lehramtsstudiengänge und weiß, dass dort auch viel Wirtschaft vorkommt. An der "mangelnden Fachkompetenz" kann es nicht liegen.
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Ja, wie gesagt: Bei mir war es 1/3 Ökonomie, 1/3 Politologie und 1/3 Soziologie (die Anteile für Datengewinnung & Statistik, was man ja für alles braucht, mal herausgerechnet). Also: Wenn ich Wirtschaft nicht unterrichten kann, kann ich Politik oder Gesellschaftslehre oder was auch immer in diesem Bereich ja eigentlich auch nicht.
Im Übrigen ist die Landesregierung durchaus so großzügig, dass wir Wirtschaft vertretungsweise (!) unterrichten dürfen. Vermutlich weil ihnen klar ist, dass es ja auch gar nicht genug Lehrer*innen gibt, die Wirtschaft ansonsten unterrichten dürfen. Einen Zertifikatskurs oder neue Module an der Uni werde ich aber sicher nicht machen - in der Sek II ist fachfremder Unterricht ja nicht mehr so möglich, da können sie dann schön zusehen, wer das machen soll. Zum Trotz an der Stelle kommt übrigens durchaus auch meine Überzeugung vom Integrationsfach Sozialwissenschaften hinzu - das habe ich ja deswegen auch studiert.
Ich überlege ja schon verzweifelt, wie ich einen Skandal anfachen kann, der die Eine-Stimme-Mehrheit-Regierung noch schnell zum Scheitern bringt :D.
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Stellungnahme vom Deutschen Verband für politische Bildung (DVPB), die auch die Frage "cui bono" stellt.
Am besten gefällt mir ja die Stelle, an der erwähnt wird, dass die Fortbildungsangebote zum Teil von Fachleiter*innen für Sozialwissenschaften durchgeführt werden.
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Darf ich mal nachfragen, welche Inhalte in diesem Fach "Wirtschaft-Politik" bzw. in SoWi überhaupt behandelt werden (obwohl diese Frage eigentlich eher Off-Topic ist)?
Ich frage aus zwei Gründen nach:
1. Kann ich mir unter so einem Komi-Fach überhaupt nichts vorstellen. Wirtschaft und Politik sind doch zwei sehr unterschiedliche Themenbereiche, ich sehe da eher wenig Überschneidungen.
2. Bei solchen Kommentaren, auch wenn der Verfasser erwähnt hat, dass es sich um einen polemischen Kommentar handelt:
Denn:
Höchst polemischer Erklärungsansatz von mir:
Sowi- und PolitiklehrerInnen werden von der FDP als eher links wahrgenommen. Linke LehrerInnen braucht die neoliberale Wirtschaftspartei aber nicht - nachher findet noch jemand Kritik am grenzenlosen Kapitalismus. Dann doch lieber die Lehrkräfte direkt von neoliberalen VWL/BWL-Profs ausbilden lassen. Dann kommt auch die richtige Meinung raus.
Ja bei solchen Kommentaren frage ich mich, welche Vorstellung manch einer von Wirtschaft bzw. Wirtschaftsunterricht hat?
Ich habe ein bißchen gegoogelt und habe gelesen, dass bspw. auch Rot-Grün ein eigenständiges Fach Wirtschaft bislang ablehnt!?
Warum? Gerade linken Parteien sollte es doch ein Anliegen sein, dass ein mündiger Bürger Ahnung von wirtschaftlichen Abläufen hat?!
Denkt ihr, dass dann mal sehr klischeehaft gesprochen, ein Anzugträger vor der Klasse steht und irgendwelche neoliberalen, kapitalismusfreudigen Thesen vorträgt?
Also hier in Bayern gibt es ein eigenständiges Fach Wirtschaft (genauer gesagt Wirtschaft und Recht) schon sehr sehr lange. Ich kam ja noch in den Genuss des alten G9. Damals wurde das Fach in den Klassen 8, 9 und 10 jeweils einstündig unterrichtet. Soweit ich mich aus dem Stegreif erinnere, ging es damals um Themen wie:
- Definition/Abgrenzung von Bedarf,Bedürfnisse, Nachfrage
- Rechts- und Geschäftsfähigkeit: Was darf man als Kind/Minderjähriger kaufen (also welche Art von Geschäften abschließen) und was nicht?
- Ein großes Thema war außerdem der Kaufvertrag => Wie kommt ein rechtsgültiger KV zustande? Welche Rechte und Pflichten ergeben sich daraus für Käufer und Verkäufer
- Rechtsformen (GmbH, AG, e.K. OHG => Unterschiede, jeweilige Vor- und Nachteile)
- Geld (Funktionen) und Finanzierung (Was ist ein Kredit/Darlehen? Was sind Zinsen?)
Mehr fällt mir auf Anhieb nicht ein bzw. ich kann bei den anderen Themen die mir spontan einfallen, leider nicht zu 100% sagen, ob das Unterrichtsthema war oder ich das anderweitig aufgeschnappt habe. (Und ich möchte hier keine "falschen" Themen nennen.)Insgesamt kann ich sagen, dass der damalige Wirtschafts- und Rechtunterricht einer der lebensnahesten, anschaulichsten Unterrichte war, den ich während meiner Schulzeit genießen durfte. Denn dort wurden Themen behandelt, die wirklich jeden Menschen betreffen, auch SuS, die noch keinen eigenen Haushalt und kein eigenes Einkommen haben. Vollkommen ohne irgendeine politische Färbung und ganz gewiss wurde hierbei keine neoliberale, kapitaltische Neigung anerzogen.
Was ich im Internet über das NRW-Fach Sowi erfahren habe sind Themen wie beispielsweise soziale Gerechtigkeit, Sozialstaat usw. - das gehört für mich eher in den Sozialkunde- oder Religions-/Ethikunterricht. Mit ökonomischen Kenntnissen hat das nicht wirklich was zu tun. Dass sich Arbeitgeberverbände/Unternehmen gerne bei sozialpolitischen Themen wie Mindestlohn, Hartz-IV usw. gerne äußern weiß ich. Weil es um Steuern/Abgaben bzw. Bürokratie geht (z.B. Mindestlohn, Arbeitnehmerrechte). Aber unter Wirtschaft verstehe ich eher so Themen wie die von mir genannten, also: Güterarten, Rechtsformen, Kaufvertrag, Recht- und Geschäftsfähigkeit. Was ist eine Bilanz und wie ist sie aufgebaut? Was für Zahlungsarten gibt es und die jeweiligen Vor- und Nachteile. Wie ist ein Unternehmen aufgebaut (Grundfunktionen, Aufbau- und Ablauforganisation).
Überschneidungen zwischen Politik und Wirtschaft findet man eher im Bereich VWL (was ja auch Wirtschaft ist): Bruttoinlandsprodukt - die Frage, inwiefern das BIP als Wohlstandindikator geeignet ist. Welche Alternativen gibt es bzw. wie definiert man überhaupt Wohlstand? Oder beim Thema Konjunktur: Welche Konjunkturphasen gibt es und wie sollte der Staat, also die Politik auf wirtschaftliche Abschwünge/eine Depression reagieren (Stichwort Keynes und Friedman).
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@cocobygym: In eurem Nachbarbundesland gibt es "Politik und Wirtschaft". Warum diese Bereiche zusammen statt getrennt unterrichtet werden? Naja, warum werden Algebra und Geometrie nicht getrennt unterrichtet? Man fand es einfach sinnvoll, die Bereiche Politik, Wirtschaft und Soziologie, die alle gemein haben, dass es sich um Gesellschaftswissenschaften handelt, zu verbinden. Klappt hier recht gut!
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Wenn ich es recht verstanden habe, obliegt es den einzelnen Gesamtschulen, ob sie die Fächer, die nunmehr zu GL zählen, als Einzelfächer oder im Verbund GL unterrichten und ausweisen. Damit wäre zumindest die Anforderung, als GL Lehrer alles und nichts zu können, eine, die von der Schulleitung gestellt würde. Nicht etwa vom Kernlehrplan. Der weist beide Möglichkeiten explizit aus.
Korrigiert mich, wenn ich falsch liege.
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@Lindbergh:
Naja, deshalb frage ich ja nach (Dass nun BaWü ebenfalls ein solches Kombifach hat, spielt für meine Frage ja keine Rolle).
Für mich klingt das halt so, als ob es im Bereich "Wirtschaft" bei euch eher um Sozial- und Arbeitsmarktpolitik geht. Das hat aber mit Wirtschaft/Ökonomischen Grundkenntnissen aber relativ wenig nix zu tun. Was für ökonomische Grundkenntnisse werden/sollen denn in diesem Fach bei euch gelehrt werden?
Falls es wen interessiert: Mir ist noch ein weiterer Themenbereich meiner damaligen Schulzeit eingefallen: Arbeitsrecht. Also Arbeitnehmerrechte, was ist ein Tarifvertrag, wie kommt er zustande. Welche Interessen vertreten Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Ein großes Thema war auch das Jugendarbeitsschutzgesetz (für das Alter absolut sinnvoll, weil viele Ferienjobs/Nebenjobs hatten damals). Ja, es ist zwar wieder ein Rechtsthema, aber ja ein wirtschaftliches. Stichwort: Arbeitnehmerrechte.
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Das ist weniger Schulleitungsentscheidung, als Ideologie des Kollegiums. Bei uns ist die Diskussion über Integration oder Desintegration des Faches nach der KLP-Änderung bzgl. Wirtschaft wieder voll ausgebrochen. Nicht schön.
Der Schulleitung wäre es natürlich am liebsten, wenn das Fach integriert bliebe, weil das die UV und die Stundenplanerstellung enorm vereinfacht und die Anzahl der möglichen Klassenlehrer deutlich erhöht. Aber sie mischt sich - zumindest bei uns - in die Diskussion nicht ein.
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@cocobygym
In SoWi werden Fragestellungen und Probleme der drei Bezugsdisziplinen Politikwissenschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften betrachtet. Da viele dieser Themen ohnehin mehr als eine der Disziplinen betreffen und deshalb nur unter Berücksichtigung aller drei Domänen vernünftig behandelt werden können, gibt es dieses Fach in der gymnasialen Oberstufe in NRW. In der Sek. 1 des Gymnasiums gab es sehr lange das Fach Politik, das sich aber auch mit den beiden anderen Disziplinen beschäftigt hat. Seit ein paar Jahren gibt es in der Sek 1 des Gymnasiums das Fach Wirtschaft-Politik mit einem stärkeren Fokus auf die Wirtschaft.
Geplant ist in NRW, dass in der Sek 1 überhaupt kein Soziologie mehr unterrichtet wird. Die Sek 2 bleibt von Änderungen erstmal verschont (Betonung liegt hier m. E. n. auf erstmal).
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In SoWi werden Fragestellungen und Probleme der drei Bezugsdisziplinen Politikwissenschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften betrachtet. Da viele dieser Themen ohnehin mehr als eine der Disziplinen betreffen und deshalb nur unter Berücksichtigung aller drei Domänen vernünftig behandelt werden können, gibt es dieses Fach in der gymnasialen Oberstufe in NRW.
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Ne! Das sind keine Domäne, das sind einzelne Wissenschaften, weshalb es auch 3 unterschiedliche Studiengänge gibt. Diese derart zu mischen war falsch.
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@cocobygym
In SoWi werden Fragestellungen und Probleme der drei Bezugsdisziplinen Politikwissenschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften betrachtet. Da viele dieser Themen ohnehin mehr als eine der Disziplinen betreffen und deshalb nur unter Berücksichtigung aller drei Domänen vernünftig behandelt werden können, gibt es dieses Fach in der gymnasialen Oberstufe in NRW. In der Sek. 1 des Gymnasiums gab es sehr lange das Fach Politik, das sich aber auch mit den beiden anderen Disziplinen beschäftigt hat. Seit ein paar Jahren gibt es in der Sek 1 des Gymnasiums das Fach Wirtschaft-Politik mit einem stärkeren Fokus auf die Wirtschaft.
Geplant ist in NRW, dass in der Sek 1 überhaupt kein Soziologie mehr unterrichtet wird. Die Sek 2 bleibt von Änderungen erstmal verschont (Betonung liegt hier m. E. n. auf erstmal).
Erst einmal danke für deine Antwort. Dass es ein Fach gibt, bei dem bereichsübergreifend Fragestellungen und Probleme betrachtet (ich gehe davon aus auch diskutiert) werden, klingt zunächst mal gut. Ebenfalls, dass das ganze in der Sek II behandelt wird, da davon auszugehen ist, dass die SuS vorher in Sek I die dazu notwendigen fachlichen Grundlagen gelernt haben und in einem Alter sind, interdisziplinäre Betrachtungen und Diskussionen führen zu können.
Allerdings stimme ich meinem Vorredner markus20 zu und möchte dir daher auch dahingehend widersprechen, dass eine vernünftige Diskussion nur dann sinnvoll sei, wenn alle drei "Domänen" berücksichtigt werden. Ebenso deiner Behauptung, dass "viele dieser Themen" mehr als eine der Disziplinen betreffen. Wie markus20 bereits schrieb: Es handelt sich hierbei um drei einzelne, verschiedene Wissenschaften. Überschneidungen gibt es natürlich. Aber zu sagen, man kann den einen Bereich nicht betrachten/diskutieren, ohne die beiden anderen zu betrachten, finde ich falsch.
Mir kommt es so vor - das ist zumindest mein Eindruck - als ginge es bei diesem Fach in erster Linie um sozialpolitische Themen: Armut, Wohlstandsgefälle, Einkommens- und Vermögensungleichheit, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, soziale Gerechtigkeit, also auch so Themen wie "Reichensteuer - ja/nein?", "HartzIV-Reform ja/nein?". Ist das so?
Solche Themen im Unterricht zu behandeln ist wiegesagt gut. Aber Wirtschaft ist etwas ganz anderes.Oder besser formuliert: Zum einen ist Wirtschaftspolitik lediglich eine von vielen Teildisziplinen der Wirtschaftswissenschaften. Und wie ich bereits vorhin schrieb: Wirtschaftspolitik ist ungleich Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Mir kommt es so vor, als ob manche in dieser Diskussion Wirschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ständig in einem Topf werfen.
Zudem besteht Politik besteht aus weit mehr als nur Sozialpolitik, das muss ich glaube ich niemandem erklären.
Daher auch meine Erläuterungen zu den damaligen Unterrichtsthemen des Faches "Wirtschaft und Recht" zu meiner Schulzeit vor über 20 Jahren am damaligen G9 in Bayern. "Uns" wurden im Fach Wirtschaft und Recht Grundlagen wirtschaftlichen Handelns beigebracht: Was ist überhaupt Bedarf? Was sind Bedürfnisse? Welche Güterarten gibt es? Welche Ziele verfolgen Unternehmer (und dabei durchaus eine kritische Auseinandersetzung mit Dingen wie Gewinnmaximierung), welche Zahlungsarten gibt es? Ökonomische Zielgrößen wie Gewinn, Kosten, Rentabilität, Wirtschaftlichkeit. Betriebliche Grundfunktionen, Rechtsformen.
Einen großen Anteil hatte Recht, also wie bereits erwähnt: Kaufvertragsrecht, Rechts- und Geschäftsfähigkeit, Arbeitsrecht, Jugendarbeitsschutzbestimmungen, Jugendschutz. Alles Dinge, die meines Erachtens nach unbedingt an jeder Schulform und in jedem Bundesland verpflichtend behandelt werden sollten.
Wie sollen wir denn mündige, kritische Verbraucher und Bürger werden, wenn wir nicht einmal wissen, wie man einen Kaufvertrag abschließt und welche Rechte und Pflichten sich daraus ergeben? Nur ein Beispiel.
Und all die genannten Thhemen haben was mit Wirtschaftspolitik oder Sozialpolitik zu tun?
Hinzu kommt: Ich glaube wir alle kennen leidliche Diskussionen mit Mitmenschen, bei denen man merkt, dass sie vom eigentlichen Diskussionsthema kaum eine Ahnung haben und stattdessen nur mit oberflächlichen Halbwissen zu argumentieren versuchen. Derlei Diskussionen sind oft anstrengend und in gewissem Maße sinnfrei/sinnlos. Bei SuS kommt oftmals noch die fehlende Lebenserfahrung hinzu und eben fehlendes Hintergrundwissen. Soll heißen: Will man mit SuS vernünftig und sachlich argumentieren, ist es unabdingbar, dass sie Grundlagenwissen besitzen. Von daher finde ich den Ansatz, ökonomische Kenntnisse in Sek I zu vermitteln um dann interdisziplinär komplexere Fragenstellung und Problemstellungen nicht verkehrt.
Ich verstehe halt die Abneigung gegen ein eigenständiges Fach "Wirtschaft" nicht so ganz. Denn wenn ich so etwas lese, dann weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll (nicht böse gemeint, bitte nicht falsch verstehen):
Das ist weniger Schulleitungsentscheidung, als Ideologie des Kollegiums. Bei uns ist die Diskussion über Integration oder Desintegration des Faches nach der KLP-Änderung bzgl. Wirtschaft wieder voll ausgebrochen. Nicht schön.
Der Schulleitung wäre es natürlich am liebsten, wenn das Fach integriert bliebe, weil das die UV und die Stundenplanerstellung enorm vereinfacht und die Anzahl der möglichen Klassenlehrer deutlich erhöht. Aber sie mischt sich - zumindest bei uns - in die Diskussion nicht ein.
Was meinst du mit "Ideologie des Kollegiums"? Für mich klingt das so, als ob manche Kolleginnen und Kollegen ein solches Fach vehement ablehnen? Aber warum?
Wie ich heute am frühen Abend bereits schrieb: Ein Fach Wirtschaft bedeutet doch nicht, dass dann neoliberale Anzugträger vor der Klasse stehen und irgendwelche marktradikalen, kapitalistischen Thesen verbreiten.
Ich weiß weder über das Fach Sowi noch über das Fach "Wirtschaft-Politik" näheres (egal ob nun in NRW oder BaWü), um mir hier ein Urteil über Inhalte und Qualität zu erlauben zu können. Ich kann nur meinen Eindruck auf Grundlage dessen, was ich in der Presse und hier davon gelesen habe widergeben, also meine persönliche Meinung/Einschätzung. Und für mich klingt das so, als ob Fragestellungen/Problemstellungen betrachtet/bewertet werden sollen, aber zumindest im Bereich Ökonomie ohne den dazu notwendigen Wissensstand. Bei einer Diskussion ist es nunmal wichtig, dass 1. Ein gewisses Maß an Hintergrundwissen/Fachwissen vorhanden ist, 2. Verschiedene Blickwinkel/Perspektiven beleuchtet werden (also unterschiedliche Betroffenengruppen betrachtet werden usw.) und nicht nur eine Sichtweise, und 3. die SuS ihre eigene Meinung bilden können und nicht eine vorgefertigte, vom Lehrer vorgegebene und erwünschte Meinung übernehmen. Den dritten Punkte erwähne ich deshalb, weil mich dieses "Ideologie des Kollegiums" im Post von Jule13 etwas irritiert.
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Wenn hier von Ideologie gesprochen wird, so muss das ja nicht zwingend hochpolitisch sein. Da stehen nicht unbedingt die Sandalen tragenden und das Kommunistische Manifest schwingenden SoWi-Lehrer den beanzugten Wirtschafts-Kollegen und mit dem Wallstreet Journal unterm Arm gegenüber.
Die Ideologie könnte darin bestehen, auf der Eigenständigkeit der einzelnen Fächer und auf einer Abgrenzung der Zuständigkeiten zu bestehen. Oder auf einer Professionalisierung, die man wiederum von der jeweiligen fachlichen Befähigung ableitet und den fachfremden KuK abspricht.
Ich persönlich finde es auch befremdlich, dass praktisch systemisch gesagt wird: "Geschichte, Erdkunde, Politik, Wirtschaft - das kann doch irgendwie jeder."
Ich empfinde das bis zu einem gewissen Grad als Nichtwürdigung unserer Ausbildung. Man mag es ideologisch nennen.
Aber in Zeiten von Quereinsteigern...
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Daher auch meine Erläuterungen zu den damaligen Unterrichtsthemen des Faches "Wirtschaft und Recht" zu meiner Schulzeit vor über 20 Jahren am damaligen G9 in Bayern. "Uns" wurden im Fach Wirtschaft und Recht Grundlagen wirtschaftlichen Handelns beigebracht: Was ist überhaupt Bedarf? Was sind Bedürfnisse? Welche Güterarten gibt es? Welche Ziele verfolgen Unternehmer (und dabei durchaus eine kritische Auseinandersetzung mit Dingen wie Gewinnmaximierung), welche Zahlungsarten gibt es? Ökonomische Zielgrößen wie Gewinn, Kosten, Rentabilität, Wirtschaftlichkeit. Betriebliche Grundfunktionen, Rechtsformen.
Einen großen Anteil hatte Recht, also wie bereits erwähnt: Kaufvertragsrecht, Rechts- und Geschäftsfähigkeit, Arbeitsrecht, Jugendarbeitsschutzbestimmungen, Jugendschutz. Alles Dinge, die meines Erachtens nach unbedingt an jeder Schulform und in jedem Bundesland verpflichtend behandelt werden sollten.
Wie sollen wir denn mündige, kritische Verbraucher und Bürger werden, wenn wir nicht einmal wissen, wie man einen Kaufvertrag abschließt und welche Rechte und Pflichten sich daraus ergeben? Nur ein Beispiel.
Das sind alles (!) Themen, die ich in NRW in der Sek1 (Gym) schon behandelt habe. Vielleicht nicht in der Tiefe von ‚Recht‘ (recht amüsant übrigens, das Konstrukt SoWi zu ‚kritisieren‘ (die Kritik nachvollziehen), vom ‚Fach‘ Wirtschaft und Recht zu sprechen. Die zwei Fächer haben doch noch weniger miteinander zu tun? (Natürlich hängt alles zusammen, aber eben: es hängt alles zusammen)
Ich sehe es wie ElCaputo: mir unterstellen, dass ich mein studiertes Fach nicht mehr unterrichten kann, hat irgendwie (überspitzt gesagt) den Beigeschmack von Berufsverbot aus ideologischen Gründen. Nur wenn ich wieder durchveinen neuen Lehrgang gehe, bin ich gut genug? Ein Lehrgang, der Geld (Moderation, also dem Land) und Zeit / Deputatsstunden für die Schulen, der eh ohne Prüfung abschließt und den ich nur absitzen müsste?! Wo ist die Logik dahinter, ausser wem auch immer eins auszuwischen?!
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hm. also angesehen davon, dass ich nicht sehe, dass die Kombination "Recht und Wirtschaft" in irgendeiner Art objektiv "besser" zusammenpasst, als jede andere Kombination, ist die Auswahl der Kombination nunmal auf ein bestimmtes (Kompetenz/Ideologie/Fachdidaktik)-Ziel ausgerichtet. Ich finds aber gut, dass Du nachfragst - so eindeutig ist die Besonderheit des Faches Sowi ist, wird Außenstehenden offenbar garnicht unmittelbar klar und bedarf anscheinend einer expliziteren Vermittlung.
In NRW war das vornehmliche Ziel bislang nicht die stumpfe Anhäufung von Sachkompetenz - wobei die genannten Gegenstände Bedarf/Bedürfnisse/Güterarten/Ziele von Unternehmen/Rechtsformen von Unternehmen/Ökonomisches Handeln/Kaufvertrag bei Jugendlichen/Mitbestimmung/ VerbraucherInnenschutz etc. - natürlich unterrichtet werden. Ziel des Fachs Sowi war es, die politische Urteilskompetenz zu fördern, i.e. die Befähigung zu einer selbstständigen, begründeten und möglichst kriterien- oder kategorienorientierten Beurteilung politischer Akteure, Ereignisse, Probleme und Kontroversen und das Verständnis, das für politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenhänge erforderlich ist, die die Bereitschaft sich dafür öffentlich zu rechtfertigen mit einschließt.
Die gesselschaftlichen Probleme sind mE nicht nur aus einer Perspektive (i.e. der ökonomischen) zu betrachten, sondern benötigen, um die von Dir geforderte Multiperspektivität einzubeziehen, mehrere Blickwinkel mit ihren jeweilig unterschiedlichen Logiken. Andere, neben den von Dir genannten Themen Arbeits- und Sozialpolitik, wären da zB. Wirtschaftspolitik, Umweltpolitik, Außenpolitik (International, EU) etc. In allen diesen Feldern stehen sich angesichts knapper Ressouren Effizienz und andere Werte gegenüber, und müssen abgewogen werden. Dieser Umgang mit Ambiguität ist, finde ich, eine große Stärke des Faches, und das Schöne daran ist, dass es auf diese Weise durch KollegInnen jeden politischen Geschmacks unterrichtet werden kann - schließlich sind wir dem Beutelsbacher Konsens verpfflichtet.
PS: Jule13 hat nochmal von einem anderen Fach gesprochen "GL"= Gesellschaftslehre. Das ist eine Mischung aus dem Fach Sozialwissenschaften, Erdkunde und Geschichte, die an Gesamtschulen und Sekundarschulen unterrichtet wird - die Schulen können die Fächer entweder getrennt, oder eben integriert unterrichten. Integriert ist bei den FachkollegInnen nicht so superbeliebt, weil die Fachdidaktiken der drei Fächer wirklich sehr unterschiedlich sind. Dh. Erdkunde- und GeschichtskollegInnen weigern sich, Wirtschaft fachfremd zu unterrichten, weil sie sich schon mit Sozialwissenschaften nicht wohl gefühlt haben und sich somit immer weiter von ihrem eigentlichem studierten Fach entfernen. (Jedoch habe ich neulich gelesen, dass die KuK in Berlin sogar Oberstufenkurse quasi fachfremd unterrichtet werden müssen, also ich müsste als Sowi-Lehrer nen LK Geschichte unterrichten - hab ich das richtig verstanden?) Nicht das Fach selbst ist also ne Ideologiefrage, sondern, ob das Fach von allen zT fachfremd unterrichtet werden soll (= integriert), oder eben die Erdkundekollegin nur die Erdkundeeinheit macht, während der Geschichtskollege die Geschichtseinheit macht usw.
aber da Du schreibst, dass "Ein Fach Wirtschaft bedeutet nicht [bedeutet], dass dann neoliberale Anzugträger vor der Klasse stehen und irgendwelche marktradikalen, kapitalistischen Thesen verbreiten." möchte ich kurz daran erinnern, dass fehlende Zertifikatskurse zur Nachqualifizierung durch Fortbildungen bei entsprechenden marktliberalen Institutionen ergänzt werden sollen."
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