Was mich mehr geprägt hat als die Erfahrungen meiner Eltern, die den Krieg als Kinder bzw. Jugendliche erlebt haben, waren die Erzählungen meines Großvaters.
Er war Pazifist und hat, als er kurz vor Kriegsende eingezogen werden sollte, einige Wochen in einem Versteck verbracht. Er berichtete davon, dass hier in einer stillgelegten Zeche Sozialisten und Kommunisten gefoltert worden wären, von den Ereignissen der Progromnacht und wie widerlich er es fand, dass jüdische MitbürgerInnen mit einem Stern gebrandmarkt wurden - es waren Nachbarinnen und ehemalige MitschülerInnen dabei.
Mit einer großen Abscheu sprach er aus, dass man Menschen plötzlich als Untermenschen bezeichnete. Für ihn gab es mir und meinen Geschwistern gegenüber kein Tabu, auch wenn manche Themen für uns als Kinder schwierig und noch nicht verständlich waren.
Nach dem Krieg war er zunächst CDU Mitglied und ist ausgetreten, als die Wiederbewaffnung kam.
Meine Eltern haben viele der schrecklichen Erlebnisse zunächst verdrängt - die Bombennächte im Ruhrgebiet, das Weggerissen sein von der Familie in der Evakuierung auf dem Land.
Erst in ihren späteren Jahren, so ab Rentenalter, kamen viele Erinnerungen mit emotionaler Wucht wieder. Dann erzählten auch sie, bei solcher Gelegenheit habe ich meinen Vater weinen gesehen, was er sonst nie getan hat. Da habe ich dann auch verstanden, warum er Silvesterböllerei immer schrecklich findet.
Inwieweit diese Traumata meiner Eltern noch auf mich wirken, kann ich nicht sagen.