Wie kann ich den Unterricht anders starten anstatt '' Was haben wir in der letzten Woche Stunde gemacht?''

  • Mal ganz ehrlich, wird man da nicht selber stumpf im Kopf? Wie kann man das da ertragen zu unterrichten. Frag man sich da nicht, warum man studiert hat? So, wie du die Leistungsfähigkeit deiner SuS beschreibst, benötigt man ja nahezu Null Fachwissen, sondern sollte eher Pädagogik pur studieren und seinen Master in Geduld machen.

    Ich habe mir den Beruf nicht ausgesucht, weil ich so heiß darauf bin, den lieben langen tag über meine Fächer zu palavern, sondern weil ich das pädagogische arbeiten mag. Ich ertrage das nicht nur, ich freu mich jeden Tag auf die Arbeit mit meinen "Knalltütchen". Ich hab kein gesteigertes Interesse an "Goethe und Schiller", ich habe ein Interesse daran, junge Menschen sozialverträglich und lebensfähig in die Arbeitswelt zu entlassen. Ob ich vier Wochen an einem arbeitsblatt mit meinen sus rumackere oder eine Lektüre in der Woche durcharbeiten kann - letzteres bringt mir gleich Null Mehrwert im Hinblick auf meine arbeitszufriedenheit. Und stumpf im Kopf wird man ganz und gar nicht, im Gegenteil - ich hab permanent Action, das kannst du glauben :tanz:

  • Da scheine ich ja im Referendariat Glück gehabt zu haben! Uns wurde ausdrücklich gesagt, dass wir unsere UBs nicht nur in den starken sondern möglichst auch mal in schwächeren Klassen machen sollen. Ich habe mal einen UB in einer BVJ-Klasse gemacht und wurde dafür ausdrücklich gelobt.

    An meiner jetzigen Schule wird auch darauf gedacht, dass die Refis nicht nur im BG eingesetzt werden. Sie sollen ebenfalls möglichst die ganze Bandbreite an SuS-Klientel "erfahren": vom Gymnasium oder der Fachoberschule über verschiedene Berufsschulklassen mit unterschiedlichem Niveau wie auch schwächere Klasse (Berufseinstiegsschule o. ä.).

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Bei uns wurden in Bezug auf die Lerngruppe selbst gar nichts in Richtung Leistungsfähigkeit gefordert. Das habe ich immer als sehr wichtig empfunden, weil man ja im echten Lehreralltag auch nicht wählen kann, ob man starke oder schwächere Gruppen hat.


    Allein verschiedene Lernjahre bzw. Unter-, Mittel-&Oberstufe mussten im Wechsel gezeigt werden.

  • Uns wurde ausdrücklich gesagt, dass wir unsere UBs nicht nur in den starken sondern möglichst auch mal in schwächeren Klassen machen sollen.

    Auch hier wieder (never-ending story): Interessant, die Unterschiede zwischen den Ländern. Ich habe einen bevorstehenden Unterrichtsbesuch (in Bayern offiziell nicht bewertet, sondern nur zur Beobachtung und Unterstützung, aber wir wissen ja alle um den Wert solcher Aussagen) immer daran erkannt, dass bei Unterrichtsbeginn der Seminarlehrer vor der Klassenzimmertür stand. Nix mit "Klasse aussuchen".

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • "Kreative" einstiege scheitern meistens daran, dass die SuS im Grunde null Transfer beherrschen. Man muss sie schon mit Gewalt mit der Nase auf thematische Zusammenhänge stoßen, damit sie sie überhaupt bemerken. Und wenn man sowas vorsagen muss, kann man sich das im Grunde fast schenken.

    Äh, ja. SuS haben Schwierigkeiten mit Transfer und müssen diese wichtige Kompetenz noch lernen. Das geht nur mit stetiger Wiederholung und viel Üben. Eine schöne Gelegenheit sind Unterrichtseinstiege, weil sie so natürlich im Stundengeschehen sind.


    Ich verstehe den frustrierten Ton nicht so ganz. Es ist doch nicht schlimm, wenn SuS was noch nicht können.

  • Schüler haben nicht per se Schwierigkeiten mit Transfer, das hängt auch mit ihrem Leistungsstand zusammen. Gerade in Klasse 4 ist es ja für den Übergang ein wichtiges Kriterium, ob Schüler Transfer im fachlichen Kontext können oder nicht. Schlimm ist das Fehlen von Transfer nicht, sonst würde keiner mehr den Job des Haupt- und Förderschullehrers mehr machen. Man muss halt den Unterricht so auslegen, dass er primär auf Reproduktion ausgelegt ist und da ist halt die Frage, inwiefern man das auch kreativ gestalten kann.

  • Ich nehme Hannelottis Ton nichts als frustriert wahr, sondern als pragmatisch. Mir fiel Hannelotti auch in ihren bisherigen Beiträgen nie als frustriert auf

    Pragmatisch trifft den Nagel auf den Kopf :top: Würde mich die Arbeit frustrierten, könnte ich sie nicht mit Freude ausüben. Meine sus frustrieren mich nie, das System dagegen schon. Es fehlt einfach ein 'Auffangbecken' für die vielen sus, bei denen es, gerade auch sprachlich, noch an jeder Ecke hängt und klemmt. Man muss einfach das beste draus machen. Transfer versuche ich so viel wie möglich einzuüben, aber dafür müssen erstmal ganz grundlegende basics vorhanden sein. Da halte ich mich lieber etwas länger stumpf am Reproduzieren, damit zumindest Überblickswissen hängenbleibt. Die Bildungsgänge sind im DQR auf Stufe 1, bestenfalls 2 verortet. Dh es geht hauptsächlich um Reproduktion, Überblickswissen und viel, viel Anleitung. Lieber lasse ich sus selbstständig etwas als "Einstieg" reproduzieren, als dass ich zugunsten eines Pseudotransfers quasi 100% vorkaue. Bei etwas leistungsstärkeren Klassen wähle ich ganz gerne auch mal passende Bilder als Einstieg. Bei den meisten meiner Klassen fehlt aber selbst dafür schlicht das Vokabular, so dass selbst das beschreiben eines Bildes nur mit Vorsagen möglich ist. Wenn ich mal zu viel Zeit habe, mache ich mir die Mühe und erstelle dann zu dem einstiegsbild eine vokabelliste. ZB eine passende wortsammlung zu "Die person auf dem Bild fühlt sich ...". Meistens reicht für solche Extras aber die Zeit nicht.

    Dazu kommt, dass meine sus hauptsächlich aus dem arabischen Raum sind. Die sind völlig anderen unterricht gewöhnt. Mit pädagogisch/didaktischen "Firlefänzchen" wissen sie erstmal gar nichts anzufangen. Gruppenarbeiten oder methoden müssen komplett von Adam und Eva neu eingeführt werden. Bis erstmal verstanden wurde, warum man überhaupt sowas wie Lernsituationen schafft oder in Gruppen arbeitet, vergeht eine ganze Weile. Und wenn man dann noch im Hinterkopf hat, dass man die sus nur ein Schuljahr lang unterrichtet, wird man recht pragmatisch bei der unterrichtsgestaltung. Muss man meiner Meinung nach sogar. Hätte ich den Anspruch, ref-tauglichen unterricht zu halten, dann würde ich wohl jede Nacht durcharbeiten und selbst dann wahrscheinlich in der Durchführung wirklich frustriert sein.

  • Dafür zu 100% mit meinen.


    Die Schülerschaft, die Hannelotti unterrichtet - und ich übrigens auch - ist in der Lehrerausbildungstheorie, wie ich sie kenne, quasi nicht existent.

    Da fällt mir gerade ein, dass sich mein FL sogar noch für den interessanten Einblick in meiner UB Stunde bedankt hat, denn laut seiner Aussage habe er eine solche Lerngruppe noch nie(!) live gesehen. Er unterrichtete selbst auch noch, aber natürlich nur die von ihm auserwählten Bildungsgänge:nein:

  • Die Schülerschaft, die Hannelotti unterrichtet - und ich übrigens auch

    Ich arbeite an einer Gesamtschule mit Standortfaktor 4, mir ist das nicht unbekannt, welche Schüler du meinst. Mir ist nicht ganz klar, inwiefern sie in der "Lehrerausbildungstheorie" (Was immer das ist) nicht existent ist. Nenne mal konkrete Beispiele, bitte.

  • Ich bin dankbar für meine Erfahrungen im Förderpädagogenseminar. Vielleicht liegen die Welten gar nicht zwischen den Bundesländern, sondern zwischen den Schularten? Bei uns ist es normal, dass Kinder etwas nicht verstehen und bei Frust alles Mögliche Unvorhergesehene passieren kann, dass kein mir bekannter Fachleiter auf die Idee käme, irgendwas an Schülerverhalten zu erwarten, sondern lediglich, dass der Referendar im Vorfeld den Lernstand seiner Kinder rausgefunden hat und didaktisch adäquat das zu vermitteln versucht, was im Lehrplan steht.


    (Fachleiter sind bei uns übrigens unterrichtende Kollegen, manchmal kommt's mir so vor als ob man Fachleiter für Schlipsträger aus einem wolkenkuckucksheimer Amt hält. Oder sie das an Real- und Berufsschulen auch tatsächlich sind? Von Gymnasial- und Grundschulkollegen kommen solche realitätsfremden Beschwerden auch eher selten, so mein statistisch lediglich gefühlter Forumseindruck).

  • Ich arbeite an einer Gesamtschule mit Standortfaktor 4, mir ist das nicht unbekannt, welche Schüler du meinst. Mir ist nicht ganz klar, inwiefern sie in der "Lehrerausbildungstheorie" (Was immer das ist) nicht existent ist. Nenne mal konkrete Beispiele, bitte.

    Insofern nicht existent, als dass die Fachleiter bestimmte kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten als gegeben vorausgesetzt haben. Sprich, die sus sind alle vollumfänglich der deutschen Sprache mächtig, brauchen keine zig Doppelstunden Übungen, um einfachste Sachverhalt zu beherrschen, sind in der Lage, Methoden nach einmaliger Einführung zielgerichtet auszuführen, sind in der Lage, ihr eigenes Handeln zu reflektieren und arbeitsergebnisse anhand selbst erarbeiteter Kriterien zu evaluieren. Und gewichtigster Knackpunkt: Sind in der Lage, auf einem dem Bildungsgang entsprechendem Niveau zu arbeiten. Und das sind die meisten nicht. Und natürlich die direkte Anweisung der FL, man möge diese klassen/Bildungsgänge nicht in UBs zeigen, weil man dort nicht das machen kann, was die Ausbilder sehen wollen. Dementsprechend wurde auch nie thematisiert, wie man denn solche Lerngruppen vernünftig unterrichtet, da sie einfach zum "vorzeigen' von der FL kategorisch ausgeschlossen wurden. Ich wünschte, es wäre anders, aber so lief es leider bei uns im Seminar.

  • Ich arbeite an einer Gesamtschule mit Standortfaktor 4, mir ist das nicht unbekannt, welche Schüler du meinst. Mir ist nicht ganz klar, inwiefern sie in der "Lehrerausbildungstheorie" (Was immer das ist) nicht existent ist. Nenne mal konkrete Beispiele, bitte.

    Da werfe ich spontan die "intrinsische Motivation" in den Raum, mit der laut Studienseminar die Schüler angeblich Englisch, Mathe oder Deutsch lernen wollen. Ich finde bei meinen Schülern allerhand, aber ganz bestimmt keine intrinsische Motivation, den Satz des Pythagoras zu lernen.


    "Mir ist das nicht unbekannt, welche Schüler du meinst" ist übrigens süß formuliert.

  • Einigen wir uns doch einfach darauf, dass wir in unterschiedlichen Bundesländern, an unterschiedlichen Schularten, mit unterschiedlichen Schülern und einer unterschiedlichen Lehrerausbildung arbeiten und wir somit legitimerweise unterschiedliche Erfahrungen haben.


    Bringt nix, wenn wir uns entgegen schleudern: "Aber bei mir ist das nicht so!"

  • Bringt nix, wenn wir uns entgegen schleudern: "Aber bei mir ist das nicht so!"

    hier schleudert niemand, es wird festgestellt und nachgefragt. Das finde ich wichtig, allein um festzuhalten, dass das Ref nicht per se weltfremd und traumatisch ist. Ich habe im anderen Thread um konkrete Hinweise gebeten, was man am Anfang für Hilfe braucht und einige der Antworten waren eben das "da wird generell immer viel zu viel verlangt" ohne konkrete Hinweise, was denn zu viel ist. "Wir mussten jede Stunde schriftlich vorbereiten" finde ich konkret, "wir mussten 120% geben" nicht.

Werbung