Token

  • Ich wollte mal fragen, wer von euch im Alltag Tokensysteme irgendwelcher Art nutzt und was ihr daran gut/schlecht findet.


    Ich frage deshalb, weil eine Klasse sich Fleißpunktesysteme gewünscht hatte und mich nervt das nach einem Tag schon. Die Kinder, die eh schnell arbeiten, Zusätzliches bisher wie selbstverständlich oder gar freudig erledigt haben, geiern plötzlich nach Stempeln für jeden Handschlag...

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    • Offizieller Beitrag

    Strafpunkte mit Edding auf die Stirn.


    Nein, im Ernst: In meiner alten Schule war das DAS ALLERTOLLSTE ÜBERHAUPT und wurde permanent von allen Seiten, insbesondere den Sonderpädagogen empfohlen. Ich fand es nur nervig: Ständig alle Kinder und alle Namen im Blick haben... während ich mir dann Notizen machen, giggeln zwei rum, die anderen beschweren sich, dass die dann troztdem einen Smiley bekommen, weil ich es nicht gesehen habe. Die Steigerung des ganzen ist eine Ampel, an der alle Namen hängen. Bei kleinsten Verstößen wird der Name (einer von 28) auf Gelb gehängt. Wenn es gut klappt, wieder auf grün. Wenn es nicht gut klappt, auf rot mit der Konsequenz der Erziehungsmaßnahme "Dudu" (erzieherisches Gespräch). Ich war anfangs 20 Minuten pro Stunde mit dem Suchen und Umhängen der Namen beschäftigt, später waren es durch den Lerneffekt nur noch 12, aber es war superstressig.

    Dazu pro Tag 25 min mit der individuellen Auswertung (Wie? Ich sollte mein Hausaufgabenheft mit nach vorne bringen? Wie, ich muss das aufschlagen? Wie finde ich die Woche?), dem Malen/Stempeln/Kleben von Smileys für den Tag und dem Schimpfen, weil dabei einige anfingen, unter den Tisch zu fallen.


    Und dann eben dieses Gieren nach den Dingern. Da wurde sich dann exakt an "die Regel der Woche" gehalten und alles andere falsch gemacht, da das aber nicht Beobachtungsschwerpunkt war ("Kinder können so viele Regeln auf einmal nicht erfassen") musste ich dann trotzdem den Smiley geben.

    Zwischendurch immer wieder diese individuellen Pläne für Verhaltensoriginelle. Das waren dann auch schon mal 9 Pläne pro Klasse, das schaffe ich persönlich nicht und die Sonderpädagogin lachte dann immer herzlich über mich.


    Ich habe mit dem Schulwechsel vergessen, dass es sowas gibt und ich will mich jetzt vom Token-Trauma mal eine Weile erholen.

  • Danke! Oh man, bei einen Beschreibungen weiß man manchmal nicht, ob man lachen oder weinen sollte :grimmig:

    Verhaltensauswertung wollte ich gerade noch ergänzen, die ist bei vielen Förderschulkollegen beliebt. Der Vorteil ist das Visualisieren, sie sehen sofort, wenn sie "auf gelb" rutschen. Aber ich sehe auch so viele Nachteile, z.B. den "Dressurcharakter", in fremden Klassen wird man auch von irgendwelchen Kindern regelrecht angeschrien: "jetzt müssen Sie Jason auf rot machen!!!"

    • Offizieller Beitrag

    Ich war mal zur Vertretung in einer Klasse, die Kollegin ging zur Fortbildung und übergab mir kurz 6 Verhaltenshefter mit dem Hinweis, dass die Namen auf dem Sitzplan stünden. Später sah ich, dass da weitere 9 Hefter unter dem Klassenbuch lagen. Ich kannte kein einziges Kind der Klasse, der Sitzplan passte nicht, sodass ich die meisten nicht mit Namen ansprechen konnte. Zwei brüllten mich an, weil ich das Hausaufgabenheft haben wollte, wo doch ihr Hefter vorne lag, sagten mir aber Spaßnamen. Irgenein verlässliches Kind schien es nicht zu geben, alle pubertär (5. oder 6., weiß nicht mehr). Später erfuhr ich, das da noch eine weitere Klasse aufgeteilt drin war und daher nichts stimmte, die Kollegin hatte vergessen, mir das zu sagen. (Ich mein, verständlich, nur dann funktioniert eben dieses System nicht.)


    Derzeit hat eine Musikklasse so eine Smileytafel. Da müsste ich immer noch mit nach unten gehen in den Klassenraum und dort die Dinger auf Rot drehen und dann herumdiskutieren, warum einzelne herumgedreht wurden und andere nicht.


    Es ist vermutlich praktikabel, wenn man wenige Schüler hat und den ganzen Tag nur in seiner Klasse ist und genug Zeit neben dem Lehrplan hat (Musik? Kunst? Sachunterricht? Zusatzunterricht? Deutsch? Mathe?), um alles immer auszuwerten.

    Ich meine mich aber an einen Artikel zu erinnern, dass das die intrinsische Motivation reduziert.

  • ...und am Ende finden es immer welche ungerecht, weil Kevin doch....und trotzdem einen Stempel bekommt :schreien:

    Bist du auch immer ungerecht? Ich auch, ich bin immer, immer, immer ungerecht. (Lehrersein ist wie Moderatorsein:zahnluecke:)


    Im Ernst, das zeigt doch, dass sie mehr mit den Stempelkriterien und Rechtfertigung beschäftigt sind als mit ihrem Verhalten. Aber irgendwo existieren doch Studien, wie effektiv das ganze ist. Was wurde denn da gemessen?

  • Ja, ich bin immer ungerecht. :) Wenn sich jemand verbessert und sehr anstrengt würde er auch einen Stempel bekommen, obwohl er nicht so perfekt wie Klein-Klara ist. Alles unfair!:traenen:

  • Unfair ist auch, dass...

    - Justin zuerst beleidigt hat

    - Jennifer auch reingeredet hat

    - Pascal gerade gar nichts gemacht hat!!! Hallo?!?!! Gaaar nichts!!

    - immer nur Jason ermahnt wird

  • Ich bin bekennende Förderschullehrerin und bekennende Token-System-Befürworterin. In meiner aktuellen Klasse als auch in allen andren, die ich parallel zu meiner habe oder jemals hatte (und das sind doch eine Menge) hat sich das System bewährt. Selbstverständlich gibt es bei mir kein Gemaule, dass der doch auch und jeniger sowieso und so weiter. Ich bin das Gesetz ;) und das funktioniert auch. Anders macht es tatschlich keinen Sinn.

    Ich habe eine Art "Ampel", in meinem Fall 4 Karten, eine grün, dann gelb, dann rot, dann blau, ca. Handflächengroß und dann je Schüler eine benamte Wäscheklammer. Diese Karten liegen bei mir am Pult, da ich das öffentliche Ausstellen von Ermahnungen auch nicht gut finde. Ich hebe im Fall des Falles die entsprechende Farbkarte hoch und sage dann "XY, du kommst jetzt auf gelb" - zB.

    Diese Karten kann ich in die Fachräume mitnehmen, wo Eskalationen häufiger sind.

    Wer bei mir 2h auf grün bleibt, bekommt einen Punkt. Für 5 Punkte gibt es einen Stern. Für 5 Sterne darf man in die goldene Kiste fassen. Zudem verteile ich Punkte für morgendliche Pünktlichkeit, HA-Erledigung und "Extra", einfach so spontan, wenn zB alle rumschreien und einer leise bleibt oder einer sich toll entschuldigt oder wenn alle leise arbeiten oder oder.

    Wer bei mir auf blau kommt, erhält eine individuelle Konsequenz.

    Zudem hat jeder Schüler ein Kärtchen am Tisch kleben, auf dem indivduelle Ziele stehen, wie zB "Ich beachte die Melderegel" oder so, da gibt es maximal 10 Punkte, dann darf das Kind in die Belohnungskiste.

    Ich habe 12 Schüler und da klappt das.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Hallo Samu!


    Ich habe nach langem Überlegen Murmeln genommen. Jedes Kind hat ein Glas. Die Gläser stehen nicht einsehbar für die Kids vorne. Wir reflektieren meistens vor jeder Pause, also nach 2 Schulstunden. Das klappt auch schon mit meinen Erstis! Bei einer bestimmten Anzahl von Murmeln gibts einen Aufkleber, bei x Aufklebern was aus der Schatztruhe. Und es wirkt! Jedes Kind hat zudem ein individuelles Ziel auf den Tisch, das auch reflektiert wird (x mal melden, zügig umziehen,...). Ich nehme allerdings auch keine Murmeln weg!

    Wir arbeiten an der Schule gerade auch daran, ein einheitliches System für die ganze Schule zu entwickeln, dass Vertretungskräfte sich besser orientieren können!

    Lg Lala

  • Also, ich habe immer irgendwie Schwierigkeiten damit Kinder für Selbstverständlichkeiten zu belohnen.

  • Es sind eben bei uns keine Selbstverständlichkeiten, vielleicht ist das der Unterschied zur Regelklasse.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • An meiner neuen Schule wird das auch gemacht, sowohl das Ampelsystem als auch die individuellen Stempel auf irgendwelchen bunten Zetteln.

    Ich halte davon gar nichts und weide meinen "Ach-die-kommt-ja-von-der-Realschule"-Deppenbonus weidlich aus.

    Ich habe da nicht die Zeit und die Ruhe für, Punkt. :weissnicht:

  • Melden ist schon eine Selbstverständlichkeit. Dass sie es manchmal nicht tun bedeutet nicht, dass man das Tun dann mit Schatzkisten belohnen muss...


    Wer richtig verhaltensauffällig ist, der hat doch sowieso andere Probleme als "Melden auf Kommando". Irgendwie bin ich da echt zwiegespalten...

  • Ein paar nette Sternchenaufkleber und Belobigungsstempel für schulische Ergebnisse habe ich noch. Die werden ganz selten eingesetzt, meist nur in Klasse 1/2 un dann auch nicht für "Selbstverständlichleiten" wie Hausaufgabe erledigt oder so. Was das Sozialverhalten angeht: Unser Regel- und Ampelsystem mit gelben und roten Karten funktioniert bei nicht erwünschtem Verhalten ziemlich gut. Und vorbildliches Verhalten wird offen mündlich gelobt, und nicht mit Gimmicks.

  • Wo hier von Selbstverständlichkeiten gesprochen wird: In meiner Klasse mit 12 Schülern machen genau 2 Schüler immer ihre Hausaufgaben. 2, die im Heim sind, machen sie meistens, der grpße Rest hin- und wieder und 2-3 sehr gelegentlich.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Eine Kollegin von mir benutzt in ihrer Klasse auch Smileys, die es bei gutem Arbeits- und Sozialverhalten einmal wöchentlich gibt und die auf ein Plakat geklebt werden. Dort durfte sich zu Schuljahresbeginn jeder SuS mit einem "Nickname" eintragen. Neulich habe ich mitbekommen, dass eine Schülerin einem Klassenkameraden, der noch gar keinen Smiley erhalten hat, aus lauter Mitleid einen ihrer Smileys aufgeklebt hat. Klappt also auch nicht sooo toll!

    Das Regel- bzw. Ampelsystem mit gelber und roter Karte gibt es in dieser Klasse übrigens auch und das funktioniert gut.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

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