Aufsichtspflicht bei "Erkundungsaufträgen"

  • n'Abend zusammen.

    Vorhin an anderer Stelle in den Weiten des Internets gelesen, mich würde mal die Meinung der Forenmitglieder interessieren (ohne dass ich was ähnliches vorhätte, nur aus Interesse):


    Lehrer gibt während der Fernbeschulung den Auftrag, eine Art fachliche Rallye durch die Stadt zu absolvieren. 9 Stationen, die man per GPS finden muss und dort Arbeitsaufträge bearbeiten.

    Die Idee find ich super, aber ist das aus Eurer Sicht mit der Aufsichtspflicht vereinbar? Da es sich um eine Pflichtveranstaltung während der Schulzeit handelt, meiner Meinung nach nicht.

    Der Lehrer selbst nahm NICHT teil. Der Passus "die Schüler müssen sich beaufsichtigt fühlen" greift also nicht.


    Die SuS im konkreten Fall waren übrigens unter 16. Ich sehe es aber so, dass es auch mit Ü16-jährigen heikel wäre.


    Also: Wie seht Ihr das?

  • Greift da dann nicht die Aufsichtspflicht der Eltern?


    Meine Kinder hatten so eine Aufgaben in Kunst, dafür mussten sie ins Museum gehen. Da bin ich als Mutter selbstverständlich mitgegangen, die sind erst 12.


    Es gab aber auch noch die Alternative, das online zu machen.


    Solange es eine Alternative gibt wie oben, bzw. das Ganze freiwillig ist und nicht benotet wird, würde ich sagen, sind die Eltern in der Pflicht, die entscheiden ja, ob und wohin ihr Kind das Haus verlassen darf und müssen dann eben entsprechend für Aufsicht sorgen.

  • 1. Greift da dann nicht die Aufsichtspflicht der Eltern?


    2. Solange es eine Alternative gibt wie oben, bzw. das Ganze freiwillig ist und nicht benotet wird, würde ich sagen, sind die Eltern in der Pflicht, die entscheiden ja, ob und wohin ihr Kind das Haus verlassen darf und müssen dann eben entsprechend für Aufsicht sorgen.

    Ich nummerier mal durch, ich hab immer noch nicht kapiert, wie man abschnittsweise zitiert.


    zu 1: Hatte ich auch erst im Sinn. Aber: Mit dem Argument könnte ich mich bei einer Elternunterschrift "Mein Kind darf auf der Klassenfahrt selbstständig unterwegs sein" aus ALLEN Aufsichtsverpflichtungen rausziehen. Extrembeispiel: Sturzbetrunkener 15jähriger muss ins Krankenhaus. Hatte aber die "Frei-Bewegen-Genehmigung" der Eltern und wurde vorher belehrt, dass Alkoholverbot herrscht. Bin ich da wirklich raus?


    Ich freu mich ja, wenn's stimmt. Aber es klingt zu schön, um wahr zu sein :)


    zu 2: Es war eine Schulaufgabe während der Schulzeit. Von freiwillig stand nichts im thread. Und auch nicht direkt-benotete Aufträge sind m.E. verpflichtend, solange sie nicht ausdrücklich freiwillig sind.

  • Aber die normalen Schulzeiten gelten doch nicht mehr: Ich darf doch auch bis 11 schlafen und dann erst mal eine Stunde frühstücken und dann erst mit den Aufgaben anfangen, Hauptsache ich kriege die fertig. Theoretisch könnte ich die doch auch nachts oder am WE oder am Feiertag erledigen.


    Also würde ich sagen, das Argument mit "während der normalen Schulzeit" zählt nicht. Wir sind ja auch nicht verantwortlich, wenn unsere Schüler während der üblichen Schulzeit das Haus verlassen und überfahren werden / Ladendiebstahlt begehen / sich mit 10 anderen treffen und Party machen etc...…..

  • Hmm, also bei uns (das Beispiel ist aber wie gesagt NICHT von uns) gelten die normalen Schulzeiten. Die Betriebe müssen die Schüler zu den regulären Zeiten freistellen, und wir machen soweit möglich auch zu den regulären Zeiten Videokonferenzen oder schicken Material. Schulpflicht ist auch.


    Das Beispiel würde mich aber auch losgelöst von Corona interessieren. Was ist denn, wenn ich im Normalunterricht im Prinzip einen Unterrichtsgang mache, bei dem ich nicht dabei (oder zumindest verfügbar im Sinne von "die Schüler fühlen sich beaufsichtigt") bin?

  • Schwierig. Ich übertrage das mal auf die Grundschule: Wenn ich den Kindern die Hausaufgabe erteile: "Suche ein paar Schnecken mit Haus", gehe ich davon aus, dass ich NICHT die Aufsichtspflicht habe. Ich verlasse mich darauf, dass sich die Kinder im von den Eltern erlaubten Rahmen bewegen, bzw. dass diese sie begleiten, wenn sie es nicht verantworten/erlauben. So ähnlich müsste es auch bei den Großen sein.

  • Genau so würde ich das auch sehen.


    Entweder ich als Elternteil habe


    • entweder kein Problem damit mein Kind alleine Schnecken suchen zu lassen etc.
    • oder kann es dabei beaufsichtigen
    • oder melde dann der Lehrerin zurück, dass die Aufgabe leider nicht zu erfüllen ist, weil keiner in der Familie Zeit hat, das Kind nach draußen / ins Museum / auf der Rallye etc. zu begleiten

    Ich würde bei solchen Aufgaben niemals erwarten, dass der Lehrer irgendwo in der Nähe ist und Aufsicht führt.

  • Bei uns findet sowas als Nahverkehrs Rallye fest im Schuljahr statt. Da sollen sich die Schülergruppen ausdrücklich alleine Bewegen. Wir müssen aber sicherstellen, dass jede Gruppe ein Handy hat und der Lehrer in der Zeit erreichbar

    Die Eltern müssen schriftlich ihr Einverständnis geben.

  • Ist doch ganz einfach: Bei einem im Onlineunterricht erteilten Erkundungsauftrag habe ich keinerlei Einfluss darauf, wann die sus diesen ausführen und wo sie dazu hingehen.

    "Aufsicht" bedeutet aber immer, dass ich im Kontakt mit den zu Beaufsichtigenden bin, und sei es nur akustisch. Drops gelutscht!

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Jep, auch wenn ggf. der reguläre Stundenplan im Onlineunterricht umgesetzt wird hat man ja zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit bei Problemen physisch präsent zu sein und damit eine Aufsichtspflicht auszuüben. Wer auf Nummer sicher gehen will schreibt den Eltern eine Mail, dass es einen derartigen Erkundungsauftrag gibt, den die SuS nach Abklärung mit ihren Eltern nach Möglichkeit umsetzen sollen (als Anwärter_in sollte man da sicherlich auf Nummer sicher gehen, da rechtliche Problem im Vorbereitungsdienst ganz unabhängog vom Ausgang ein besonderes Problem darstellen).

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • "Aufsicht" bedeutet aber immer, dass ich im Kontakt mit den zu Beaufsichtigenden bin, und sei es nur akustisch. Drops gelutscht!

    Ist das echt so? Wie ist das auf Klassenfahrten nachts, wenn die Schüler zwar immer mit einer Kontrolle rechnen müssen, aber ich eben NICHT mit ihnen in Kontakt stehe?

  • Ok, blöd ausgedrückt. Streiche "im Kontakt bin", setze "Zugriff auf die sus habe".

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Interessante Frage. Ich lasse meine Geokurse gerne mal Nutzungskartierungen von Straßenzügen machen als Hausaufgabe - über Aufsicht habe ich mir da ehrlich gesagt noch nie Gedanken gemacht.

  • Das Problem erschließt sich mir noch nicht ganz, weil ganz offenkundig die Eltern zu diesen Zeiten die Aufsichtspflicht über ihre Kinder innehaben (da liegt sie ja nun einmal standardmäßig). Die Schüler sind zuhause und den Eltern ist bewusst, dass der Lehrer ganz offensichtlich die Aufsicht nicht wahrnehmen kann, damit greifen ganz regulär Aufenthaltsbestimmungsrecht und Aufsichtspflicht der Eltern gemäß §1631 BGB. Du gibst als Lehrer ja auch keine konkrete Weisung "von 8:45 bis 9:30 macht ihr eine Stadtrallye", sondern gibst ihnen den Auftrag das in der Woche zu erledigen. Zudem sollte natürlich geklärt sein, dass die Route für die Altersgruppe geeignet ist und keine unangemessenen Gefahren birgt (Erstklässler hin und her über die Hauptverkehrsstraße fände ich schwierig), das fällt aber nicht direkt unter Aufsicht, sondern unter deine Sicherungspflichten.


    Wenn die Eltern diese Aufsicht nicht sicherstellen wollen oder können, dann sollen sie dich informieren, da wirst du dann auch nichts machen können, aber wie oft passiert das?

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Was für mich halt nicht zusammenpasst: Ich muss sogar bei volljährigen Schülern regelrecht darum kämpfen, dass wir uns bei einem Museumsbesuch dort treffen dürfen, und ich nicht für 15km nen Bus chartern muss. Und andererseits soll ich altersunabhängig (mal von den ganz kleinen abgesehen) Schüler ohne Aufsicht durch die Gegend schicken dürfen?


    Dass ich während "Corona" sowieso keine MÖGLICHKEIT der aufsicht habe, ist klar. Deshalb bedeutet onlineunterricht für mich, ich verteile Aufträge oder mache Videokonferenzen, die von zu Hause aus oder (bei meinen) aus dem Betrieb lösbar sind. Dort kann ich von Aufsicht durch Eltern/Ausbilder ausgehen. Aber bei verpflichtenden Aufträgen "außer Haus"?



    Naja, aber offenbar sind sich tatsächlich alle einig und ich sehe das vielleicht tatsächlich falsch.


    Ich spinne das mal weiter, das eröffnet nämlich einige WIRKLICH interessante Möglichkeiten, die ich auch in meinem Unterricht nutzen könnte. Gerade als Themeneinstieg kann man in der Elektrotechnik ja sehr viel über "was kennt Ihr so aus dem Alltag" machen:


    Könnte ich im normalen Unterricht den Auftrag verteilen "3 Gruppen: Gruppe 1 geht ins Wohngebiet, Gruppe 2 bleibt hier im Gewerbegebiet, Gruppe 3 marschiert zur Kirche sowieso. Jede Gruppe sucht sich dort gut sichtbare Blitzschutzanlagen, fotografiert sie, kommt zurück und beschreibt, welche Schutzeinrichtungen zu sehen waren"? Ich wäre dann telefonisch erreichbar (Diensthandy) und würde solange den Raum für die Vorträge vorbereiten.

  • Während deines Unterrichts hast du die Aufsichtspflicht, sie da einfach rausschicken kann dann tatsächlich ein Problem sein wenn was passiert. Andererseits sollte man bei deiner Altersgruppe von einer erhöhten Einsichtsfähigkeit ausgehen können oder?

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  • Andererseits sollte man bei deiner Altersgruppe von einer erhöhten Einsichtsfähigkeit ausgehen können oder?

    Uhm... beim letzten Ausflug hatten wir bei einem "freundschaftlichen Gerangel" im Bus eine gebrochene Nase. Immerhin hat der "Täter" das Opfer noch selbst ins Krankenhaus gefahren... war ja keine Absicht.

    Letztes Jahr hat einer, der eigentlich immer ganz "gesittet" war, in einer Mitführung, als der Lehrer draußen war einen Salto gemacht und ist mit dem Kopf auf die Tischkante geknallt. Platzwunden-Blutbad inklusive.

    Die Ansicht kann ich also nur bedingt unterschreiben ;)


    Aber zurück zum Thema:

    Für mich passt das halt null zusammen: Wir haben inzwischen verpflichtenden Onlineunterricht, für den die Betriebe extra freistellen. Wir müssen penibelst darauf achten, dass keine Fremden in den Videokonferenzen sind, sämtliche Datenschutzrichtlinien einhalten usw. Ich kriege - außerhalb von "Coronazeiten" massiven Ärger, wenn ich die Jungs mal 5 Minuten zu früh entlasse, und sie dann auf dem Heimweg "erwischt" werden. Bei Ausflügen bin ich sogar bei Volljährigen für eine "einfache eigene Anreise, damit nichts passieren kann" verantwortlich, wenn ich keinen Bus chartern will.


    Und andererseits darf ich sie verpflichtend und in meinem Auftrag aufsichtslos durch die Gegend marschieren lassen.

  • Und andererseits darf ich sie verpflichtend und in meinem Auftrag aufsichtslos durch die Gegend marschieren lassen.

    Es gibt an den Unis Schnuppertage für Oberstufenschüler - da bekommen sie extra frei dafür. Sie fahren in Eigenregie hin (Auto, Bus, Bahn) und zeigen manchmal in der Schule was vor, dass sie da waren. Oder auch nicht. Bei G8 sind viele nicht volljährig. Das ist gängige Praxis.

  • Immerhin hat der "Täter" das Opfer noch selbst ins Krankenhaus gefahren... war ja keine Absicht.

    :lach: wie nett...


    Also zum in-Gruppen-losschicken: wir haben das bislang bei den Großen gemacht, weil wir sie ja auch zur Mündigkeit erziehen sollen. (Umfrage machen, im Supermarkt was holen...). Wurde dann aber höchstoffiziell verboten. Warum weiß niemand, vielleicht ist irgendwo mal was passiert.


    Ich würde daher mit deinem Chef reden, wie das bei euch ist bei Erkundungen.


    Bei Hausaufgaben haben wir als Lehrer keine Aufsichtspflicht. Aber ja, wenn ich als Mutter eines 9-jährigen Kindes ein Herbarium anlegen muss (natürlich am Ende ich, das Kind etwa?) dann schicke ich es nicht in den nächsten Park und lasse es alleine machen, um hinterher den Lehrer zu verklagen, wenn es überfahren wurde, weil der Kollege nicht aufgepasst hat. Da würde wohl jeder Richter mich in die Klappse einweisen, nicht den Lehrer...

  • ok, dann akzeptiere ich,dass ich offenbar tatsächlich falsch lag und werde Cheffe tatsächlich mal darauf ansprechen ( wenn er irgendwann mal wieder Zeit für was anderes hat, als wirre Ministerialerlasse umzusetzen :) ).


    Das gibt WIRKLICH nette Optionen für aktivierende Einstiegseinheiten.

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