Ich glaube, dass viele Eltern am Anfang eigentlich gar nichts erwartet haben.
Sie waren dann aber plötzlich sehr überrascht, dass das Lernen alleine zu Hause so gar nicht funktioniert. Sie mussten helfen und unterstützen. Wenn das Kind dann nicht so reagiert hat, wie man es sich rosarot vorstellte, gab es große Konflikte zu Hause. Wenn die Kinder still und leise und problemlos ihre Arbeitsblätter und Buchseiten bearbeitet hätten, hätte sich niemand über die Lehrer beschwert.
Viele Eltern sind es heute nicht mehr gewohnt, die Konflikte mit ihren Kindern auszuhalten. Sie waren also sehr schnell genervt und somit sauer auf die Lehrer, die ihrer Meinung nach die Verantwortung für den ganzen Stress zu Hause tragen. Dazu kam noch der Stress durch Homeoffice, Kurzarbeit o.ä.
Die Lösung war da für viele Eltern schnell gefunden. Die Lehrer sind an unserer Misere zu Hause schuld. Würden sie ordentlichen Online-Unterricht machen, hätten wir diese ganzen Probleme zu Hause nicht.
Dann sehe ich einen Fernsehbeitrag. Eine Mutter sitzt mit ihren beiden Grundschulkindern am Esstisch und bearbeitet die Aufgaben. Der Erstklässler heult, weil er die ganze Zeit doofe Buchstaben schreiben muss während der Viertklässler bunte Rechenblätter ausmalen darf. Die Situation eskaliert und der Erstklässler schmeißt Stifte durch den Raum. Die Mutter ist völlig genervt und gibt der Schule die Schuld an der ganzen Situation, weil die Lehrer keinen gescheiten Online-Unterricht machen.
Ich, als Zuschauer, frage mich, was ich da als Lehrer hätte machen sollen? Und ob es diese Situationen zu Hause nicht auch ohne Corona gibt. Aber wahrscheinlich gehen die Kinder in eine Hausaufgabenbetreuung.
Die Mutter ist offensichtlich nicht in der Lage, die Konflikte ihrer Kinder zu begleiten und auszuhalten.
Viele der Probleme hätte es auch mit häufigen Videokonferenzen gegeben. Die Kinder haben auch bei den Hausaufgaben Frust und Streit mit ihren Eltern. Und es sind immer weniger Eltern bereit, in Widerspruch mit ihren Kindern zu gehen. Das erleben wir als Lehrer doch täglich.
Wir alle sind es heutzutage gewöhnt, dass jemand anderes schnell unsere Probleme zu unserer Zufriedenheit löst. Wenn dies nicht geschieht, können wir das nur ganz schwer aushalten. Ich nehme mich da nicht aus.