Mein Gedankengang bezog sich auf die Beschwerde des TE, dass er sich habe abstrampeln müssen, um Erfolg zu haben. Und ich sehe (noch) nicht, an welcher Stelle er ungerechtfertigterweise mehr hätte strampeln müssen als andere Leute. Ja, in unserer Gesellschaft konkurriert man um Ausbildungs- und Arbeitsplätze, Schulerfolg ist wichtig und man muss dazu die Regeln des Schulsystems mitspielen und beherrschen, um sehr gute Abschlüsse zu erzielen usw. aber die erlebte Stigmatisierung scheint mir doch eher eine gesellschaftliche oder evtl. "nur" individuell empfundene zu sein. Das ist zwar tragisch aber ich sehe nicht die Rolle der Körperbehindertenschule als solcher, denn dort wäre der Hauptschulabschluss möglich gewesen. Vielleicht war das Verhältnis zwischen Lehrern und Eltern arg zerrüttet und man ließ es am Schüler aus, sowas hab ich durchaus erlebt. Allerdings wäre auch das persönliches Versagen dieser speziellen Kollegen und nicht der Förderschulüberweisung- so meine Überlegungen...
Von der Förderschule bis zum Abitur - ein Ding der (Un-) Möglichkeit?
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Zum Threadtitel kann ich nur meinen schulischen Werdegang schildern:
1 Jahr Förderschule mit sozial-emotionalem Schwerpunkt
Grundschule
Quali und Mittlere Reife an der Hauptschule
Abitur an einem normalen Gymnasium
Also nein. Der Weg von der Förderschule bis zum Abitur ist nicht unmöglich. Unser Schulsystem ist sehr durchlässig.
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Förderschulen sind super und sollten bei Bedarf genutzt und nicht aktiv gemieden werden. So wie ich es verstanden habe, hätte ich den Quali und die mittlere Reife auch dort machen können.
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Man muss sich ja auch genau anschauen, was für eine Art von Förderschule es ist. Wir haben von LE bis Realschule alles im Angebot. Für viele unserer SuS wären manche Abschlüsse unerreichbar, wenn sie sich an der Regelschule durchbeißen müssten. Dort kann oft gar nicht so viel Rücksicht auf ihre Einschränkung genommen werden. Einige bringen ja nicht nur die Hörschädigung mit, sondern schleppen auch noch anderes mit sich herum ...
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Ich finde, der Werdegang des Threaderstellers ist ein perfektes Beispiel für die Durchlässigkeit unseres Schulsystems und dass es eben sehr wohl funktioniert. Eigentlich hat er doch eine extrem positive Biographie.
Und richtig "einsortiert" war er ganz offensichtlich, denn sonst hätte er wohl kaum einen solchen Erfolg gehabt.
Viele Jahre mit unglaublich schlechten Noten an einer Regelschule und am Ende kein Schulabschluss hätten wohl kaum die Lust geweckt, weiterzumachen und nicht nur diverse Schulabschlüsse zu erlangen, sondern auch noch ein Studium in Erwägung zu ziehen.Wer weiß, vielleicht hätte er es mit Schulunlust und Schwänzen zu tun gehabt. Auf jeden Fall hätte die Geschichte auch ganz anders ausgehen können.
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Ich finde solche Berichte toll!
Bei mir in der Schule gibt es aktuell einen ähnlichen Lebensweg. Der Schüler hatte bis zum Ende der 7. Klasse einen Förderstatus Lernen, nun macht er seinen FOR, er wird danach sein Fachabi machen. Großartig!
Eine Geschichte die in die andere Richtung geht. Ich habe einen Schüler mit dem Förderstatus Sprache. Hier sehe ich jedoch viel größere Probleme und wir werden ihn auf Lernen testen lassen, wir beantragen also einen Förderstatuswechsel. Diesem Schüler täte bestimmt auch eine Förderschule gut (war er auch bisher, die ging jedoch nur bis Klasse 4). Eigentlich war es auch der Elternwunsch, dass er weiterhin die Förderschule besucht, doch es gibt in der Nähe keine mehr, die diesen Förderschwerpunkt betreut.
Ich finde diese Durchlässigkeit super! Auf der anderen Seite ist keine Durchlässigkeit mehr gegeben, wenn die betreffenden Schulen in der Vergangenheit ersatzlos geschlossen wurden... Das prangere ich sehr an. Diese politischen Entscheidungen sind absolut gegen die Bildung entschieden worden.
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Ich finde die Deutung sehr positiv und ich nenne sie mal möglicherweise "heilend" für den TE. Man darf aber nicht vergessen, dass es sich für den TE anders anfühlt. Wer von uns würde sagen, dass es total toll gewesen ist, auf einer Förderschule gewesen zu sein? Abi hin oder her, es ist nichts, was man stolz rumerzählt. Und ich finde darum geht es stellvertretend in dieser Debatte, das Manko was es gesellschaftlich gesehen immer noch bedeutet.
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Nun, Inklusion findet nicht dann statt, wenn wir alle Förderschulen schließen und alle Förderschüler in die Regelschulen schicken und dort weitestgehend unbetreut vor sich hindümpeln lassen.
Inklusion findet dann statt, wenn die GESELLSCHAFT endlich akzeptiert, dass nicht alle gleich sind und dass jeder Mensch unterschiedliche Bedürfnisse hat.
Und genau auf diese Bedürfnisse gehen Förderschulen ein, daran ist nichts Schlimmes!Und anstatt zu sagen, der Schüler fühlt sich nicht gut, also schicken wir ihn lieber nicht dorthin, sollten wir lieber mal mehr Aufklärung in der Bevölkerung betreiben!
Wenn ich gehbehindert bin, baue ich doch auch mein Auto entsprechend um.
Wenn ich schwer krank bin, lasse ich mich doch auch auf der Intensivstation behandeln und nicht auf der Normalstation.
Wenn ich mich kaum über Wasser halten kann, besuche ich doch auch den Anfänger Schwimmkurs und nicht den Fortgeschrittenen Kurs. -
Das Frustpotential bei Inklusion von zieldifferenten Kindern ist nicht zu unterschätzen. Dazu kommt jetzt noch der extreme Personalnotstand, der dazu führt, dass für diese Kinder bestenfalls nur zu wenig Zeit, schlimmstenfalls auch noch zu wenig Expertise bleibt.
Inklusion kann ganz wunderbar funktionieren und auch solche Biographien wie die des TE hervorbringen. Ich habe es selbst erlebt. Aber leider nicht unter den jetzigen Bedingungen.Die Durchlässigkeit ist eine wirkliche Stärke unseres Schulsystems. Wer länger braucht, bekommt die Zeit.
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Inklusion findet dann statt, wenn die GESELLSCHAFT endlich akzeptiert, dass nicht alle gleich sind und dass jeder Mensch unterschiedliche Bedürfnisse hat.
Und genau auf diese Bedürfnisse gehen Förderschulen ein, daran ist nichts Schlimmes!Das ist in der Theorie sicher richtig, aber wie kann diese Akzeptanz erreicht werden, das finde ich entscheidend. Es reicht nicht, hier zu sagen, wie schön das doch alles ist.
An der Lernförderschule werden zu schätzungsweise 98% Kinder aus der sozialen Unterschicht beschult. Eltern aus der Mittelschicht, wovon es im L-Bereich wenige gibt, schicken ihr Kind wenn irgend möglich mit Förderbedarf L auf eine Förderschule mit Regellehrplan, auch "Edelbehinderung" genannt. Oder auf eine Waldorfschule. Und jeder hier, der Kinder hat, würde es genauso machen, darauf wette ich.
Das ist dieselbe Debatte, wie die um die Hauptschulen. Hauptschulen sind nie das gewesen, wofür sie ursprünglich eingerichtet wurden.
Ich weiß nicht, wie dem begegnet werden kann, es reicht aber nicht, zu sagen, das sei doch "nicht schlimm", wenn man auf einer Förderschule oder Hauptschule (gewesen) sei. Das sieht man allein daran, dass du niemals auf die Idee kämst zu sagen, es sei doch nicht schlimm, auf einem Gymnasium gewesen zu sein.
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Wer von uns würde sagen, dass es total toll gewesen ist, auf einer Förderschule gewesen zu sein? Abi hin oder her, es ist nichts, was man stolz rumerzählt.
Hmm ... Da ist bei uns die Wahrnehmung wirklich etwas anders. Ich habe nicht gerade wenige Schüler, die wenigstens in der Mittelstufe mal das Niveau gewechselt haben, einige kommen auch aus Kleinklassen (= spezieller Förderbedarf). Ich hab sogar mehrere (!) Kollegen, die man in der Primar mal in eine Kleinklasse gesteckt hat. Ich als Deutsche wundere mich da häufig, wie schnell das hier geht, für meine Schweizer Kollegen ist da nichts Besonderes dran. Ich weiss auch immer noch nicht so genau, ob ich das gut finden soll, wie schnell man hier mal lieber ein Niveau tiefer einsortiert wird, nicht dass die armen Häschen sich überfordern.
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Als studierter Lehrer vertraue ich Kollegen aus der Förder- oder Hauptschule, dass sie mein Kind mit schulischen Problemen im Rahmen seiner Möglichkeiten optimal fordern und fördern. Gerade wenn man diese Schulformen in Betracht zieht, hat das Kind schon mehrere Jahre Schule hinter sich, die mehr schlecht als recht verliefen. Da muss man auch ehrlich zu sich sein, dass das Kind eher zu den Leistungsschwächeren zählt und dass man dann am ehesten noch das Meiste herausholt, wenn man es in seiner "Gewichtsklasse" antreten lässt.
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Wer von uns würde sagen, dass es total toll gewesen ist, auf einer Förderschule gewesen zu sein? Abi hin oder her, es ist nichts, was man stolz rumerzählt. Und ich finde darum geht es stellvertretend in dieser Debatte, das Manko was es gesellschaftlich gesehen immer noch bedeutet.
Ich war zwar nur für ein Jahr in einer, aber die war super und hat mir sehr geholfen. Ich schäme mich nicht dafür, das man mir geholfen hat, wieso sollte ich auch? Es gibt immer noch zu viele Leute die zu sehr in Extremen denken. Entweder Gymnasium oder Versager. Unser Schulsystem lässt aber Erfolg jederzeit zu und nicht nur punktuell nach der 4. Klasse. Ich kenne sehr viele, die sofort aufs Gymnasium gewechselt sind, und dann ab der 8 oder 9 Klasse wiederholen mussten und danach geflogen sind. Die hätten sich diesen ganzen Druck und psychischen Stress sparen können.
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Als studierter Lehrer vertraue ich Kollegen aus der Förder- oder Hauptschule, dass sie mein Kind mit schulischen Problemen im Rahmen seiner Möglichkeiten optimal fordern und fördern.
oh nein, sei dir sicher, das tust du nicht. Bzw. geht es hier gar nicht vorrangig um ein Misstrauen den Lehrern ggü. Und es gibt ja nicht nur Lehrer unter den Eltern. Aber lass uns darüber reden, wenn es zur Debatte stehen sollte.
@Berufsschule93, ich vermute, diejenigen, die vom Gymnasium runter müssen, fühlen sich ebenso als Versager*innen. Was hat dir denn dabei geholfen, dass du so entspannt über deine Schulzeit sprechen kannst?
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Ich kenne aus dem engen Bekanntenkreis beide Seiten:
Kind erst zu hoch eingestuft und ab der 5. Klasse jahrelang Frust und schlechte Noten am Gymnasium, Schulwechsel “nach unten” brachte Erleichterung
Kind zu niedrig eingestuft und gehörte sehr schnell zu den Klassenbesten, konnte dann “nach oben” wechseln
Kind 1 hat definitiv mehr gelitten und heute noch ein schlechteres Verhältnis zur Schule und zum Lernen.
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@Berufsschule93, ich vermute, diejenigen, die vom Gymnasium runter müssen, fühlen sich ebenso als Versager*innen. Was hat dir denn dabei geholfen, dass du so entspannt über deine Schulzeit sprechen kannst?
Ich fühle mich aber gar nicht als Versager? Die Schüler, die vom Gymnasium runter müssen, empfinden sich nur als Versager, weil das ihnen so suggeriert wird. Für mich sind das keine Versager, die wurden nur vielleicht falsch eingeschult oder haben gerade Probleme mitzukommen im Gymnasium. Ich habe mich nie als Versager empfunden und bin kontinuierlich aufgestiegen, deswegen kann ich entspannt über meine Schulzeit reden. Ganz im Gegenteil sind die Meisten eher verwundert, dass mein schulischer Werdegang überhaupt möglich ist, da, wie gesagt, zu viele in Schubladen denken. Das entspricht aber nicht den Möglichkeiten unseres Schulsystems.
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Lese gerade in der Zusammenfassung einer Dissertation zur Selbstkonzeptforschung, dass L-Kinder tendenziell in der Inklusion (oder eher was man so nennt), zwar bessere Schulleistungen haben als Kinder an L-Schulen, aber ein schlechteres Selbstkonzept aufweisen als Schüler*innen ohne Förderbedarf aber auch als extern beschulte L-Kids.
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... Ganz im Gegenteil sind die Meisten eher verwundert, dass mein schulischer Werdegang überhaupt möglich ist, da, wie gesagt, zu viele in Schubladen denken. Das entspricht aber nicht den Möglichkeiten unseres Schulsystems.
hab ich schon verstanden, wäre dein Ansatz also aufzuklären? Über die Möglichkeiten unseres Schulsystens?
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hab ich schon verstanden, wäre dein Ansatz also aufzuklären? Über die Möglichkeiten unseres Schulsystens?
Ja, es gibt immer noch viel zu viele, die keine Ahnung über diese Möglichkeiten haben. Ich habe sogar die Erfahrung gemacht, dass mir nicht geglaubt wird, bis ich meine Zeugnisse gezeigt habe.
Aber klar. Es wird immer suggeriert "Gymnasium oder Versager". Das stimmt aber nicht
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Da mache ich gleich mal Werbung für meine Schulart, nämlich die beruflichen Schulen. Ja, man kann dort auch die allgemeine Hochschulreife erreichen und vieles mehr . Die werden nämlich irgendwie ausgeblendet, sind aber schön. Kenne mehrere solcher 8 oder 9 Klasse raus aus dem Gymnasium rein in die beruflichen Schulen und dort Erfolg gehabt
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