"Menschlichkeit fehlt" am Gymnasium - geht es nur ums Aussieben??

  • Nein. Das sind am Anfang irgendwas um 20 Wörter pro Woche, die sind zumutbar. Die schlechten Noten ergeben sich daraus, dass ich nur richtig oder falsch werte - sprich, ob das Wort einen Rechtschreibfehler hat oder überhaupt gar nicht gewusst wurde, macht keinen Unterschied und gibt beides 0 Punkte. In den ersten Tests lernen die Kinder einfach noch wahnsinnig schlampig und meinen es reicht, wenn ersichtlich ist, dass sie das richtige Wort meinen. Mir ist aber wichtig, dass sie von Anfang an sorgfältig schreiben. Auch wenn das vermutlich nicht ihren Erfahrungswerten aus der Grundschule entspricht. Fange ich damit erst verspätet an, weil sie erst "ankommen müssen", müssen sie hinterher doppelt lernen.

    Ich vergebe bei Rechtschreibfehlern immerhin noch einen halben Punkt, sofern das Wort noch deutlich zu erkennen ist.

  • Witzig, dass Kinder solche Dienste lieben. Eine Kollegin hat mal die Klassendienste vergeben, nach "wer war besonders brav und fleißig, der darf fegen." Sie haben sich drum gerissen. Das will ich mal zu Hause erleben: Wenn du brav Hausaufgaben gemacht hast, darfst du dein Zimmer aufräumen ^^

    Vielleicht sollte ich statt Staubsauger mal einen Besen anschaffen, dann machen meine Kinder gerne Hausarbeit :engel:

  • Ich bin damals am 1. Tag am Gymnasium zum Klassenzimmer gebracht worden von meinem Vater. Punkt. Los ging's.

    Bei mir genauso. Mein Vater musste schließlich pünktlich in der Schule sein.

    Bei uns wurden in der GS Kakao, Milch und Bananen- sowie Erdbeermilch (igitt!) vom Hausmeister in einem kleinen "Kabuff" verkauft.

    Boah, fiese Erinnerung - subventionierte "Schulmilch" aus dem Automaten: Einerseits interessant und lecker, weil frische Vollmilch (meine Mutter wollte keine Fettarme, deshalb gabs nur fettarme, noch dazu H-Milch), andererseits war gefühlt jede zweite Packung schlecht.

    Noch fiesere Erinnerung: Der "warme Kakao", den der Haumei in seinem Kabuff auf der Heizung erwärmte. Da hats mich schon als Kind geschüttelt...

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Ich vergebe bei Rechtschreibfehlern immerhin noch einen halben Punkt, sofern das Wort noch deutlich zu erkennen ist.

    In Klassenarbeiten mache ich das auch. In Vokabeltests, wo es ja explizit um das korrekte Lernen und Hinschreiben von Wörtern geht, finde ich halbe Fehler nicht so richtig angemessen. Ein Wort ist entweder richtig oder falsch, halbrichtig gibt es halt nicht.

  • In der Grundschule haben wir keine Vokabeltests, aber ich finde die Herangehensweise der weiterführenden Schulen mit richtiges Wort = halber Punkt, richtiges Wort + richtige Schreibweise = ganzer Punkt sinnvoll.

  • Hatte ich anfangs mal so gemacht. Dann sind die aber mit ihrer 3 zufrieden und lernen nicht gescheit. Einen halben Punkt gebe ich, wenn ein Apostroph oder sowas nicht oder falsch gesetzt wurde oder wenn eine Phrase mit Satzzeichen am Ende kein Satzzeichen hat, aber nicht für klassische Rechtschreibfehler.

  • Dann sind die aber mit ihrer 3 zufrieden und lernen nicht gescheit.

    Kann man denn mit einer 3 nicht zufrieden sein?! Es muss doch nicht jeder in einem Vokabeltest eine 2 oder 1 schreiben.


    Ich gebe übrigens für ein noch "entzifferbares", aber fehlerhaft geschriebenes Wort im Vokabeltest auch noch einen halben Punkt. Aber ich bin ja auch nicht am Gymnasium tätig (und im BG schreiben wir keine Tests mehr) ;) ...

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Dann sind die aber mit ihrer 3 zufrieden und lernen nicht gescheit.

    Eine 3 ist doch „befriedigend“, bei uns in NRW „entspricht im Allgemeinen den Anforderungen“. Wenn das bei einem bestimmten Ergebnis nicht so ist, sollte man diese Note nicht vergeben und evtl. den Punkteschlüssel verändern. Ansonsten kann man bei einer Note auch pädagogisch begründet vom Punkteschlüssel abweichen. Oder ist das bei euch starr vorgegeben?

    Ob man sich mit einem „befriedigend“ zufrieden gibt, ist vermutlich individuell unterschiedlich bzw. hängt bei 5. Klässlern auch sehr von den Eltern ab.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Klar kann man mit einer 3 zufrieden sein. Aber wir legen hier ja gerade Grundlagen und wenn bereits hier nur ein Befriedigend rausspringt, ganz am Anfang der Laufbahn, finde ich persönlich das etwas mau. Letztlich muss man alles, was nicht direkt vernünftig gelernt wird, zu einem späteren Zeitpunkt mühsam aufarbeiten oder schleppt die Defizite halt weiter durch. Ich sehe ehrlich gesagt wenig Sinn darin, nicht direkt ein sorgfältiges Lernen anzustreben. Das funktioniert übrigens bei den meisten dann auch recht schnell, denn Vokabeln korrekt zu lernen ist ja nun auch keine kognitive Höchstleistung, sondern einfach eine Fleißaufgabe.

  • Ganz ehrlich: Für einen Vokabeltest lernt man (auch ich!) doch nur die paar Vokabeln auswendig, die man genau für diesen Test benötigt - was definitv eine Fleißaufgabe ist, da gebe ich dir recht. Diese Vokabeln gehen ins Kurzzeitgedächtnis und nach dem Vokabeltest sind sie schwupps wieder weg. Von "vernünftig lernen" kann da m. E. nicht die Rede sein. Ins Langzeitgedächtnis gehen diese Vokabeln nur, wenn man sie in der Folgezeit immer wieder anwendet.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Gerade das Abrichten auf benotete Vokabeltest führt die Wortschatzarbeit, die ja auf Langfristigkeit ausgelegt ist, ad absurdum. Warum kein gezieltes Üben mit Aufgaben oder formative Überprüfungen?


    Und n bisschen Auswendiglernen, na ja, die Anwendung trennt dann doch die Spreu von Weizen...

  • symmetra

    Das macht man doch sowieso. Aber gerade, wenn es neben dem Erfassen der semantischen Bedeutung auch um das Erlernen der richtigen Schreibweise geht, finde ich Vokabeltests bisher unangefochen effektiv. In anderen Formaten liegt der Fokus (für mich) einfach zu wenig auf korrekter Rechtschreibung - insbesondere, weil die Kinder auch oft mit einem (latenten) mindset kommen, dass dieser Aspekt von Sprache nicht so wichtig it. Ist er aber.

  • symmetra

    Das macht man doch sowieso. Aber gerade, wenn es neben dem Erfassen der semantischen Bedeutung auch um das Erlernen der richtigen Schreibweise geht, finde ich Vokabeltests bisher unangefochen effektiv. In anderen Formaten liegt der Fokus (für mich) einfach zu wenig auf korrekter Rechtschreibung - insbesondere, weil die Kinder auch oft mit einem (latenten) mindset kommen, dass dieser Aspekt von Sprache nicht so wichtig it. Ist er aber.


    Ja, den Fokus finde ich auch wichtig, da widerspreche ich auch nicht und auch deine Strenge dabei würde ich so unterstreichen. Mein Punkt ist eher, dass ich die Fixierung auf Vokabeltests in Fremdsprachen kontraproduktiv finde. Es gibt ja weit mehr Methoden, um die Orthographie zu fördern.


    Davon abgesehen schneiden doch bei Tests die gut ab, die eh strukturiert sind und es können. Der Rest sieht die 5-6, denkt sich ‚fuck off‘ und lernt höchstens, dass er zu faul ist und mehr tun müsste.

  • Es ist ja keine Fixierung und auch nicht so, als würden wir nichts anderes machen. Ich finde auch wichtig, mit den Kindern über Strategien zum erfolgreichen Vokabellernen zu sprechen und die schlechte Note nicht einfach so stehen zu lassen. Die meisten haben den Dreh recht schnell raus - ich denke, der Hauptknackpunkt ist erst einmal tatsächlich die Umstellung auf diese Art des Lernens, die sie von der Grundschule nicht so gewohnt sind.

  • Diese Vokabeln gehen ins Kurzzeitgedächtnis und nach dem Vokabeltest sind sie schwupps wieder weg. Von "vernünftig lernen" kann da m. E. nicht die Rede sein. Ins Langzeitgedächtnis gehen diese Vokabeln nur, wenn man sie in der Folgezeit immer wieder anwendet.

    Offtopic, aber als Lehrer sollte man die Termini "Kurzzeitgedächtnis" und "Langzeitgedächtnis" richtig anwenden können, auch wenn Formulierungen wie deine umgangssprachlich oft vorkommen mögen.

  • Es ist tatsächlich sehr wichtig, dass die Kinder lernen, dass es auf die Rechtschreibung ankommt und auch, dass man das Wort nicht "irgendwie" kennen muss, sondern schon genau. Dabei ist die Rechtschreibung gar nicht mal das große Problem.


    Bei sonstigen Texten und Übungen nehmen die Kinder Korrekturen etc. gar nicht ernst und würden tatsächlich Riesen-Lücken aufbauen und eben den Übergang zum "richtigen" Lernen nie schaffen.


    Trotzdem vergebe ich halbe Punkte, wenn nur ein Buchstabendreher drin ist, oder ein Doppelbuchstabe, wo keiner hingehört etc.

  • In den ersten Tests lernen die Kinder einfach noch wahnsinnig schlampig und meinen es reicht, wenn ersichtlich ist, dass sie das richtige Wort meinen. Mir ist aber wichtig, dass sie von Anfang an sorgfältig schreiben. Auch wenn das vermutlich nicht ihren Erfahrungswerten aus der Grundschule entspricht. Fange ich damit erst verspätet an, weil sie erst "ankommen müssen", müssen sie hinterher doppelt lernen.

    Vermutlich kennen die Kinder gar keine Vokabeltests.

    Für die Grundschule gibt es weiterhin die Vorgabe, dass Wörter nur abgeschrieben werden, aber nicht aus dem Gedächtnis zu schreiben sind.

    Rechtschreibung wird bewertet, dies erfolgt aber in klar abgegrenzten Situationen,

    gleiches kann auch für andere Inhalte gelten, wenn in den Curricula sehr deutlich dargelegt ist, wann bewertet werden darf und wann nicht.


    Es ist so manches überhaupt nicht selbstverständlich, von dem man denkt, dass jeder das wüsste, z.B. eben Vokabeltests.

    Es gibt so manches, das man immer und immer wieder erläutern muss.

    In Klasse 3 (oder schon in Kl. 2 vorab) muss man erklären, was Noten sind und wofür es die gibt, was es bedeutet, für eine Arbeit zu lernen,

    dass "Guckt euch noch mal die Mappe an." nicht wortwörtlich gemeint ist, wie man an Klassenarbeiten herangeht etc.


    Meiner Meinung nach schlägt genau an diesen Stellen die Bildungsungerechtigkeit erbarmungslos zu, weil bestimmte SchülerInnen niemanden zu Hause haben, der ihnen die Schul-Welt erklärt und aufarbeitet, wenn scheinbar Selbstverständliches erwartet wird.

  • Palim, sorry, aber meinst du, ich lasse die Kinder komplett unvorbereitet ins offene Messer laufen? Wir thematisieren (meist direkt in der zweiten Unterrichtsstunde) natürlich Vokabellernstrategien, basteln Vokabelkarteikästen usw. und ich erkläre auch, was ein Vokabeltest ist und wie das Ganze funktioniert. Dass sie das von der Grundschule nicht kennen, davon gehe ich aus. Die drei schlechtesten Vokabeltestnoten im Halbjahr sind Streichergebnisse, von daher ist es auch okay, wenn sie 1-2 Wochen brauchen, um sich einzufinden. Aber genau WEIL sie das alles noch nicht kennen, finde ich halt wichtig, direkt ganz am Anfang damit loszulegen.

  • Maylin85

    Es ist ein Unterschied, ob du schreibst, dass du streng bewertest, und das allein so stehen lässt

    oder ob du erläuterst, was du vorab zusätzlich alles anstellst, damit die SchülerInnen die Unterschiede erkennen und erlernen können.

    Gerade darum ging es ja: ob man den Übergang gestaltet oder schlicht Leistung einfordert.

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