Das Ende aller unser Leiden?

  • Hallo,
    den folgenden Artikel habe ich im Hamburger-Abendblatt entdeckt:


    "Schleswig-Holstein krempelt die Lehrerausbildung um


    Kiel - Die Lehrerausbildung in Schleswig-Holstein wird nach 30 Jahren radikal umgekrempelt. Die fünf Regionalseminare für Lehramts-Referendare in Elmshorn, Lübeck, Neumünster, Kiel und Flensburg sollen bis Anfang 2006 schließen. Im Gegenzug werden Nachwuchs-Pädagogen nach dem Studium von Sommer 2004 an vor allem in den Schulen selbst ausgebildet, und zwar von erfahrenen Kollegen.


    "Die zweite Phase der Lehrerausbildung wird so praxisnäher und professioneller gestaltet", sagte Schulministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) am Freitag in Kiel. Die Reform sei "kein Sparmodell, sondern kostenneutral", betonte die Ministerin. Mit der Reform reagiere das Land auf das schlechte Abschneiden deutscher Schüler bei der Pisa-Studie. Schleswig-Holstein sei damit bundesweit Vorreiter.


    Die Opposition übte Kritik an den Plänen. Eine Lehrausbildung, die zu 98 Prozent an den Schulen stattfinde, werde die Qualität des Unterrichts nicht steigern, klagte die CDU. "Die Regierung will die Ausbildung junger Lehrer verschlechtern", ergänzte die FDP.


    Die neue Verordnung geht jetzt in die Anhörung der Verbände. Am Kern der Reform will Erdsiek-Rave aber nichts mehr ändern. ubi


    erschienen am 23. Aug 2003 in Norddeutschland"


    Da ich mitten im 1. Examen in HH stecke, besteht durchaus die Chance, dass ich mich nach SH unter den dann neuen Bedingungen bewerbe. Wollte mal eure Meinung hören, ob mir dann "wichtige Dinge", die einem das Seminar bislang beipulen sollte, fehlen werden? Haltet ihr die geplante Ausbildung nur an der Schule für sinnvoll?

    Gruß m.l. ?(

    • Offizieller Beitrag

    Hallo muttisliebster, hach was ein Name-


    ehrlich - ich weiß es nich. Klar riecht das nach reinen Sparmaßnahmen (kostenneutral? Was machen die denn mit den Fachleitern, Seminarleitern und co? Doch wohl nicht wieder 25 Stunden auf kids loslassen?) - ob's besser oder schlechter ist, hängt wohl von den Kollegen ab (und ob die genug Stundenentlastung kriegen um Refs gut zu betreuen, oder, wie ich, das Ganze eben zwischenreinquetschen, was bei 27 Stunden nicht geht (5min auf'm Gang oder Telefon -seelsorge) - qualitativ nicht gerade hochwertig, was ich da derzeit mache.
    Oder gar verdonnert werden und es dann widerwillig gar nicht machen? Man weiß zu wenig über diese Pläne.


    Allerdings: Weniger als am Seminar hätt ich nicht lernen können - bei keinem Kollegen.
    Das steht (subjektiv und singulär) fest.


    Also wäre mein persönliches Fazit gewesen: Cool! Kein Dummgeschwätze allegemeiner und sinnfreier Natur mehr nachmittags - stattdessen klassen- personen- und situationsgebundene Gespräche mit Kollegen vor Ort. Immer her damit.


    Wie gesagt: es hängt von der Qualität des Seminars und der Zeit / Qualifikation / dem Willen der Kollegen ab.



    - na? War das nicht mal ein hilfreicher Beitrag???


    Im prinzip habe ich nix gesagt.
    Super.


    Heike (klopft sich selbst auf die Schulter)

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
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    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • ...bin auch zwiegespalten. In den Seminaren habe ich auch unterschiedliche Erfahrungen gemacht und könnte davon einen guten Teil streichen, und manches andere könnte auch irgendwie in der Schule vermittelt werden. Zumal fiele etwas Stress weg.
    Andererseits hat man durch die Zweiteilung Seminar - Schule mit den verschiedenen Seminarleitern, AKos / Mentoren, Direx usw. zwar immer welche dabei, die einem das Leben schwer machen oder mit denen es menschlich nicht klappt, aber in diesem Netz der Abhängigkeit gibt es auch Leute, die für einen selbst mal Partei ergreifen, sie lassen sich auch gegenseitig ausbremsen usw. Bei Realisierung dieses Konzeptes stelle ich mir ein noch stärkeres Abhängigkeitsverhältnis von nur ganz wenigen Personen vor; entweder du frisst den Stil deines persönlichen AKOs (der dich dann auch noch bewertet?!) oder stirbst...


    Im übrigen haben bei uns ander Schule die erfahrenen Kollegen zwar Erfahrung mit Konflikten, Management, Rechtsfällen usw., aber sind fachlich und methodisch meist nicht gerade auf der Höhe. Karriere machen heißt als Lehrer ja anscheinend, sich außerhalb des Unterrichts - wo es gesehen wird - hervorzutun und zu engagieren, im -unsichtbaren - Unterricht heißt es dann nur, die Kids mit den Arbeitsblättern von 1979 ruhig zu halten... Ich habe mein Methodenrepertoire größtenteils autodidaktisch gelernt, keinesfalls beim Hospitieren, und die ersten Anregungen dazu kamen fast nur von der Seminarseite, auch wenn dort manchmal zu dick und weltfremd aufgetragen wurde.


    In meinem persönlichen kleinen Kosmos der Konstellationen hätte ich, obwohl meine Schule eigentlich in Ordnung ist, es keinesfalls so haben wollen - hatte eben auch richtig gute Seminare dabei, und auch der Kreis der Referendare auf Ebene des Hauptseminares ist für mich ein wichtiger Rückhalt - zu viert allein an unserer Schule, ohne Außenkontakt, das wäre wesentlich anstrengender mit einer Karrieristin im Kreise - mit wem soll ich dann noch Kummertrinken machen oder Feiern? Naja, wenn damit in Kiel auch nur ein bisschen was gespart werden kann (und die ganzen (Ober-)studiendirektorInnen kosten 'ne Menge) dann setzt sich das sicher sowieso bald durch - das mit dem kostenneutralen Aspekt nehme ich den Politikern nicht ab: Beförderungen verhindern und Stelle kürzen, danach riecht das hier.


    Gruß,
    JJ

  • Hallo,
    ich muss so im nachhinein sagen, dass ich auf das Seminar nicht verzichten hätte wollen. Lag aber wohl daran, dass wir im Großen und Ganzen echt fähige Dozenten hatten, die nicht nur fachlich top waren, sondern auch menschlich in Ordnung, und somit nicht nur fachlich beraten haben, sondern auch mit Rat und Tat zur Seite standen, wenn es um seelische Dinge ging. An der Schule war ich hingegen nicht wirklich gut beraten. Meine Mentorin hatte Schwerpunkt Grundschule, ich hatte aber Hauptschule studiert. Sie hatte das Unterrichten schon drauf, hat sich aber keine Zeit für Beratungen genommen. Ok, sie war bei den U-Besuchen dabei, aber vorher besprochen haben wir nie was. Nur einmal, vor meiner ersten Prüfung. Bei der Zusatzprüfung hatte sie dann keine Zeit mehr. Sie hat übrigens kein volles Deputat gehabt und hat ja auch eine Stunde Ermäßigung bekommen, dafür, dass sie mich beraten hätte sollen. Also aus meinen Erfahrungen heraus, hat mir das Seminar wesentlich mehr gebracht als die Ausbildung an der Schule. Kann natürlich auch anders laufen!
    Ich stehe der Abschaffung der Seminare trotzdem skeptisch gegenüber.
    Liebe Grüße, Barbara

    Liebe Grüße, Musikmaus

    Einmal editiert, zuletzt von Musikmaus ()

  • Leider ist die Beschreibung des neuen Systems in SH etwas kurz gefasst. Dazu kommt, dass im nächsten August neu gestartet wird und vieles noch gar nicht klar ist.


    Aber einiges kann ich vielleicht mal darstellen:


    1) Ausbildung verstärkt in der Schule - mehr eigenverantwortlicher Unterricht
    (jetzt 9 Std , dann 11)

    Ausbildungslehrkraft (= Mentor/in) erhält mehr Stunden und muss, soll, darf sich verstärkt
    qualifizieren für diese Aufgabe.


    2) Verbindliche Ausbildungsstandards. Sicherlich nicht verkehrt, nur wer
    überprüft, ob die eingehalten werden und wie objektiv diese dann letztlich
    abgeprüft werden.


    3) Weiterhin duales Ausbildungsystem (Schule / Seminar)
    Die Seminarausbildung findet zukünftig allerdings in sog. "Modulen" statt.
    Es wird Pflicht- und Wahlmodule geben. Diese finden an Freitags, am WE
    oder in den Ferien statt. Der Freitag wird freigeblockt, es wird aber nicht
    jeden Freitag Veranstaltungen geben.

    Ausbildung soll sich stärker daran orientieren, dass die Lehrer in Ausbildung Erwachsene sind.

    4) Selbstorganisierte Treffen mit anderen Auszubildenen
    - wenn gewünscht, wird professionelle Begleitung durch IQSH gestellt


    - Fragt sich nur, wie und on die Selbstorganisation klappen soll
    - auf jeden Fall keine wöchentlich tagenden Seminartgruppen

    5) Leistungsbewertung durch "Portfolio" und "Assessment"
    a) Portfolio:


    - Ausbildungsbericht der SL
    - Dokumentation über Scherpunkte der Ausbildung
    - Dokumentation von Unterrichtshospitation an der eigenen und an anderen Schulen und Schularten
    - Planung und Auswertung von mind. einer UE je Fach
    - schriftliche Tests (z.B. Schulrecht)
    - Auflistung der Wahlmodule
    - Bestätigung der Teilnahme an den Pflichtmodulen.
    - Dokumentation von Implementationsaufgaben, in denen die Umsetzung der in dem entsprechenden Ausbildungsmodul erarbeiteten Inhalte in die schulische Arbeit nachgewiesen wird.


    Das Portfolio wird benotet.


    Die klassische Hausarbeit soll wegfallen und wird durch die o.g. Planung und Auswertung einer UE ersetzt werden. Diese sollen allerdings wesentlich knapper ausfalllen.


    b) Assessment (eintätig - war ursprünglich mehrtätig geplant)


    - Prüfungskommission besteht aus nur Schulleiter, Schulaufsicht (Schulrat o.ä.), IQSG-Vertreter (Seminar)


    - je Fach eine Lehrprobe (sind aufgrund der Anerkennung der Ausbildung in anderen Bundesländern weiter erforderlich - war ursprünglich anders geplant)


    - "Überraschungsaufgabe" - z.B. Vertretungsstunde, Konfliktgespräch, ....


    - Prüfungsgespräch - Reflexion über die päd. Arbeit und das Portfolio


    - Assessment wird benotet


    c) Ausbildungsnote setzt sich zusammen aus Portfolio und Assessmentnote. Gewichtung ca. 50%/50% - Eindruck aus dem Prüfungsgespräch kann den Auscchlag geben.


    6) Ziel: Praxisorientiertere Ausbildung, geringere Focussierung auf "Vorführstunden", mehr Reflexion der "normalen Arbeit" und der Hospitationstätigkeit


    Evaluation der Ausbildung


    7) Gefahren:
    - 2 von 3 Prüfern sind möglicherweise unbekannt ("was wollen die sehen?"
    - wenn es Schwierigkeiten mit der SL / dem Mentor gibt, ist man diesen noch stärker als bisher ausgeliefert.
    - Hausarbeitersatz artet in zwei HA aus
    - man schmort im eigenen Saft


    8) Fazit ?

    • Offizieller Beitrag

    Fazit: Genauso viel Arbeit und Druck wie vorher, nur dass die jetzt schöne neu-deutsche Namen haben. Assessment, my arse! !!


    Und man spart natürlich Kohle , da die Mentoren das jetzt nebenher machen. Schlechter als die bisherigen FL machen sie's bestimmt nicht: aber wahrscheinlich bringen sie den Refs nur den ganzen alltäglichen Realitätskram bei...und dann kommt das assessment (würg) und man müsste eigentlich doch vortanzen und Sperenzchen zeigen. So'n Mist.


    Ach ja und Bericht über Hospitationen?
    Sehr interessant.
    Das möcht ich aber ganz ehrlich auch nicht bei allen Kollegen lesen - und auch bei mir nicht in allen Stunden. Da musste wieder schön mauscheln, wenn du niemandem auf den Schlips...


    Und das Portfolio klingt einfach nach monströs viel Arbeit. Aber ich höre raus, dass es keine UBs mehr gibt? Das wär n Riesenvorteil, in der Tat.


    Hab mir immer noch keine so rechte Meinung gebildet - aber mein Misstrauen ist groß.


    hmmm...hmmm..
    Heike

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    Einmal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Na, da bin ich mal gespannt...


    hab auch ein bisschen Magendrücken, die wunderbare Entschuldigung ("Mein Fachleiter respektive -lehrer will das aber so") zu verlieren, um mich bei Methodenkonflikten rauszureden, auf der anderen Seite würde das ja wieder mehr zum Erwachsensein erziehen. Trotzdem find ich den Plan Portfolio - wenn's nicht wieder in eine Stilübung ausartet - eigentlich gut, mehr Schreiberei als bei den Lehrproben wird's auch nicht, und könnte die Vielfalt der individuellen Ausbildung (HA!) mal zum Ausdruck bringen. Aber das mit dem kostenneutral ist doch wohl ein Witz... wie hab ich mir das mit den 11 Stunden BDU vorzustelen? Damit ist der Ausbildungsunterricht doch auch quasi völlig abgeschafft, oder? Praxisnah ja, aber wie soll denn dann noch ausgebildet werden?


    Sehnsüchtig, weil mein HS jetzt von 4.45 bis 7.15 liegt und ich dann erst um 9 zuhause bin,
    wolkenstein

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

    Einmal editiert, zuletzt von wolkenstein ()

  • Hi @ll!


    ich habe den Beitrag mal aus der allgemeinen Rubrik in die Referendarsrubrik verschoben, weil es ja um die Lehrerausbildung geht.


    Gruß vom Ordnungsfanatiker ph. 8)

  • Ich habe mir eben mal die Reformpläne auf der Seite des KM durchgelesen und bin darüber gestolpert, dass die UBs wegfallen sollen.
    Meinen die das ernst?
    Was genau würde das bedeuten?
    Zählen die Besuche von anderen Referendaren auch als UB?
    Eigentlich hat mich das noch gar nicht zu interessieren, da ich erst im Oktober mit dem Studium beginne, aber wenn sowas wegfiele, wäre es mir schon sehr recht ;)

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