Bin ich zu gemütlich?

  • Eine schwierige Frage, aber ich stelle sie mir schon oft. Ich habe schon im Ref geguckt, wo ich gut mit meinen Ressourcen sparen kann und bin da sehr stressfrei und trotzdem mit 1er schnitt rausgelaufen. Aber jetzt habe ich manchmal Zweifel an meiner Arbeitsweise. (2. Jahr nach der Ausbildung, volle Stelle)


    - Ich nutze viel Material von Schulbuchverlagen, ändere hier und da mal einen Arbeitsauftrag, aber gieße in der Regel vorgefertigtes Material in eine Stundenform.

    - Manchmal sind mir die Schulbücher zu ungenau/knapp, dazu bastle ich dann selbst ergänzendes Material.

    - Ich mache in der Regel Standardstunden ohne große Experimente.

    - Ich versuche 1-2 Stunde pro Woche schönere Stunden zu machen, wenn mir das Thema wichtig ist oder ich für die SuS Abwechslung reinbringen möchte.

    - Ich bringe mich in einen Zusatzbereich im Schulleben ein und das reicht mir auch. Ich hab angst, dass ich mich sonst übernehme und mich die Schule auffrisst.

    - Ich habe extrem viele Korrekturklassen und mache daher kurze, aber anspruchsvolle Klassenarbeiten/Klausuren.

    - Ich setze mir schulfreie Zeiten (nicht nach 18 Uhr arbeiten, nicht am Wochenende) und lasse sehr rigoros den Stift fallen.



    Dies sind so ein paar Punkte, die mir einfallen. Kommt euch das zu gemütlich vor oder schaffe ich es einfach mich von dem Job abzugrenzen? Ich mag den Job, will aber auch nicht mit Haut und Haaren von ihm gefressen werde und sehe, dass das leicht passieren kann. Ich merke aber auch, dass der Grad zwischen Abgrenzung und Faulheit recht schmal ist... daher bin ich mir oft unsicher, ob ich meine Arbeitsweise so vertreten kann.

  • In nuce: Kannst Du. Klingt nach einer sehr gesunden Herangehensweise an den Job.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Mir geht es ähnlich wie dir, symmetra! Ich habe vor einigen Jahren sogar meine Stunden gekürzt, weil ich das Gefühl hatte, überlastet zu sein, obwohl ich mir auf der anderen Seite manchmal auch eher "gemütlich" - wie du es so schön nennst - vorkam. Diese wenig "aufopferungsvolle" Herangehensweise an den Lehrerberuf und die Stundenkürzung haben auch bei mir Gewissensbisse verursacht, aber mittlerweile habe ich festgestellt, dass mir mein (Arbeits)leben so, wie es momentan ist, gut tut. Außerdem erwartet keiner von uns, das Rad neu zu erfinden hinsichtlich der Unterrichtsgestaltung etc. Es bringt doch nichts, sich für den Job aufzureiben. Wir haben alle nur ein Leben, von daher sollten wir es ohne schlechtes Gewissen genießen!

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Ich habe einige Jahre gebraucht, um mich auf so einem gesunden Level einzupendeln. Das hört sich nach einem guten Tempo an, um den Marathon eines ganzen Arbeitslebens produktiv durchzuhalten!

  • Was für dich gesund ist, musst du - wie jeder - selbst herausfinden. Es gibt kein pauschales "zu bequem" oder "zu hyper". Vorzugsweise macht dir dein Job Spaß und du fühlst dich wohl dabei und bekommst deinen Alltag ohne andauernden Stress geregelt. Ist das der Fall, passt doch alles.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Du machst alles genau richtig! Du hast verstanden, dass man das Rad nicht neu erfinden muss. Ich habe leider Kollegen, die das in 20 Jahren Berufserfahrung nicht verstanden haben. Entsprechend oft fallen sie auch aus.


    Mach weiter so :)

  • Das passt schon so, keine Sorge. Ob man gut mit Schulbüchern arbeiten kann, das hängt sehr vom Fach ab. Für Chemie gibt's in der Schweiz halt keines, das so wirklich zu den Anforderungen am Gymnasium passt, drum hab ich in den ersten Jahren extrem viel Material (eigentlich alles ...) selbst geschrieben. Das ist jetzt optimiert und vieles davon kann ich jedes Jahr einfach genau wieder gleich benutzen. Für die 1. und 2. Klassen bereite ich keine einzige Stunde mehr vor, da mache ich im August das neue Skript fertig, gebe es in die Kantonsdruckerei und dann wird damit halt gearbeitet. Vor der Stunde werfe ich mal einen Blick ins OneNote, wo waren wir gleich letzte Stunde hängen geblieben, dann koch ich mir nen Tee und dann kann's losgehen. Ich mach mir relativ viel Arbeit mit den Projekten und Praktika in der 3. Klasse im Schwerpunktfach, aber so gross ist da der Mehrwert für die SuS schlussendlich auch nicht. Ich mach das, weil ich Spass dran hab. Wenn man das alles sparsamer machen würde, dann hätten die am Ende auch genug gelernt. Wir haben zwei neue junge Kollegen, die ständig mit irgendwelchen fancy Experimenten rummachen, die dann eh nicht funktionieren, die lache ich unterdessen nur noch aus dafür. Stunden um Stunden Zeit verschwenden für Zeug das 1. nicht funktioniert und 2. keine erkennbaren didaktischen Mehrwert hat, so was fällt nur überambitionierten Berufsanfängern ein. Was Engagement für die Schule als Ganzes betrifft, da habe ich mich unterdessen auch recht zurückgenommen. Vieles hat mich zu Beginn einfach interessiert, dann hab ich letztes Schuljahr aber gemerkt, dass es echt viel wird, bin zur Schulleitung und habe verkündet, ich trete aus einer grossen AG jetzt wieder aus. Fertig. Da muss man kein schlechtes Gewissen haben und bei uns sagt die SL da auch nichts, die sehen ja, dass ich meinen Job ansonsten ordentlich mache und im Konvent immer noch Protokoll schreibe.

  • Ich würde mich nicht als gemütlich beschreiben, aber arbeite dennoch so ungefähr wie du. Es gibt teilweise auch wirklich schönes vorbereitetes Material, wir wären ja schön blöd, das nicht zu nutzen!


    Und "Experimente" mach ich in meinen Fächern sowieso eher selten, eher mal etwas "Freies", wo sie kreativ sein sollen, das finden sie gut, aber es braucht häufig nicht so viel Vorbereitung.


    Ich find's gut so wie es ist :)

  • Kommt euch das zu gemütlich vor oder schaffe ich es einfach mich von dem Job abzugrenzen?

    Für mich hört sich das nach einer guten Balance an.


    Nur weil Du im Gegensatz zu sog. "engagierten" Kollegen noch kein Burnout hast, heißt das nicht, dass Du etwas falsch machst. Ganz im Gegenteil!

  • ... im Gegensatz zu sog. "engagierten" Kollegen noch kein Burnout hast...

    Korrekt. Die "Überengagierten" entwickeln entweder etwas seltsame Persönlichkeiten im Laufe der Zeit oder "flüchten" sich regelmäßig in Teilzeit und / oder Sabbat-Jahr.


    Deshalb auch meine Empfehlung: So Weitermachen!


    Gruß !

  • @symmetra: Völlig korrekte Einstellung. Ist aber leider selten bei Berufsanfängern.

    Religion, eine mittelalterliche Form der Unvernunft, wird, wenn sie mit modernen Waffen kombiniert wird, zu einer echten Gefahr unserer Freiheiten. (Salman Rushdie)

  • Wenn du mit dieser Einstellung insgesamt mit deinem Unterricht zufrieden bist und die SuS auch - dann sehe ich keinen Grund, etwas zu ändern.

  • Es ist so wichtig, auf sich zu achten und sich nicht zu übernehmen. Du wirst da noch für Jahrzehnte gebraucht. Ich betrachte Kolleginnen und Kollegen als allzu bequem, die nach 10 Jahren noch immer dieselben schlechten Kopien zusammenschnipseln, im Unterricht ständig Filme zeigen, zu spät in den Unterricht kommen, aber dafür früher gehen ... und ganz nervig finde ich Unzuverlässigkeit und Jammerei.


    Hört sich bei dir alles nicht danach an. Warum glaubst du, dass du zu gemütlich bist?

  • Hallo Symmetra


    deine Gedanken kann ich gut nachvollziehen, meine sind oft sehr ähnlich. Ich bin jetzt im 3. Jahr nach dem Studium und habe mich auch schon gefragt, ob ich zu wenig mache. Laut Feedback von aussen (Schulleitung, Kollegen, Eltern,...) mache ich wohl alles richtig und doch denke ich immer wieder, "ja das was ich mache ist ok, aber ich könnte noch mehr". Es ist bei mir so schwankend, auf der einen Seite weiss ich, dass ich genug tue, auf der andere ist da immer der Gedanke "aber ich könnte doch noch das und jenes". Dazu kommt einen Kollegin, die an unterrichtsfreien Nachmittagen locker bis abends weiterarbeiten kann. Da frage ich manchmal, mache ich was falsch? soviel habe ich dann doch selten zu tun.


    Tut irgendwie gerade gut zu hören, dass es anderen auch so ähnlich geht :engel:

  • Liebe Community, vielen Dank für die Einschätzungen und die Rückmeldungen! Das beruhigt mich etwas, denn das Thema ,,Arbeitsbelastung'' ist ja ein Dauerbrenner in diesem Beruf...

    Ich habe einige Jahre gebraucht, um mich auf so einem gesunden Level einzupendeln. Das hört sich nach einem guten Tempo an, um den Marathon eines ganzen Arbeitslebens produktiv durchzuhalten!

    Freut mich, das von dir zu lesen. Ertappe mich dabei, wie ich deine Posts auch innerlich oft abnicke in Bezug auf Arbeitsbelastung und Engagement ;)


    Was für dich gesund ist, musst du - wie jeder - selbst herausfinden. Es gibt kein pauschales "zu bequem" oder "zu hyper". Vorzugsweise macht dir dein Job Spaß und du fühlst dich wohl dabei und bekommst deinen Alltag ohne andauernden Stress geregelt. Ist das der Fall, passt doch alles.


    Das finde ich prinzipiell auch. Allerdings fühle ich mich noch nicht sicher genug, um meine Balance einzuschätzen. Wenn mir jetzt die Community teilweise oder überwiegend zurückgemeldet hätte, dass ich den Beruf nicht ernst genug nehme, dann hätte ich mir definitiv Gedanken gemacht.


    Es ist so wichtig, auf sich zu achten und sich nicht zu übernehmen. Du wirst da noch für Jahrzehnte gebraucht. Ich betrachte Kolleginnen und Kollegen als allzu bequem, die nach 10 Jahren noch immer dieselben schlechten Kopien zusammenschnipseln, im Unterricht ständig Filme zeigen, zu spät in den Unterricht kommen, aber dafür früher gehen ... und ganz nervig finde ich Unzuverlässigkeit und Jammerei.


    Hört sich bei dir alles nicht danach an. Warum glaubst du, dass du zu gemütlich bist?


    Sagen wir mal so: Neben den Menschen mit gefühlt 10 Funktionen an der Schule lese ich eigentlich überall etwas von hohen Belastungen in dem Job. Arbeitszeiten von 50 Stunden pro Woche oder mehr als Regel. Das lese ich sogar manchmal hier im Forum.


    Ich kann diese Informationen so schwer einordnen. Übertreiben die Leute? Haben die schlechtes Zeitmanagement? Oder nehmen sie den Job einfach ernst und ich tue zu wenig? Ich zähle keine Stunden, aber 50 Stunden inkl. Nachtschichten und was ich alles höre/lese... da bin ich gefühlt weit von weg. Klar gibt es Belastungsspitzen mit Klausuren/Oberstufe und Konferenzen, aber einigermaßen klug gelegt und konzipiert lässt sich das Unheil ganz gut eindämmen. Und dann kommen eben auch wieder ruhige Wochen. Man hat ja doch recht viel in der Hand. Mir ist immer noch schleierhaft, wie Kollegen in diesem Beruf dauerhaft auf 50 Stunden pro Woche kommen, bei einigen ja sogar Ferien einberechnet.


    Manchmal unterstelle ich diesen Leuten auch, dass sie sich dem Berufsklischee des faulen Lehrers entgegenstellen wollen und dann mal kräftig in die andere Richtung dramatisieren.


    Davon mal abgesehen weiß ich vom Ref wie engagierter Unterricht aussieht, der gut durchdacht und vollständig durchgeplant ist. Das schaffe ich so in Vollzeit einfach nicht, ohne dass ich dabei einen an der Klatsche zu bekommen würde. Ich muss gestehen, dass mich das manchmal auch noch etwas nervt, aber wenn ich zwischen meinem Wohlbefinden und perfekter Planung entscheiden müsste, würde ich immer ersteres nehmen... denn ein Lehrer mit Klatsche hilft auch keinem.


    Funfact: An meiner Schule gibt es KuK mit vielen Funktionen. Der Stundenplan verrät mir, dass alle von ihnen Teilzeit machen. Aufschlussreich.

  • blöd ist doch immer, wenn es einem selbst nicht gut geht. Was die anderen machen sollten diese selbst entscheiden. Es sei denn, jemand beschwert sich über dich. Wenn nicht: lass doch teilzeiten und zusätzlich machen wie jeder lustig ist.


    Was in deiner Aufzählung fehlt sind Kinder, wer Kinder hat, organisiert wieder ganz anders, da ist nix mit 18 Uhr Schicht ;)


    Also so lang du ausgeglichen bist ist doch jut.

  • Arbeitszeiten von 50 Stunden pro Woche oder mehr als Regel. Das lese ich sogar manchmal hier im Forum.

    Höre ich auch öfter mal, beim Blick auf den Stundenplan der betreffenden KollegInnen kann ich solche Äußerungen dann aber häufig nicht nachvollziehen.

    Ich verbuche sowas dann unter: Klappern gehört zum Handwerk und einige übertreiben es halt ein bisschen.


    Ein bisschen ist das "Jammern" natürlich auch Eigenschutz, besonders vor dem Hintergrund, dass es einfach viel unsinnige Zusatzarbeit gibt bei der es nicht wehtut, wenn sie gar nicht gemacht wird (Evaluation des Schulprogramms in relativ kurzen Zeitintervallen z.B.). Bei uns schreiben ca. 20 KuK über einen Zeitraum von einem Jahr ein neues Schulprogramm, vieles in Sitzungen am Nachmittag/Abend. Für KuK, die nach der zweiten Unterrichtsstunde frei haben und 6 Zeitstunden auf die Konferenz warten müssen schon eine ganz schöne Belastung, zumal es kaum Arbeitsräume gibt.

    Warum nicht einfach das Schulprogramm Schulprogramm sein lassen und sich auf wichtigere Dinge konzentrieren?


    Man darf natürlich auch nicht zu viel jammern; kreuzen bei der jährlichen Evaluation der Zufriedenheit im Kollegium zu viele Leute an, dass sie zu stark belastet sind kommt die Schulleitung vielleicht auf die Idee, einen "Entspannt im Alltag" Thementag zu organisieren. Und wir kennen alle die Wahrscheinlichkeit, mit der diese Pflichtveranstaltung auf unseren freien Tag fällt (gefühlt 100%, realistisch sind grobe 20%). Oder noch besser, um Unterrichtsausfall zu vermeiden wird diese Veranstaltung von 15:00-20:00 Uhr angesetzt.. :pfeifen:

  • Es gibt die Leute, die sich selbst den Stress machen, dass ihr Unterricht innovativ, kreativ und individuell sein muss. Kann ich auch irgendwo nachvollziehen, da viele Lehramtsstudenten mit dem Studium mit dem Hintergedanken starten, es mal besser als mancher ihrer ehemaligen Lehrer zu machen. In vielen Fällen revidiert sich das dann im Laufe der Zeit, bei manchen hält es aber bis in die Berufstätigkeit an.

    Schwieriger finde ich da, wenn Druck seitens Schulleitung oder Kollegen kommt, diesen over-the-top Unterricht machen zu müssen. Das ist in der Sek II eher selten der Fall, aber durchaus in der Grund- und Förderschule. Und sich diesem peer pressure zu entziehen, ist dann doch nicht so einfach...

    Letztendlich muss man sagen, dass eine der Herausforderungen des Berufes es ist, die außerunterrichtlichen Aktivitäten innerhalb der vorgegebenen Zeit zu absolvieren, da alles, was über diese Zeit hinausgeht, unbezahlte Überstunden sind.


    Mit freundlichen Grüßen

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