Korrekturfach und Sozialleben

  • Wow, 116 Beiträge nach nur 24 Stunden - muss ein brisantes Thema sein.


    My two cents:


    1. Offensichtlich freue ich mich immer noch in angemessenem Maß über meinen korrekturfreien Klinikschuljob. Es wäre auch unangemessen, über die paar hundert Euro weniger Gehalt zu jammern, die ich einstreiche - ich weiß, dass ich mit D/E am Gymnasium nicht nur kurzsichtig war bei der Fächerwahl, sondern auch in immer weiter zunehmendem Maß die Arschkarte gezogen hätte.
    2. Wenn ich aber lese, dass die Klausuren des TE - und das in einem PullerNebenfach wie Geo!! - angeblich 25 Seiten lang sind, beschleichen mich Zweifel. 25 Seiten?? So viel hat kein mir bekannter Kommilitone in den "großen" 5-stündigen Klausuren fürs erste Staatsexamen gefüllt (22 Seiten waren da der Rekord). Erst recht habe ich das im Abi nie erlebt. Meint der TE vielleicht (die wohl nur in NRW bekannten) "Spalten"? Selbst dann wäre das exorbitant viel. Rechnen wir doch mal: 25 Seiten bei 5 Stunden AZ sind 12 Minuten pro Seite. Und da ist noch keine Aufgabenstellung gelesen und noch keine Sekunde über die Antwort oder die druckreife Formulierung derselben oder ihre Gliederung nachgedacht. Und noch kein Schluck getrunken oder gegessen oder wieder entsorgt. Notabene: Ich bin kein Geo-Lehrer - aber ich würde sehr gern mal so eine Aufgabenstellung sehen, über die man sich überhaupt 25 Seiten lang auslassen kann. Da ist ja manche Uni-Hauptseminararbeit kürzer.
    3. Was ist nun dem TE konkret zu raten - vorausgesetzt, er will sich raten lassen und sich nicht nur ausheulen (sorry, aber den Eindruck hat man hier nun mal oft)?
      • Erfasse Deine für die Korrekturen aufgewendete Arbeitszeit sehr genau. Achte darauf, die von Deinem Dienstherrn vorgegebene Wochenarbeitszeit von 41 Stunden im Durchschnitt nicht wesentlich zu überschreiten.
      • Halte Deine Kollegen an, es Dir gleichzutun.
      • Überstunden aka Mehrarbeit ist im beamtischen System grundsätzlich nicht erwünscht und muss eigentlich explizit angeordnet werden. Versuche, die 41 Stunden zumindest grob einzuhalten. Wenn Du am Samstagabend merkst, dass Du schon 55 Stunden gearbeitet hast, aber immer noch Arbeit ansteht, rufe Deinen Schulleiter an und lass Dir die Mehrarbeit explizit anweisen. Kündige dieses Vorgehen vorher an. Weigert er sich, ist die Arbeit für diese Woche beendet. Du fängst dann am Montag wieder an, die Arbeitszeit zu erfassen. Achte darauf, diese belegen zu können! Du solltest wirklich notfalls sagen können: "16.40 bis 22.30: Korrektur der Geo-LK-Klausur vom 23.11.19, Arbeiten von Mustermann, Doofheinz und Gummibär; 22.30 bis 23.30 Vorbereitung von Stunden x und y in Klasse a und b"
      • Scheue Dich nicht, Überlastungsanzeige zu stellen. Auch hier gilt allerdings das in 3. gesagte.
      • Was Dir hier über effiziente Arbeitsorganisation gesagt wurde, scheint mir nicht ganz abwegig. Aber das musst Du selbst wissen.


    PS. Gerade auf der Firefox-Startseite angezeigt bekommen: "Viele Unternehmen unterschätzen die Risiken" [der bald ja flächendeckend vorgeschriebenen AZ-Erfassung]

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Ich habe auch mal grob überschlagen, bei zwei sog. "Korrekturfächern" in TZ (74% --> ich habe 1 Klasse Unterstufe, 1 Klasse Mittelstufe und einen OS-Kurs, der jetzt Abi macht) und komme - geschätzt - auf ca. 120 Stunden pro Schuljahr an Korrekturzeit für die schriftlichen Leistungserhebungen (also Schulaufgaben, Exen, Klausuren, Kurzarbeiten - ohne Hausaufgaben, Übungsaufsätze und Abitur!). Das sind bei 38 Schulwochen gut 3 h pro Woche im Schnitt (natürlich gibt es Wochen mit 20 h Korrektur und Wochen mit 0 h Korrektur). Aber es erscheint mir nicht allzu viel, muss ich ehrlich zugeben.

    Vorteil bei den Fremdsprachen sind natürlich Aufgabenformen wie Lese-/Hörverstehen. Das ist aufwändig in der Vorbereitung, aber super schnell zum Korrigieren.

  • Aber Vor-Examen habt ihr Lehrer nicht gemacht in NRW..? ;)

    Ich bin nicht in NRW...

    Eine Abiturklausur schreibt man als Normalbürger (zum Glück!) nur einmal.

    Die Abiturklausur ist ein völlig willkürliches und atypisches Prüfungsformat, das nichts mit Problemstellungen der realen Welt zu tun hat. Sie ist eine Theateraufführung.

    Es ist extrem wichtig, Kandidaten, die nur einmal im Leben mit dieser Theateraufführung konfrontiert werden, darauf auch vorzubereiten.

    Die Generalprobe des Schauspiels "Abiturklausur" ist die Vorabi-Klausur.

    Um meine Schüler bestmöglich aufs Abitur vorzubereiten, brauch ich keine Vorabi-Klausur.


    Wenn es um die zeitliche Einteilung bzw. eine "Strategie" geht, kann ich meinen Schülern jederzeit Empfehlungen aussprechen. Je nachdem welche Note sie anstreben, können sich diese Empfehlungen auch unterscheiden. Einem Schüler, der die 15 NP anstrebt, werde ich andere Empfehlungen geben als einem Schüler der um die 5NP kämpft...


    Was die Aufgabentypen betrifft: Bei mir hat jede Oberstufenklausur in der 12. und 13. Klasse Prüfungsformat. Jede. Halt heruntergebrochen auf 90 Minuten Bearbeitungszeit. Meine Abiturschnitte weichen immer nur sehr wenig von den Klausurschnitten ab. Gelegentlich hatte ich auch schon bessere Abiturschnitte als Klausurschnitte... Meine letztjährigen 13er zum Beispiel hatten in Englisch Klausurschnitte um die 8NP. Im Abi waren es 9,9NP. (Haben sie wohl doch noch was getan zum Ende hin... ;))


    Ich selbst habe keine einzige Vorabi-Klausur geschrieben als ich Abitur gemacht habe. Keine einzige. Und ich bin sehr froh drum. Zweimal 5,5 Stunden Deutsch-Klausur brauche ich keine zwei Mal... Ich hatte in Mathe 15NP, in Englisch 14NP, in Chemie 12NP und in Deutsch 13NP.


    Also wie gesagt, ich sehe den Sinn hinter diesen Vorabi-Klausuren immer noch überhaupt nicht. Und zu einer optimalen Abivorbereitung sind sie meiner Meinung nach schon gar nicht nötig. Wer in meinen Klausuren regelmäßig zweistellig geschrieben hat, der wird auch im Abi ein zweistelliges Ergebnis erwarten können. Klar, einen schlechten Tag kann man immer mal haben. Aber erfahrungsgemäß hat sich diese Aussage bis auf wenige Ausnahmen bewahrheitet bisher.

  • "Ich habe dem LK, der Ende nächster Woche schreibt, bereits vor einer Woche verkündet, dass die Rückgabe erst nach den Osterferien erfolgt. Das wurde auch so akzeptiert"

    In Hessen leider nicht möglich. Wir haben gemäß Verordnung nur max 3 Wochen Zeit

  • Und was passiert, wenn man dann nicht fertig ist? Nichts, nehme ich an.

    In NRW gibt es so einen Erlass auch, da steht aber das Wort "soll" drin.

    Es passiert auch nichts. Es gibt bei uns viele Korrekturlehrer, die es nicht innerhalb der 3 Wochen Frist schaffen. Wie auch?

    Einige nehmen sich auch bewusst in den Ferien eine Auszeit und machen dann nach den Ferien weiter. So what?


    Einzige absolute Deadline:

    - Die Noten müssen bei den Zeugniskonferenzen fest stehen (nicht etwa bei der Abgabe der Noten!). Relevante "Kandidaten" (bei denen es um die Versetzung geht, schaut man bei Zeitknappheit etwas früher durch, um bereits bei der Notenabgabe eine Tendenz abzugeben.)

    - Unser Oberstufenkoordinator bittet immer darum, dass wir bei den letzten Noten der Q2 (also jetzt vor Ostern) nach Möglichkeit nach Abgabe der Noten nichts mehr ändern, da ansonsten die Zulassungsberechnungen, die bereits mit der Notenabgabe erfolgt, noch mal gerechnet werden müssten. Wenn wir sie aber dennoch bis zur Konferenz ändern, sagt er auch nichts (zumal das ja i.d..R. nicht am laufenden Band passiert).

  • Was mich interessieren würde:

    Müsst ihr in BY und BW auch mündliche Simulationsprüfungen machen?


    Und nein! Vorexamen machen wir nicht.

    Und unsere Schüler weichen i.d.R. auch nicht großartig von ihren Vornoten ab (in Ausnahmefällen schon, klar).

  • Müsst ihr in BY und BW auch mündliche Simulationsprüfungen machen?

    Das ist jetzt aber kein Fachausdruck, oder? Gemeint ist so etwas wie eine Vorabi-Klausur (die es in Bayern nicht gibt)? Ansonsten entschuldige ich mich und kichere nur heimlich.

    Also: Nein, keine mündlichen Simulationsprüfungen.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Simulationsprüfung:

    In jedem Fach, in dem man Schüler sitzen hat, die bei einem Abitur machen (1. bis 4. Abifach) müssen wir solche Simulationsprüfungen machen im Unterricht.

    Wir müssen den Schüler (angekündigt zu einem Thema x) einen ersten Teil geben, den er in einer halben Stunde vorbereiten und dann vorstellen soll (dem Kurs, ...) Als Fachlehrer schreibt man mit. Max. Rededauer wäre dann 10 bis 15 Minuten (eben wie im richtigen Abi auch).

    Anmerkung: Streng genommen ist diese halbe Stunde Vorbereitungszeit nicht. Man könnte einen Schüler theoretisch auch bitte, eine Aufgabe in Stillarbeit zu erledigen und dann vorzustellen. Ich nutze aber immer eine halbe Stunde Vorbereitungszeit + 10 bis 15 Minuten Redezeit.


    Dann müssen wir noch den 2. Teil simulieren (heißt: Fragen zu mindestens einem anderen Thema stellen, Prüfungsgespräch, so wie es im richtigen Abi auch wäre). Im Idealfall macht man das auch (wie im richtigen Abi 10 - 15 Minuten, weniger ist jedoch erlaubt).


    Die Schüler sollen lernen, wie eine echte Prüfung aussehen kann (4. Abifach = mündlich oder 1. bis 3. AF Bestehens-/Abweichungs-/freiwillige Prüfung zur Notenverbesserung).


    Müssen wir auch ins Kursheft eintragen, da es theoretisch ein Widerspruchsgrund sein kann (dem wohl stattgegeben wird), wenn ein Schüler z.B. im 4. AF noch nie eine solche Simulationsprüfung zumindest gesehen hat. Es reicht 1 Schüler pro Kurs, mit dem man diese Simulationsprüfung macht.


    Man muss sie im 2. HJ der Q2 machen. Wann genau ist einem freigestellt (könnte dieses Jahr spannend werden, wenn die Schule erst mal 2 Wochen Coronaferien macht).

  • Oh. Entschuldigung, ich fand den Namen aus kindischen Gründen lustig. - Nein, haben wir nicht. Ein Schüler pro Kurs, das heißt dann: ohne Note?

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Ich glaube, wenn ein NRW Lehrer, hier nach Bayern wechseln würde und andersrum, wäre derjenige erstmal permanent verwirrt :sterne:

  • Ich habe aktuell auch 5 Oberstufenkorrekturen, inklusive Vorabitur. Ich kann den Korrekturfrust gut nachvollziehen, zumal Erdkunde wirklich unterschätzt wird. Wieso das so ist, weiß ich nicht, aber ich brauche für die Korrekturen in Geo tendenziell länger als für Englischklausuren.


    Meine Strategien:

    • EWHs so grob wie möglich formulieren, sonst sucht man sich in den Klausuren dumm und dämlich nach allen aufgeführten Teilaspekten und macht sich angreifbarer
    • jede Klausur wird nur 1x in die Hand genommen
    • ich nehme jeden Tag 3-4 Klausuren mit in die Schule und korrigiere auch in den Pausen weiter oder im Unterricht, wenn Schüler in Arbeitsphasen sind. In Vertretungsstunden sowieso.
    • ergänzend zum vorherigen Punkt schaue ich bei der Unterrichtsplanung, dass möglichst viele Klassen und Kurse jetzt aktuell mit eigenständigem Arbeiten versorgt sind - Referate vorbereiten, Stationenlernen, etc., so dass ich 1) zu Hause möglichst wenig vorbereiten muss, und 2) in den Stunden Luft zum Korrigieren habe
    • ich versuche, auf Anmerkungen und lange Erläuterungen möglichst zu verzichten (liest eh kaum einer), sondern biete Besprechungen bei Unklarheiten zur Korrektur an


    Ich denke, es gehört zur Realität im Job, dass in Stoßzeiten das Privatleben ein wenig leidet. Dafür haben wir aber eben auch andere Phasen, in denen wir überdurchschnittlich viel freie Zeit haben.



    Meine Tinderdates nehme ich trotzdem wahr... man muss eben Prioritäten setzen^^

    Ich arbeite allerdings auch unter der Woche abends bzw. habe generell keine festen Zeiten. Wenn ich mich aufraffen kann, korrigiere ich, wenn nicht, eben nicht. Ehrlicherweise läuft es am Ende meistens auf Akkordnachtschichten und ungesunde Kurzschlafphasen für 1-2 Wochen hinaus, aber auch das sind ja überschaubare Zeiträume.


    Was mir allerdings wirklich mal ernsthafte Sorgen macht, ist mein mitten im Abitur liegender Umzug + Renovierung..

  • Ich sitze heute schon seit 10:00 am Schreibtisch und korrigiere Vorabi :(

    Meine Familie war bei Amateur-Musical. War wohl ganz schön. Jetzt machen sie Abendessen und ich brauche bloß noch essen.

    So sieht ein WE als Lehrer aus :( :( :(

  • Ich hab heute trotz 28 Klausuren auf dem Tisch einfach den Geburtstag meiner Tochter gefeiert. Prioritäten müssen sein. Dafür werden die Kinder nächste Woche halt 3 Tage bis 16Uhr in der Kita bleiben (an 2 Tagen ist Schwimmen, da hole ich eins und Oma eins um 14.00 -> Prioritäten).


    Wenn ich den Stapel vor Freitag nicht schaffe, gehen die Vorabiklausuren (hab 3 GKs) aber Vor, die müssen 11 Tage später eingetragen werden und den Geburtstag meiner Schwester will ich auch frei haben.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

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