Privates in der Schule

  • Hallo zusammen,


    es sind endlich Herbstferien! Und nach den letzten Wochen brauche ich diese so dringend wie nie.. Ich habe aber fernab des Corona Gewusels noch eine ganz andere Frage..


    Als Junglehrer versuche ich Privates & Schulisches zu trennen. Ich wohn in einer größeren Stadt, in der ich keinen meiner Schüler antreffe bzw. keiner wohnt und habe auf Nachfrage auch mal meinen Wohnort verraten. Ich dachte auch „naja, ich steh erstens nicht im Telefonbuch und die werden schon keine 30000 Haushalte durchklingen.


    Manchmal verrät man ja auch mal so etwas über sich, wenn man sagt, dass man an einem

    Im Unterricht thematisierten Ort schon einmal war bzw. dort gewohnt hat.


    Am Freitag ist mir leider mal wieder etwas privates rausgerutscht, was mir unangenehm war und ist. Einer meiner Schüler ist farbenblind und ich hab mal wieder Objekte mit der gleichen Farbe Objekten mit der gleichen Form zuordnen lassen. Der betreffende Schüler nimmt so etwas gelassen, doch Mitschüler haben ein wenig blöd hingeredet. Da ist mir leider ein „jetzt hört‘s mal auf, ein Bekannter bzw. Mein Freund ist selbst farbenblind. Das ist vielleicht für Außenstehende manchmal seltsam aber für den Betroffenen im Leben wirklich kein großer Nachteil.“ Darauf kam natürlich gleich die Nachfrage „weder ist von ihnen farbenblind“ Ich: „Das ist jetzt nicht so wichtig“ und eine andere schreit durch den raum „Ihr Freund“ :autsch: Ich habe zu der Klasse ein gutes Verhältnis, der Unterricht läuft und ich mache ab und zu Scherze, aber irgendwie war mir das gestern wieder zu privat und das gesagte ist mir heute noch etwas unangenehm..


    Wie geht ihr denn mit so privaten Sachen um?

    Mit Ende 20 gehöre ich jetzt noch zu den jüngeren Lehrkräften und möchte unbedingt kein Kumpellehrer sein..


    Viele Grüße und ich bin gespannt auf eure Antworten!!

  • chilipaprika

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Sei gegrüßt, Carrot!


    Im Laufe von 40 Dienstjahren war bei mir und teils sogar von mir alles Private durchgesteckt, alles.
    Das war nie ein Problem!

    In den ersten Dienstjahren waren zwei meiner Schulen am Wohnort, viele Kids waren in meinen Sportvereinen; dort war ich jeweils ihr Jugendleiter.

    Nie gab es ein Problem meinerseits, und auch von Seiten von SuS und Eltern wurde mir nie eines zu Ohren getragen.


    Im Gegenteil: Das eine bereicherte das andere, und ich hoffe , das das auch umgekehrt der Fall war.

    Von den Eltern waren ja auch einige meine Sachbearbeiterinnen bei Finanzamt, Ordungsamt (z.B. Knöllchen), Ärztinnen u.ä.

    Wo liegt das Problem?

    #Zesame:!:


    Konzentrieren Sie sich ganz auf den Text, wenden Sie das Ganze auf sich selbst an. (J.A. Bengel)

  • Nachtrag

    Ein einziger Hinweis erging an meinem zweiten Einsatzort, einer "Bildungsanstalt für Frauenberufe", an der ich als lediger 24-Jähriger tätig werden sollte. Dort holte mich an meinem ersten Unterrichtstag vor der ersten Unterrichtsstunde die damalige Schulleiterin in ihr Arbeitszimmer und mahnte mich:

    "Fangen Sie mir nichts mit meinen Mädchen an!"

    Ich war - gott sei Dank! - schon bedient. :)

    #Zesame:!:


    Konzentrieren Sie sich ganz auf den Text, wenden Sie das Ganze auf sich selbst an. (J.A. Bengel)

  • Ich beantworte dort privatere Fragen, wo es mir sinnvoll erscheint im Sinne der Vertrauensarbeit, ggf. zum Thema passt, keine persönliche Grenze meinerseits verletzt und nicht einfach nur den Unterricht verzögert (SuS sind diesbezüglich ja kleine Expertinnen und Experten ;) ). Vor den Ferien hatte ich beispielsweise eine Situation, wo mich Schülerinnen gefragt haben, ob ich Kinder habe, was ich mit einem kurzen "Nein" beantwortet habe. Die Frage ob ich Kinder wolle oder Kinder nicht möge habe ich lediglich dahingehend beantwortet, dass ich, wenn ich Kinder nicht mögen würde den falschen Beruf gewählt hätte, zur Kinderfrage an sich habe ich mich aber nicht geäußert, weil mir das deutlich zu persönlich wäre. Umgekehrt habe ich aber im GK-Unterricht zuletzt mal einer Klasse erzählt, dass ein Geschwister von mir mit 16 bei einem Ladendiebstahl erwischt worden ist und habe Nachfragen zu Motivation und Strafe oder auch dem Führungszeugnis beantwortet. Das passte zum Thema der Einheit und war ein hilfreiches reales Beispiel, damit die SuS sich bestimmte Dinge besser vorstellen konnten, die im Buch doch etwas abstrakter formuliert worden waren.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    3 Mal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: +e

  • Meine wissen irgendwann in welchem Stadtteil ich wohne, wenn wir mal wieder darüber reden wie sie bei Schnee/ Bus/ Bahnstreik kommen sollen, wie alt meine Kinder sind, was mein Mann beruflich macht,.. sehe da absolut kein Problem.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • Ich versuche meinen Schülern zu vermitteln, dass ich ein hoch entwickelter Roboter bin, der nach Unterrichtsende abgeschaltet wird um seine Batterien aufzuladen. Die meisten finden das plausibel.

  • Von mir erfahren Schüler und Kollegen nur privates, was ich vertreten kann. Manches sickert eh durch. Meine Schüler kennen auch meine Familie.

    Ich arbeite zwar in Wien, wohne aber in Niederösterreich. Es kommt schon vor, dass Schüler mit ihren Familien mal raus fahren. Da ich neben einer sehr bekannten und beliebten Eisdiele (mit Restaurant und weiteren Freizeiteinrichtungen - genaueres erwähne ich jetzt nicht weiter , sonst kennt ihr meine Adresse ;)) wohne, begegne ich dort häufig Schülern. Wegen der häufigen Begegnungen wurde ich angesprochen. Ich antwortete, dass ich dort wohne.

    Auch, dass ich Ausländerin bin, hört man an meiner Aussprache (aber immer seltener 👍). Bietet immer Anlass zu Gesprächen.

    Auch die Krankheit meines jüngsten ist bekannt, für Kinder mit gleicher Krankheit oder Eltern und Kollegen mit Fragen dazu, bin ich gerne Ansprechpartner.

    Ich antworte auch ehrlich, dass ich auch mal eine 5 im Zeugnis hatte (im Kochen :D) und, dass ich mal Ha nicht gemacht hatte und....


    Hatte deshalb noch nie Probleme

  • Ich versuche meinen Schülern zu vermitteln, dass ich ein hoch entwickelter Roboter bin, der nach Unterrichtsende abgeschaltet wird um seine Batterien aufzuladen. Die meisten finden das plausibel.

    In der Grundschule denken sie das sowieso. Zumindest bleibt ihnen der Mund offen stehen, wenn sie einen beim Einkaufen treffen, mitbekommen, dass man eine Mutter oder gar Kinder hat usw....

  • Frechdachs hat es richtig ausgedrückt: Auch ich erzähle nur das, was ich persönlich vertreten kann. Da hat jeder seine eigene Grenze.


    Wenn ich etwas Anekdotisches (meistens von meinen Reisen oder etwas Erlebtes, Beobachtetes, Vergangenes) erzähle, was gerade zum Unterrichtsthema passt, hören die Kinder besonders aufmerksam zu, stellen Nachfragen und sehen sich animiert, selbst mit Beispielen beizutragen.

    Wenn im Morgenkreis (na ja außerhalb der Coronazeiten) von Wochenenderlebnissen oder Ferienerlebnissen die Rede ist, wollen die Kinder gerne einmal wissen, was ich gemacht habe. Da kann man ja steuern, was man dann preisgibt.


    Ich kann mir schon vorstellen, dass jugendliche Schüler bei jungen Lehrern darauf eingehen und dies kommentieren, wenn eine junge Lehrerin von ihrem Freund erzählt (weniger von der Farbenblindheit). Um solche wahrscheinlich unangenehme Reaktionen zu vermeiden, würde ich das als "Lernen aus Fehlern" sehen und in der Richtung keine Bemerkung mehr machen.

  • Ich finde das überhaupt nicht schlimm, dass die SuS wissen, dass du einen Freund hast. Wo ist das Problem?


    Privates erzählen nutze ich durchaus, um eine Beziehung zu den SchülerInnen aufzubauen. Natürlich erzähle ich nur Dinge, bei denen ich mich wohlfühle, wenn sie das wissen. Das kann über Urlaube, Reisen, andere Auslandsaufenthalte, Weihnachtsgeschenke, irgendetwas, was ich gerade erlebt habe, Ereignisse aus meinem Schüler- oder Studentendasein etc. sein.


    Einmal habe ich übrigens Neuntklässlern erzählt, dass ich noch kein Weihnachtsgeschenk für meinen Vater habe. Darauf hin meinte einer der Jungs "ich schenke meinem Vater eine Eintrittskarte für's Fußballmuseum in Dortmund".

    Das war perfekt! Das habe ich meinem Vater auch geschenkt, inklusive, dass ich mitkommen. Kam super an und mein Vater und ich hatten echt viel Spaß!

    Das wiederum habe ich dann der Klasse erzählt, die sich darüber gefreut haben.

  • Privates erzählen nutze ich durchaus, um eine Beziehung zu den SchülerInnen aufzubauen.

    Das ist ein wichtiger Aspekt. Mit der Zeit entwickelt man ein Gespür dafür, wie privat man in seinen Bemerkungen werden will.


    Ich könnte mir allerdings schon vorstellen, dass ich nur das erzählen würde, wo ich einigermaßen abschätzen kann, dass keine doofe Bemerkungen von pubertären Schülern kommen.

  • Ich finde das überhaupt nicht schlimm, dass die SuS wissen, dass du einen Freund hast. Wo ist das Problem?

    So wie ich das jetzt interpretiert habe, war das ein ungeplantes Outing. Was meines erachtens überhaupt kein Problem ist, aber das kommt auch immer auf die eigene Biographie an. Kann jedenfalls verstehen, wenn man das im Nachhinein nicht so toll findet, und man dafür vielleicht eher eine andere Form gewählt oder das ganze für sich behalten hätte.

  • Meine SuS bzw. die Eltern wissen auch ein paar private Dinge von mir . Am meisten interessiert sie, wie alt ich bin, das fragen sie immer wieder :).

    Als ich mal erzählt habe, dass ich alleine wohne, waren sie total schockiert: "Dann siehst du deine Eltern ja nie mehr". Die meistens sind eh noch ziemlich egozentrisch und erzählen lieber von sich.


    ich wohne in der Kleinstadt, in der ich arbeite, allerdings in einem anderen Quartier wie meine Schule. Ab und zu treffe ich mal Eltern mit Kindern beim Einkaufen. Dann weiss entweder das ganze Geschäft, dass ich da war, weil die meinen Namen so rausbrüllen oder sie erkennen mich kaum.


    Ergänzung (ist mir gerade wieder eingefallen).

    Einmal wollten sie wissen, wie meine Mutter heiss. Ich "Heidi". Dann ein Mädchen "oh das ist die aus dem Fernsehen". Ich hab nachgefragt, ob sie auch den Ziegenpeter kennt. Meinte sie "nein, ich meine die mit den Models".

  • In der Grundschule denken sie das sowieso. Zumindest bleibt ihnen der Mund offen stehen, wenn sie einen beim Einkaufen treffen, mitbekommen, dass man eine Mutter oder gar Kinder hat usw....

    Ok das kann ich so nicht bestätigen, meine Schüler kennen auch meinen Mann, meine Kinder und meine Mutter, die waren alle schon mit, wo liegt da das Problem? Achso, Bilder von meinen Brüdern kennen sie auch bzw. vom Haus meines Bruders aus dem Urlaub bzw. dort das Skigebiet usw.

    • Offizieller Beitrag

    Als ich mit meiner damaligen Freundin durch die Innenstadt der Stadt, in der meine Schule lag, lief, müssen mich Schülerinnen von mir gesehen haben. Am Montag drauf entwickelte sich folgendes Gespräch:
    "Herr Bolzbold, wir haben Sie am Wochenende gesehen - mit einer Frau!".

    Ich: "Ja, und?"

    Sie: "War das Ihre Freundin?"

    Ich: "Ja."

    Sie: "Und wir dachten schon, Sie wären schwul!"

    WTF???

    Als ich dann irgendwann mit meiner Frau zusammenkam, lief uns wenig später am Rhein eine Schülerin von mir über den Weg. Da wir heute auch noch im erweiterten Umfeld meiner alten Schule wohnen, haben wir in der Vergangenheit immer wieder SchülerInnen getroffen. Passiert.

    Privates habe ich oft dann erzählt, wenn es dem Unterricht diente - so z.B. die NS-Vergangenheit meiner Familie oder mein Hintergrund beim Thema Indien im Englischunterricht. (Schade, dass jetzt Nigeria dran ist. Den Akzent kann ich nicht so gut nachmachen...)

    Meinen ersten LK sowie eine Mittelstufenklasse, zu der ich ein sehr gutes Verhältnis hatte, habe ich im Anschluss an die gemeinsame Zeit zu mir nach Hause eingeladen. Zu der Mittelstufenklasse besteht heute noch Kontakt in Form eines jährlichen Treffens, obwohl die schon 2013 Abitur gemacht haben.

  • Vielen Dank für eure interessanten Beiträge, Gedanken & Meinungen! Ich finde es auf jedenfalls spannend, hier im Forum auch andere Sichtweisen kennenzulernen. Nach den Beiträgen ist mir das ganze schon etwas weniger unangenehm ;) Ich denke man wächst einfach von Zeit zu Zeit mit und an seiner Lehrerrolle und ich muss erst selbst herausfinden, wie viel Privates für mich ok ist. Die beschriebene Lerngruppe, überwiegend Mädels, sind aktuell sowieso auf dem Sprung zum Pupertätszenit (wenn man das so sagen kann :D) und würden mir zur Ablenkung sowieso am liebsten ständig private Fragen stellen, die ich stets abblocke, außer ich kontere mit etwas schulischem.


    Man wächst mit seinen Aufgaben und sicher auch mit dem Alter.

  • Ok das kann ich so nicht bestätigen, meine Schüler kennen auch meinen Mann, meine Kinder und meine Mutter, die waren alle schon mit, wo liegt da das Problem? Achso, Bilder von meinen Brüdern kennen sie auch bzw. vom Haus meines Bruders aus dem Urlaub bzw. dort das Skigebiet usw.

    Ich habe doch gar kein Problem. Ich laufe sogar oft mit meinen Schülern in die Schule oder nach Hause, weil ich im Schulort wohne und sie zufällig unterwegs treffe.

    Die klingeln auch an Halloween.

    • Offizieller Beitrag

    und nur zur "Beruhigung". Mit Ende 20 bist du selbst für die ältesten Realschüler*innen steinalt ;)


    Zum Thema: meine Schüler*innen wissen durchaus "viel" über mein Leben, aber im Prinzip ist es nicht viel. Dass ich keine Kinder habe, aber einen Hund, verheiratet bin und so weiter ... Schüler*innen können sich keine einzige Verbkonjugation merken, quatschen die ganze Stunde und hören nie zu, aber wehe, ich hatte einen neuen Ring am Finger. Ich glaube, die Klasse hat sich genauso sehr wie ich über den Heiratsantrag gefreut. Die Klasse war damals in der Mittelstufe, ich hatte sie schon eine Weile, sie haben mittlerweile vor mehreren Jahren Abi gemacht und ich bin tottraurig, dass das diesjährige Keksebacken-Treffen coronabedingt ausfallen muss. Aber so etwas habe ich nie wieder gehabt. Es muss passen. Ich habe also viele Klassen, die gerade mal wissen, dass ich verheiratet bin (Namensänderung durch ältere Geschwister bekannt).

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