"Menschlichkeit fehlt" am Gymnasium - geht es nur ums Aussieben??

  • Okay - ich dachte, dass man sich um eine sinnvolle Heranführung bemüht und Transparenz hinsichtlich der Erwartungen herstellt, wäre klar :) Allerdings passiert das halt (bei mir) halt recht zügig in den ersten 2-3 Stunden und wochenlanges "Ankommenlassen" finde ich nicht notwendig oder zielführend.

  • Aber gerade, wenn es neben dem Erfassen der semantischen Bedeutung auch um das Erlernen der richtigen Schreibweise geht, finde ich Vokabeltests bisher unangefochen effektiv.

    Richtig. Mein Kind schreibt keine, weil die Didaktik sich da wohl irgendwie geändert hat. Aber in der Arbeit sollen dann alle Vokabeln sitzen, auch rechtschriftlich. Who the fuck guckt, dass das Kind die Dinger regelmäßig lernt, samt abschreiben usw.? Die Mutti. Oder halt auch nicht.


    Das hat auch nichts mit Gymnasium oder Realschule und auch nichts mit Übergang von Grundschule aufs Gymnasium zu tun, und schon gar nichts mit "Leistungsdruck". Schule muss transparent sein, Kindern Strategien vermitteln und sagen, was sie von ihnen erwartet. Den Druck macht die Gesellschaft auf komplexe Weise.

  • Nein. Das sind am Anfang irgendwas um 20 Wörter pro Woche, die sind zumutbar. Die schlechten Noten ergeben sich daraus, dass ich nur richtig oder falsch werte - sprich, ob das Wort einen Rechtschreibfehler hat oder überhaupt gar nicht gewusst wurde, macht keinen Unterschied und gibt beides 0 Punkte. In den ersten Tests lernen die Kinder einfach noch wahnsinnig schlampig und meinen es reicht, wenn ersichtlich ist, dass sie das richtige Wort meinen. Mir ist aber wichtig, dass sie von Anfang an sorgfältig schreiben. Auch wenn das vermutlich nicht ihren Erfahrungswerten aus der Grundschule entspricht. Fange ich damit erst verspätet an, weil sie erst "ankommen müssen", müssen sie hinterher doppelt lernen.

    Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den man nicht unterschätzen darf. Wenn man die Latte niedriger hängt passiert nämlich nur eins: Die Schüler machen das auch und das Gesamtniveau sinkt innerhalb von einem Monat massiv ab. Ich komme mit all meinen Schülern menschlich und auch im Unterricht prima klar, aber was die Anforderungen angeht gibt es keinen Übergang. Es gab die Kuschelzeit in der Grundschule und das ist für mich auch völlig ok und dann gibt es die Möglichkeit sich eine Woche lang Achsenspiegelungen mit Kästchenzählen und Geodreieck anzuschauen oder eben nicht, der Test am Ende der Woche zeigt das dann schon. Dafür muss man noch nicht einmal zuhause besonders lernen, die Tests sind immer so gestellt, dass die Aufgaben in den vier vorangegangenen Wochenstunden schon mit gleicher Aufgabenstellung drangekommmen sind.


    Vielleicht sollte die Grundschule in Klasse 4 den Übergang besser gestalten und mal ein bisschen Leistungsanspruch reinbringen? (Nur als Hinweis, das war Ironie...ihr macht euren Job prima und wir wissen wie wir unseren machen. ;) )

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Jetzt muss ich ja schon mal kurz lachen. Ich bin Klassenlehrperson einer Sprachklasse (profilgemischt mit Spanisch, Italienisch und Latein). Die schreiben so inflationär viele Wörtli-Tests dass es vollkommen wurscht ist, wenn da mal einer in die Hose geht. Bei manch einem ist der 1er da einfach gut kalkuliertes Risiko das man für "hab nen Kater und kann nicht lernen" billigend in Kauf nimmt. Das gehört zum Grosswerden dazu ^^

  • Ich komme mit all meinen Schülern menschlich und auch im Unterricht prima klar, aber was die Anforderungen angeht gibt es keinen Übergang.

    Sehe ich auch so. Deswegen...


    ... Es gab die Kuschelzeit in der Grundschule

    ...frage ich mich, wieso das immer gegenübergestellt wird. Weil dort mancherorts Hausschuhe getragen werden? Auch da gilt doch: Gemütlichkeit und Zugewandheit widersprechen keiner Erwartungshaltung an Anspruch an die Arbeit der Kinder. Bis auf den riesigen Unterschied, dass Grundschule mega Differenzen in der Klientel hat.


    An sächsischen Grundschulen gibt es ja noch genug, oder besser zu viele, alte Grundschullehrerinnen, die Leistung mit Klappehalten und Schreibgeschwindigkeit verwechseln (und Anschreien und Bespitzelnlassen für geeignete Erziehungsmittel, anderes Thema...)

    Vielleicht sollten wir erst mal 'Leistung' und 'angemessene Übergangsgestaltung' definieren :niko:

    • Offizieller Beitrag

    Ob und wie in der Grundschule gekuschelt wurde oder nicht - egal wie man dazu steht - zeigt sich meiner Erfahrung nach im Nähe-/Distanzverhalten der FünftklässlerInnen. Manche haben schon die entsprechende Distanz und siezen von Anfang an, andere kommen ständig nach vorne und duzen zu Beginn. Letzteres ist für mich erst einmal OK, auch wenn ich sie dann allmählich an das "Sie" heranführe. Oft zischen dann die MitschülerInnen, dass es "Sie" heißen muss.

    Was die Vokabeltests angeht, so ist es doch selbstverständlich, dass man die SchülerInnen an die Arten und Strategien des Lernens heranführt, ebenso an die Bewertung und die Gründe für mein strenges Bewerten. Wenn man dann noch klarmacht, dass der einzelne Vokabeltest primär eine Rückmeldung und sekundär eine Leistung im Rahmen der sonstigen Mitarbeit ist, entspannen sich die meisten SchülerInnen auch schnell.

    Der Leistungsdruck kommt interessanterweise oft ganz von alleine - den muss man nicht künstlich erzeugen.

  • An sächsischen Grundschulen gibt es ja noch genug, oder besser zu viele, alte Grundschullehrerinnen, die Leistung mit Klappehalten und Schreibgeschwindigkeit verwechseln (und Anschreien und Bespitzelnlassen für geeignete Erziehungsmittel, anderes Thema...)

    Oh ja. Mit diesem Kaliber habe ich es auch öfter zu tun.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

    • Offizieller Beitrag

    Was mich echt wundert: Was habt ihr alle für Probleme mit dem "Schülerzahlen-Halten“? Ich kenne nur Wartelisten-Gymnasien. Die Landesschulen und solche mit besonderem Profil haben sogar Aufnahmeprüfungen, die suchen sich die Kinder aus.

    du bist ja aber in einem Vorzeigebundesland, oder? (was Bildung angeht...)

    Wir (nicht Großstadt, aber auch nicht Dorf), 2 Gym und mittlerweile 2 Gesamtschulen ... Die eine Gesamtschule könnte das Doppelte aufnehmen (schon 6-7-zügig), die Gyms sind bei 3zügig angelangt, zum Teil nicht mal volle Klassen.
    G8 hat den Gyms hier viel gekostet. (und sicher auch andere Problematiken)

  • Wir schreiben hier ja gar nicht mehr diese Vokabeltests wie ich sie von meiner Schulzeit kenne. Wir müssen die Wörter immer "kontextualisiert" abfragen (auch bei der mündlichen Abfrage), also meist in einem Lückentext oder zumindest in Sätzen und auch zusammen mit grammatischen Strukturen. Das finde ich ziemlich anspruchsvoll, daher übe ich von Anfang an mit ihnen und ich schreibe vor der richtigen ersten Ex (= unangekündigten Test) immer erstmal eine Probe-Ex als Übung, dass sie wissen, was auf sie zukommt.

  • Zitat von "Autor entfernt, da nicht auf ihn persönlich bezogen."

    ... Es gab die Kuschelzeit in der Grundschule

    ...frage ich mich, wieso das immer gegenübergestellt wird. Weil dort mancherorts Hausschuhe getragen werden? Auch da gilt doch: Gemütlichkeit und Zugewandheit widersprechen keiner Erwartungshaltung an Anspruch an die Arbeit der Kinder. Bis auf den riesigen Unterschied, dass Grundschule mega Differenzen in der Klientel hat.

    Ich glaube, dass dieses Klischee der "Kuschelpädagogik" gerne gezogen wird, um sich selbst guten Gewissens der Selbstreflexion zu entziehen.

  • Wenn man die Latte niedriger hängt passiert nämlich nur eins: Die Schüler machen das auch und das Gesamtniveau sinkt innerhalb von einem Monat massiv ab.

    Wie sprach einer meiner Ausbilder mal so schön: Unterricht ist eigentlich wie Wandern mit den Jugendlichen. Egal wie langsam Du läufst, die laufen immer 100 m hinter Dir. Und wenn Du stehen bleibst, dann bleiben sie halt 100 m hinter Dir stehen. Also lauf einfach los und sieh zu, dass es nicht mehr als 100 m werden.

  • Jetzt bin ich gespannt... in welchem Kontext?

    Klinikschule halt. Wir haben Sus aus allen Bundesländern, Sachsen ist überproportional vertreten. Das hängt mit den Krankenkassen zusammen, da gibt es immer feste Kooperationen mit bestimmten Kliniken.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Ich glaube, dass dieses Klischee der "Kuschelpädagogik" gerne gezogen wird, um sich selbst guten Gewissens der Selbstreflexion zu entziehen.

    Und ich glaube, dass dieser Thread überwiegend aus dem wechselseitigen Austausch von Vorurteilen zwischen GHR- und GYM-Lehrern besteht. Natürlich gibt es Vor- und Nachteile beider Schulformen und Probleme im Übergang, falls man die diskutieren möchte, empfehle ich das nicht unter der Überschrift "Menschlichkeit fehlt" am Gymnasium - geht es nur ums Aussieben?? zu tun, den der Titel gibt den Ton einer Diskussion vor. Wieviele der anwesenden Grundschullehrer hätten wohl Interesse daran, die Probleme der Grundschule in einem Thread zu diskutieren, den eine Gymnasiallehrer mit dem Titel "Intelligenz fehlt" an der Grundschule - geht es nur ums Mandalas malen?? zu machen? Vermutlich eher wenige.

    • Offizieller Beitrag

    Ganz ehrlich: Für einen Vokabeltest lernt man (auch ich!) doch nur die paar Vokabeln auswendig, die man genau für diesen Test benötigt - was definitv eine Fleißaufgabe ist, da gebe ich dir recht. Diese Vokabeln gehen ins Kurzzeitgedächtnis und nach dem Vokabeltest sind sie schwupps wieder weg. Von "vernünftig lernen" kann da m. E. nicht die Rede sein. Ins Langzeitgedächtnis gehen diese Vokabeln nur, wenn man sie in der Folgezeit immer wieder anwendet.

    dafür fehlt leider die Zeit im Alltag....


    Wobei meine Vokabeltests außer in den ersten zwei Lektionen immer so aussehen, dass ich aus den Lernwörtern zusammenhängende Sätze baue --soweit das möglich ist. Reines Abspulen von auswendig Gelerntem ist es also nicht

  • Offtopic, aber als Lehrer sollte man die Termini "Kurzzeitgedächtnis" und "Langzeitgedächtnis" richtig anwenden können, auch wenn Formulierungen wie deine umgangssprachlich oft vorkommen mögen.

    Aha... Da habe ich wohl in Bio nicht gut aufgepasst, was? Andererseits habe ich es genauso, wie ich es formuliert habe, auch an der Uni in den Vorlesungen gelernt; da hatte ich wohl einen schlechten Dozenten :weissnicht:... Diese deiner Meinung nach "umgangssprachlichen" Formulierungen werden komischerweise sogar in einem Online-Lexikon benutzt (siehe hier: https://lexikon.stangl.eu/1234/kurz-und-langzeitgedaechtnis/).


    Mir ist es im Übrigen völlig wumpe, ob ich diese "Termini" hier richtig angewendet habe (und es ist mir auch egal, ob ich als LehrerIN deiner Meinung nach etwas falsch anwende ;) ). Ich schätze, es weiß jeder, was gemeint ist!

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • symmetra

    Das macht man doch sowieso. Aber gerade, wenn es neben dem Erfassen der semantischen Bedeutung auch um das Erlernen der richtigen Schreibweise geht, finde ich Vokabeltests bisher unangefochen effektiv. In anderen Formaten liegt der Fokus (für mich) einfach zu wenig auf korrekter Rechtschreibung - insbesondere, weil die Kinder auch oft mit einem (latenten) mindset kommen, dass dieser Aspekt von Sprache nicht so wichtig it. Ist er aber.

    Well, da unterscheidet sich wohl die Einstellung der Gymnasiallehrerin von der der BBS-Lehrerin, die vor allem SuS, die von den Haupt- und Realschulen kommen, unterrichtet. Mir ist in meinem Unterricht das Englisch-Sprechen sehr viel wichiger als die korrekte Rechtscheibung. Die wenigsten meiner SuS werden in ihrem zukünftigen (Berufs-)Leben überhaupt großartig mit Englisch in Berührung kommen; abgesehen von den Fachoberschüler*innen, aber bei denen schreibe ich auch keine Vokabeltests.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Menschlichkeit und Anspruch müssen sich gar nicht ausschließen. Im Gegenteil: Je mehr wir den Anspruch herunterfahren und je mehr wir „kuscheln“ desto mehr Einfluss erhält das Elternhaus. Dann dann kommt es umso mehr darauf an, wieviel Wert die Eltern auf Bildung legen und z.B. Rechtschreibung mit dem Kind selbst pauken, wenn es die Schule nicht macht. Man meint, man täte den benachteiligten Kindern einen Gefallen, wenn man wenig von ihnen verlangt und das Gegenteil tut man damit.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

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