Fachliche Überforderung im IT Bildungsgang

  • Liebe Forummitglieder,

    als neue Lehrerin (36 Jahre alt) am BK in NRW mit den Fächern Technische Informatik und Mathematik bin ich gerade verzweifelt.


    Bislang habe ich dieses Forum nur als stille Mitleserin verwendet, aber jetzt weiß ich nicht weiter.

    Ich bin seit einem Jahr als Quereinsteigerin an meiner ersten Schule und wurde aufgrund meiner Fakulta den IT Berufen -Fachinformatikern- zugeteilt. Eigentlich komme ich aus der Programmier-und Datenbankebene und soll mich jetzt in Netzwerktechnik einarbeiten. Dies ist notwendig, weil ein Kollege pensioniert wurde und das Aufgabengebiet zur Zeit unbesetzt ist.


    Dazu soll ich mich zur Cisco-Fachfrau ausbilden lassen und soll dort Prüfungen absolvieren. Nach dem ersten Reinschnuppern stelle ich fest, dass ich total überfordert bin, da ich keine Vorkenntnisse habe und auch sonst schon voll ausgelastet bin. Ich soll innerhalb eines Jahres alle drei CCNA Kurse absolvieren.


    Ich weiß zur Zeit weder wo oben oder unten ist. Die Kurse verlangen von mir eine vollständige alleinige Erarbeitung und nach Aussagen in Internetforen können dabei ohne Vorerfahrung hunderte Stunden aufgewendet werden. Ansonsten hat man keine Chance die Prüfung zu bestehen.


    Als ich vorsichtig nach Entlastungen gefragt wurde, bekam ich erstmal schiefe Blicke. Als ob das selbstverständlich ist und ich die tolle Möglichkeit von Cisco dankend nutzen müsste.


    Kennt ihr vielleicht auch diese Problematik? Kennt sich hier jemand mit der Neuordnung der IT Berufe aus? Hat jemand eine Idee, wie ich damit fertig werden kann?


    Kati

  • Huhu,


    ich habe mich bisher erfolgreich um die Cisco-Ausbildung gedrückt, auch wenn diejenigen, die sie haben, sagen, dass es echt super war. Mein Interesse ist nicht so hoch.
    Machst du OBAS? Und bist du schon drin im Seminar? Dann wäre da ein Ansprechpartner für dich.

    Ansonsten - der Nachteil vom Quereinstieg ist, dass man eben dort eingesetzt wird, wo ein Mangel herrscht und die Fächer werden häufig auch dementsprechend abgeleitet, was am dringendsten benötigt wird.

    Eigentlich komme ich aus der Programmier-und Datenbankebene und soll mich jetzt in Netzwerktechnik einarbeiten. Dies ist notwendig, weil ein Kollege pensioniert wurde und das Aufgabengebiet zur Zeit unbesetzt ist.

    Netzwerktechnik hat kaum jemand grundständig. Ich unterrichte es auch, ebenso Automatisierung, obwohl ich nur allgemein Elektrotechnik habe. Das ist normal, da gerade die technischen Fächer immer sehr breit gefächert sind.


    Hast du eine Chance mit dem pensionierten Kollegen in Kontakt zu treten? Vielleicht hat er Material für dich. Oder auch sonst jemand.

    Gerade aber auch bei den dualen, kann man häufig auf das Wissen von Schülern zurückgreifen!


    Also die Einarbeitung in Themengebiete, wenn du Techn. Informatik als Fach hast, das kannst du kaum verhindern. nur eben bei Kollegen um Hilfe bitten. Auch im Seminar.


    Cisco würde ich sagen - ja nett, aber eher nach deiner Ausbildung. Also reden! Nicht Nein sagen, nichts von Überlastung, aber Priorisierung!


    Viel Erfolg!

  • Danke für die Antworten. Die Kurse, sofern man die so nennen darf, werden von der Schule bezahlt.

    Allerdings heißt Kurs bei denen: Anmeldung, selbstständiges Abarbeiten von gefühlt 1000 Seiten inkl. 40 Übungen je Kurs. Anschließend eine kurze Präsensphase im Prüfungsinstitut mit weiteren Aufgaben und zum Abschluss die theoretische und praktische Prüfung unter Aufsicht.


    Ich glaube, es werden 80% zum Bestehen verlangt. Ohne bestandene Prüfung keine Instruktorin und damit die gesamte Arbeit vergebens.

    So ist es mir erzählt worden. Dabei habe ich noch nicht mal jemanden, den ich bei Fragen ansprechen kann.


    Davon soll ich dann drei Kurse machen und alles so eben nebenbei. Ich glaube, anschließend lande ich passend zum Einstieg in den Burnout.


    Übrigens bin ich ausgebildete Lehrerin, den OBAS habe ich hinter mir. Da hat man mich noch in Ruhe gelassen, weil der Kollege noch nicht pensioniert war und ich mich auf meine Ausbildung konzentrieren sollte. Jetzt soll ich das alles übernehmen, weil sich meine männlichen Kollegen schnell weggeduckt haben.


    Nach Braindumps habe ich mich noch nicht umgesehen.


    Sorry, dass ich hier bei den ersten Posts so jammere, aber ich bin echt verzweifelt.

  • Also ich kenne die Situation auch ein wenig ja.

    Ich bin noch im OBAS und habe einen Cisco Kurs hinter mir. Werde aber wohl nach dem OBAS die weiteren auch machen bzw. mehr oder weniger dazu verdonnert. Was ich aber nach dem OBAS auch ok finde. Über drei in einem Jahr, wenn man noch gar nicht im Thema ist kann man streiten. Welche drei sollst du denn machen?


    Es gibt für die Prüfung auf jeden Fall Fragenkataloge im Netz, mit denen habe ich für den ITE auch gelernt. Die Fragen waren zum Teil so komisch gestellt, dass ich sehr froh darüber war sie schonmal gesehen zu haben.

    Die Präsenzveranstaltungen hängen glaube ich sehr davon ab wer sie macht, bei mir war einer der Leiter total gut und der andere naja...


    Ich persönlich würde mich da jetzt auch nicht total quer stellen, aber darum bitten, dass ganze ggf. ein wenig zu strecken.


    Bezüglich der Neuordnung, wir sind dabei neue Jahrespläne zu schreiben etc. Ich weiß nicht worauf du genau mit der Frage bezüglich der Neuordnung hinaus möchtest.

  • Hallo Meer,

    ich soll den CCNA1, CCNA2 und CCNA3 machen. Mit dem CCNA1 habe ich angefangen und bin schon sehr überfordert, die riesige Stoffmenge ohne Hilfestellung alleine zu bewältigen. Muss ich denn wirklich 3x200 Zeitstunden einfach so zusätzlich zur normalen Arbeit aufbringen? Das schaffe ich doch niemals.

    Wenn ich sehe, wofür andere Beförderungsstellen bekommen ....

  • Hallo Meer,

    ich soll den CCNA1, CCNA2 und CCNA3 machen. Mit dem CCNA1 habe ich angefangen und bin schon sehr überfordert, die riesige Stoffmenge ohne Hilfestellung alleine zu bewältigen. Muss ich denn wirklich 3x200 Zeitstunden einfach so zusätzlich zur normalen Arbeit aufbringen? Das schaffe ich doch niemals.

    Wenn ich sehe, wofür andere Beförderungsstellen bekommen ....

    Deswegen lass dir die Braindumps kaufen und lern damit. Das wurde in den Unternehmen, wo ich vorher gearbeitet habe, auch so gemacht.

  • Mh also bei uns wird tatsächlich verlangt das man das nebenbei macht. Wenn man Glück hat bekommt man mal einen Block etwas Entlastung, wenn es möglich ist. Ich hab bis dato nur den ITE gemacht, dass war fachlich nicht wirklich neu, eher wie die ihre Fragen stellen und was die da genau wissen wollen. Trotzdem war es nebenher viel Arbeit.


    Würde wie gesagt sehen, dass du es zumindest zeitlich strecken kannst.

  • Ich habe jetzt das Angebot bekommen, bis zum Sommer den CCNA1 und 2 zu machen und dann bis zum Jahresende den CCNA3. Zusätzlich bekomme ich noch zwei Ermäßigungsstunden.

    Ich frage mich nur, woher ich die ganzen Vorbereitungsstunden herholen soll. Ich schätze den zusätzlichen Zeitauftwand innerhalb eines Jahres auf über 500 Zeitstunden, dass ist mehr als ein vollständiger zusätzlicher Arbeitstag pro Woche.

    Nur Braindumps auswendig zu lernen ist mir zu riskant. Ein Frage oder Prüfungssituation abseits und alles fliegt auf. Ich werde mich dem wohl fügen müssen.

  • Abseits des konkreten Falls.

    Die ersten Jahr im Lehrberuf oder mit jedem Einstieg in ein neues Lernfeld/einen neuen Bildungsgang sind sehr anstrengend.

    Erst ab 3-5 Jahren kann man wirklich gut profitieren.

    Wenn du später dann damit unterrichtest wirst du immens profitieren. Es gibt fertiges Material und Kurse, die man dann in den Klassen nutzen kann. Es ist also hier und da auch eine Investition.


    Ich bin nun im dritten Schuljahr nach dem Ref und langsam profitiere ich in manchen Bereichen, vieles ist aber noch neu/in Überarbeitung, weil es nicht ideal war. Es wird aber hier und da dann auch weniger.

  • Ich habe jetzt das Angebot bekommen, bis zum Sommer den CCNA1 und 2 zu machen und dann bis zum Jahresende den CCNA3. Zusätzlich bekomme ich noch zwei Ermäßigungsstunden.

    Ich frage mich nur, woher ich die ganzen Vorbereitungsstunden herholen soll. Ich schätze den zusätzlichen Zeitauftwand innerhalb eines Jahres auf über 500 Zeitstunden, dass ist mehr als ein vollständiger zusätzlicher Arbeitstag pro Woche.

    4 bis 5 Ermäßigunggsstunden wären angemessen, 2 sind etwas wenig. 500 Stunden in 46 Wochen sind ca. 11 Stunden pro Woche, 2 Ermäßigungsstunden sind ca. 4 Zeitstunden (inklusive wegfallender Korrekturen etc.), du sollst also 7 Zeitstunden deiner Freizeit pro Woche auf die Fortbildung verwenden. Das ist spürbar, aber vertretbar.

    Insgesamt Mo-Fr 1,5 Stunden pro Tag und am Samstag noch mal ein etwas längerer Block von 3-4 Stunden gehen schon.

  • Danke für die Antworten. Ich werde dem wohl zustimmen müssen oder damit rechnen müssen, als Wanderpokal in die unbeliebten Bigas abgeschoben zu werden. Mehr Ermäßigungsstunden sind nicht möglich.


    Die Zeitfrage stellt sich mir weiterhin, da ja schon jetzt alle Samstage und Abende mit Schule belegt sind.

  • Also, wenn schon abzusehen ist, dass du das nicht packst, nutzt es auch nichts, es trotzdem zu versuchen. Könnten auch Schul- und Abteilungsleiterinnen verstehen, wollen sie vielleicht nicht.


    Wenn es wirklich wichtig ist, dass du es machst, hast du noch Verhandlungsspielraum. Vielleicht lässt sich die Fortbildung weiter strecken. Besser einen späten Ciscoten als gar keinen.


    Was das Abschieben in die unbeliebten Bildungsgänge anbetrifft, so muss sich eine Schule das auch leisten können, irgendjemand muss ja dann deinen bisherigen Unterricht übernehmen. Und irgendjemand müssen sie zu den Ciscos schicken.


    Diese Bildungsgänge werden pädagogisch anspruchsvoll, dafür aber fachlich harmlos sein. Das kann auch eine Alternative sein. Ich will jetzt nicht leichtfertig vorschlagen, dass du dann einfach das machst. Aber man kann ja trotzdem mal sachlich abwägen, welches das geringere Übel ist, ohne sich erpressen zu lassen.


    Wenn die merken, dass die Alternative für dich keine Drohung ist, kannst du deine Verhandlungsposition noch mal verbessern.


    Insgesamt schwierig, knifflig. Man kann sich auch falsch entscheiden. Deshalb. Besonnen agieren. Sortiere erst mal alles im Kopf.


    Vielleicht ist mittelfristig auch Versetzung eine Alternative.


    hth

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • Dank eurer Ratschläge bekomme ich jetzt bis zum Sommer 2022 Zeit. D.h. je Halbjahr einen Kurs und für den gesamten Zeitraum 2 Ermäßigungsstunden.

    Trotzdem verdammt viel Arbeit, aber wenigstens etwas Anerkennung und Erleichterung.

    Ich glaube nach der ersten Kurseinsicht, dass die Kurse es echt in sich haben und habe auch schon Infos zu brauchbaren Braindumps gefunden, was die Prüfungsvorbereitung erleichtert.


    Vielen Dank

  • Gebe hier eine kurze Rückmeldung. Ich bin im ersten Kurs ITN schon etwas vorangekommen, fühle mich aber auch schon restlos überlastet durch Distanzunterricht, Familie und Erarbeitung der Kursinhalte. Das sind riesige Stoffmengen in einer Detailtiefe, die für Schüler vollkommen unwichtig ist.

    Ich gebe es ehrlich zu, dass ich meine Zusage zutiefst bereue, besonders weil ich von meinen Entlastungsstunden im Alltag kaum etwas spüre.

    Zur Zeit kommen durch die Überbelastung Schlafstörungen und Unverständnis von der Familie hinzu.

    Bei Fragen finde ich keine Ansprechpartner und die Kollegen können sich die Stoffmenge des Selbststudiums nicht wirklich vorstellen.


    Ich denke, ich werde bald hinwerfen und auch die Schule wechseln.


    Viele Grüße

  • Erst mal danke für die Rückmeldung, Kati_W. Klingt nicht so prickelnd.


    Falls die Idee, die Schule zu wechseln, Form annimmt, dann schau dich doch auch mal etwas breiter um. Ich vertrete auch die berufliche Fachrichtung „technische Informatik“ bin aber an einem BK mit gaaanz anderem Schwerpunkt als Technik. Informatik wird überall gebraucht. Fachlich ist man dann sicher nicht überfordert. In der informationstechnischen Diaspora muss man eher mit dem Gegenteil leben. Statt mit Berufsschulklassen netze aufzuspannen, zeige ich jetzt jungen Menschen, wo bei der Maus oben ist. Ich halte es für wichtig, dass auch eine Computerbenutzungsgrundlagenausbildung auf genügend technischen Hintergrund blicken kann. Insofern tut man da ein gutes Werk.


    Eine Bekannte aus dem Referendariat ist sogar an ein Gymnasium gewechselt, obwohl sie explizit „Berufskolleg“ auf dem Staatexemanszeugnis stehen hat. Wenn der Druck (also der Mangel) hoch genug ist, geht einiges.


    Gerade in Pandemie-Zeiten ist man bis oben voll. Ich hätte keine Minute über, die ich in eine Fortbildung stecken könnte.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

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