Kann man richtig katholisch sein?

  • Generell dachte ich als Kind, dass es "nur" evangelisch und katholisch gäbe.

    Ich erinnere mich noch daran, als meine Grundschullehrerin uns Kindern erzählte, sie sei evangelisch. Von Stund an war sie mir (obschon reiner Taufscheinchrist und keineswegs religiös erzogen!) seltsam fremd. Das war einer der vielen Mosaiksteine, die mich dann irgendwann dazu getrieben haben, dem Laden den Rücken zu kehren.


    OT: Wusstet Ihr übrigens, wie die meisten Träger der katholischen Kindergärten in Bayern auf die Bezuschussung des letzten Kindergartenjahres durch die Staatsregierung reagiert haben? Ist nicht schwer zu erraten und gleichzeitig an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Aber sicher gibt es auch dafür eine ganz furchtbar christliche Rechtfertigung.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Ein Aspekt des Christentums ist ja, dass man keine Verantwortung für sein Handeln übernehmen muss, sondern einem die "Sünden" vergeben werden,

    So bin ich nicht erzogen worden. Bei uns ging's "gemäßigt-evangelisch" zu, Werte waren u.a. "Nächstenliebe", also anderen helfen, Mitgefühl zeigen. Und wenn ich mir ansehe, welche Werte in der konfessionslosen DDR vermittelt wurden (z.B. "du bist nichts, das Kollektiv ist alles" bei gleichzeitigem heimlich für seine Vorteile sorgen müssen und lügen, um zu überleben) und heute noch in den Menschen fortleben, würde ich sagen, es is halt alles net so einfach und "Werte" immer mit einer Wertung verbunden.


    Eigentlich erstaunlich, dass das Zusammenleben überhaupt so gut funktioniert. Ich glaube daran, dass es das Grundgesetz und die Gewaltenteilung sind, die das ermöglichen. Das Konstrukt der BRD so gesehen meine Religion :engel:

  • In Bayern hatten wir vor langer Zeit einen Kultusminister namens Hundhammer. Von dem erzählte man sich, er führe alle sechs Monate nach Rom, um zu kontrollieren, ob der Papst noch katholisch ist.

  • Ja, die christlichen Werte hören sich erst einmal schön an und so gesehen kann ich sie auch "unterschreiben". Allerdings besteht bei moralischen Werten oft die Gefahr, dass sie zu metaphysischen Worthülsen werden. Nächstenliebe klingt schön, aber für meine katholischen Familienmitglieder bedeutet Nächstenliebe, dass meine Seele gerettet werden muss, da ich in Sünde lebe (bin schwul). Ich hätte mir deutlich weniger "Nächstenliebe" von ihnen gewünscht.


    In meinem Ethik-Unterricht zeige ich meinen SuS, dass man aus Werten selten eindeutig ableiten kann, was moralisch zu tun ist. Gerechtigkeit ist ein anderes Beispiel. Wer ist denn nicht für Gerechtigkeit? Gerechtigkeit ist was Tolles. Nur komisch, dass fast jede politische Partei für sich beansprucht, für "soziale Gerechtigkeit" einzustehen, aber zu ganz anderen Ergebnissen kommt, wenn es an die Umsetzung geht.


    Moral muss kontinuierlich im Diskurs ethisch reflektiert werden. Der Mensch ist vernunftbegabt. Er ist außerdem dazu fähig, Mitgefühl zu empfinden. Diese menschlichen Fähigkeiten - Vernunft und Empathie - versuche ich bei meinen SuS zu fördern. Dazu kommen noch verschiedene Gesprächskompetenzen, die genau so eingeübt werden wollen, wie das Lesen und Rechnen. So funktioniert Moralerziehung für mich als Ethiklehrkraft. Natürlich sprechen wir auch über Moralphilosophie und ja, auch Moraltheologie. Doch das allein würde nicht ausreichen.

    • Offizieller Beitrag

    Generell dachte ich als Kind, dass es "nur" evangelisch und katholisch gäbe.

    Ich wiederum habe lange gebraucht, um zu erfahren, dass es überhaupt Protestanten / Evangelen gibt. Irgendwann in der Pubertät habe ich durch meine Schwester, deren Schulfreundin die Tochter des Pastors war, erfahren, dass eine Gruppe Menschen, die nicht mal eine richtige Kirche hat, sich in einem gemieteten Raum im Rathausgebäude trifft.
    Tja, anderes Land, andere Sitte. Meine Stadt hatte mehr "Moscheen" (also islamische Treff- und Gebetsorte) als evangelischen Gebetsräume (=einen).


    Ich "bin" katholisch aufgewachsen und war immer sehr irritiert, warum der Gottesdienst bei meiner Oma anders war, als der Gottesdienst, wo wir vom Katechismus hingingen. "Unsere" Kirche war auch ein modernes Gebäude ohne viel Farbfenstern, was ich bis heute traurig finde (weil ich Kirchenfenster liebe und schon alleine nur deshalb gerne zu Notre-Dame gefahren bin), die Kirche meiner Oma eine gothische Basilika... für mich war also das eine richtige Kirche. Kindergedanken, aber durchaus mit Wertung von Erwachsenen...
    Einer der Höhepunkte meiner religiösen Sozialisation war wohl, als wir beim Katechismus (Reliunterricht) Geld für den Bau einer nahgelegenen Kathedrale gesammelt haben. Damals noch brav hielt ich es für eine tolle Sache, ich kann mich aber erinnern, dass viele "ältere" Menschen es für ein Unding, wie sie aussehen sollte (tatsächlich gar nicht wie eine Kirche, noch weniger wie eine Kathedrale). Und obwohl ich schöne Kirchen vom Betrachtungswert mag, fand ich es seltsam, dass das Aussehen des Gebetsorts scheinbar wichtiger sei als die Tatsache, dass man zusammen sei.
    und im Hintergrund schwingte eh die Polemik mit (irgendwie hat man sowas immer mitbekommen, bzw. ich habe es auch im Nachhinein viel detaillierter mitbekommen), dass es um einen "Kampf" mit dem schon begonnenen parallelen Bau der einen Moschee (also diesmal kein Gebetsraum, sondern einer richtigen Großmoschee mit Minarett) ging.

    Mein Bruch mit der Institution ein paar Jahre später hatte wenig damit zu tun, aber es blieb schon ein Beigeschmack.

    Für mich ist und bleibt einiges vom Christentum / Katholizismus (ich kann ja nicht für andere Konfessionen sprechen, sowieso schon kaum für den Katholizismus an sich) mit der Lehre meiner Oma verbunden. Und da wundere ich mich immer wieder über alle Auswüchse aller Parteien mit einem C im Namen, aber auch so vieler Menschen, die mit der Institution verbunden sind. Meine nächsten- und menschenliebende Oma, die ihr letztes Hemd für jeden gegeben hätte, so oft nicht genug zu essen hatte, weil sie mit Anderen geteilt hat, mir das Pater Noster und das Ave Maria (hat man kaum gelernt, aber ihr war es wichtig) beigebracht hat, sie war noch vor ihrem Tod so traurig über die Entwicklungen. und ihr war es egal, dass die Messe nicht mehr auf Latein war. Ihr war es nicht mehr so wichtig, dass meine Schwester keine Kommunion gemacht hat und ich einen Evangelen, und das noch ohne Kirche heiraten würde: ich war glücklich, ich bin / wir sind (ihrer Meinung nach) gute Menschen geworden, die sich um ihre Nächsten kümmern, DAS war ihr wichtig.

    (und obwohl sie nicht wenig Münzen in meine Kollekte für die Kathedrale reingeworfen hat, hat sie nie auch nur einen Schritt dahin getan :D )

  • Es ist in diesem Forum auffallend schwierig, über Religionen, Gemeinden, Ausprägungen zu schreiben, weil immer von bestimmten UserInnen schnell die generelle Ablehnung der Religion kommt.

    Es ist unter Akademikern vielfach "en vogue", religiösem Denken mit allerlei Arroganz und hochnäsigem Getue zu begegnen. Gerne mit pseudonaturwissenschaftlichen oder pseudokulturwissenschaftlichen Kokolores gewürzt.


    Auch im Kollegium habe ich das manchmal erlebt. Der Vorteil mit meiner Fächerkombination (und hier auch mal ausnahmsweise des Dr.) ist, dass man dem meisten pseudowissenschaftlichen Gerede schnell den Wind aus den Segeln nimmt. Und in meinem speziellen Fall auch, dass die meisten anti-religiösen Brüller zwar gerade noch so die zwei großen christlichen und muslimischen Konfessionen hinkriegen, aber beim Christentum oströmischer Prägung schnell die intelektuellen Waffen strecken müssen. :D

  • Mit dem Hintergrund finde ich es aus heutiger Sicht umso interessanter, dass ich eine Lehrerin hatte, die sowohl Religion als auch eine Naturwissenschaft unterrichtete. Scheint sich wohl in manchen Punkten durchaus zu ergänzen statt kategorisch auszuschließen.

  • Mit dem Hintergrund finde ich es aus heutiger Sicht umso interessanter, dass ich eine Lehrerin hatte, die sowohl Religion als auch eine Naturwissenschaft unterrichtete. Scheint sich wohl in manchen Punkten durchaus zu ergänzen statt kategorisch auszuschließen.

    Naja. Guck dir meine Fächerkombination an. Trotzdem bin ich heute noch Messdiener (sofern Not am Mann ist und ich nicht auf meine Tochter aufpassen muss).


    Oder Professor Anton Andronic:

    https://www.uni-muenster.de/Ph…ndronic/ag/andronic.shtml

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    https://www.uni-muenster.de/news/view.php?cmdid=10217

  • Auch im Kollegium habe ich das manchmal erlebt. Der Vorteil mit meiner Fächerkombination (und hier auch mal ausnahmsweise des Dr.) ist, dass man dem meisten pseudowissenschaftlichen Gerede schnell den Wind aus den Segeln nimmt. Und in meinem speziellen Fall auch, dass die meisten anti-religiösen Brüller zwar gerade noch so die zwei großen christlichen und muslimischen Konfessionen hinkriegen, aber beim Christentum oströmischer Prägung schnell die intelektuellen Waffen strecken müssen. :D

    Ach so, Christentum ist eine Wissenschaft. Und ich dachte immer, es sei eine spirituelle Bewegung mit dem Ziel, das Leben der Menschen zu verbessern..

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Ach so, Christentum ist eine Wissenschaft. Und ich dachte immer, es sei eine spirituelle Bewegung mit dem Ziel, das Leben der Menschen zu verbessern..

    Theologie ist die Wissenschaft. Keine Ahnung, wie du auf den Holzweg kommst, dass eine Religion eine Wissenschaft ist. Laut Angabe unterrichtest du Philosophie, wird da der Unterschied nicht definiert?

  • ... Und in meinem speziellen Fall auch, dass die meisten anti-religiösen Brüller zwar gerade noch so die zwei großen christlichen und muslimischen Konfessionen hinkriegen, aber beim Christentum oströmischer Prägung schnell die intelektuellen Waffen strecken müssen. :D

    Ich dachte, "Intellekt" schriebe man mit 2 [l] ;)


    Ich finde nicht, dass man jede Sekte auf der Welt kennen muss, um eine Meinung zu haben. Und wenn jemand erlebt hat, dass religiöser Glaube (=regionale Tradition) die Ursache für seine Diskriminierung, sein Leid ist, was willst du dem Überzeugendes vortragen, egal wie viele Doktorarbeiten du geschrieben hast?


    Aber ich wollte von einem streng Gläubigen nur wissen, ob er ernsthaft eine Wahrheit für sich beanspruchen möchte. Habe die Frage nur aus dem Privatschulthread gelöst...


    Zauberwald hats ja jetzt erklärt, man braucht 2 verschiedene Lehrerlaubnisse für 2 benachbarte Bundesländer, klarer kann die Antwort auf die Frage nach der Beliebigkeit nicht sein.

  • ...es ist vor allem immer wieder erstaunlich, wie kurzsichtig viele Zeitgenossen sind...

    ...als gäbe es nur Christentum und Islam... und da auch nur bestimmte Fraktionen...

    ..."wie, du bist kein Christ? Trägst du etwa Kopftuch?" Ja, so nen Scheiss hab ich schon gehört.

    Ob es Sinn hat, einem, der so dümmlich labert, überhaupt was zu erklären, sei mal dahingestellt.

    Braucht halt bei vielen was "länger",über den eigenen,meist sehr einschränkenden Tellerrand zu gucken.


    Ich hab mich halt informiert, entschieden dass ich mit diesem menschenverachtenden Verein nichts zu tun haben will und bin raus.

    Und es gibt auch christliche "Werte", die ich nicht für richtig halte. Muss ich auch nicht.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Ein Aspekt des Christentums ist ja, dass man keine Verantwortung für sein Handeln übernehmen muss, sondern einem die "Sünden" vergeben werden, weil ein anderer dafür zu Tode (oder zumindest ins Koma) gefoltert wurde. Unterschreibst du das auch?

    Nö, ich schrieb doch bereits oben, dass ich das als Kind schon seltsam fand.

  • Als ich klein war, haben mir meine Eltern verboten, mit evangelischen Kindern zu spielen. Ich habe es trotzdem gemacht und schon ziemlich früh gelernt, zu Hause nicht mehr alles zu erzählen. Eigentlich traurig, sowas.

  • Als ich klein war, haben mir meine Eltern verboten, mit evangelischen Kindern zu spielen. Ich habe es trotzdem gemacht und schon ziemlich früh gelernt, zu Hause nicht mehr alles zu erzählen. Eigentlich traurig, sowas.

    Das ist echt unglaublich, in welchem Jahrhundert wurdest du denn geboren? :schreck:

    Und ganz praktisch, woran erkennt man evangelische Kinder?

  • OT: Wusstet Ihr übrigens, wie die meisten Träger der katholischen Kindergärten in Bayern auf die Bezuschussung des letzten Kindergartenjahres durch die Staatsregierung reagiert haben? Ist nicht schwer zu erraten und gleichzeitig an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Aber sicher gibt es auch dafür eine ganz furchtbar christliche Rechtfertigung.

    Was habe sie denn gemacht? Den Zuschuss im Klingelbeutel verschwinden lassen?

  • ...okay...

    ...wir haben ja auch mal aufm Dorf gelebt...

    und die Maisonettewohnung in unserem haus vermietet.

    An ein junges persisches Ehepaar.

    Die gerade noch vor Khomeinis Übernahme "rechtzeitig" rausgekommen waren.

    Klar, das waren Moslems.

    Dorfgespräch.

    Und sehr nette Leute.

    Ein Ingenieur und eine Arzthelferin.

    Ratet mal, wieso ich bei persischen Gewürzgerüchen an meine Kindheit denken muss.


    Echt...

    Du spielst doch mit den Kindern, die du magst.

    Wieso du die magst (oder wieso nicht) kann doch alle möglichen Gründe haben.

    Aber "weil die evangelisch sind"???

    ...

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

    • Offizieller Beitrag

    @samu: man weiß doch, wer im Reliunterricht wo sitzt. Ganz praktisch sowas...

    (Tatsächlich waren die Eltern meiner besten Freundin damals nicht sooo begeistert zu hören, dass ich mittwochs nachmittags zum Reli-Unterricht gehe. Hat nicht geholfen, wir haben uns trotzdem weiter getroffen und sie war sogar bei meiner Kommunion.)
    In Deutschland ist es echt am einfachsten, dadurch die Konfession / Religion herauszufinden.

  • Das ist echt unglaublich, in welchem Jahrhundert wurdest du denn geboren? :schreck:

    Und ganz praktisch, woran erkennt man evangelische Kinder?

    Ich habe sie ja nicht erkannt. Es gab sie wohl auch erst nach einem Umzug vom Dorf in eine Kleinstadt. Meine Mutter sagte uns, wer das ist. Aber ich habe das ignoriert. :rotwerd:;):D

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