"Menschlichkeit fehlt" am Gymnasium - geht es nur ums Aussieben??

  • Ein nichtprofessioneller Umgang mit Minderleistungen, der das Selbstvertrauen der betroffenen Schüler zerstört und sie im Kern ihrer Person so angreift, sodass sie hinterher das Gefühl haben, als Person wertlos zu sein. Das darf meiner Meinung nach nicht passieren.


    Wieso genau das in den mir bekannten Fällen so möglich war, will ich mir nicht anmaßen zu beurteilen.

    Das klingt echt traurig. Ich hoffe, dass das nicht mehr passiert. Ein Schüler (oder allgemein ein Mensch) ist nicht weniger wert, nur weil er eine nicht so gute Leistung bringt.

    Bildung ist die Fähigkeit, fast alles anhören zu können, ohne die Ruhe zu verlieren oder das Selbstvertrauen. (Robert Frost)

    Bildung kann einen sehr glücklich und gelassen machen. (Günther Jauch)

    Was nützt es dem Menschen, wenn er Lesen und Schreiben gelernt hat, aber das Denken anderen überlässt? (Ernst R. Hauschka)




  • Ein nichtprofessioneller Umgang mit Minderleistungen, der das Selbstvertrauen der betroffenen Schüler zerstört und sie im Kern ihrer Person so angreift, sodass sie hinterher das Gefühl haben, als Person wertlos zu sein. Das darf meiner Meinung nach nicht passieren.

    Natürlich sollte das nicht passieren. Es klingt aber so, als sei das für dich der einzig mögliche Grund. Ganz sicher gibt es doofe (Gymnasial)lehrer, keine Frage (ich kenne selbst welche), aber man darf nicht vergessen, welche Rolle das Elternhaus spielt und das spielt meiner Erfahrung nach die bedeutendere Rolle. Ich habe nicht wenige SuS, deren Eltern sehr ehrgeizig sind und für ihr Kind um jeden Preis das Gymnasium und das Abitur wollen, jedes Wochenende stundenlang mit ihnen lernen, Nachhilfe finanzieren usw. Manche kommen fast nach jeder schlechten Note in die Sprechstunde, wollen dann aber nicht hören, dass das Kind möglicherweise einfach an seine Leistungsgrenze stößt. Da darf man nicht vergessen, dass auch das das Selbstvertrauen eines Kindes massiv zerstören kann, wenn es das dann doch nicht schafft und das Gefühl, die Eltern enttäuscht zu haben dann zu diesem Gefühl der Wertlosigkeit führt.

  • Ein nichtprofessioneller Umgang mit Minderleistungen, der das Selbstvertrauen der betroffenen Schüler zerstört und sie im Kern ihrer Person so angreift, sodass sie hinterher das Gefühl haben, als Person wertlos zu sein.

    Für den von dir genannten "psychischen Schaden" braucht man nicht mal Eltern oder Lehrkräfte, die mit Minderleistungen nicht umgehen können. Falls Beratungsgespräche zum Schulformwechsel nicht zu einer Änderung der eingeschlagenen Schullaufbahn führen, dann muss ein Schüler erst zweimal hintereinander sitzenbleiben, um endlich die Schulform wechseln zu müssen. Danach kann der Schüler dann an einer einfacheren Schulform endlich wieder Erfolge erleben und bekommt nicht mit jeder zurückgegebenen Klassenarbeit rot auf weiß, wie wenig (auch im Vergleich zu anderen) er kann.


    Natürlich kann "drumherum" dem Schüler durch Lehrer und Eltern mitgeteilt werden, dass Noten nicht alles sind im Leben, dass es beim nächsten Mal bestimmt ein wenig besser wird. Natürlich können da massenweise Fördermaßnahmen laufen. Das ist aber längst nicht immer von Erfolg gekrönt - kann es gar nicht sein.
    Ich denke da z.B. an den Schüler, der an der Grundschule jahrelang im Förderunterricht war, bei dem in der Grundschule von den Bewertungsmaßstäben abgewichen wurde (also zieldifferente Beschulung in dem Fach, aber ohne Vorliegen einer Diagnose zur Lernbehinderung oder GB)- und der trotz dieser Maßnahmen auf den Grundschulzeugnissen nur eine schwach ausreichende Vier hat. Für einen solchen Schüler bedeutet der Elternwille, es an einem Gymnasium versuchen zu müssen, zwei Jahre Misserfolg. Klar hat das psychische Folgen. Daraus sollte man der abgebenden Schule / den dort tätigen Lehrkräften aber keinen Vorwurf machen. (Was ist das eigentlich für eine Vorstellung, dass wir SuS zwei oder mehr Jahre untätig irgendwo parken und uns nicht um diese kümmern?)

  • Humblebee


    Ich unterrichte ja im zweiten Bildungsweg, nicht am Regelgymnasium. Ich vermute, dass unsere Schüler mit Fachabi das Fachabi am Berufskolleg in einem zweijährigen Bildungsgang absolviert haben, ohne konkretes Ziel und dann merken, dass das, was sie möchten, doch nur mit Vollabi studierbar ist. Dann kommen sie zu uns.

    Entschuldige bitte, ich hatte nicht mehr daran gedacht, dass du ja gar nicht im allgemeinbildenden Schulsystem tätig bist!

    Wie gesagt, mir ist kein Fall bekannt, wo ein/e Fachabiturient/in nach Erwerb der Fachhochschulreife bei uns noch irgendwo das "normale" Abi nachgeholt hat. Aber ich bekomme natürlich i. d. R. auch nicht mit, was aus unseren ehemaligen SuS wird (von SuS aus meiner eigenen Klasse mal abgesehen, da hört man immer mal wieder von dem einen oder der anderen).

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Ich werde unsere Beratungslehrkraft - in BY an jedem Gymnasium als Funktionsstelle, mit eigener Ausbildung und Anrechnungsstunden und eigenem Büro (bei uns jedenfalls) und so, die genau für solche Fragen zuständig ist - auf ihren Irrtum hinweisen.

    Es war klar, dass irgendwer angepisst sein würde. Aber Funktionsstelle hin oder her, eine Beratung in Klasse 6, Kind soll die Schulform wechseln, ist nicht wirklich ergebnisoffen. Außerdem ging es nicht um deinen Kollegen, der als Gymnasiallehrer sowieso unfehlbar ist, sondern um die Frage, warum Eltern in dieser Frage so stur sind.


    Edit: wir müssen Eltern soundsooft verklickern, dass ihr Kind besser an der Förderschule aufgehoben ist, bzw. es ihm dort unserer Einschätzung nach besser gehen wird. Glaubst du, da kann man wirklich "beraten"? Da muss man zu den Vorteilen überreden, die Nachteile sind natürlich nicht zu leugnen, die kann man nur "wegberaten".

  • Edit: wir müssen Eltern soundsooft verklickern, dass ihr Kind besser an der Förderschule aufgehoben ist, bzw. es ihm dort unserer Einschätzung nach besser gehen wird. Glaubst du, da kann man wirklich "beraten"? Da muss man zu den Vorteilen überreden, die Nachteile sind natürlich nicht zu leugnen, die kann man nur "wegberaten".

    Ahem. Es geht, sagst du, nicht um Beratung an meiner Schulart, aber dann doch speziell um Beratung an deiner? Zu der kann ich nichts sagen, nur zu meiner. Bei uns wird kontinuierlich beraten, am Anfang ergebnisoffener, am Ende natürlich nicht. Das macht die Ratschläge aber in meinen Augen nicht zu Schlägen.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Ja, hier ist es auch fast schon schwer das Fachabi nicht zu schaffen, da muss man wirklich unwillig sein. Aber die, die nach dem Fachabi in die Abiklassen wechseln, haben dann oftmals wirklich Probleme. Kann ich auch nachvollziehen, wenn sie wirklich gut gewesen wären, hätten sie ja meist schon die Quali geschafft.

    Habe wieder 3 Mädels in einer Klasse sitzen, die sich neben dem Fachabi mit Spanisch quälen um direkt nach dem Fachabi in die 12. Klasse AHR einzusteigen und ich denke mir immer, dass sie mit dem kompetenzorientiertem Abschluss in Englisch und Mathe wirklich Probleme in der AHR Klasse bekommen werden, weil da was ganz anderes gefordert wird, vor allem in Englisch.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • Vielleicht wäre manchmal ein Austausch auf Augenhöfe einfach besser.

    Aus diesem Grund hatte ich versucht zu erläutern, warum die Sichtweise einfach eine unterschiedliche ist.

    Gymnasiallehrkräfte sagen bei 5.Klässlern Sätze wie: "Die sind noch so klein." "Die sind so niedlich" "Die sind aber unselbstständig."

    Grundschullehrkräfte wissen, dass sie die größten und selbstständigsten SuS ans Gym schicken.

    Eltern und SchülerInnen bemerken den großen Unterschied zwischen den Schulformen.


    Der Satz, die Kinder müssten am Gymnasium das Lernen lernen, kam ja nun nicht von den Grundschullehrkräften, es wurde schon darauf hingewiesen, dass die Kinder tatsächlich auch zuvor schon etwas gelernt haben. Gleichwohl gibt es Kinder, die bisher weit weniger Aufwand betreiben mussten für gute Noten, und solche, die schon in der Grundschule für gute Noten einiges an Aufwand geleistet haben, wobei es manchen am Gym schwierig fallen wird, dies für alle Fächer aufrecht erhalten zu können.

    Was aber ist das Geheimnis des Lernens am Gymnasium, das sich so sehr von den anderen Schulformen unterscheiden soll?

  • Ahem. Es geht, sagst du, nicht um Beratung an meiner Schulart, aber dann doch speziell um Beratung an deiner?

    Du hast nicht die Anführungszeichen bemerkt, oder? Beratung ist etwas, dass in Beratungsstellen stattfindet. Schule hat Eigeninteressen und kann daher nur begrenzt beraten, sie kann nur empfehlen, was sie unter den gegebenen Umständen für besser hält.

    ...

    Ich finde es sehr schade, dass man irgendwie immer sofort in den Modus der "Konfrontation und Verteidigung" geht...

    Wobei das deine Entscheidung ist, niemand hat deine Kompetenzen angezweifelt. Die einleitenden Worte "... Glaubt ihr wirklich, dass... " sind allerdings eher aus dem Bereich Konfrontation denn Verteidigung. Wer ist deiner Meinung nach "ihr", alle Grundschulkollegen?

  • @samu
    Die beiden letzten Beiträge von Dir in dieser Diskussion waren weder konstruktiv noch haben sie irgendwie weitergebracht.

    Deiner Meinung nach. Wer verstehen will, warum Eltern sich gegen einen Wechsel auf eine andere Schulart wehren, muss ihnen zuhören.

  • Im Gymnasium geht es halt um die Vermittlung von Fachwissen, in der Grundschule um bestmögliche Unterstützung der individuellen Fähigkeiten/Persönlichkeiten. Möglichst kein Kind soll auf der Strecke bleiben. Diese Betüdelung gibt es ab der 5. nicht mehr.


    Ein Mathelehrer im Gymnasium, in das meine Kinder gingen, sagte gerne am Ende der Stunde: "Und wer das nicht verstanden hat, der hat jetzt ein Problem."

    Kann man sich in der GS so nicht vorstellen.

  • Wir haben es ja regelmäßig im Forum davon, dass die Abiturquoten zu hoch sind und dadurch die Gefahr besteht, dass Deutschlands höchster Schulabschluss durch inflationäre Vergabe an Bedeutung verliert

    Der Thread ist zwar schon weit voran geschritten, aber trotzdem möchte ich es noch erwähnen. Das Abitur ist nicht der höchste Schulabschluss, sondern der Abschluss an der Fachschule.

  • Der Thread ist zwar schon weit voran geschritten, aber trotzdem möchte ich es noch erwähnen. Das Abitur ist nicht der höchste Schulabschluss, sondern der Abschluss an der Fachschule.

    Könnte man es modifizieren, indem man sagt "höchster Schulabschluss des Regelschulsystems"? Laut Wikipedia erwirbt man den Abschluss an der Fachschule im Rahmen beruflicher Weiterbildung, sprich Tertiärbereich.

  • Im Gymnasium geht es halt um die Vermittlung von Fachwissen


    ... schreibt eine Kollegin aus BW.


    Zitat

    Ziel des Gymnasiums ist die Vermittlung einer vertieften allgemeinen Bildung, die zur Aufnahme eines Hochschulstudiums befähigt und für eine berufliche Ausbildung qualifiziert. Der Unterricht soll zur Auseinandersetzung mit komplexen Problemstellungen anleiten und zu abstrahierendem, analysierendem und kritischem Denken führen.


    So klingt es hier bei uns in NRW: https://www.schulministerium.n…tem/schulformen/gymnasium

    #Zesame:!:


    Konzentrieren Sie sich ganz auf den Text, wenden Sie das Ganze auf sich selbst an. (J.A. Bengel)

  • Vielleicht wäre manchmal ein Austausch auf Augenhöhe einfach besser. Dafür dürfen aber Gymnasiallehrer*innen nicht meinen, sie seien besser als Grundschullehr*innen und Grundschulleher*innen dürfen nicht meinen, sie seien besser, als Gymnasiallehrer*innen.

    Genau, das ist der richtige Ansatz. Vor Jahren haben wir gegenseitig hospitiert, das das Verständnis für die unterschiedlichen Schularten gefördert hat. Wir haben auch gemeinsame Probleme und gemeinsame unterrichtliche Sichtweisen festgestellt.


    Dennoch glaube ich, dass einen die Schulart, in der man unterrichtet, zumindest beruflich prägt. Ich sehe das immer in Dillingen- dort ist die bayernweite Lehrerakademie, die immer wieder Fortbildungen anbietet. Selbst wenn wir nicht in derselben Fortbildung waren; GymnasiallehrerInnen erkennt man gut am Kleidungsstil. ;) Wahrscheinlich viele GrundschullehrerInnen auch, also da habe ich auch meistens meine Treffer.


    Auch an der Art an der Sprache erkennt man viele. Die ist halt bei vielen Gymilehrern gewählter, bei manchen hört sich das sogar etwas gekünstet an (merke ich auch in unseren Kooperationstreffen) im Vergleich zu Lehrern anderer Schularten. Wahrscheinlich sind die Gymnasiallehrer noch ehesten ihrer Tradition verhaftet und das hat sich wohl unbewusst "weitervererbt".


    Vielleicht haben wir GrundschullehrerInnen dazu im Gegensatz die etwas emotionalere Sprache drauf, die uns beruflich im Umgang mit den Schülern prägt, denn wir sprechen ständig kleinere Kinder an.


    Doch sollte man das alles im privaten Bereich ablegen.

  • Könnte man es modifizieren, indem man sagt "höchster Schulabschluss des Regelschulsystems"? Laut Wikipedia erwirbt man den Abschluss an der Fachschule im Rahmen beruflicher Weiterbildung, sprich Tertiärbereich.

    "Allgemeinbildend" ist das Wort, das du suchst.

  • Könnte man es modifizieren, indem man sagt "höchster Schulabschluss des Regelschulsystems"? Laut Wikipedia erwirbt man den Abschluss an der Fachschule im Rahmen beruflicher Weiterbildung, sprich Tertiärbereich.

    Ja, ist aber doch trotzdem ein Abschluss einer Schulform der beruflichen Schulen. Es gehört zum Tertiärbereich, das macht es trotzdem zu einem Schulabschluss. Das Abitur ist ansonsten rein Formal auch nicht der höchste Abschluss der Sekundarstufe 2. Fachhochschulreife, duale Ausbildung steht auf der gleichen Stufe und sind auch, wenn auch mit Einschränkungen, Hochschulzugangsberechtigungen. Ich verstehe ehrlich gesagt den Trubel um das Abitur gar nicht. Das könnte auch daran liegen, dass ich selbst keins habe.

  • Im Gymnasium geht es halt um die Vermittlung von Fachwissen

    Eigentlich geht's drum das selbständige Denken zu lernen, man nennt es auch "Studierfähigkeit". Das mit dem Fachwissen ist dabei ein notwendiges Übel, über irgendwas muss man ja selbständig Nachdenken.

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