Angebot und Nachfrage und Bezahlung von Lehrkräften

  • @samu: Das klingt ganz ähnlich wie bei uns (Ersatzschule): Ob wir überhaupt einstellen dürfen entscheidet der Stellenplan (weil daraus die Refinanzierung übers Land läuft und der Dienstgeber sonst auf seinen Kosten sitzenbleibt). Wen wir einstellen und ob wir überhaupt einen der Bewerber einstellen, entscheidet unsere Schulleitung gemeinsam mit dem Dienstgeber. Gerade in den Naturwissenschaften haben wir in den letzten Jahren oft Stellen unbesetzt gelassen, weil wir nur jeweils 2-3 Bewerber hatten und keiner davon uns geeignet erschien. Dann wartet man halt 3 Monate und schreibt noch einmal aus. Warum sollte man denn jemanden einstellen, wenn die Bewerbungen und Vorstellungsgespräche alle Mist sind?

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Oft läuft das ganze mit noch strengerer Auswahl ab: da wird alles und jeder befristet eingestellt, aber die Verbeamtung bekommt man nur, wenn man gezeigt hat, dass man ins Kollegium passt und fähig ist. Quasi eine mehrjährige Probezeit ohne Verpflichtung für den AG, vor der eigentlichen Probezeit.

  • Firelilly, du hast mal wieder meine absolute Zustimmung. Perfide trifft es gut.

    Ist die Lehrkraft krank, entfallen nur die Unterrichtsstunden, aber dies ist ja nur ein Teil der Arbeit.

    Ich habe z.B. an einem Tag der Woche nur zwei Stunden Unterricht. Das ist mein effizientester Tag bei Vorbereitung, Orga, Korrektur etc.
    Wenn ich an diesem Tag krank bin, sind es gerade mal diese 2 Std. Unterricht, die wegfallen, aber für mich bedeutet es insgesamt, dass ich wesentlich mehr an anderen Tagen arbeiten muss.
    Nicht umsonst ist ja das Deputat nicht gleich der wöchentlichen Arbeitszeit, bei Krankheit bleibt das aber außen vor.

  • Ich habe z.B. an einem Tag der Woche nur zwei Stunden Unterricht. Das ist mein effizientester Tag bei Vorbereitung, Orga, Korrektur etc.
    Wenn ich an diesem Tag krank bin, sind es gerade mal diese 2 Std. Unterricht, die wegfallen, aber für mich bedeutet es insgesamt, dass ich wesentlich mehr an anderen Tagen arbeiten muss.
    Nicht umsonst ist ja das Deputat nicht gleich der wöchentlichen Arbeitszeit, bei Krankheit bleibt das aber außen vor.

    Ja ganz genau. Das ist machen sich aber wenige Lehrer überhaupt bewusst, dass in unserem Beruf bei Krankheit sozusagen Arbeitsstunden nachgearbeitet werden müssen systembedingt. Oder sie haben Denkfehler:

    Das kommt bei uns drauf an, wie lange man krank ist. Fällt ein einzelner Krankheitstag auf einen Prüfungstermin, dann verschiebe ich eben die Prüfung. Das ist keine Mehrarbeit in der Freizeit, es spielt ja keine Rolle ob ich die Prüfung an diesem oder an einem anderen Tag korrigiere.

    Doch tut es, denk doch mal nach!

  • @samu Schlussendlich entscheidet das der Schulrat, also das Gremium, das den Kanton vertritt. Der Schulrat folgt aber dem Vorschlag der Schulleitung und die entscheidet das zusammen mit den jeweiligen Fachvorständen. Die Schulleitung schreibt auch selbst die Stellen aus. Wie viele Stellen uns bezahlt werden, das hängt logischerweise von der Schülerzahl ab. Bei uns in der Chemie war jetzt z. B. 5 Jahre lang gar nichts ausgeschrieben obwohl wir über 200 % in Festanstellung zu besetzen gehabt hätten. Das war ein ziemliches Kommen und Gehen von Leuten mit Jahresverträgen bis wir zuletzt jetzt 2 gefunden haben, die passen. Aufs nächste Schuljahr wurden die Stellen dann ausgeschrieben, noch eine externe Person fürs Gespräch und die Probelektion eingeladen und dann die 3 internen Bewerber gewählt. Die etwa 20 externen Bewerbungen waren aber ohnehin mehrheitlich Schrott, eben zuhauf arbeitslose Biologen.


    Bezüglich einmal Lehrer immer Lehrer... Ich kenne schon einzelne Personen, die zuerst in der Industrie gearbeitet haben, dann ins Lehramt gewechselt sind und jetzt wieder in der Industrie arbeiten. Wer sich aber direkt nach dem Master oder der Promotion für den Schuldienst entscheidet, der bleibt da in der Regel auch hängen. Die Industrie stellt niemanden ein, der 5 Jahre an der Schule gearbeitet hat und keine Berufserfahrung in der Industrie hat. Andererseits wechseln auch Leute in der Industrie selten das Betätigungsfeld wenn sie den Arbeitgeber wechseln. Wer als Chemiker mal in der Produktion anfängt, der wechselt in der Regel auch nicht mehr in die Forschung oder Analytik. Wir haben im Kollegium ein paar Leute, die ausserhalb der Schule noch irgendwas anderes machen wie Programmieren, Übersetzen, Lektorieren oder selber Bücher schreiben.

  • Eigener Thread, weil nicht wichtig, und vielleicht Worklauberei, eher so eine Rechthabensache.

    :lach: Da fallen mir gleich noch ein paar weitere süffisante Highlights aus dem Gorgias ein!




    Wenn "Angebot und Nachfrage" nur metonymisch gebraucht wird für "der Arbeitgeber zahlt so wenig, wie möglich, um die erwartete Leistung zu kriegen", dann stimme ich zu, und der Rest hier ist unnötig. Wenn damit gemeint ist, dass Angebot und Nachfrage die Bezahlung regeln, dann nicht.

    Ich meine ich meinte (sic) es nur metonymisch, aber bin mir mittlerweile gar nicht mehr ganz sicher bzw. will herausfinden, wo die Differenzen liegen, denn Deiner Umschreibung, insbesondere "die erwartete Leistung", würde ich mich so erstmal voll anschließen!


    (Kleiner Rückgriff nicht für Dich, sondern die anderen Foristen: Das "erwartete" war für mich in der früheren Diskussion wichtig, weil ich darauf hinaus wollte, dass ein Arbeitgeber nicht immer diejenigen einstellen will, die eine Tätigkeit am besten beherrschen, sondern die, die das beste Verhältnis vön Können und Lohn bieten.
    Die Qualifikation ist also nicht absolut, sondern relativ! "Sogar" Bildung, ein "hohes Gut", wie häufig konstatiert wird, das für viele Lehrer sogar ein Selbstzweck ist, ist für den Arbeitgeber kein Selbstzweck, sondern zweckgebunden und unterliegt entsprechenden Kosten-Nutzen-Rechnungen.


    An dieser Stelle ein kleiner Einschub:


    Nö, die hat er nicht, wer behauptet denn sowas? dass der Freistaat, der mich bezahlt, kein Firmenchef ist, dessen Wohl und Wehe direkt von mir abhängt ist ja klar. Natürlich schlafen meine Landesminister*innen nicht schlechter, wenn Unterricht ausfällt oder schlecht gemacht ist, sondern eher, wenn mehr Lehrer eingestellt und bezahlt werden müssen...


    Aber das ist ja genau der Punkt: wir sind kein Betrieb, keine Aktiengesellschaft, wir erwirtschaften nichts, deswegen regelt der Lehrermangel auch nicht die Bezahlung. Zur Not stellt man halt Pensionäre und Seiteneinsteiger ein. Also nein, unserem AG dürfte es wurscht sein, wie super wir ausgebildet sind, oder ob der Klassenteiler bei 22 liegt. Den Eltern ist es aber nicht wurscht, wenn überhaupt muss man es denen recht machen, die wählen nämlich.

    Ob Eltern oder nicht eher die Verbände der Wirtschaft größeren Einfluss auf die Bildungspolitik haben sei mal dahingestellt.
    Aber: die Schule "erwirtschaftet" durchaus, wenn auch nicht direkt bzw. nur mittelbar. Wofür werden Schulabschlüsse denn gebraucht? Sind die ein Selbstzweck? Das ganze Bildungswesen ist neben dem Aspekt der Sozialdisziplinierung letztlich ein Zulieferer für die Wirtschaft. Deshalb mischen sich deren Verbände auch so häufig in die Bildung ein. Da fragt ja auch niemand "Wie? Was hat den jetzt die Wirtschaft mit der Bildung zu tun? Ob die jetzt mehr Musik oder Mathe machen geht doch die Automobilbranche nichts an!")





    Jetzt aber mal zurück zu "Angebot und Nachfrage" und/oder(!) "der Arbeitgeber zahlt so wenig, wie möglich, um die erwartete Leistung zu kriegen":


    Mein aktuelles Gegenbeispiel war: In Bayern ist das Angebot an Grundschullehrkräften gerade gering; die Nachfrage sehr hoch (wenn auch die eines mehr oder weniger Monopol-Arbeitgebers). Diese Änderung an Angebot und Nachfrage wirkt sich aber nicht auf die Bezahlung aus. Stattdessen müssen Grundschullehrkräfte eine Wochenstunde mehr arbeiten und auf einem Arbeitszeitkonto parken, bis sie diese Stunde später wieder zurückkriegen. (War bei Gymnasium vor einigen Jahren auch so. 5 Jahre lang Mehrarbeite, die danach auch 5 Jahre lang zurückbezahlt wurde. Schummelmöglichkeit nur bei wissenschaftlich/nicht wissenschaftlichen Fächern; anderes Thema.)


    Für mich ist das kein Gegenbeispiel zum Prinzip oder beiden genannten Prinzipien.
    Die erhöhte Nachfrage befriedigt Bayern, ohne die Bezahlung zu erhöhen, das stimmt schon. Das ist möglich, weil das Land das durch die Erhöhung des Deputats diese erhöhte Nachfrage quasi selbstmächtig senkt.
    Ich meine aber, dass dies nur scheinbar außerhalb der Prinzipien des Markts stattfindet, denn: es ist ein Eingriff in die Arbeitsbedingungen, in die zu erbringende Leistung bzw. dessen Verhältnis zur Bezahlung. Die GS-Lehrer werden de facto mehr arbeiten müssen für ihr Geld und/oder die Qualität des Unterrichts etc. sinkt, durch diese Mehrbelastung.
    Der Eingriff in die Arbeitsbedingungen betrifft also nicht nur die Arbeitnehmer einseitig, sondern auch den Arbeitgeber auf der Seite, was "hinten rauskommt".
    Übertreibung um das Prinzip deutlicher zu machen: wenn das Deputat auf 40 Std. hochgesetzt wird, sinkt die Nachfrage an Lehrkräften deutlich - aber vermutlich nicht sehr lange.
    Die veränderten Bedingungen haben also Auswirkungen - und zwar auf den Arbeitsmarkt!


    Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass man als Gegenbeispiel zum Gegenbeispiel diejenigen Länder aufführen, die genau das gemacht haben, was Bayern nicht macht: mehr Geld bezahlen ("A13 für alle", diverse Zulagen).



    Für mich steht also die Bayern-Methode nicht außerhalb des Prinzips des Markts. Vielleicht hast Du Recht und "Angebot und Nachfrage" war einfach zu verkürzt oder mißverständlich und daher rührt der Dissenz? (Oder auch nicht! Ich bin gespannt was Du zu meinem Senf bzgl. Bayerns Änderung der Arbeitsbedingungen als (meiner Meinung nach) langfristigen(!) Teil des Prinzips Angebot und Nachfrage sagst.




    Die Lohnhöhe ist in Gesetzen (oder Verordnungen? festgehalten, die letztlich von Volksvertretern festgelegt werden. Die müssen zum Beispiel auf Wählerwillen oder Wiederwahlwillen schauen und Haushalt. Angebot und Nachfrage ist ja sicher, oder zumindest vielleicht, ein Faktor, aber beileibe nicht der einzige. Tradition ist ein weiterer wichtiger. Und vor allem: womit man halt durchkommt. Manche Berufe sind gesellschaftlich weniger respektiert und kriegen weniger bezahlt - traditionell Berufe mit hohem Frauenanteil. Das ändert sich nur langsam.

    Die Tarifautonomie ist ein ganz schön großes Fass. Welche Gesetze oder Verordnungen meinst Du da konkret? Sowas wie Mindestlohn? Oder speziell bei uns Beamten?
    Ich möchte dazu jetzt nur sagen, dass Wirtschaftswachstum das Ziel des Staats überhaupt ist. (Bei samus Beitrag und meinem Kommentar dazu, von der Zweckmäßigkeit des Schulwesens, klang ja schon der Übergang von der Bildungs- zur Wirtschaftspolitik an.)


    Wg. Tradition:
    Ich glaube grundsätzlich nicht, dass eine Tradition weiter lange fortbestehen kann, ohne, dass es dafür aktuelle Gründe gibt.
    Das gilt auch für die Diskriminierung von Frauen. Das ist m.E. keine gemeine Angewohnheit aus früheren Tagen, die bei ewig gestrigen als schlechte Charaktereigenschaft weiterbesteht, sondern hat auch in unserer heutigen Gesellschaft ihre sachlichen/materiellen Gründe.


    Wg. Respekt:
    Ich meine, dass Berufe v.a. wegen ihrer Bezahlung respektiert werden oder eben nicht - also in umgekehrter Reihenfolge.
    Blödes Beispiel: die Eltern freuen sich womöglich mehr über einen Schwiegersohn der als Müllmann 10 000 € verdient, als einen Arzt mit 1400.



    "womit man halt durchkommt" finde ich eine sehr schön zugespitzte Charakterisierung zur Lohnhöhe, darauf können wir uns auf jeden Fall einigen! :lach:

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