Liebe Kollegen und Mitstreiter,
ich hoffe, ich bin hier richtig. Ich muss mir mal etwas von der Brust schreiben. Der folgende Text könnte ein Roman werden und ich entschuldige mich im Voraus dafür. Zu meiner Situation:
Ich, 26, habe in Hessen studiert, mein Staatsexamen im Dezember gemacht und absolviere seit März diesen Jahres mein Ref in Sachsen. Zwei Wochen nach Refbeginn kam der Lockdown. In dieser Zeit steckte ich auch noch im Umzug, da ich Anfang März für das Ref nach Sachsen gezogen bin. Soweit, so gut.
Ich habe vor dem Ref selten an mir gezweifelt - zumindest nicht mehr, als es für jeden von uns gesund wäre. Mittlerweile zerfressen mich aber Selbstzweifel. Ich schiebe Aufgaben auf, da ich mir immer wieder sage, "egal, wie viel Aufwand ich betreibe - meine Mentoren werden nie mit mir zufrieden sein". Ich schlafe kaum. Brauche ewig für meine Vorbereitung. Arbeite von Mo-So. Habe kein Sozialleben mehr, keine Zeit für Mann und Hund. Und kurz vor den Sommerferien ist dann auch noch meine Schwester überraschend verstorben, von der ich mich auch nicht verabschieden konnte, weil ich so weit weg wohne und im Arbeitsstress war. Meine Eltern haben sowieso erst bei mir angerufen, als sie schon gestorben war. Ich will da jetzt nicht so weit ausschweifen, aber das belastet mich auch.
Mich belastet die katastrophale Ausbildungssituation am meisten. Die Schüler sind für mich (noch) kein Stressfaktor. Ich unterrichte gern - solange ich nicht hospitiert werde. Unser Ausbildungsdurchgang wurde im Schulrecht de facto nicht ausgebildet. Trotzdem mussten wir natürlich die selbe Schulrechtsprüfung wie die Jahrgänge vor uns absolvieren. Ich habe eine 4. Das ist okay bzw. damit habe ich gerechnet. Auch der restliche Teil der Ausbildung läuft am Seminar ähnlich ab. Termine fallen aus und wenn sie stattfinden, sind sie selten für uns produktiv. Ich habe eine Geschichtsausbilderin, die denkt, sie bildet uns gut aus, indem sie uns irgendwelche methodischen Grundlagenartikel aus Praxis Geschichte einscannt und auch keine klaren Ansprüche an uns formuliert. Das fasst die Qualität unserer Ausbildung sehr gut zusammen.
Die Mentoren sind für mich in dieser Situation ein großes Problem. Wobei ich mittlerweile denke: Ich bin das Problem. Oder anders gesagt: Das Problem ist, dass ich diese Leute persönlich an mich heran lasse und noch immer eine Erwartungshaltung habe, die natürlich ständig enttäuscht wird. Meine Englischmentorin - nennen wir sie Frau A - hasst mich scheinbar seit Tag eins. Sie selbst ist Workaholic und hat keinen anderen Lebensinhalt als die Arbeit. Darin geht sie auf und das ist auch okay. Ich persönlich möchte mir aber ein Leben schaffen, von dem ich keinen Urlaub brauche, ich möchte reinen Gewissens Zeit mit meinem Mann verbringen können, ohne dabei an die Arbeit denken zu müssen. Ich möchte mir diese Freizeit freiarbeiten und ich möchte nicht nachts 20 Uhr noch irgendwelche E-Mails von Mentoren erhalten. Frau A findet, sie macht perfekten Unterricht. Sie ist jung und hat freiwillig viele Zusatzaufgaben im Kollegium übernommen. Die allererste Unterrichtsstunde, die ich in ihrer Gegenwart jemals gehalten habe, hat sie mit "das wäre bei mir nicht gut - das wäre nur eine drei gewesen" kommentiert. Meine erste Stunde überhaupt, nach dem Lockdown, in einem Bundesland und einem Schulsystem, dass ich bis dahin nicht kannte. Natürlich wünscht man sich da einen anderen Umgang. Ich habe auch schon Sätze wie "die Schüler können mehr als Sie" gehört. Sie hat vor allem im ersten Drittel der Ausbildung jede meiner Stunden zerlegt. Ich empfinde sie allgemein als unfreundlich und unsozial. Ihr Unterrichtsstil ist streng und kühl - meiner ist weniger streng, aber dafür habe ich ein enges Vertrauensverhältnis zu meinen Schülern. Sie interessiert sich primär für Noten (und sieht Noten als Motivation oder Strafe an, was ich auch problematisch finde), ich interessiere mich primär für die menschliche Seite. Das überträgt sich auch auf meine Ausbildung unter ihr. Ich habe sie oft explizit nach positivem Feedback zu meinen Stunden gefragt. Einmal war ich sogar so hartknäckig, dass ich ständig die gleiche Bitte wiederholt habe - woraufhin sie mir geantwort hat, sie brauche nichts positives zu sagen, denn dann würde ich mich ja nur auf meinen Lorbeeren ausruhen. Dies und weitere solche Kommentare habe ich monatelang gehört. Igrnedwann habe ich meine Hauptausbildungsleiterin eingeschaltet, die in dieser Sache Gott sei Dank auf meiner Seite steht. Meine HAL hat mich während der Coronazeit in meinem Unterricht besucht und war sehr zufrieden, aber die ständigen Meckereien von Frau A hörten nicht auf. Ich musste meine Mentorin quasi per Protokoll dazu verpflichten, in Zukunft nur noch drei Kritikpunkte an meinen Stunden anzubringen. Eigentlich ist das auch nicht das, was ich wirklich möchte - ich möchte eigentlich, dass wir wertschätzend kommunizieren. Und das weiß Frau A auch. Bevor ich den Schritt zu meiner HAL gegangen bin, habe ich ihr das häufiger gesagt, aber es hat sich nie etwas geändert. Ich wünsche mir eigentlich, dass sie mir auf Augenhöhe begegnet und mich als gleichwertigen Menschen ansieht. Und ihre ständigen Provokationen und Suggestivfragen einstellt.
Der aktuelle Stand sieht so aus: Wir begrüßen uns noch kollegial, reden sonst aber nur, wenn wir meine Stunden auswerten. Wir sind leider im selben Lehrerzimmer, sodass ich ihr nicht immer ausweichen kann. Sie sitzt mit dem Rücken zu mir und mir ist es sehr unangenehm, mit ihr irgendwo allein zu sein. Ich traue dieser Frau auch keinen Zentimeter. Sie lädt sich selbst zu meinen Stunden ein und hospitiert mehr, als sie soll. Hier in Sachsen sollen die Mentoren 2h pro Monat hospitieren. Sie kam vor den Herbstferien auf 8h. Jetzt ist sie bei 4h. Ich habe für diesen Monat aufgehört zu zählen und lasse es über mich ergehen. Was mich aber am meisten aufregt: Ich habe zugelassen, dass meine Enttäuschung und Verbitterung ihr gegenüber sich auf meine Performance auswirkt. Mir fällt das in meinen Klassen auf. Ich bin unterbewusst ganz anders zu der Klasse, die sie hospitiert als zu der, die ich für mich allein habe. Ich mache Fehler, die ich sonst nicht mache, sobald ich weiß, Frau A sitzt dabei. Ich habe sie deshalb auch schon aus meinem UB ausgeladen - in Absprache mit meiner Hauptausbildungsleiterin, was Frau A aber nicht weiß.
Frau A und ich kommunizieren allgemein wenig. Wenn es irgendwelche wichtigen Neuigkeiten im Kollegium gibt, dann sagt sie dies auch nicht an mich weiter. Die anderen Kollegen gehen davon aus, dass sie das tut, und sind dann immer überrascht, wenn ich erwähne, dass mir das keiner gesagt hat oder ich es selbst erst im Schreiben xy erfahren habe. Ich habe zu Beginn der Ausbildung noch Fragen an Frau A gestellt, auch nach den Hospitationen - aber nachdem ich so oft dumme Antworten bekommen habe, habe ich das eingestellt. Ich habe mich zurückgezogen und ich fühle mich als Fremdkörper in diesem Lehrerzimmer. Ich will dort nicht sein und ich zähle die Monate bis zum Ende der Ausbildung.
Ich habe mittlerweile einen richtigen Hass auf Frau A entwickelt. Ich wünsche ihr nichts böses, aber mein Tag ist gelaufen, sobald ich wieder eine Auswertungsstunde mit ihr hatte. Ich spüre richtig, wie sie mir die Energie heraussaugt. Ich denke auch nicht, dass ich unser Verhältnis ändern kann, das ist erstens nicht meine Aufgabe und zweitens glaube ich, dass dafür zu viel geschehen ist.
Außerdem finde ich es unmöglich, was für eine Narrenfreiheit hier im Ref existiert. Hier werden junge Leute verheizt, gemobbt, zerbrochen. Es gibt nicht einen Standard für alle. Wir sind den Ausbildern quasi schutzlos ausgeliefert. Z.B. hospitiere ich aktuell auch noch ca. 7h die Woche - es sind eigentlich 4h beabsichtigt. Mir wird trotzdem von Frau A immer wieder vorgeworfen, ich täte nicht genug. Ich kenne eine anderen Refi, die auch zur selben Zeit mit mir an dieser Schule angefangen hat, und sie hospitiert gar nicht. Ich muss zusätzlich jede Woche Stundenvorbereitungen an meine Mentorin schicken, die anderen nicht. Ich finde nicht, dass ich schlechter bin als andere und diese Mehrarbeit verdient hätte.
Ich muss für mich irgendwie eine Strategie finden, mit all dem klar zu kommen und es zuhause irgendwann ablegen zu können. Damit ich wieder schlafen kann und meine Stunden so effektiv vorbereiten kann, wie ich das möchte. Ich hasse dieses Gefühl, einer anderen Person so ausgeliefert zu sein. Ich habe mich auch irgendwie sehr in diesen Eindruck verbissen, dass Frau A mein "Feind" ist, den ich nie zufrieden stellen kann und der mir sowieso nicht helfen möchte. Dass sie sich nur selbst profilieren möchte, denn es kann ja nicht sein, dass ihre eigene Refi keinen perfekten Unterricht abliefert. Ich kann mich irgendwie nicht damit abfinden, dass ich aus ihrem Mund niemals "das war eine gute Stunde" hören werde. Ich verstehe auch selbst nicht, wieso ich das überhaupt möchte. Ich bin ja nicht hier, um anderen Leuten zu gefallen und ich habe mich noch nie zuvor in meinem Leben so sehr dafür interessiert, positives Feedback von einer Person zu erhalten.
Wenn ihr bis hierhin durchgehalten habt - Hut ab! Ich hoffe, es war verständlich. Ich habe mich jetzt kurz gefasst. Das alles brodelt in mir schon seit März.
Herzliche Grüße