Berufsschule - Erfahrungen

  • Hallo, ich habe ein paar Fragen zum Berufsschullehramt. Ich bin aktuell 29 und überlege gerade, ob ich noch den Master in Wipäd (Fächer/ Wirtschaft und Informatik bzw. Sport - Zweitfach schwanke ich aktuell noch) machen soll. Ich habe nach meinem Bwl Bachelor einige Jahre in verschiedenen Unternehmen gearbeitet. Das Arbeitsumfeld aber auch die Abreit selber war weder besonders angenehm noch erfüllend. Konkret - Arbeitsatmosphäre war eher vergiftet, jeder war sich selbst der nächste, es wurde sich um Beförderungen geprügelt. Arbeit selber - Excel - Powerpoint, viel beim Kunden präsentieren - Druck ohne Ende und für 40 Stunden bezahlt werden, obwohl man mindestens 55-60 Stunden die Woche abgerissen hat. Deswegen will ich mich neu orientieren. Meine größten Stärken, die mir mein privates wie auch berufliches Umfeld bestätigt haben: Ich komme super mit Leuten aus, bin ein entspannter Zeitgenosse und kann mich gut durchsetzen, wenn es Unstimmigkeiten im Team gibt. Ich hasse Monotonie und bin offen für neues. Ob ich groß mit Jugendlichen kann, weiß ich nicht - auch an der Tafel bin ich nicht gestanden. Wenn dann halt Präsis vor Geschäftsführern, aber da ist der Umgang ja anders. Da schreit niemand rum oder wirft einen Stabilo nach einem :D


    Zu den Berufsschulfragen: Was für eine Persönlichkeit sollte man als Berufsschullehrer mitbringen? Was würdet ihr sagen, macht einen guten Lehrer aus? Ist es schwierig an der Tafel jeden Tag unterrecht zu halten oder kommt man da mit der Zeit gut rein? Sind viele Kollegen von euch überfordert? Seid ihr an eurer Schule zufrieden? Was haltet ihr von den Fächern bzw. wozu würdet ihr raten? Kann man sich mit dem Beruf arrangieren, da ich ja eigentlich nie vor hatte Lehrer zu werden? Was findet ihr an eurem Beruf gut und was schlecht? Wieviel arbeitet ihr effektiv - wenn ich an meine Gymnasiumszeit zurückdenke gab es Lehrer, die wirklich 0,0 vorbereitet hatten - Chemie LK - Folien abschreiben und die Prüfungen geschrieben die er seit 20 Jahren schreiben ließ. etc. - also ich mag weder das eine noch andere Extrem - lieber man hängt sich ein bisschen rein aber arbeitet sich nicht auf, das wäre optimal, geht das bei diesem Beruf? Und wie sind die Kollegen bei euch? Eher entspannt oder wird sich da auch um Beförderungen gestritten etc. - Wäre super wenn ihr mir zu dem ein oder anderen Punkt eure persönliche Meinung mitteilen könntet.

  • Also, bei uns im Kollegium sind sehr unterschiedliche Menschen. Vom älteren Ingenieur mit ner relaxten Herangehensweise bis hin zum jungen Referendar mit klarer Kante gegenüber den SuS.

    Man sollte Fachwissen und eine gewisse Sicherheit in seiner Rolle haben. Prinzipiell finde ich persönlich Geduld auch sehr wichtig, denn die wird manchmal ganz schön strapaziert.


    In Coronazeiten habe ich sehr viel gearbeitet, aktuell auch noch, weil mir viel Routine fehlt (Gymnasial-Lehramt ursprünglich). Aber wenn ich meine Kollegen sehe, wird das mit zunehmender Routine einfacher.

  • Konkret - Arbeitsatmosphäre war eher vergiftet, jeder war sich selbst der nächste, es wurde sich um Beförderungen geprügelt. [...] Druck ohne Ende und für 40 Stunden bezahlt werden, obwohl man mindestens 55-60 Stunden die Woche abgerissen hat. Deswegen will ich mich neu orientieren.

    Woher kennst du die Arbeitssituation an meiner Schule???

  • Puh Flo123 , das sind eine ganze Menge Fragen, die du da hast! Leider habe ich heute keine Zeit, diese alle zu beantworten, hoffe aber, dass ich in den nächsten Tagen noch dazu komme (wobei ich in der nächsten Woche wohl ganz gut mit der Vorbereitung des neuen Schuljahrs beschäftigt sein werde).

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Humblebee - sehr nett von dir - wollte mir halt allgemein einen Überblick verschaffen, von angehenden oder schon langjährigen Lehrern. Die Fragen sind jetzt auch nur Sachen die mich interessieren. Müssen natürlich nicht gänzlich beantwortet werden. Einfach eure persönliche Einschätzung. Würdet ihrs wieder machen, was findet ihr gut/ schlecht - Herausforderungen und was ihr neuen möglichen Kollegen so auf den Weg mitgeben möchtet ;)

  • Kann dir nur eine ganz einfache Empfehlung geben: Geh zum nächsten BK mit deinen angestrebten Fakulten und lauf einfach mal ein bisschen mit.


    Die Schulleitungen sind in der Regel offen dafür.


    Ich mag die Arbeit am BK sehr, besonders Informatik ist bei guter Vorbereitung ein Selbstläufer mit kleiner Kotrekturlast. Die Herausforderung besteht darin, den gewaltigen Änderungen zu folgen.

    Das kostet sehr viel Vorbereitungsaufwand.

  • Wenn Du 55-60 Std. packst, wird das Ref in der Berufschule auch machbar für Dich sein. Anschließend steht Dir immer noch alles offen. Schau dir mal eine Schule von Innen an (Kontakt mit Schuldirektor aufnehmen, Einstieg weit vorausschauend planen). Kann Dir Berufsschule nur empfehlen.

  • Hallo,


    wow, ganz schön viele Fragen...

    Was für eine Persönlichkeit sollte man als Berufsschullehrer mitbringen?

    Wie in jedem anderen Berufsfeld auch gibt es an der Berufsschule ganz unterschiedliche Persönlichkeiten. Und das ist auch gut so! Alles Andere wäre langweilig.

    Was würdet ihr sagen, macht einen guten Lehrer aus?

    Dazu wurden ganze Bücher geschrieben... In einem Satz lässt sich das nicht beantworten. Was man aber auf jeden Fall empfehlen kann, ist immer authentisch zu sein und keine Rolle zu spielen. Ein respektvoller Umgang mit den Schüler*innen sollte selbstverständlich sein. Offenheit und flexibles Denken wären weitere Dinge, die einem zu Gute kommen werden.

    Ist es schwierig an der Tafel jeden Tag unterrecht zu halten oder kommt man da mit der Zeit gut rein?

    Ich halte keinen Unterricht mehr an der Tafel... Sechs Stunden "Frontalunterricht" würde ich definitiv nicht aushalten...

    Sind viele Kollegen von euch überfordert?

    Ja, das ist aber mMn in den allermeisten Fällen ein "hausgemachtes" Problem.

    Seid ihr an eurer Schule zufrieden?

    100%ige Zufriedenheit gibt es nicht. Es gibt immer etwas das besser sein könnte. Wichtig: Nur dem Sprechenden kann geholfen werden!

    Was haltet ihr von den Fächern bzw. wozu würdet ihr raten?

    Ja, WiPäd/Sport bzw. WiPäd/Info sind doch gute Kombis. Allerdings legst du dich damit halt mehr oder minder schon auf die Kaufmännische Richtung fest. Mit Info als Zweitfach dann sowieso!

    Kann man sich mit dem Beruf arrangieren, da ich ja eigentlich nie vor hatte Lehrer zu werden?

    Naja, das ist so ne Sache. Hinterfrage mal, warum du Lehrer werden möchtest. Wenn es hauptsächlich "organisatorische" Gründe sind (Verbeamtung, Ferien, nach 13 Uhr frei), würde ich die Finger davon lassen.

    Was findet ihr an eurem Beruf gut und was schlecht?

    Gut finde ich dass man seine Zeit flexibel einteilen kann. Klar, Unterricht ist Präsenzzeit (wenn nicht gerade Corona ist). Aber ansonsten kann ich arbeiten wann und wo ich will. So kann ich mir zum Beispiel unter der Woche Freiräume schaffen. Dafür muss ich dann halt am Wochenende/in den Ferien an den Schreibtisch.


    Was ich schlecht finde: Aufstiegsmöglichkeiten. Du brauchst eigentlich fast immer jemanden der dich protegiert um "nach oben" zu kommen. Vitamin A oder Vitamin B.

    Wieviel arbeitet ihr effektiv

    40,5 Stunden/Woche.

    Und wie sind die Kollegen bei euch?

    Ich kann mit allen Kolleginnen und Kollegen auf professioneller Ebene umgehen und gut mit ihnen zusammenarbeiten. Darauf kommt es an. Bis auf ganz ganz wenige Ausnahmen (die ich an einer Hand abzählen kann) habe ich privat keinen Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen. Da besteht meinerseits kein Interesse. Für mich ist Beruf Beruf und privat privat.


    Ich hoffe, dir helfen diese kurzen Antworten ein bisschen.


    Liebe Grüße und gute Entscheidung,

    Mrs Pace

  • Danke MrsPace , dem ist (fast) nichts hinzuzufügen!


    Eine Frage habe ich allerdings noch. Du schreibst:

    Ja, WiPäd/Sport bzw. WiPäd/Info sind doch gute Kombis. Allerdings legst du dich damit halt mehr oder minder schon auf die Kaufmännische Richtung fest. Mit Info als Zweitfach dann sowieso!

    Ist es denn in anderen BL möglich, sich nicht auf eine Richtung festzulegen? (Dabei fällt mir gerade auf, dass der TE gar nicht geschrieben hat, aus welchem BL er kommt bzw. wo er studieren und unterrichten möchte.) In Niedersachsen muss man beim Studium Lehramt BBS sowieso eine berufliche Fachrichtung und dazu ein Unterrichtsfach wählen und legt sich somit ja z. B. mit der beruflichen Fachrichtung "Wirtschaftswissenschaften" auch schon auf die kaufmännische Richtung fest.


    Ach, eines noch: zumindest für Niedersachsen meine ich, dass das Unterrichtsfach Sport nicht ganz so stark gesucht ist - definitiv nicht so sehr wie Informatik!

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  • Mit zwei allgemeinbildenden Fächern kann man in jeder Fachrichtung unterrichten. Kaufmännisch, gewerblich, hauswirtschaftlich.

  • Ach ja, doch noch was: zumindest bei uns an der Schule sind die Aufstiegsmöglichkeiten nicht schlecht. Es werden immer mal wieder A14-Stellen für die A13er ausgeschrieben (Teamleitung etc.). Streit um Beförderungsstellen gibt es selten (das habe ich in meiner Zeit an der Schule nur zweimal erlebt).

    Ich komme übrigens mit den meisten meiner Kolleg*innen sehr gut zurecht und unternehme auch privat des öfteren etwas mit einer Gruppe von ca. 10-15 KuK. Mit einer Kollegin bin ich richtig gut befreundet; wir kannten uns aber schon, bevor sie bei uns an die Schule kam.

    BTW: Wieviele Stunden pro Woche ich arbeite, ist "saisonabhängig". Wenn es viele Klassenarbeiten und Prüfungen vorzubereiten und zu korrigieren gibt, geht es auch mal über eine 40-Stunden-Woche hinaus. Das ist bei mir aber eigentlich nur im Mai/Juni der Fall und ist natürlich auch abhängig von der Klassenstärke in den einzelnen Klassen. Im Februar habe ich z. B. immer einen recht ruhiger Monat, weil meine eigene BFS-Klasse dann im vierwöchigen Praktikum ist (d. h. für mich 9 Unterrichtsstunden weniger)

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  • Mit zwei allgemeinbildenden Fächern kann man in jeder Fachrichtung unterrichten. Kaufmännisch, gewerblich, hauswirtschaftlich.

    Das gilt aber nur für BW, oder? Wie gesagt: in Niedersachsen muss man eine berufliche Fachrichtung wählen; zwei allgemeinbildende Fächer zu wählen ist nicht möglich.

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  • Wenn Du 55-60 Std. packst, wird das Ref in der Berufschule auch machbar für Dich sein

    Das kommt immer auf einen selbst an. Ich habe im ref nie so viel arbeiten müssen. Ich habe keine Nächte durchgemacht und an Wochenenden, wenn überhaupt, nur einen Teil des Sonntags gearbeitet.

  • Das kommt immer auf einen selbst an. Ich habe im ref nie so viel arbeiten müssen. Ich habe keine Nächte durchgemacht und an Wochenenden, wenn überhaupt, nur einen Teil des Sonntags gearbeitet.

    Im Ref setzt man halt Prioritäten. Unterrichtsbesuch > Unterricht, wo ein Kollege dabei ist > Selbstständiger Unterricht.

    Bei letzterem darf es dann auch mal Schwellendidaktik sein ;)

  • Im Ref setzt man halt Prioritäten. Unterrichtsbesuch > Unterricht, wo ein Kollege dabei ist > Selbstständiger Unterricht.

    Bei letzterem darf es dann auch mal Schwellendidaktik sein ;)

    Spiegelt genau das wieder, wie es bei mir war.

    Ich hatte auch genug Freizeit, aber bestimmte Tage waren dafür immer die Hölle, die Gleichverteilung war nicht so gegeben.

  • ich würde sagen schau dir mal ne Berufsschule von innen an.

    Sei konsequent, dabei kein Arsch und bleib authentisch. (DpB):aufgepasst:

  • Hallo!


    Ich unterrichte an einer kaufmännischen Schule in B.-W. die Fächer BWL und Sport. Mit dieser Fächerkombination bin ich sehr zufrieden. Sport ist ein toller Ausgleich zum Unterricht im Klassenzimmer. Durchschnittlich unterrichte ich 19 Stunden BWL und 6 Stunden Sport.


    Eine 100%-ige Zufriedenheit gibt es an Schulen nicht. Ich denke, die Situation ist mit Unternehmen vergleichbar, obwohl ich mir immer sage, dass ich mit meinem Unterricht auf mich alleine gestellt bin und mein "eigener Chef" bin. Fast immer, obwohl die Zusammenarbeit mit Kollegen immer wichtiger wird. Klappt bei uns auch sehr gut!!

    Früher wollte ich kein Lehrer werden, weil ich mir schwer vorstellen konnte vor einer Klasse zu sprechen....habe das aber dann doch gemacht und nicht bereut. Es stellt sich mit der Zeit eine gewisse Routine ein.

    Womit ich nicht gerechnet habe, ist der Verwaltungsaufwand bspw. als Klassenlehrer. Auch der Arbeitsaufwand mit Schülern, die permanent nicht im Unterricht erscheinen, usw. ist wirklich nicht zu unterschätzen.


    Soweit mal, falls weitere Fragen bestehen, antworte ich gerne!

  • Durchschnittlich unterrichte ich 19 Stunden BWL und 6 Stunden Sport.

    Ich finde, dessen sollte man sich bewusst sein, wenn man Sport als Unterrichtsfach wählt: dass man vermutlich in diesem Fach nicht so besonders viele Unterrichtsstunden geben wird. Alle Sport-KuK an meiner Schule und auch einige, die ich an anderen BBSn kenne (u. a. ehemalige Mit-Refis von mir), unterrichten nicht mehr als acht Stunden Sport und die restlichen Stunden in ihrer beruflichen Fachrichtung, da viele Klassen - bei uns insbesondere Berufsschulklassen, aber auch eine ganze Reihe von Vollzeitbildungsgängen - gar keinen Sportunterricht haben.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

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