Föderalismus in der Bildung...

  • ...noch Zeitgemäß? Eine Bestandsaufnahme:schnelltipp:


    Dachte, bevor der Umfragethread noch mehr zersprengt wird... Ich frage mich, ob größeres Interesse an einem bundeseinheitlichen Bildungssystem bestehen würde, wenn man danach fragte. In der Bevölkerung, in der Politik, unter den Kollegen?

  • In der Politik: Auf gar keinen Fall. Sein eigenes Landessüppchen kochen zu können ist ein wichtiges Distinktionsmerkmal. ^^ Nebenbei würde eine Vereinheitlichung durchaus in Konflikt stehen mit dem GG, wo längst nicht klar wäre, ob sich das rechtssauber begründen lassen würde, so dass eine derartige Änderung vor dem BVerfG standhalten könnte.


    In der Bevölkerung: Spannende Frage. Mein erster Impuls war, dass das doch nur diejenigen betrifft, die das BL wechseln wollen/müssen und für die das dann halt mal punktuell lästig ist, aber es gibt ja insbesondere beim Abitur eine uralte Debatte zur Vergleichbarkeit der Abschlüsse, ein gewisses breiteres Interesse lässt sich also nicht leugnen. Mein Eindruck ist aber nicht, dass das wichtig genug wäre als Thema bzw. der Wille einen tragfähigen Konsens jenseits der eigenen Landessuppe zu finden nicht gegeben ist.


    Unter den KuK: Einerseits wären dann natürlich Wohnortwechsel zwischen den Ländern erheblich leichter, was vielen KuK sehr entgegenkommen würde, andererseits könnte das aber ja auch bedeuten, dass man bei der Einsatzbereitschaft deutlich flexibler sein müsste, weil die Bezirke größer werden könnten. Ich persönlich kann zwar ganz gut damit leben, hier im Ländle zu bleiben, habe mich aber vielleicht auch einfach nur damit abgefunden, dass es halt so ist.:gruebel:



    Wie siehst du das?

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • es wird immer die Vielfalt (der verschiedenen Bundesländer) betont. Im Alltag empfinde ich aber das Gegenteil.


    Grund


    Als ich vor knapp 30 Jahren angefangen habe zu unterrichten, gab es 30 oder mehr unabhängige Schulbuchverlage, die teilweise sehr unterschiedliches Material, Methoden usw. verbreitet haben. Inzwischen gibt es 3 große (und 2, 3 kleine für einzelne Fächer), weil jedes Bundesland einen anderen Lehrplan hat. Die Verlage wurden nacheinander übernommen, deren Reihen eingestellt. Meine (älteren) Kollegen und ich vermissen sie. Die letzte Wahl bestand aus drei Büchern und mit keinem sind wir zufrieden. Die vielen Kompromisse gibt es nicht mehr. Schade.

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Wie siehst du das?

    Gefühlt: nicht abschaffen. Die Konkurrenz scheint dabei zu helfen, sich anzustrengen. Wenn ich mir auch Gemeinschaftsschulen für Sachsen wünschen würde.

  • Wenn bei uns jemals zentrale Abschlussprüfungen kommen such ich mir nen anderen Job. Bei uns ist ja selbst innerhalb des gleichen Kantons an allen 5 Gymnasien gefühlt (und zum Teil auch real) alles ganz anders.

  • Wenn bei uns jemals zentrale Abschlussprüfungen kommen such ich mir nen anderen Job. Bei uns ist ja selbst innerhalb des gleichen Kantons an allen 5 Gymnasien gefühlt (und zum Teil auch real) alles ganz anders.

    Warum findest du das besser?

  • Gute Frage. Ich denke auch, dass auf politischer Ebene der Wunsch nach regionaler Identität/sein Ding selbst machen, etc schon sehr stark vorhanden ist. Ist ja auch durch die Coronamaßnahmen sehr deutlich geworden.


    In der Bevölkerung: hier gibt es durchaus SuS, die von den (bayr.) Gymnasien gerne an die hiesigen wechseln, was würden die dann machen ;)?

  • In der Bevölkerung: hier gibt es durchaus SuS, die von den (bayr.) Gymnasien gerne an die hiesigen wechseln, was würden die dann machen ;)?

    Das wäre dann zumindest endlich obsolet...

  • Ich finde es in der heutigen Zeit der Mobilität im Laufe eines Lebens für unangebracht. Oftmals bringt es Familien wirklich in die Bredouille (unterschiedlicher Fächerkanon, unterschiedliche Altesvorgaben für die Einschulung, unterschiedliche Schulformen - von welcher Schulform darf ich auf welche Schulform wechseln) etc.

    Ich würde mir mehr vergleichbare Mindestvorgaben bundeseinheitlich wünschen.

    • Offizieller Beitrag

    Man könnte den Föderalismus dann belassen, wenn es zusätzlich eine Möglichkeit gäbe, zentrale Dinge verbindlich für alle Länder regeln zu können - so beispielsweise Projekte wie Digitalisierung..

    Föderalismus in Kombination mit kommunaler Trägerschaft bei Schulen ist hingegen so tödlich ineffizient, dass bei allem Geld, das jetzt in die Hand genommen wird, da nur Murks bei herumkommen kann.

  • ich bin ja aus der beruflichen Bildung und bei uns gibt es mit IHK und HWK bundeseinheitliche Prüfungen (außer in BW, die kochen ihr eigenes Süppchen:stumm:)


    Tatsächlich funktioniert hier ein föderales Bildungssystem gepaart mit einheitlichen Prüfungen. Diese Kombi finde ich eigentlich ziemlich gut, weil dann eben eine Vergleichbarkeit der Abschlüsse herrscht.


    Ab und zu habe ich Berufsschüler, die ihre Abschlüsse (z.B. Abi) in anderen Bundesländern gemacht haben und da merkt man dann schon Unterschiede zu den bayerischen Schülern.:grimmig:

    Sei konsequent, dabei kein Arsch und bleib authentisch. (DpB):aufgepasst:

  • Eigenständig ja, aber am Ende eine gemeinsame Prüfung (wie in den USA der S A T). Damit hätten die Universitäten ein Deutschland einen einheitlichen Rahmen.


    Man könnte dann bestimmte Bestehensniveaus einführen. Man könnte beispielsweise 6 verschiedene Bereiche nehmen, die jeweils 20% ausmachen. Also möglich 120%. Bei 80% hätte man bestanden (4 von 6). Es würde trotzdem einiges möglich bleiben.


    @samu: Bezüglich Gemeinschaftsschule wäre ich vorsichtig. Wie sich (zumindest in BaWü) abzeichnet, wird die GMS leider in Städten mit Gymnasien und Realschulen zur Resterampe.

  • Ich finde das auch schwierig.


    Oft sind die, die für die Vereinheitlichung sind, auch die, die irgendwas am jeweiligen Schulsystem "rumzumoppern" haben. Ich glaube, dass bei vielen der Gedanke ist, dass eine Vereinheitlichung gleichzeitig eine Verbesserung wäre. Aber das muss ja nicht sein.

    Angenommen, die Vereinheitlichung führt zu Veränderungen, die der Einzelne dann als Verschlechterung empfindet - da frage ich mich dann, ob das Kriterium "einheitliches Schulsystem" für diese Leute in ihrem Urteil dann weiterhin so wichtig ist. Oder ob sie dann nicht lieber weiterhin verschiedene Systeme hätten, solange sie ihr eigenes besser finden als das vermeintliche einheitliche.


    Das aber nur am Rande. Es löst die anderen Probleme nicht und ich beziehe mich damit nur auf die Elternsicht.

    Ich finde es nur seltsam, dass allein die Tatsache, dass es Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt, so viele Menschen ernsthaft stört - selbst die, die nicht umziehen wollen.

  • Ich finde den Förderalismus in der Bildung gut. FreMe hat völlig Recht, dass sich nicht alles zwangsläufig zum Guten verbessern muss durch Vereinheitlichung. Hessen ist Mittelmaß in Sachen Bildung und könnte sich noch stärker an den Frontreitern Sachsen und Bayern orientieren. Wichtig finde ich aber auch eine klare Abgrenzung gegen Bundesländer wie Berlin oder NRW, die bildungstechnisch viele, mitunter ideologiebedingte, Fehler begehen. Auch BW hat sich mit der Gemeinschaftsschule keinen Gefallen getan.

  • Föderalismus in Kombination mit kommunaler Trägerschaft bei Schulen ist hingegen so tödlich ineffizient, dass bei allem Geld, das jetzt in die Hand genommen wird, da nur Murks bei herumkommen kann.

    Dem stimme ich absolut zu. Der Föderalismus ist auf der organisatorischen Ebene manchmal wirklich unfassbar mühsam, ist hier nicht anders. Nein ... es ist schlimmer, weil ein Land in der Grösse eines deutschen Bundeslandes 26 "verschiedene" Bildungssysteme führt. Und wenn ich mir dann das Protokoll der letzten Landratssitzung im Baselland durchlese, muss ich leider feststellen, dass bei denen nicht mal das ankommt, was die Schulen im eigenen Kanton z. B. in Sachen Digitalisierung schon geplant und umgesetzt haben. Da wird eine Interpellation mit Fragen ausgearbeitet bei denen ich dachte ... WTF?! Über den Punkt sind wir doch schulhausintern schon seit 2 Jahren hinaus ... :autsch:


    Was die Lehrpläne betrifft, also die reinen Fachinhalte, da wird meiner Ansicht nach viel zu viel Geschrei veranstaltet, denn so unterschiedlich können die per Definition schon gar nicht sein, dass es wirklich dramatische Auswirkungen hätte. Ich brauche eigentlich überhaupt keinen Lehrplan um zu wissen, was ich in meinem Fach auf welcher Schulstufe unterrichten muss. Da spielt es erst recht keine Rolle, ob ich nun im Baselland oder in Zürich unterrichte.


    Die Frage, die mir ja immer noch keiner beantwortet hat ist: Woran wird der Erfolg eines Bildungssystems denn bemessen? Noten und PISA sind sicher schlechte Indikatoren. Also los ... ich bin gespannt.



    Hessen ist Mittelmaß in Sachen Bildung und könnte sich noch stärker an den Frontreitern Sachsen und Bayern orientieren.

    Wieso sind Bayern und Sachsen denn Deiner Ansicht nach "besser" und woran machst Du das überhaupt fest? Also was genau ist denn da "besser"? Die Noten? Und dann? Was machen die Jugendlichen mit ihren Abschlüssen aus Sachsen und Bayern? Wie viele gehen denn studieren und schliessen ihr Studium dann auch noch erfolgreich ab? Wie viele bekommen einen guten Ausbildungsplatz und schliessen die Berufslehre erfolgreich ab? Wie viele bekommen übergangslos eine Festanstellung nach der Ausbildung? Inwiefern korreliert das alles nachweislich mit dem "besseren" Bildungssystem? Schreib doch mal.

    Einmal editiert, zuletzt von Wollsocken80 ()

  • @Wollsocken80: Heute wird es zeitlich eng. Erinnere mich bitte morgen noch einmal daran, dann kommen gerne Ausführungen dazu!

  • Du... Schreib entweder oder lass es bleiben. Ich kann mir eh nicht vorstellen, dass da irgendwas Überzeugendes kommt.

  • Naja, was ich in NRW tatsächlich nicht gut finde sind Sachen wie relativ willkürliche "SoMi-Noten", die im Wesentlichen dazu dienen katastrophal ausgefallene Klausuren zu schönen, außerdem die vielen "Abwahlmöglichkeiten". Man arbeitet schon an der "hohen Abiquote".

  • Die Übertrittsquote ans Gymnasium korreliert bei uns schon ganz klar mit dem Studienerfolg. Die Ausfallrate ist bei Studierenden aus Basel, Genf und dem Tessin einfach auffallend hoch. Das sind die drei Kantone, die mehr als 50 % eines Jahrgangs ans Gymnasium schicken. Die Grenze zum Ungesunden scheint bei etwa 30 % zu liegen, darunter ist es ziemlich wurscht, ob man die Matura in Zürich oder im Baselland gemacht hat. Die Varianz innerhalb eines Kantons ist da deutlich grösser als zwischen den Kantonen. Da wir engen Kontakt zur Uni Basel pflegen kann ich mit ruhigem Gewissen sagen, dass die Leute aus Muttenz da ganz gut zurecht kommen. Da sehe ich jetzt aber eben kein grundsätzliches Problem mit dem Bildungsföderalismus.


    Ein Indikator dafür, wie gut ein Bildungssystem insgesamt ist, ist mal sicher die Chancengleichheit. Dazu kann man sich anschauen, wie hoch der Migrantenanteil an der höchsten Schulform ist. Der sollte etwa gleich sein wie der Anteil an der gesamten Bevölkerung. Ist er bei uns aber bei weitem nicht. Also speziell bei uns an der Schule schon, aber schweizweit nicht. Schlecht. Hat aber auch nix mit Föderalismus zu tun.

  • Föderalismus ist bei allem gut, wo auf lokal unterschiedliche Ausgangsbedingungen reagiert werden muss.

    Wo es diese auf Bundeslandebene für den Bildungsbereich geben sollte, ist mir völlig schleierhaft. Sie sind allenfalls durch das föderale Bildungssystem künstlich erzeugt. Insofern halte ich Föderalismus im Bildungssystem für den völlig falschen Weg.


    Realistisch gesehen existiert er auch nur deshalb noch, weil den Ländern in der Föderalismusreform sonst fast alle wichtigen Entscheidungskompetenzen entzogen wurde. Das Bildungssystem war der Brosame, der unwichtig genug erschien, um ihn nicht auf die Bundesebene zu verlagern und den Ländern die Illusion zu lassen, es gäbe noch starke föderale Strukturen.

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