ADHS ohne Ritalin in den Griff bekommen

  • Dann zitiere ich mal direkt aus dem von dir verlinkten Artikel um dich zu widerlegen. War auch der letzte Satz...

    Diejenigen Untersuchungen, die qualitativ hochwertiger sind und genügend Versuchspersonen einbeziehen, liefern allerdings bisher keine eindeutigen Belege dafür, dass Menschen mit ADHS tatsächlich die besseren Querdenker sind.

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

    Einmal editiert, zuletzt von Valerianus ()

  • @Valerianus
    Ich habe noch nie erlebt, dass ein anderer Test als HAWIVA oder HAWIK IV bzw. V verwendet worden ist, und ich bin mit einem Sohn mit ADS und einem weiteren Sohn mit einer ADHS/Autismus-Kombination sowie einer vielfach betroffenen Schwiegerfamilie extrem erfahren. Egal ob SPZ, niedergelassener Kinder- und Jugendpsychiater oder Sonderpädagogen: alle haben Tests mit Arbeitsgedächtnis-Anteil verwendet. Vor und nach den Diagnosen.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • CDL „Unkritisch einfach nur Ritalin als Lösung zu propagieren- und danach lesen sich für mich manche Beiträge hier- ist aber sicherlich auch keine verallgemeinerbare Lösung.“
    Komisch - Ich hatte vielmehr den Eindruck, dass viele Beiträge sich eher gegen Ritalin, aber bei denen die eher dafür sprachen, alle eine gesicherte Diagnose verlangen und alternative Therapien nicht ausschließen.
    Da die ganze Sache ja sehr individuell unterschiedlich zu beurteilen ist, muss man genauso individuell auf die möglichen Therapieansätze schauen. Mir war es dabei wichtig, Ritalin nicht pauschal zu verteufeln, da es eben in manchen Fällen wie eine Erlösung wirkt und dann seine Berechtigung hat.


    „Medizin ist halt keine exakte, sondern nur eine empirische Wissenschaft“, sagt mein Onkologe immer, wenn es um Therapien geht. Das macht das ganze so problematisch, denn die Studienausgangslagen sowie deren Interpretationen sind oft nicht eindeutig genug.

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Zwei Dinge:


    1.) Ich habe eine chronische Erkrankung und nehme dagegen ein Medikament. Dieses Medikament wirkt bei der Erkrankung in ungefähr 60% der Fälle und kann deutliche Nebenwirkungen haben. Es wirkt bei mir und ich habe keine Nebenwirkungen. Kann ich daraus schließen, dass es bei jedem wirkt und es keine Nebenwirkungen gibt oder sollte ich mich auf den Beipackzettel verlassen?
    2.) Du versuchst gerade eine empirische Studie (deren Ergebnisse nebenbei auch repliziert worden sind) mit dem Buch einer Kinderärztin zu wiederlegen? Wow...und nur damit das klar ist: Eine durchschnittliche IQ-Absenkung sagt nichts über Einzelfälle und es wird auch nicht behauptet, dass die ADHS ursächlich ist (es kann auch beispielsweise der mangelnde Support durch Eltern und Lehrer sein), aber der Zusammenhang existiert und geht durch anekdotische Evidenz nicht weg...

    Eine Oberärztin und anerkannte ADHS-Expertin mal so einfach als Kinderärztin zu bezeichnen halte ich bei folgender Vita schon für mehr als sportlich:


    http://www.helga-simchen.info/Informationen-zur-Person


    Und zum Thema "anekdotische Evidenz" (klingt gut!): Bin mal gespannt wieviele (sich auch widersprechende) empirische Studien noch zu dem Thema bis zu meiner Pensionierung erscheinen? Sicher auch zu den Themen "Wie definiere ich Intelligenz und finde die entsprechenden Tests dazu ?"
    Aber vielleicht sehen wir Sonderpädagogen ja Menschen mit Handicaps, den Begriff IQ und die entsprechende individuelle Förderung einfach anders (differenzierter?) als ein normaler Gymnasiallehrer? Nicht umsonst unterstützen ja zahlreiche Kollegen die Lehrer an den allgemeinbilden Schulen beim Versuch der Inklusion.

  • Ich persönlich habe gefühlt (!) eigentlich nur folgende Vorteile:
    1. Ohrwürmer greifen bei mir nicht.
    2. Ich kann feststellen, wenn in der letzten Reihe gequatscht wird.


    Folgende Nachteile habe ich persönlich erlebt, die in der Form stärker zu sein scheinen als bei anderen Menschen:
    1. Repetitive Aufgaben habe ich in sehr kurzer Zeit satt.
    2. Bereits leise Gespräche meiner SuS lenken mich exorbitant ab.
    3. Ich bin kaum in der Lage, ohne Zeitdruck Aufgaben rechtzeitig zu erledigen (bspw. in den Ferien Unterricht planen).
    4. Längere Konzentrationsaufgaben (Schachspiele über 10 Minuten bspw.) sind für mich nicht möglich.


    Und ich habe nachweislich ADHS, allerdings eine leichtere Ausprägung (sie wurde auch erst mit 16 diagnostiziert und nicht behandelt, weder medikamentös noch per Therapie). Das ich trotzdem ein zweites StEx und eine Promotion gemacht habe, ist auch viel Glück gewesen.


    Daher, ganz persönlich anekdotisch: Die Gabe von Medikamenten kann einen Leidensdruck stark verringern und die Lebensqualität des Menschen erhöhen. Ich wünsche mir manchmal, dass ich damals auf eine Therapie bestanden hätte. Aber da dachte man ja noch, dass sich das auswächst.

  • Das hört sich so einfach an. Könnte ich mir bei besagtem Fall trotzdem nicht vorstellen. Wollen die anderen Schüler dann nicht auch? Was sagt ihr denen?

    Kann man auch nicht pauschalisieren. Bewegung ist bei ADHS sicher eine sehr gute Möglichkeit Streß abzubauen und Ruhe in die Gruppe zu bringen. Sehr gute Erfahrungen habe ich auch mit entsprechender (!) Software (muß man ausprobieren, Counter Strike ist sicher keine gute Empfehlung!) am PC oder IPad gemacht. Schon erstaunlich wie manche extrem unruhige Geister, auch mit den unterschiedlichsten Handicaps, sich auf diese Art selbst runterbeamen. Hyberfokusierung! Zeichnen/Malen, Drucken, Werken mit Holz (insbesondere sägen und schleifen mit Hand) bringen auch erstaunliche Resultate und Erfolgserlebnisse.

  • Oh, das kommt mir so bekannt vor. Aus eigener Erfahrung weiß ich das es sehr schwierig ist das richtige Medikament und die entsprechende Dosis zu finden. Schwierig auch die anfänglichen Nebenwirkungen. Aber das hat sich alles gelegt. Ich hatte das Glück eine kompetente Fachärztin und Spezialistin für Erwachsenen-ADHS zu finden. Ich würde mal Concerta oder Strattera testen. Hat bei einer Bekannten, welche Medikenet und Ritalin nicht verträgt, sehr gut angeschlagen .


    Die Nachteile 1-4 kenne ich auch, sind aber mit MPH so gut wie verschwunden. Selbst Musik höre ich viel intensiver und kann einzelne Instrumente lokalisieren. Lt. Aussage von Ärzten höre ich allerdings Musik auch das erste Mal so wie es Menschen ohne ADHS hören.
    Mittlerweile kann ich mich zudem sehr gut konzentrieren. Konferenzen ertrage ich fast stoisch, wobei mir arrogante Selbstdarsteller, Zeitfresser und Nervensägen noch immer intensiv auf den Wecker gehen. Mittlerweile merke ich aber wenn ich dann sehr schnell das Thema wechsle und oder den Personen ins Wort falle. Der Hyberfokus, besonders bei kreativen Tätigkeiten und am PC, ist gleich geblieben. Sachen die mich weniger interessieren. Bürokram, Förderpläne, Unterrichtsvorbereitung werden durchgezogen. Planung funktioniert nur mit Software und Todo-Listen!

  • Und zum Thema "anekdotische Evidenz" (klingt gut!): Bin mal gespannt wieviele (sich auch widersprechende) empirische Studien noch zu dem Thema bis zu meiner Pensionierung erscheinen? Sicher auch zu den Themen "Wie definiere ich Intelligenz und finde die entsprechenden Tests dazu ?"Aber vielleicht sehen wir Sonderpädagogen ja Menschen mit Handicaps, den Begriff IQ und die entsprechende individuelle Förderung einfach anders (differenzierter?) als ein normaler Gymnasiallehrer? Nicht umsonst unterstützen ja zahlreiche Kollegen die Lehrer an den allgemeinbilden Schulen beim Versuch der Inklusion.

    Was genau trägt der letzte Teil jetzt zum Thema bei bzw. inwiefern hat dieser damit zu tun? Stehe auf der Leitung..

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Was genau trägt der letzte Teil jetzt zum Thema bei bzw. inwiefern hat dieser damit zu tun? Stehe auf der Leitung..

    Ich glaube der Adressat hat mich schon verstanden. Aber egal...PN wäre vielleicht sinnvoller gewesen. Du darfst es ignorieren. Stimmt. Zurück zum Thema.

  • @Jule13: Ok, vielleicht war ich zu verallgemeinernd. Die Frage ist doch: Was will ich herausfinden? Wenn ich auf ADHS teste und eine Intelligenzminderung ausschließen will, nehme ich den Wechsler, einfach weil es der Standard ist, sehr umfangreich, seit vielen Jahren dabei. Will ich eine Hochbegabung ohne ADHS testen, nehme ich einen Test der den oberen IQ-Bereich gut abdeckt, z.B. den BIS-HB, teste ich sprachfrei, nehme ich den CFT-20. Wenn ich jetzt bei einem ADHS Kind mit starken exekutiven Einschränkungen auf Hochbegabung testen wollte, dann darf ich keinen IQ-Test mit AG-Skala nehmen, das widerspricht sich doch schon formallogisch. Ich kann doch auch keinem LRS-Kind sagen: Wir testen mal wie toll du Aufsätze schreiben kannst, aber 20% der Bewertung sind die Rechtschreibung. 8|


    @privat: Oberärztin ist von der Qualifikation her dieselbe Stufe wie niedergelassener Facharzt. Das macht man halt, wenn man seinen Facharzt fertig hat. Den Begriff IQ und Intelligenztest sehen Sonderpädagogen, genauso wie Mediziner leider häufig anders als er von Psychologen gedacht worden ist, ist mir auch schon aufgefallen, aber ob falsches Verständnis das Verständnis differenziert macht, weiß ich nicht unbedingt. Ich bin mit IQ-Tests, Arbeitsgedächtnis, Menschen mit Teilleistungsstörungen und auch entsprechender individueller Förderung vertraut, vermutlich deutlich besser als der durchschnittliche Gymnasiallehrer oder Sonderpädagoge, danke für den argumentativ schwachen und dringend notwendigen Seitenhieb. Hast du inzwischen darauf reagiert, dass der von dir verlinkte Titel deine These überhaupt nicht stützt oder hast du da nur die Überschrift gelesen und direkt verlinkt? ;)

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    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Och, so schlimm fand ich das gar nicht, dass das Arbeitsgedächtnis mit getestet wurde. Immerhin kann man so sehr genau erkennen, wo die Schwierigkeiten tatsächlich liegen. Und die Zickzackkurve in der Auswertung demonstriert sehr eindrücklich, warum mein Kind so dermaßen verwirrt wirkt. :staun:

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Ich bin mit IQ-Tests, Arbeitsgedächtnis, Menschen mit Teilleistungsstörungen und auch entsprechender individueller Förderung vertraut, vermutlich deutlich besser als der durchschnittliche Gymnasiallehrer oder Sonderpädagoge, danke für den argumentativ schwachen und dringend notwendigen Seitenhieb. Hast du inzwischen darauf reagiert, dass der von dir verlinkte Titel deine These überhaupt nicht stützt oder hast du da nur die Überschrift gelesen und direkt verlinkt? ;)

    Tja, wie soll der "durchschnittliche" Sonderpädagoge und gymnasiale Kollege neben solchen Koryphäen eigentlich bestehen? Warum bist du bei so einem Qualifikationspotential nicht in die freie Wirtschaft gegangen? Solche Überflieger und Multitalente werden dort händeringend gesucht...(In der Regel aber auch für manche sehr ernüchternd mal aus der Blase Schulalltag und Selbstüberschätzung razuszukommen) So, und jetzt kannst du wieder loslegen! Sorry für OT, aber das mußte sein (LOL) Und damit ist alles gesagt. Viel Spaß noch! :spritze:

  • Ich schick dir per PN gerne den Link zur Dissertation, wenn du daran wirklich Interesse hast [edit]. Wo in der freien Wirtschaft Leute mit Promotion in der Lehr-Lernpsychologie gesucht werden, kannst du mir dann auch gerne per PN näher erläutern. :)

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    Einmal editiert, zuletzt von Valerianus ()

    • Offizieller Beitrag

    Die Nachteile 1-4 kenne ich auch, sind aber mit MPH so gut wie verschwunden. Selbst Musik höre ich viel intensiver und kann einzelne Instrumente lokalisieren. Lt. Aussage von Ärzten höre ich allerdings Musik auch das erste Mal so wie es Menschen ohne ADHS hören.

    OT: Was ist denn beim Musikhören der Unterschied zwischen Menschen mit und ohne ADHS?
    Zu den von @BlackandGold genannten Nachteilen: "Repetitiv" finde ich (ohne ADHS) bereits, in zwei aufeinanderfolgenden Jahren in Musik die gleichen Musikwerke und Lieder zu unterrichten. 8)

  • Ich schick dir per PN gerne den Link zur Dissertation, wenn du daran wirklich Interesse hast [edit]. (...) Promotion in der Lehr-Lernpsychologie (...)

    Klingt spannend, würde ich alternativ auch nehmen per PN. :)

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • OT: Was ist denn beim Musikhören der Unterschied zwischen Menschen mit und ohne ADHS?Zu den von @BlackandGold genannten Nachteilen: "Repetitiv" finde ich (ohne ADHS) bereits, in zwei aufeinanderfolgenden Jahren in Musik die gleichen Musikwerke und Lieder zu unterrichten. 8)

    Repetitive Aufgaben sind für mich ja schon das Üben eines Musikinstrumentes. Weswegen ich Schwierigkeiten habe, über ein bestimmtes Grundlevel zu kommen... :D Obwohl ich echt gerne was spielen können würde.

  • Daher wollte ich mal euer Schwarmwissen befragen: Gibt es Alternativen zu Ritalin o.ä., die bei einem eurer Kinder sichtlich Erfolge gebracht haben?(Ich würde gerne einer Mama weiterhelfen, bei deren Kind die Diagnose noch offen ist, die alles tun würde, aber eben keine Medikamente geben möchte.)


    Hallo Krümelmama,


    ich habe die Diskussion nicht verfolgt - es ging wohl wie meist bei dem Thema um prinzipielle Fragen -, daher kann es sein, dass die Antwort schon kam.


    Das war mein Prüfungsthema in Psychologie und dort hatte ich in aktueller Literatur gelesen, dass 70% der erfolgreichen Behandlung bzw. Linderung der akuten Symptome über das Medikament entschieden wird (wobei die richtige Einstellung oft entscheidend ist, die wiederum nur über eine ärztlich gute Behandlung/Betreuung erfolgen kann und Eltern, die durchblicken, was nicht selten nicht der Fall ist) und zu 30 % über begleitende Therapien, z.B. Verhaltenstherapie. Dies deshalb, da mit langjährig nicht (rechtzeitig) behandeltem AD(H)S häufig zusätzliche Problematiken einher gehen, z.B. Selbstbewusstseinsdefizite, Depressionen etc.


    Also nein: Ohne Medikation ist eine Behandlung von schweren AD(H)S-Fällen nicht möglich. Es gibt auch keine belastbaren Studien, die das Gegenteil beweisen könnten und zahlreiche bekannte Fälle, wo alternative Ansätze komplett in die Hose gegangen sind.


    der Buntflieger

  • Um nochmal mit dem "Ritalin wirkt nur bei Menschen die ADHS haben"-Mythos aufzuräumen: Non-specific effects of methylphenidate (Ritalin) on cognitive ability and decision-making of ADHD and healthy adults.


    Die Leitlinie für ADHS sieht den Einsatz von Ritalin bei leichten Fällen von ADHS ebenfalls nicht vor, bei schweren ADHS Fällen ist die medikamentöse Behandlung zwingend (in Bezug auf @Buntflieger), in der Leitlinie findet man übrigens auch die psychosozialen Therapieansätze die gut belegt wirken (unten).

    If you look for the light, you can often find it.
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    • Offizieller Beitrag

    Repetitive Aufgaben sind für mich ja schon das Üben eines Musikinstrumentes. Weswegen ich Schwierigkeiten habe, über ein bestimmtes Grundlevel zu kommen... :D Obwohl ich echt gerne was spielen können würde.

    Das geht fast allen so., sonst wären ja die meisten bekannte Musiker. Ich habe zum Leidwesen meines Vaters immer mehr Pause gemacht als Geige geübt.

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