Englischunterricht und Gehörlosigkeit

  • @samu: Genau so! Und on top stellst du dir jetzt vor, dass dir ein Lehrer dass beibringen muss, obwohl er weiß, dass du am Ende vielleicht Gedankenfetzen erahnen kannst. Da deine Mitschüler aber über ein anderes Gehirnfeature verfügen gelingt ihnen das schon seit Geburt, so dass es keine ausgebildeten Personen gibt, die dir vielleicht eine alternative Gedankenlesetechnik beibringen könnten. Außerdem gehörst du zu einem Promillesatz von Schülern, denen dieses Feature fehlt, da muss es eben wie für alle gehen. Wo kämen wir denn da hin, wenn wir für jede noch so kleine Minderheit extra Lösungen bereitstellen würden. Da könnte ja jeder kommen!

  • Man kann von einem Schüler nichts fordern, wozu er körperlich nicht in der Lage sein kann. So wie ich richtig verstand, meint FLIXE, dass der Schüler körperlich in der Lage ist, Leistung zu zeigen. Das System zu ändern dürfte genauso schwierig sein, wie die formalen Vorgaben zum Erwerb des Schulabschlusses. Ich fürchte, es hilft nur, es dem Schüler unter den gegebenen Rahmenbedingungen so angenehm wie möglich zu machen, indem man ihm bei Problemen zuhört und ihn motiviert, die Anforderungen so wie es ihm möglich ist zu erfüllen.

  • ...Ich fürchte, es hilft nur, es dem Schüler unter den gegebenen Rahmenbedingungen so angenehm wie möglich zu machen, indem man ihm bei Problemen zuhört und ihn motiviert, die Anforderungen so wie es ihm möglich ist zu erfüllen.

    Genau, hört ihm mal richtig, spitzt die Ohren, was der Junge zu sagen hat. Ich hoffe, beim Absenden dieses Senfs war wenigstens die Doppeldeutigkeit entgangen:uebel:

  • Aber das ist doch eine Definitionsfrage.


    Eigentlich ist der Schüler nicht in der Lage, die englische Lautsprache zu erlernen. Er kann ja meine Aussprache gar nicht hören.


    Nun haben viele gehörlose Kinder über viele Jahre die Aussprache der deutschen Laute durch haptische Rückkopplung trainiert. Ein Sinn hat sich für viele dieser Kinder nie erschlossen, da ihre Aussprache so schlecht war, dass sie trotzdem niemand verstehen konnte. Dieses Sprechtraining war und ist für viele komplett gehörlose Kinder eine Qual ohne Nutzen.


    Damit dieser Schüler die englische Aussprache lernt, muss ich ihm nun also die Vokabeln in annähernd "deutscher" Schreibweise aufschreiben. Dies "spricht" er dann nach.


    Aus "Good Morning everybody." wird dann "Gut Moaning efribadi." Dies trainiert er dann so lange, dass er die Prüfung bestehen kann.


    Leider hat Lehramtsstudent recht. Die Definition des Kumi ist eben nicht die Definition der Hörgeschädigtenpädagogik. Bei aller Ungläubigkeit muss ich nach Wegen suchen, ihm die Notwendigkeit dieser Absurdität klar zu machen und das Üben bzw. die Teilnahme am Englischunterricht irgendwie angenehmer und sinnvoller zu machen. Zum Glück weiß er noch nix von der Hörverstehensprüfung. Dann würde er wahrscheinlich komplett dicht machen und verweigern.

    • Offizieller Beitrag

    @Lehramtsstudent: Es ist okay, dass du vermutlich keine Ahnung und Berührungspunkte mit der Thematik hattest, aber überleg mal:
    ja, ein Gehörloser ist in der LAGE, Laute von sich zu geben (schreien, weinen, körperliche Reaktionen, bzw. wenn der Mund halt offen ist). Wenn man sich aber nicht hört UND noch nie gehört hat (weder sich noch etwas Anderes), kann man keine Laute "nachproduzieren". Da die Zeiten zum Glück vorbei sind, in denen man 1) die Gebärdensprache verbot und 2) die Kids stundenlang körperlich folterte (kann man nicht anders nennen), damit sie doch verstehen, dass die Zunge tiefer sitzen muss, um einen anderen Laut zu machen (etc...), hat DIESES Kind keinen Bezug zur Lautsprache. Mit einem Restgehör, einem Hörgerät, und / oder einer lautsprachlich orientierten Erziehung (zum Beispiel wegen Familie und Restgehör), dann kann man vielleicht (je nach Gehörrest) Laute von sich geben. Wer aber schon mit Gehörlosen gesprochen hat (nicht Schwerhörigen), weiß, dass es wirklich wirklich schwer verständlich ist. Warum also das für eine Fremdsprache machen, die man nicht braucht. Die schriftliche Kommunikation reicht völlig aus.

  • Ich hoffe sehr, dass Hörgeschädigtenverbände, Behindertenverbände und -beauftragte und nicht zuletzt die Eltern selbst sich ausreichend organisieren und Sturm laufen gegen diese diskriminierenden Vorgaben. Manchmal kommt das Wort "Behinderung" leider nicht von der eigenen Erkrankung, sondern von den Steinen, die die Gesellschaft einzelnen Mitmenschen in den Weg legt (oder in dem Fall wohl eher wirft mit rein akustischer Vorwarnung- hätte ja zielführend sein können...).

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL () aus folgendem Grund: -i+o

  • chilipaprika: Ich hatte tatsächlich noch keine Berührungspunkte mit gehörlosen Menschen und kann nur ahnen, wie schwierig es solche Menschen haben, kommunizieren zu wollen, aber nur unter erschwerten Bedingungen auch zu können. Einerseits bin ich froh, dass es die Förderschule Hören gibt, andererseits merke ich durch diesen Thread, dass es auch hier noch Optimierungsbedarf gibt. Leider mahlen die bildungspolitischen Mühlen langsam. Bis ein Problem ganz oben erkannt und behoben wird, können Jahre vergehen, was natürlich für den konkreten Schüler eine sehr unbefriedigende Situation ist, da gebe ich dir völlig Recht.

    • Offizieller Beitrag

    chilipaprika: kann nur ahnen, wie schwierig es solche Menschen haben, kommunizieren zu wollen, aber nur unter erschwerten Bedingungen auch zu können.

    nur damit die Absurdität gezeigt wird:
    Sie KÖNNEN kommunizieren. Sehr gut. in ihrer Muttersprache (ich beziehe mich hier wirklich auf Gehörlosen, nicht auf lautsprachlich erzogene Schwerhörige oder spät Ertaubte). Deswegen der Vergleich mit den Menschen im Rollstuhl: sie können nicht gehen. Punkt. aus. Aber sie können von einem Punkt zum Anderen gehen.
    Dass Förderschulen bzw. die Beschulung im Schwerpunkt Hören so schwierig ist, liegt aber genau darum: du hast

    - diejenigen, die schlecht hören,

    - diejenigen, die sehr sehr schlecht hören,

    - diejenigen, die nur mit einem CI hören (Computer mit Verbindung zum Gehirn, sehr vereinfacht. Wenn du vielleicht jemanden gesehen hast, der ein Hörgerät mit kleinem Kabel zur Kopfdecke hat) (die Entscheidung für ein CI ist einerseits medizinisch aber auch ideologisch geprägt)

    - diejenigen, die gar nichts hören oder nur Knalle...


    und dann hast du unter diesen Schüler*innen

    - welche, deren Eltern gehörlos sind und perfekt gebärden, schon vor der Geburt

    - welche, deren Eltern sofort / sehr schnell gemerkt haben: okay, Lautsprache ist wichtig, aber Kommunikation auch und sehr schnell einen Gebärden- oder "Lautsprache Begleitende Gebärden"-Kurs gemacht haben

    - welche, die die Wahrheit nicht sehen wollen und weiter das Kind anschreien, usw... (ich hoffe, es gibt die nicht mehr, aber ich bin realistisch)


    Wenn du jetzt alle Eventualitäten von oben mit denen von unten kombinierst, siehst du, dass es doch komplex werden kann, wenn alle zusammen unterrichtet werden dürfen.

  • .. . Die schriftliche Kommunikation reicht völlig aus.

    Und selbst die basiert auf Lauten, die für Gehörlose nunmal keinen Sinn ergeben. Ist mir ein Rätsel, wie man ohne Gehör überhaupt lesen lernen kann

  • Warum lösen deine Beiträge so oft Brechreiz bei mir aus, wie machst du das?


    (...) solche Menschen (...)

    Nur ein Wort und schon kann man die Ausgrenzung ("wir"- "die" bzw. "solche") förmlich lesen. Mich macht das unfassbar traurig und wütend zugleich, wenn ich mir bewusst mache, wie wichtig wir Lehrkräfte hier als positive Vorbilder wären. bzw. sind, damit es vielleicht am Ende die eine oder andere diskriminierende Vollpfostenregelung aus den KMs nicht geben muss.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    • Offizieller Beitrag

    Und selbst die basiert auf Lauten, die für Gehörlose nunmal keinen Sinn ergeben. Ist mir ein Rätsel, wie man ohne Gehör überhaupt lesen lernen kann

    das ist glaube ich (ich stütze mich da leider auf zu wenige Erinnerungen) wie bei der Mehrsprachigkeitsforschung: je besser die Erstsprache ausgebildet wurde, desto weniger problematisch ist es danach für die weiteren Sprachsysteme. Ich glaube mich zu erinnern, dass in der frühen Kindheit gebärdensprachlich erzogene Kindheit in einer Menge Sachen besser abschneiden. Aber meine Erinnerung (und mein damaliger Stand) mögen auch leicht einseitig sein, ich wurde von Gebärdensprachler*innen und "Gebärdenüberzeugten" unterrichtet. Das sieht vielleicht an anderen Unis anders aus.
    Allerdings ist es DAS Argument der Mehrsprachigkeitsforschung: lieber nur die Muttersprache aber gut, als falsche "Zweitsprache" (hier: Deutsch) und das schlecht und nicht mit komplettem Sprachsystem. Es ist 1) nicht gut für die Sprache (Grammatik, Wortschatz, etc...), 2) für die Entwicklung auch sehr schlecht. Wer Sachen nicht nennen kann, kann sie auch nur schlecht auseinanderhalten (ja, ein Hund ist keine Katze, das Wort "Tier" reicht nicht aus. Es gibt sehr viele unterschiedliche Vögel, Wohnorte, Menschen, usw...

  • Ein paar - nicht unbedingt logisch zusammengehörige - Überlegungen:


    Englisch und Gehörlosigkeit sollte meiner Meinung nach kein Gegensatz sein. In einer globalisierten Welt kann das Lesen und Verstehen von englischen Texten durchaus sinnvoll sein (ob in der Arbeitswelt oder im privaten Bereich, um die Untertitel eines nur englischsprachigen Videos, die kurze Beschriftung eines Memes verstehen zu können).


    Englisch in der Hauptschule hat (wenn ich mich nicht völlig falsch erinnere) das Niveau A2 als Ziel zum Ende der 10. Klasse. Böse formuliert: Das ist so viel nicht, englische Texte zu lesen (wie oben behauptet) ist damit nicht wirklich leicht.


    Wenn "nur" das Niveau A2 erreicht werden soll, dann müsste bei der Anerkennung einer Muttersprache als Ersatz für eine Fremdsprache auch nur das Niveau A2 erreicht werden. [Wenn da jemand ganz unflexibel ist und einen schriftlichen Teil vermisst, zieht der halt entsprechend Punkte ab: "Hörverstehen" und "Sprechen" sind garantiert deutlich besser als A2 und gleichen den (unmöglichen) schriftlichen Teil aus. In manchen Tests werden auch Wortschatz und Grammatik als Elemente abgefragt - das gibt wieder ein paar zusätzliche Punkte.]



    In allgemeinbildenden Schulen werden Dolmetscher engagiert, die den kompletten Unterricht (30 Stunden wöchentlich) übersetzen. Einfach deshalb, weil keine ausgebildeten Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Bezahlt werden muss das durch den Schulträger. Wenn nun in dieser speziellen Situation für den Englischunterricht jemand benötigt wird, der ASL beherrscht: Findet sich vielleicht jemand Externes, der 1-2x pro Woche in den Englischunterricht kommt?

  • Vielen Dank für die Diskussion. Ich finde sie sehr interessant und bringe auch gerne mein Wissen ein.


    Die Forschung zum Thema Erst- und Zweitspracherwerb zeigt bei gehörlos geborenen Kindern die gleichen Ergebnisse wie bei hörenden Kindern. Auch die täglich Arbeit zeigt, dass Kinder die die Gebärdensprache auf altersgemäßem Niveau beherrschen, die deutsche Schriftsprache einfacher, besser und schneller erlernen.


    Die Realität sieht aber anders aus. Die meisten gehörlos geborenen Kinder haben hörende Eltern (über 90%). Diese Kinder werden heute fast ausnahmslos relativ bald nach der Geburt bzw. im ersten Lebensjahr, mit einem Cochlear-Implantat (technisches Ohr) versorgt. Auf Anraten der Ärzte (natürlich hörend) werden diese Kinder danach ausschließlich lautsprachlich gefördert. Die wenigen hörenden Eltern, die zusätzlich Gebärden verwenden, tun dies oft nur sehr schlecht und müssen sich ständig vor Ärzten rechtfertigen.

    Nun gibt es aber ein Problem. Diese Implantation führt nicht bei allen Kindern zum gleichen Erfolg. Die Gründe hierfür sind sehr vielfältig und noch nicht vollständig erforscht. Nach einer jahrelangen lautsprachlichen Förderung mit geringen Erfolgen ist das Kind sprachlich auf dem Niveau eines Kleinkindes. Nun wird panisch mit Gebärden angefangen. Leider ist der Zug für einen sicheren Erstspracherwerb (egal welche) da schon lange abgefahren.


    Die Folgen sehe ich täglich bei meiner Arbeit. Es gibt Kinder, die wurden früh implantiert und hervorragend gefördert (Medizin, Rehabilitation, Elternhaus). Hier hat alles zusammengepasst (organische Voraussetzungen, Intelligenz, Förderung, etc.) und die Kinder haben eine nahezu natürliche Lautsprachentwicklung durchlaufen. Heute besuchen viele dieser Kinder eine Regelschule. Viele von ihnen machen Abitur. Manche von ihnen besuchen Realschulen und Gymnasien für Hörgeschädigte, da das Lernen dort häufig mehr auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist und man unter seinesgleichen ist.


    Dann gibt es die oben beschriebenen anderen Fälle. Diese Kinder haben keine adäquate Sprachentwicklung hinter sich (meist falsche und/oder zu späte Förderung). Sie gehen in der Regel auf eine Hörgeschädigtenschule und besuchen dort den Hauptschul- oder sogar Lernbehindertenzweig. Das verwundert nicht, da Sprache eben der Zugang zur Welt ist. Wer keine Sprache hat, kann sich nicht altersgemäß entwickeln.


    Gehörlos geborene Kinder, die nicht implantiert werden, haben in der Regel gehörlose Eltern. Wie gut hier der Erstspracherwerb klappt, hängt wie bei hörenden Kindern mit Migrationshintergrund, von der Gebärdensprachkompetenz und Bildung der Eltern ab.

  • Nun noch zu Djino. Danke auch für deine Gedanken.


    Nein, Englisch und Gehörlosigkeit darf sich nicht ausschließen und schon gar nicht, wenn ein allgemeiner Bildungsgang besucht wird. Auch gehörlose und hochgradigst schwerhörige Schüler sollten nach ihrem Schulabschluss in der Lage sein (einfache) Texte auf englisch zu verstehen und sich schriftsprachlich verständigen zu können. Das Beherrschen einer entsprechenden Gebärdensprache wäre hier das Optimum.


    Bedenkt aber auch, dass diese Kinder insgesamt 4 verschiedene Sprachen lernen müssen: Deutsche Gebärdensprache, deutsche Schriftsprache, engliche/amerikanische Gebärdensprache und die englische Schriftsprache. Das muss kein Regelschüler leisten!


    Ein Dolmetscher wird an einer Hörgeschädigtenschule nicht bezahlt. Dies muss die Schule leisten. Ich glaube auch nicht, dass es in Deutschland viele Dolmetscher für den Regelschulbesuch gibt, die englisch/amerikanisch gebärden können. Es würde mich mal interessieren, was in der Inklusion passiert, wenn es keine passenden Dolmetscher auf dem Markt gibt.


    Wenn ich eine muttersprachliche Ersatzprüfung mache und den schriftlichen Teil mit ungenügend bewerte, kann ich auch die schriftliche Prüfung im Fach Englisch machen und die anderen beiden Teile mit ungenügend bewerten. Das kommt aufs Gleiche raus und ist genauso unbefriedigend.

  • Das ist schon eine krasse Situation für hörgeschädigte SuS und die Pflicht zum Fremdsprachenerwerb. War mir auch neu, obwohl ich privat und beruflich durchaus mit Gehörlosen/Hörgeschädigten zu tun hatte, aber die waren eben auch schon aus dem Schulbetrieb raus und da kam das auch nie aufs Tapet.


    ich würde versuchen herauszufinden, warum der Schüler eben die lautliche Kommunikation verweigert. Vllt hat er Angst, das sich jemand über seine Aussprache lustig macht, weil es ihm mal so in der Vergangenheit passiert ist? Das erinnert mich spontan an den kleinen Sohn e. Teilnehmers. Der Kleine weigerte sich Deutsch zu lernen, weil er einfach keine Lust auf das Leben in Deutschland hatte.

  • Ist doch eigentlich egal warum. In deutsch werden die Schüler doch auch nicht gezwungen eine mündliche Prüfung und ein Hörverstehen zu absolvieren. Warum also in der Fremdsprache?


    Man fragt ja auch den Blinden nicht, warum er sich weigert mit dem Stift zu schreiben...

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

    • Offizieller Beitrag

    Ist doch eigentlich egal warum. In deutsch werden die Schüler doch auch nicht gezwungen eine mündliche Prüfung und ein Hörverstehen zu absolvieren. Warum also in der Fremdsprache?

    wer weiß, vielleicht bei den Lernstandserhebungen? :autsch:
    Stimmt, FLIXE: gibt es da eine Sonderregelung für euch in der 8.? Keine Ahnung, wie sie in BaWü heißen. Lernstandserhebung, Vera, Vergleichsarbeiten... Zählt ihr da als Förderschule (Nicht-Teilnahme?) oder als Hauptschule mit Sonderbedingungen (Teilnahme)? Eine Vergleichbarkeit wäre vielleicht sinnvoll.

  • Zu den Abschlussprüfungen:

    Ich hätte zuerst nach dem rechtlichen Rahmen gefragt, aber der scheint deiner Aussage nach z.Z. fix zu sein. Wie sieht es mit dem Nachteilsausgleich (NTA) aus? Was ist dort erlaubt bzw. was könnt ihr einfach mal festsetzen? In Hessen muss der NTA bei den Abschlussprüfungen an die Schulämter geschickt werden, die darauf reagieren müssten.

    Wie sieht die Hörverstehensprüfung aus? Hier in Hessen kommt man um den Teil auch nicht herum (auch meine Klasse muss es machen!), aber hier greift der NTA: Textvorlage, ich darf in meiner üblichen Betonung und Geschwindigkeit vorlesen statt die Datei abzuspielen, Zeitverlängerung (zum Orientieren in den Aufgaben und Nachlesen). So wird zwar nicht das Hörverstehen abgeprüft, aber das ist ja nicht mein Problem. Vom Niveau her sind die Hörverstehensaufgaben einfacher als die Leseaufgaben.



    Zum Unterricht:

    Ich selbst unterrichte Englisch auch nur fachfremd und habe da im Moment das große Glück, dass meine Klasse (R9) recht leistungshomogen ist. Auch mein hochgradig schwerhöriger Schüler kommt vom Hörverstehen her ziemlich gut mit, so dass ich viel Englisch rede. Sehe ich, dass es nicht angekommen ist (ich seh's ihnen halt an den Nasenspitzen an :_o_D), wiederhole ich es auf Deutsch bzw. würde hier dann an deiner Stelle gebärden. Da es mein erster Durchgang bis zur Prüfung ist, wurschtel ich mich auch so durch und tausche mich viel mit meiner Fachleitung in Englisch aus.

    Gehörlose und rein gebärdensprachliche Jugendliche im HS- oder RS-Zweig haben wir seit Jahren nicht mehr. Die rein gebärdensprachlichen sind diejenigen, die extrem schwach sind. In einer Klasse FS Lernen habe ich dieses Jahr zwei Stunden Englisch, wo die beiden Gehörlosen ihre Kärtchen für den Deutschunterricht ausschneiden und zusammenkleben: Gebärdenbild auf der einen Seite - Wort mit Beispielsatz auf der anderen. Mit den vier anderen Nasen mache ich meinen Englischunterricht. Eine der beiden Gehörlosen ist ein syrischer Flüchtling und hat auch schon einen recht kleinen Gebärdenwortschatz. Etwas anderes würde es einfach nicht bringen. Letztes Jahr hatte ich ihren kleineren Bruder: ein goldiges Kerlchen, aber man merkt einfach, dass von der (Gebärden-)Sprachentwicklung her der Zug abgefahren ist. Alles muss man sich mühsam erarbeiten. Das ist echt schon traurig.



    Zum Fremdsprachenuntrricht in der Inklusion:

    Von einer Kollegin aus einer Schwesterschule habe ich gehört, wie es dort am Gymnasium funktionierte (ist schon zwei Jahre her). Das Englische wurde in deutsche Gebärdensprache übersetzt, aber mit englischem Mundbild. In Französisch ging man genau so vor, wobei da die Dolmetscher schon zu verstehen gaben, dass sie das nicht bis zur 11. Klasse durchziehen können, da sie selbst nicht fit genug in Französisch sind. Wie es weiterging, weiß ich nicht.

    Das Argument mit American/British Sign Language habe ich nie verstanden. Warum soll ein gehörloser Schüler, der schon genug Probleme hat, diese Fremdsprache in schriftlicher Form zu lernen, in der gleichen Unterrichtszeit wie alle anderen parallel noch ASL/BSL lernen? Das sind dann ja gleich zwei Fremdsprachen, die er beide nicht kann.



    Zur Lautspracherziehung:

    Genau oben erwähnte Kollegin hat damals an dieser Schule das Ref angefangen und kam zu einer Kollegin der "alten Schule". Die Gehörlosen mussten im Gesprächskreis auf ihren Händen sitzen, damit sie nicht miteinander gebärden konnten und sich auf das Mundbild der anderen konzentrieren. Das war natürlich grausam und hat natürlich eine riesige Ablehnung der Gehörlosen gegenüber der Hörgeschädigtenpädagogik hervorgerufen. Auf der anderen Seite sehe ich aber auch eben genau diese älteren Gehörlosen, die im echten Leben in Kommuniktaionssituationen ziemlich gut zurechtkommen. Bei der heutigen Generation verlässt man sich schon sehr auf die technischen Hilfsmittel und das geht mitunter gehörig schief, denn auch für die benötigt man eine gewisse Kompetenz.

    Wir hatten auch schon Schüler, die so eine Lautsprachförderung/Artikulationstraining wollten, weil sie einfach nützlich fürs Leben ist. Auch wenn man in einem Gespräch nichts oder nur wenig hört, es sich also aufschreiben lassen muss, kann man wenigstens selbst etwas antworten. Das vereinfacht die Kommunikation schon. Leider haben wir keine extra Stunden dafür, weil die Förderung der Aussprache "unterrichtsimmanent" sein soll (haha!), und müssen das dann an Logopäden abgeben. Eine Kollegin macht so eine Art Training in der Vorklasse, aber es ist nicht viel: 15 Minuten pro Kind in der Woche.



    PS: Als ich das letzte mal nachgeschaut habe, war ich noch ein Mann.:_o_P Merkhilfe: Frapper.

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