Am Lehramtsstudium wachsen?

  • Hallo liebe Leute,

    ich liebäugle schon seit einiger Zeit mit dem Beruf des Lehrer, voraussichtlich D/Sowi oder E/Sowi für die Sek 1, könnte mir allerdings auch Grundschullehrer vorstellen. Die Sache ist allerdings, dass ich zwar schon ziemlich Lust habe, Unterricht zu leiten, mit Schülern zu arbeiten, ihnen zu helfen, sich mit Problemen und Konflikten auseinanderzusetzen, ich mich selbst aber als sehr schüchtern und nervös einschätzen würde. So bereitet mir die Vorstellung, 45 Minuten eine Unterrichtseinheit alleine zu moderieren, schon ein wenig Bammel und bin ein wenig ratlos, wie andere Lehrer das souverän über die Bühne bringen können. Zumal nuschele ich teils sehr stark, habe früher gestottert (bei großer Aufregung kann das auch heute noch auftreten) und rede aufgrund dessen nicht gerne vor Publikum. Im Einzelgespräch würde ich mich hingegen schon sehr gesprächig und selbstbewusst bezeichnen. Könnt ihr mir vielleicht sagen, inwiefern man dieses Lampenfieber bekämpfen kann, falls ihr selber damit gehadert habt?

    Oder um es in anderen Worten auszudrücken: Ich kann mich mir in meinem momentanen Zustand nicht als Lehrer vorstellen, in ein paar Jahren allerdings schon, sobald ich meine Ängste überwunden habe. War das bei euch auch so?

  • ich liebäugle schon seit einiger Zeit mit dem Beruf des Lehrer, voraussichtlich D/Sowi oder E/Sowi für die Sek 1, könnte mir allerdings auch Grundschullehrer vorstellen.

    Mach lieber Grundschullehramt. Mittelstufenklassen könnten Stottern und Nuscheln als Anlass nehmen sich über dich lustig zu machen.


    Im Einzelgespräch würde ich mich hingegen schon sehr gesprächig und selbstbewusst bezeichnen.

    Gibt es in der Schule aber fast nicht.


    Könnt ihr mir vielleicht sagen, inwiefern man dieses Lampenfieber bekämpfen kann, falls ihr selber damit gehadert habt?

    Von Lampenfieber war ich noch nicht betroffen. Es gibt aber sicher auch ein Training, aber das kostet viel Kraft und Zeit. Eine Persönlichkeitsstruktur im Erwachsenenalter zu verändern, das weiß die Psychologie, ist eine lang angelegte Sache. Wir sprechen da von Jahren.

    So bereitet mir die Vorstellung, 45 Minuten eine Unterrichtseinheit alleine zu moderieren, schon ein wenig Bammel und bin ein wenig ratlos, wie andere Lehrer das souverän über die Bühne bringen können.

    Entweder haben sie eine andere Persönlichkeitsstruktur als du und es fällt ihnen leicht, oder sie verwenden täglich sehr viel Kraft sich dieser Herausforderung zu stellen.

  • Hallo Noobiwan,


    ich finde es erstaunlich ehrlich, wie du mit deinen Eigenheiten (wenn ich die mal so nennen darf) umgehst. Hut ab! :thumbup:

    Vor allem gefällt mir, dass du dir vor dem Studium Gedanken machst, anstatt später mit deinem Schicksal zu hadern und anderen (oder den Umständen) die Schuld zu geben, wenn es nicht so gut läuft!


    Leider muss ich Firelilly Recht geben: Ausgerechnet der Lehrerberuf scheint keine glückliche Wahl für dich zu sein.

    Auch ich würde dir - ausgehend von dem, was du schreibst - dringend davon abraten.

    Wie bist du denn überhaupt auf diesen Beruf gekommen?

  • Menschen können sich ändern. Natürlich machen, wenn es dein Traum ist.

    Ich habe mich in der Schule nie gemeldet, hatt Angst im Mittelpunkt zu stehen. Schüchtern hoch 10.

    Dann: Ausland, Studium, Job, Ehrenamt, Geschäftsführung, X-Jobs, Studium, Lehrer (mit sehr guten anonymen Feedback von SuS).

    Es ist eine Stärke sich auch mal zurücknehmen zu können, solange du dann aber klare Grenzen setzt.

  • Ob das Lehramtstudium (oder generell ein Studium) dir bei deiner schüchternheit und stottern etc. hilft, wag ich zu bezweifeln... dafür stehst du insgesamt gesehen zu wenig vor Publikum und kannst dich - gerade wenn es deine Natur ist - auch ganz gut in der großen Gruppe verstecken. Natürlich wird man mit dem Alter auch häufig etwas selbstbewusster. Ich glaube, wenn überhaupt, wirst du erst im Referendariat merken, ob du dich überwinden kannst vor einer "großen" Menge Menschen zu stehen. Die Frage ist dann, ob es dann nicht zu spät ist: Denn wie schon gesagt wurde... Schüler können verdamt fies und ehrlich sein! Wenn du aber der Typ bist, der sich vor sowas nicht verängstigen lässt und auch mal rückschläge im Kauf nehmen kann, dann glaube ich schon, dass du sicherlich auch ein (guter) Lehrer sein kannst.

  • Wir wissen noch nicht, wie alt du bist, oder? Oder hab' ich was übersehen?


    Ich denke: Wenn 18, 20 oder 22, kann sich das noch im Verlauf des Studiums einpegeln. Ich denke da sowohl an meine eigene Entwicklung als auch an Kommilitonen, die ich in meinem Zweitstudium erlebt habe. Da war ich dann Ende 20 und die anderen kamen von der Schule oder aus Zivildienst, Auslandsjahr usw.


    Allerdings denke ich auch: Von nichts kommt nichts. Ich war beim Abitur auch noch sehr unsicher. Manches pendelt sich mit Anfang 20 einfach ein - die Schüchternen werden selbstsicherer, die Draufgänger etwas ruhiger etc. Aber bei mir hat z. B. das Musikmachen bestimmt viel geholfen, das immer wieder vor Publikum stehen, auch mal Ansagen machen etc. Theaterspielen wäre bestimmt auch ein guter Weg, wie man mal - in einer Übung oder einer Rolle - Persönlichkeitsmerkmale oder Verhaltensweisen ausleben kann, die einem selbst fremd sind und von denen man sich dann einiges auch für den Alltag aneignet. Überhaupt ist Theaterpädagogik, glaube ich, sehr hilfreich in der Schule, gerade als Klassenlehrer in Grundschule und Sek 1.

  • Kann mich erst mal nur anschließen, dass ich es auch super finde, dass du dir vorher Gedanken machst.
    Ich hatte ähnliche Zweifel, ich war sehr schüchtern und hatte großes Lampenfieber zu Beginn meines Studiums. Wenn ich an mein erstes Referat zurückdenke .. oh jemine ..

    Jetzt bin ich im letzten Mastersemester für SekI/II und kann sagen, dass mir das Studium sehr geholfen hat. Du wirst im Studium durchaus viel über die Schule lernen und ja auch Praktika machen, auch wenn man als Schüler denkt, dass man wüsste 'wie es läuft' bekommt man im Studium eine andere Sichtweise auf den Beruf. An meiner Uni gab es in 5 Jahren Studium jedoch lediglich 1 Seminar für das deutliche und selbstbewusste Sprechen vor Menschen. Alles darüber hinaus habe ich mir per YouTube angeeignet. (Thema deutlich sprechen, Atemtechniken etc.)

    Machbar ist es durchaus, wenn du dich für den Beruf interessierst.

  • Lampenfieber kann vor der Klasse weg sein, man spielt ja letztlich eine Rolle. Das wirst du nur rausfinden, wenn dus ausprobierst. Aber nuscheln und dann gerade Englisch/Deutsch? Das halte ich für eine ungünstige Kombi. Dass Schüler lästern sehe ich dabei nicht als Problem, das tun sie sowieso immer erst mal, das darf einen prinzipiell nicht aus der Bahn werfen.


    Ich würde mit einem Logopäden/Sprech- und Stimmtherapeuten reden, was noch "zu machen" ist und ob auch deine Stimme der enormen Belastung gewachsen ist. Lehrer ist ein sehr sprechlastiger Beruf und mit deiner Kombi auch noch sprachlastig- das würde ich nicht unbedingt empfehlen. Erstens bist du da besonders Vorbild in der Aussprache und zweitens musst du ja selbst bis zur Rente quatschen und dabei gesund bleiben.

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  • Hallo Noobiwan,

    du hast schon viele gute Ratschläge bekommen, ich muss hier nichts doppelt und dreifach schreiben, aber Folgendes ist mir als Deutschlehrerin wichtig: Du darfst nicht nuscheln! Die Kinder und Jugendlichen haben ein Recht darauf, Dich gut verstehen zu können. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die noch dabei sind, die deutsche Sprache zu lernen oder für Hörgeschädigte, die im Zeitalter der Inklusion auch in einer Deiner Lerngruppen auftauchen können. - Du machst das prima, viel Glück und Erfolg in der Findephase!

  • Was ich mir meiner persönlichen (Uni-)Erfahrung nach in Deinem Fall als hilfreich vorstellen kann, ist das von Rika_25 schon angesprochene Sprecherziehungsseminar. Dort lernt man viele der Sachen, um die du dir Sorgen machst, und bekommt hilfreiche Tipps zum Auftreten, vor Leuten sprechen etc. und ggf. auch Ratschläge, wie man außerhalb der Uni weiter daran arbeiten kann.
    Auch sonst sind im Studium (zumindest meine Erfahrung, hängt sicherlich sehr von der Uni ab, an der ist) viele (bewertete) Referate zu halten, und im Gegensatz zur eigenen Schulzeit meistens alleine, vor größeren Gruppen, in der man nur einen Teil der Leute kennt, und über längere Zeiträume, als man das zu Schulzeiten vielleicht schon gemacht hat. In vielen Seminaren gab es aber auch immer wieder Möglichkeiten, erst einmal kleinere Vorträge zu halten und sich so langsam zu größeren Situationen vorzuarbeiten.

    Die praktischen Projekte an Schulen, die ich bis jetzt durchführen musste, waren auch immer so geartet, dass man erst nur für kürzere Zeiträume mit kleineren Gruppen an SuS gearbeitet hat und sich so langsam daran gewöhnen konnte, anstatt direkt ins kalte Wasser springen zu müssen. Das ist aber wieder von Uni zu Uni unterschiedlich, soweit ich weiß, da solltest du also auf jeden Fall schauen, dass du eine Uni findest, die einen guten Ruf für Lehramt (das sind nicht unbedingt die, die insgesamt einen guten Ruf für irgendwas haben) mit viel Praxisbezug hat. Oft sind das zum Beispiel die ehemaligen pädagogischen Hochschulen.

  • Ich finde es gut, wenn es auch Lehrer gibt, die eher schüchtern sind und Schüler verstehen, die sich nicht dauernd melden. Ich war als Kind schrecklich schüchtern. Das hat sich rausgewachsen. Es hilft: Sprechtraining, Rhetorikkurse, Übung und das Selbstbewusstsein, dass sich ergibt, wenn man sich qualifiziert. Fachkompetenz ist da schon hilfreich.


    Übrigens ist Schüchternheit in vielen Berufen problematisch. Oft ist es ja notwendig, auch mit ganz fremden Leuten umzugehen und ihnen womöglich sehr unangenehme Sachen zu sagen. Oder einfach dreist sein, einfach anrufen, etwas aufschwatzen etc. Ich vermute, auch in der Uniform eines Polizisten kann ein im Privaten schüchterner Mensch stecken, aber im Job muss er halt energisch sein. Im Klassenraum ist das so ähnlich. Vor einer Klasse stehen ist pure Gewohnheit.


    Aber es braucht halt Routine, das kann, wenn man nicht gerade ein angeborenes Talent hat, dauern.


    Und nuscheln geht nicht, klar. Aber daran kann man arbeiten. Einen Beruf wählen ist immer mit einem Risiko verbunden. Da kann einem auch niemand nichts versprechen ;)

  • Erstmal: Danke für all eure Rückmeldungen!

    Da öfters die Frage aufkam, wie alt ich momentan bin - hier ein paar Hintergrund-Infos: ich bin 23, studiere seit 2 Jahren schon, bin allerdings sehr unzufrieden mit dem Studiengang und würde viel lieber einen sozialen Beruf später ausüben, da ich glaube, dass dort meine Qualitäten liegen (wissen tu ich das allerdings noch nicht so recht, deswegen bin ich ja auch u.A. hier! :) ) und ich vermutlich auch viel Spaß in dem Bereich haben würde. Nach'm Abi hab ein Jahr gejobbt und bin gereist, anschließend das Studium angefangen. Für mich käme neben dem Lehramt noch "Soziale Arbeit" bzw. "Sozialpädagogik" in Frage.


    Was das Nuscheln angeht: ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das in den Griff kriege bzw. wohl wahrscheinlich in meinem Anfangspost etwas überzeichnet habe. Ich rede weder extrem undeutlich, noch super klar, Verbesserungspotenzial ist aber definitiv da!

    Gleiches trifft wohl auch auf meine Schüchternheit zu. Früher oder später muss man die Sache wohl angehen, ganz egal in welchen Beruf man später landen möchte, ihr habt mir jedenfalls definitiv Mut gemacht, dass man solche Probleme lösen kann, wenn man es denn möchte - und das tue ich!

  • Das klingt sehr gut, dass du für dich Lösungen suchst. Versuch dennoch im Hinblick auf das Nuscheln sehr ehrlich zu dir selbst zu sein im Hinblick auf die Fächerwahl und wenn es ein Sprachstudium werden soll intensiv mit logopädischer Unterstützung daran zu arbeiten, damit dir das nicht auf die Füße fällt. Ernsthafte Aussprachefehler (deine eigenen, wie auch die, die du erzeugst weil SuS dich nicht akkurat verstehen) werden einem im Ref nicht verziehen dal sie insbesondere im Anfangsunterricht kritisch sind. Mit entsprechendem Training, ausreichend Zeit und vor allem dem Willen und der Selbstkonsequenz daran zu arbeiten wirst du dir vieles erarbeiten können, was jetzt vielleicht noch als Hürde erscheint. Versuch dir im Studium und ggf. auch einem studienbegleitenden Job möglichst viele Gelegenheiten zu schaffen an deinen "Achillesfersen" zu arbeiten, also exponier dich, halte Vorträge/Präsentationen, arbeite mit Gruppen, fordere dich sprachlich heraus, damit du eine konstante Rückmeldung hast wo es noch hängt, aber auch, was du dir schon erarbeiten konntest und um dir die Chance zu geben souveräner zu werden beim Sprechen vor und Handeln in verantwortlicher Position mit Gruppen. Alles Gute!

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

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