Sonderschulehramt Geistige Entwicklung

  • Hallo, hat hier jemand Erfahrung mit Sonderschullehramt mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung? Mich würde interessieren, wie der Arbeitsalltag aussieht und ob man an Regelschulen unterrichtet oder ausschließlich an Förderschulen. Und ob an den Förderschulen dann nur geistig Behinderte sind?

    LG

  • In der Pauschalität kann man dir das gar nicht beantworten. Das kommt auf das Bundesland und natürlich spätere Politik an. Derzeit sieht es noch ganz gut aus. Es gibt begehrte Regionen/Städte, wo vermutlich wenige bis keine Stellen frei sind. Dann gibt es noch die ländlichen Regionen, wo meines Wissens schon gut Bedarf ist. In aller Regel sind an diesen Schulen nur Kinder und Jugendliche mit dem FS geistige Entwicklung. Von umgedrehter Inklusion habe ich eher in anderen Förderschwerpunkten gehört, die zielgleich unterrichten: Sehen und Hören.

  • Lucy01 : An den meisten Universitäten studiert man zwei Förderschwerpunkte, es kann also sein, dass du auch im anderen Förderschwerpunkt eingesetzt wirst. Ob Regelschule oder Förderschule hängt sehr vom jeweiligen Bundesland ab. Und selbst beim Regelschuleinsatz gibt es Lehrer, die nur in der Förderung eingesetzt sind, und solche, die regulär unterrichten. In Hessen ist es z.B. so, dass du mit Abschluss des Förderschullehramtsstudiums auch die reguläre Lehrerlaubnis für die Grundschule in den von dir studierten Fächern erhältst.

  • In Bayern ist dein Förderschwerpunkt sehr gesucht, es herrscht aber generell in jedem Förderschwerpunkt Volleinstellung in Bayern. Mit Lehramt an Förderschulen kann man eig. kaum was falsch machen.

  • Bei uns sind GB-Schulen gerade dicht, keine Einstellungen. Die zweite Fachrichtung entscheidet dann über die Einstellung: wenn du "Sozial-emotionale Entwicklung" oder "Lernen" studiert hast, kommst du zumindest aktuell eher dort unter, Inklusion usw. dann alles möglich. Das ändert sich aber immer wieder.

    ..., wie der Arbeitsalltag aussieht und ob man an Regelschulen unterrichtet oder ausschließlich an Förderschulen. Und ob an den Förderschulen dann nur geistig Behinderte sind?

    - Alltag verschieden, je nach Bundesland ist man z.B. Klassenlehrer in einer Klasse oder in verschiedenen Gruppen, man gestaltet den Alltag mit den Kindern, muss versuchen, auch schwerstmehrfachbehinderte irgendwie sinnvoll zu integrieren, je nach Situation mehr oder weniger Pflege, von erste Klasse bis junge Erwachsene kann alles dabei sein, da der Schulbesuch verlängert werden kann, bis 21 meine ich

    - dort sind auch Schüler*innen mit Körperbehinderungen, Autismus usw., also "zusätzliche Behinderungen"

    - du solltest keine Berührungsängste oder Probleme mit Körperflüssigkeiten haben

  • In Niedersachsen werden Förderschullehrkräfte auch gesucht.


    Es gibt (bisher) weiterhin Schulen mit den Schwerpunkt GE,

    aber auch GE-Kinder in der Inklusion, zu denen Lehrkräfte der FöS hinausfahren.

    Hat man mehrere SuS mit diesem Schwerpunkt an einer Schule, kann man an der Schule auch mehr Stunden absolvieren, ansonsten fährt man für wenige Stunden durchs Land

    oder ist zum Teil in der FöS eingesetzt und zum anderen Teil an den Regelschulen.

    • Offizieller Beitrag

    Darf ich leicht ins OT?

    Was sind Unterschiede (im Berufsalltag, Unterricht, ...) zwischen Schulen für Kinder mit Ggistiger Behinderung und Schulen für Kinder mit Lernbehinderung? Ich hätte spontan im Kopf, dass der IQ den Unterschied für die Etikette macht, aber ehrlicherweise habe ich gar keine Ahnung, wie sehr es einen Unterschied auf die kognitive Fähigkeit, Lernprozesse und so macht.

  • Ich würde sagen, dass der Bereich der Lernbeeinträchtigung enger ist oder klarer umrissen,

    während Geistige Entwicklung ein viel weiteres Feld ist.


    Für Niedersachsen muss man für den Berufsalltag sagen, dass es im Grundschulbereich keine FöS Lernen mehr gibt, sodass diese Kinder alle in den Grundschulen sind und die Lehrkräfte von Schule zu Schule fahren, keine eigene Klasse mehr haben, sich häufig als nicht ganz dazugehörig fühlen etc.,

    die SekI-Klassen hätten auslaufen sollen, nach der letzten Wahl wurde die Frist dazu noch einmal verlängert (bis zur nächsten Wahl quasi).

    • Offizieller Beitrag

    was kann ein geistig behinderter erwachsener Mensch leisten und was kann ein lernbehinderter Mensch leisten?
    Ich hätte getippt: geistig behinderte: kaum alleine leben, arbeiten in Behindertenwerkstätten, usw... Lernbehinderte (und ja, die Standardabweichung ist da echt groß) _können_ vll mit Glück auf dem normalen Arbeitsmarkt unterkommen?

  • An den meisten Universitäten studiert man zwei Förderschwerpunkte, es kann also sein, dass du auch im anderen Förderschwerpunkt eingesetzt wirst.

    Oder in einem ganz anderen Förderschwerpunkt. Oder inklusiv mit theoretisch allen Förderschwerpunkten.


    von erste Klasse bis junge Erwachsene kann alles dabei sein

    In manchen Bundesländern auch inklusive Frühförderung, was im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung bedeuten kann ab Geburt.


    Was sind Unterschiede (im Berufsalltag, Unterricht, ...) zwischen Schulen für Kinder mit Ggistiger Behinderung und Schulen für Kinder mit Lernbehinderung? Ich hätte spontan im Kopf, dass der IQ den Unterschied für die Etikette macht, aber ehrlicherweise habe ich gar keine Ahnung, wie sehr es einen Unterschied auf die kognitive Fähigkeit, Lernprozesse und so macht.

    Kann man nicht pauschal beantworten, aber tendenziell:


    In der G-Schule steht die Lebenspraxis (Selbstversorgung, Kommunikation, Mobilität usw.) im Vordergrund. Kulturtechniken werden den Schülern angeboten, die sich darauf einlassen und evtl. davon profitieren können. Für manche Schüler wird "Lesen" z. B. auch als Bilder-, Piktogramme- oder Situationen-Lesen verstanden. Unterstützte Kommunikation wird für nichtsprechende Schüler angeboten. In der Regel gibt es wegen der großen Heterogenität keine Schulbücher für den G-Bereich. Fremdsprachenunterricht gibt es höchstens sehr spielerisch als AG o. ä. Es gibt keine Klausuren und keine Noten. Die Klassen sind sehr klein und es gibt eine intensive Betreuung (im Personal oft auch Erzieher, Therapeuten, Betreuungs- und Pflegekräfte, Teilnehmer im FSJ/BFD (früher Zivis) etc.). Die meisten Schüler werden dauerhaft auf Betreuung und Hilfe angewiesen sein und nicht eigenständig leben und arbeiten können. Die Berufsvorbereitung besteht hauptsächlich in sehr praktischen Tätigkeiten.


    In der L-Schule stehen mehr die Kulturtechniken im Vordergrund. Die Schüler kommen an die L-Schule, weil sie große Probleme im Lesen, Schreiben und Rechnen haben, weshalb das intensiv gefördert wird (natürlich mit Anwendungs- und Lebenspraxisbezug). Das Ziel ist eine Berufstätigkeit im ersten Arbeitsmarkt. In manchen Fällen kann auch eine Rückschulung an die allgemeine Schule erfolgen. Manche Förderschulen Lernen bieten für fitte Schüler die Hauptschulabschlussprüfung an oder bereiten auf ein externes Ablegen dieser Prüfung vor. Die Klassen sind größer als an der G-Schule, überwiegend ist man als Lehrer allein im Unterricht. Der Fächerkanon orientiert sich an der Regelschule, teilweise mit anderen Gewichtungen (weniger Stunden Fremdsprachenunterricht z. B.).


    Wie gesagt: Tendenzen, je nach Bundesland, je nach Schule und Schüler unterschiedlich und es gibt natürlich auch viele Schüler im Grenzbereich.

  • was kann ein geistig behinderter erwachsener Mensch leisten und was kann ein lernbehinderter Mensch leisten?
    Ich hätte getippt: geistig behinderte: kaum alleine leben, arbeiten in Behindertenwerkstätten, usw... Lernbehinderte (und ja, die Standardabweichung ist da echt groß) _können_ vll mit Glück auf dem normalen Arbeitsmarkt unterkommen?

    Du hast es ganz gut beschrieben. Lernbehinderte Kinder kommen auch oft aus der Regelschule, weil sie da nicht mitkommen. Sie besuchen die Sonderschule Lernen mit der Option, wieder zurückgeschult zu werden, was aber nur selten gelingt. Die Schule hilft, im Arbeitsmarkt unterzukommen. Wie genau das geht, weiß ich nicht.

    In die G-Schule gehen Kinder mit geistiger Behinderung, z.B. Down-Syndrom, Autisten (nicht Asperger) usw. Die Kinder lernen hier auch, sich im Alltag selbstständiger zurecht zu finden, z.B. Körperpflege, kleine Arbeiten im Haushalt, Tagesabläufe, einkaufen, usw...Meist wohnen sie später in betreuten Wohngruppen und arbeiten in Behindertenwerkstätten.


    Achso, der Plattenspieler hatte schon geantwortet. So weit war ich gar nicht gekommen mit lesen. :rotwerd:

    • Offizieller Beitrag

    meine liebe Sonderschulkolleg*innen...
    meine allergrößte Anerkennung, euren Job könnte ich nie machen. Als ich über ein Aufbaustudium Sonderschullehramt nachgedacht habe, kam nur eine Richtung in Frage (oder zwei, die man aber eher nicht kombinieren sollte), und ich wusste: GB kommt nicht in Frage, vor LB habe ich echt Respekt, SES ist glaube ich so eine "Lüge" (eyh, da packen wir alle Kids rein, die wir nicht beschulen wollen), es schliesst echt einiges aus. Eure Bandbreite und Einsatzfähigkeit ist wirklich unglaublich!!

  • In Bayern ist dein Förderschwerpunkt sehr gesucht, es herrscht aber generell in jedem Förderschwerpunkt Volleinstellung in Bayern. Mit Lehramt an Förderschulen kann man eig. kaum was falsch machen.

    Das kann sich aber schnell wieder ändern, als ich 2003 2. Staatsexamen in L machte, war die Verbeamtungsnote bei 2,1 (glaube ich), es war aber durchaus vorher nicht so, dass man gute Noten bekommen hätte, eine 3 in den LP war normal, von unsrem Seminar mit 18 Teilnehmern wurden ca. 5 auf Anhieb verbeamtet und die andren mit Jahresverträgen vertröstet. Und GB war die Einstellungsnote damals jahrelang bei 1,x. Wie halt der politische Wind gerade weht.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • meine liebe Sonderschulkolleg*innen...
    meine allergrößte Anerkennung, euren Job könnte ich nie machen. Als ich über ein Aufbaustudium Sonderschullehramt nachgedacht habe, kam nur eine Richtung in Frage (oder zwei, die man aber eher nicht kombinieren sollte), und ich wusste: GB kommt nicht in Frage, vor LB habe ich echt Respekt, SES ist glaube ich so eine "Lüge" (eyh, da packen wir alle Kids rein, die wir nicht beschulen wollen), es schliesst echt einiges aus. Eure Bandbreite und Einsatzfähigkeit ist wirklich unglaublich!!

    Ja, Sonderschullehrer*innen sind besondere Menschen. Ich bin an keiner Sonderschule, aber ich kenne viele davon.

  • was kann ein geistig behinderter erwachsener Mensch leisten und was kann ein lernbehinderter Mensch leisten?

    Es gibt eine Schnittmenge, wir haben "sehr schwache" Kinder an der L-Schule, die an der G-Schule entsptrechend als "sehr fit" bezeichnet werden. Der IQ liegt dann bei 65-70. In die andere Richtung schafft der eine oder die andere mit Ach und Krach den Hauptschulabschluss. Und, bei aller Diagnostik, ist es der IQ, der definiert, bzw. der im schulischen Alltag die grundlegenden Fähigkeiten bestimmt.


    L-Schule ist halt ein runtergebrochener Hauptschullehrplan mit 45min.-Taktung und Fachunterricht, G-Schule hat keinen Lehrplan, sondern Bildungsplan und du gestaltest den Unterricht eher wie einen Gruppenalltag.


    Der Hauptunterschied ist der, dass die Lernbehinderung im richtigen Leben nicht existiert. Einige Jugendliche kommen durch Rehamaßnahmen des Arbeitsamtes in Lohn und Brot in z.B. theoriereduzierten Ausbildungen. Von unseren gehen aber auch immer mal welche in die Werkstatt oder versumpfen zu Hause.

    meine liebe Sonderschulkolleg*innen...
    meine allergrößte Anerkennung, euren Job könnte ich nie machen.

    Danke, wie lieb, aber ich glaube, so gigantisch sind die Unterschiede nicht, Unterrichten ist immer Unterrichten. Frustrierend ist aber manchmal, dass 75 von 100 Kindern in 9 Jahren kaum lesen oder rechnen lernen. Ich würde L-Schulen eher wie G-Schulen gestalten: "zusammen leben lernen" :)

  • @samu : Auf der anderen Seite schreibst du ja auch, dass es immer wieder Kinder gibt, die von der Förderschule Lernen aus den Hauptschulabschluss schaffen. Da stelle ich es mir schwerer vor, leistungsstarken Schülern einen Regelschulabschluss zu ermöglichen, wenn man sich im Bereich Lernen noch stärken von den Kulturtechniken hin zu mehr Lebenspraxisunterricht entfernt. Dass die Geistigbehinderten davon sehr profitieren, glaube ich jedoch direkt, weswegen ich es immer schade finde, wenn solche Kinder im Regelunterricht in der Theorie versauern müssen...

  • Bei uns sind die Vorgaben so, dass man den Förderbedarf L bei einem Lernrückstand von ca. 1 Jahr oder mehr überprüfen lassen kann.

    Mit Status werden die Kinder zieldifferent unterrichtet,

    dabei machen sie in Ma/D in 4 SJ etwa die Themen, die sonst in Klasse 1+2 vermittelt werden.


    Es gibt aber große Unterschiede bei den Kindern, wie immer, sodass sie ggf. im Lesen oder im Rechnen durchaus auch einen Teil der Grundschul-Aufgaben bewältigen können, z.B. Rechnen im Anforderungsbereich I+II oder Leseaufgaben, nachdem das Lesen gelernt ist.

    Auch ist meine Erfahrung, dass sie in vielen anderen Bereichen zumeist ohne Probleme mitarbeiten können oder ggf. unterstützung beim Lesen benötigen, sachlich aber durchaus dem Unterricht folgen können.

    Das ist bei unseren GE-SuS, die sicher insgesamt zu den fitteren gehören, nicht so.

  • @samu : Auf der anderen Seite schreibst du ja auch, dass es immer wieder Kinder gibt, die von der Förderschule Lernen aus den Hauptschulabschluss schaffen.

    ja, aber diese werden in einem extra Schuljahr intensiv darauf vorbereitet. Die schaffen das so oder so. Ich sag mal: wir bereiten sie darauf vor, am Platz zu sitzen, einen Stift zu benutzen, die Schulfächer auseinanderzuhalten und zu verstehen, was es bedeutet, einen HS-Schulabschluss zu haben. Also die Fitten.


    Die "Schwachen" verstehen das nicht. Sie wissen bis zum Schluss nicht, was Gemeinschaftskunde oder Physik ist, sie können rudimentär oder gar nicht schreiben und lesen und lernen im achten Schuljahr noch, dass man niemanden schlagen darf, wenn man seinen Klebestift vergessen hat. Cool, wenn das dann irgendwann im normalen Tonfall klappt.


    Das klingt jetzt etwas pessimistisch, aber so ist halt die Realität.

  • OT, kennt ihr das, wenn im Betreff ein Tippfehler ist, dass ihr euch das Wort dann innerlich jedes Mal falsch vorlest?


    Hier kommt aber "Sonderschul-Ehramt" raus und das find ich gut :victory:

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