Kann der Arbeitgeber mich zur Heirat zwingen?

  • Hallo ihr Lieben,


    ich bin neu fest angestellt an einer religiös orientierten Schule in freier Trägerschaft (keine Landeskirche).


    Heute hat mich eine Mitarbeiterin der Schule gefragt, ob ich denn auch meinen Freund, von dem ich ihr neulich erzählte, endlich mal heiraten will.
    Schließlich provoziere die "wilde Ehe" einige der konservativeren Mitglieder in der Leitungsebene.


    Noch bin ich in der Probezeit, aber auch nach der Probezeit kann ich laut meines Arbeitsvertrages aus "schwerwiegenden Gründen" gekündigt werden.


    Kann ein christlicher Arbeitgeber mich kündigen, weil ich noch nicht verheiratet bin?
    Kann der Arbeitgeber bestimmen, wann ich heiraten will?
    Ich bin das Gegenteil von ungläubig, aber ich lasse mir auch nicht vorschreiben, wie ich Christ-Sein auszuleben habe.
    Selbst wenn ich nicht verheiratet bin, kann ich ja wohl Christin sein.


    Ich fühle mich ehrlich gesagt richtig gegängelt durch solche Aussagen.
    Ich bin gerade so wütend und gleichzeitig verunsichert und sehe mich ziemlich unter Druck gesetzt.



    Ich fasse es nicht, das sich im Jahr 2019 einen solchen Post verfassen muss. :autsch:

  • Hängt vom Bistum/Träger ab wie damit umgegangen wird (deine Schilderung ist schon eine der nervigeren Versionen), aber wenn du nicht in einer Leitungsfunktion bist, wirst du deswegen nicht entlassen (siehe Chefarzturteil).

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Wann und mit wem du lebst/wohnst/Geschlechtsverkehr hast/heiratest/in die Kirche gehst/was auch immer hat keinen, erst recht keinen Arbeitgeber zu interessieren.

    Genau das ist es, was mich unfassbar stört.
    Wie kann man so versuchen in mein Leben einzugreifen?


    Ich will gerne heiraten. Mein Freund ist aber zum Beispiel überhaupt nicht gläubig, der will gar nicht in der Kirche heiraten.
    Das hat NICHTS, aber auch gar nichts, mit meinem Glauben zu tun...
    Dazu kann man mich wirklich nicht zwingen, oder?




    Hängt vom Bistum/Träger ab wie damit umgegangen wird (deine Schilderung ist schon eine der nervigeren Versionen), aber wenn du nicht in einer Leitungsfunktion bist, wirst du deswegen nicht entlassen (siehe Chefarzturteil).

    Hab das mal recherchiert, aber ich befürchte, das trifft auf meine Schule nicht zwingend zu, weil die Schule nicht in kirchlicher Trägerschaft ist, sondern in freier Trägerschaft.

  • Sie können dich gerne dazu zwingen aber was soll passieren? Arbeitsrechtlich nichts, wenn die Probezeit vorbei ist.


    Man kann aber versuchen, dich anderweitig dazu zu zwingen: Unterrichtsverteilung, Stundenplan, Zusatzaufgaben usw. ... das sind alle Mittel, die man nutzen kann, es einem sehr unangenehm zu machen.


    Ich bleibe aber dabei: eine neue Schule solltest du auf jeden Fall suchen!

  • Was steht denn in deinem Arbeitsvertrag? Ich war mal ein Jahr lang Vertretungslehrkraft an einer katholischen Ersatzschule und da waren gewisse "Erwartungen" bereits im Arbeitsvertrag formuliert (z.B. dass man ein Kind christlich taufen lassen muss, dass ein uneheliches Kind ein Kündigungsgrund sein kann, dass eine Heirat auch kirchlich erfolgen muss etc.). Ich weiß, dass bei einem Kollegen, der unverheiratet mit seiner Freundin zusammengelebt hat, auch ein ziemlicher Druck aufgebaut wurde zu heiraten (oder eben nicht zusammen zu wohnen). Inwiefern das rechtlich jetzt alles im Härtefall durchgegangen wäre, kann ich nicht sagen, aber es schafft natürlich ein unangenehmes Arbeitsklima, wenn man deswegen ständig im latenten Konflikt mit Schulleitung und/oder Träger steht.

  • in meinem Arbeitsvertrag ist es so vage formuliert, dass ich daraus keine Schlüsse ziehen kann.
    Da hatte ich gleich als Erstes nachgeguckt.


    Da steht als möglicher Kündigungsgrund so was drin wie „wenn der Arbeitnehmer schwer gegen die Erziehungsgrundsätze und Bildungsziele der Schule verstößt."


    Ich finds so irre.

  • Sind die "Erziehungsgrundsätze und Bildungsziele der Schule" irgendwo schriftlich festgehalten? Dann könntest du ja einfach nachlesen, ob du gegen einen/eines schwer verstößt.

  • Ich finds so irre.

    Sag mal, hast Du wirklich noch nie was davon gehört, wie sogenannte Tendenzbetriebe nicht nur das Arbeitsrecht, sondern auch Grund- und Menschenrechte sehr großzügig auslegen dürfen?


    Falls nein: Jetzt hast Du es sogar selbst erfahren. Darum gehe hin in Frieden... und wende dich mit Grausen.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Sag mal, hast Du wirklich noch nie was davon gehört, wie sogenannte Tendenzbetriebe nicht nur das Arbeitsrecht, sondern auch Grund- und Menschenrechte sehr großzügig auslegen dürfen?

    Gehört hatte ich davon, geglaubt habe ich es nicht.


    -> Ich finde, es ist ein Zeichen des Herrn, dass ich da wohl mal meine Entscheidung überdenken sollte, um es im christlichen Duktus auszudrücken. Zumindest ist es das, was ich aus dieser Begegnung jetzt gezogen habe.

    Sind die "Erziehungsgrundsätze und Bildungsziele der Schule" irgendwo schriftlich festgehalten?

    Ja, aber sowas steht da natürlich nicht drin. Ob es im allerweitesten Sinne so ausgelegt werden kann, wage ich nicht auszusprechen.

  • Naja, du bist christlich und möchtest eh heiraten. Wäre dein Partner nicht bereit, dir zuliebe einen Kompromiss einzugehen, indem er dennoch zu einer kirchlichen Heirat zustimmt? Es wäre ja nur eine Formalität und hätte für dich berufliche Vorteile und für ihn im Gegenzug keine nennenswerten Nachteile. Wenn er mit der Kirche nicht viel anfangen kann, muss er danach ja nicht mehr hin oder eine Bibel in die Hand nehmen.


    Mit freundlichen Grüßen

  • Naja, du bist christlich und möchtest eh heiraten. Wäre dein Partner nicht bereit, dir zuliebe einen Kompromiss einzugehen, indem er dennoch zu einer kirchlichen Heirat zustimmt?

    Kann er, wird er sicher auch.


    Aber ich finds trotzdem, um's mal unschön auszudrücken, besch***en, dass mein Arbeitgeber uns das vorschreibt, wann und wie wir zu heiraten haben.

  • Komm doch wieder nach Hamburg zurück... Schulen die suchen, gibts genug. Du warst doch vorher in HH, oder erinnere ich mich falsch?

  • Es handelt sich aber um einen christlichen Träger, oder? (im katholischen Bereich wären das z.B. Orden oder die Caritas, im evangelischen Bereich z.B. die Diakonie)
    Dann ist es egal, die sind immer mindestens indirekt an ein Bistum, bzw. eine Landeskirche angebunden und bekommen von denen auf den Deckel, wenn Sie sich nicht an die Regeln halten. Und eine Nicht-Heirat ist kein schwerer Verstoß, aber nach christlicher Morallehre (in beiden Kirchen) eben auch nicht der Optimalzustand. Ist dir denn irgendetwas "angedroht" worden oder ist es eher das ungute Gefühl, dass du dich gegängelt fühlst?

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Ich frage mal ganz naiv: Muss man nicht, auch im Jahr 2019, damit rechnen, dass so etwas gefragt und auch erwartet wird? Ich habe auch ein halbes Jahr an einer Schule in christlicher Trägerschaft gearbeitet und ich wusste, dass ich dort niemals eine feste Stelle bekommen würde, weil ich nicht kirchlich verheiratet bin und das auch nicht vorhabe.

    Einmal editiert, zuletzt von EffiBriest ()

  • Ist dir denn irgendetwas "angedroht" worden oder ist es eher das ungute Gefühl, dass du dich gegängelt fühlst?

    Es ist viel mehr das Gefühl, dass mein Arbeitgeber so gravierend nicht nur in mein Leben einschreiten will, sondern auch über das meines Partners.

    Es handelt sich aber um einen christlichen Träger, oder?

    Ne, es ist eine ökumenische Schule in freier Trägerschaft.



    Muss man nicht, auch im Jahr 2019, damit rechnen, dass so etwas gefragt und auch erwartet wird

    Ich weiß nicht, aber das hätte ich schon gerne vor dem Unterschreiben des Vertrages gewusst, dass nicht nur ich, sondern auch mein Partner, der ja vielleicht ein Ex-Zeuge Jehovas oder ein Muslim oder ein Pastafari ist, christlich sein muss. Finde ich den absoluten Scherz.

  • Ich bin ja nun nicht christlich, aber ich hätte das nicht für möglich gehalten. Seit wann darf sich ein Arbeitgeber in sowas einmischen?

  • Das Interessante ist, dass wenn die Landeskirche oder ein Bistum dein Arbeitgeber ist, dann dürfen die so Einiges von dir verlangen.


    Aber da dem nicht so ist, finde ich es nicht gerechtfertigt. Abgesehen davon, dass davon vorher NIE die Rede war.


    Es ist ein richtig bescheidenes Gefühl, das sich bei mir breit macht. Ich bin gerne Christin, aber ich bin auch gerne selbstständig und progressiv in meiner Geisteshaltung und lasse mir da ungern reinreden: Nicht von meinen Eltern, nicht von meinem Partner, nicht von meinen Freunden. Von meinem Arbeitgeber erst recht nicht.

  • Naja, du bist christlich und möchtest eh heiraten. Wäre dein Partner nicht bereit, dir zuliebe einen Kompromiss einzugehen, indem er dennoch zu einer kirchlichen Heirat zustimmt? Es wäre ja nur eine Formalität und hätte für dich berufliche Vorteile und für ihn im Gegenzug keine nennenswerten Nachteile. Wenn er mit der Kirche nicht viel anfangen kann, muss er danach ja nicht mehr hin oder eine Bibel in die Hand nehmen.


    Mit freundlichen Grüßen

    Mein Mann ist Christ und arbeitet für den Verein. Ich nicht, und es wäre für mich auch keine Formalität, es widerstrebt mir zutiefst für eine Überzeugung zu lügen, die ich nicht teile.
    Für seine Arbeit spielt es glücklicherweise keine Rolle, dass wir ‚nur‘ standesamtlich verheiratet sind.
    Ich kenne es tatsächlich von katholischen Einrichtungen, dass eine christliche Ehe erwartet wird. Schulen in katholischer Trägerschaft nehmen ja auch bevorzugt katholische Schüler*innen aus katholischen Familien.

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